Protokoll der Sitzung vom 30.01.2019

Die HÖB wurde so auch zu einem wichtigen Faktor für Chancengleichheit. Es ist inzwischen zu einem geflügelten Wort geworden: Hamburgs öffentliche Bücherhallen erfinden sich immer wieder neu. Und wenn wir über die Zukunft reden, dann müssen wir natürlich auch über das Bibliothekskonzept Bücherhallen Hamburg 2021 sprechen. Hier sind neben einer Bestandsaufnahme, neben viel Erhellendem zum Selbstverständnis auch Initiativen beschrieben, die wir mit unserem Sanierungsfondsantrag aufnehmen, über den wir heute befinden – ich komme darauf gleich noch einmal zurück.

In den Neunzigerjahren bis 2009 hatten die Bücherhallen mehrere Konsolidierungen zu bewältigen, die auch zu Eingriffen in die Struktur des Systems geführt haben.

Wir haben bereits mit dem Doppelhaushalt 2013/2014 erfolgreich begonnen, über Maßnahmen aus dem Sanierungsfonds oder auch dem ITGlobalfonds den Betriebshaushalt zu entlasten und zugleich die Abläufe zu modernisieren. Mit dem Doppelhaushalt 2017/2018 wurden die Zuwendungen um 1,15 Millionen Euro erhöht und eine jährliche Indexierung von 1,5 Prozent festgeschrieben. Damit ist die Finanzierung derzeit immerhin auskömmlich.

Die HÖB steht aber vor neuen Herausforderungen. Die klassische Kennzahl Ausleihe, derzeit noch recht stabil, wird den Betrieb auf Dauer nicht tragen und das gilt perspektivisch auch für die digitalen Angebote.

Öffentliche Bibliotheken, das ist ein weltweiter Trend, werden verstärkt zum sogenannten dritten Ort neben der Familie oder dem Zuhause und dem Arbeitsplatz oder der Schule beziehungsweise dem Ausbildungsplatz. Hier wollen Menschen zusammenkommen und wir können diese Entwicklung, das Bedürfnis, das damit verbunden ist, nicht zuletzt auch bei der Zentralbibliothek beobachten. Dazu bedarf es ansprechender Räume, modern ausgestattet, barrierefrei und offen. Hier gilt es zu investieren, und zwar so, wie sich die Verantwortlichen der HÖB das überlegt haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

(Vizepräsidentin Christiane Schneider)

Die Vorhaben sind also mehr als einfach anstehende Sanierungsmaßnahmen. Die HÖB will auch in den Stadtteilen präsenter und sichtbarer werden und auch das verbinden wir mit dem Aufbruch der HÖB. Bücherhallen in Stadtteilen, Kulturzentren und Community Center werden zum Herzstück neuer Orte, an denen sich Menschen gleich welchen Alters und gleich welcher Herkunft treffen, ein wichtiger integrativer Beitrag zur Identitätsstiftung.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Berichtsersuchen und ich bitte Sie an dieser Stelle auch um Zustimmung zu unserem Sanierungsfondsantrag.

(Glocke)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Herr Rose, kommen Sie bitte zum Ende.

Ich denke, Investitionen von rund 2,9 Millionen Euro on top sind das richtige Signal zum 100-jährigen Bestehen. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Rose. – Für die CDU-Fraktion erhält nun Herr Wersich das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Herr Rose, Sie waren ja richtig gut drauf. Das war wie einst am Besenbinderhof zum 1. Mai hier.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN, der LIN- KEN und der FDP)

Der Enthusiasmus ist da und ich glaube, wahrscheinlich fast jeder hier im Haus wird seine eigenen Erinnerungen und prägenden Erfahrungen mit den Bücherhallen gemacht haben. Ich zum Beispiel musste damals, bevor ich in die Kinderbuchabteilung kam, meine Hände vorzeigen, ob sie auch wirklich sauber sind. Ich habe in der Bücherhalle Zugang zur Literatur gefunden, die bei uns zu Hause verpönt, vielleicht sogar verboten war, zum Beispiel zu Asterix und Obelix, aber auch später noch eine Menge gelernt.

Seitdem hat sich natürlich viel in den Bücherhallen getan. Es sind neue Medien gekommen; manche von ihnen sind auch schon wieder weg. Aber es ist immer noch geblieben, dass dort grundsätzliche Kulturtechniken vermittelt werden, dass dort die Chance besteht, in andere Welten einzutauchen, andere Erfahrungen zu machen, die man vielleicht zu Hause nicht so macht, und es ist ein Ort geworden, in dem Gemeinschaft in der Gesellschaft entsteht. Diese Veränderungen bei den öffentlichen Bücherhallen sind weniger wegen, sondern trotz

der Politik, so würde ich das einmal formulieren, in den vergangenen Jahren gemacht worden, denn eigentlich haben die Bücherhallen unter jeder Regierung gelitten. Es gab eine Menge Schließungen von Bücherhallen bei Bürgermeister Voscherau, bei Bürgermeister Runde, auch der schwarz-grüne Senat hat in der Finanzkrise scharfe Finanzierungs- und Einsparauflagen erlassen und auch die neue SPD hat sechs Jahre lang schlichtweg die Kostensteigerungen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht ausgeglichen und damit die HÖB einer harten Bewährungsprobe unterzogen.

Deswegen möchte ich an dieser Stelle sagen: Dass unsere Bücherhallen so attraktiv sind, ist weniger ein Verdienst der Politik, es ist vor allen Dingen ein Verdienst der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und, ganz an der Spitze, von Hella Schwemer-Martienßen, die seit vielen Jahren die Bücherhallen mit großem Engagement leitet und die quasi mit dem 100-jährigen Jubiläum jetzt auch an das Ende ihrer Amts- und Dienstzeit kommt. Deswegen von dieser Stelle einen herzlichen Dank an Frau Schwemer-Martienßen und an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hamburger Bücherhallen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN, der LINKEN und der FDP)

Die Anträge von Rot-Grün sind natürlich interessant und sie kommen gerade vor Wahlen; da wird dann das Füllhorn ausgeschüttet. Unterm Strich würde ich einmal den Kolleginnen und Kollegen sagen, von denen auch … Herr Rose, ich weiß, dass Sie das ärgert, aber ehrlich gesagt überschätzen die Parteien etwas den Effekt, was sie mit Last-Minute-Aktionen zur Korrigierung der eigenen Fehler der vergangenen Jahre noch umdrehen können.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der AfD)

Das mag uns aber recht sein, denn unterm Strich nützt es den Institutionen und deshalb stimmen wir auch zu.

Das Zweite ist, dass wir nun zwei Anträge haben und witzigerweise haben Sie gar nicht den mit Substanz angemeldet, sondern den anderen. Wenn man dann einmal aufs Datum guckt, sieht man, dass der erste Antrag, der mit Substanz, mit 2,91 Million Euro, am Schluss einen Bericht zum 31. Dezember 2020 vorsieht. Ups, da haben wohl die Kollegen gedacht, hm, das sei vielleicht nicht das geschickteste Datum. Zwei Tage später reichen Sie also einen Antrag ein, der überhaupt keine neuen Fakten, Tatsachen schafft, aber noch einmal schnell zum 31. Mai dieses Jahres einen Bericht abfordert.

Ich bin schon heute relativ sicher, dass wir wahrscheinlich spätestens bei der LPK am 21. Mai vom Senat einen Bericht darüber erhalten werden, welche tollen Segnungen für die Bücherhallen geplant

(Wolfgang Rose)

sind. Eine Woche vor der Wahl macht sich das ganz gut.

(Zuruf von Wolfgang Rose SPD)

Trotz dieser strategischen Überlegungen, dient es der Sache. Wir sind da an Ihrer Seite, wir freuen uns gemeinsam und deshalb stimmen wir den Anträgen heute auch zu. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Wersich. – Für die GRÜNE Fraktion erhält jetzt Herr Gögge das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Cicero soll gesagt haben, ein Raum ohne Bücher sei wie ein Körper ohne Seele. So betrachtet, haben unsere Hamburger Bücherhallen natürlich enorm viel Seele und das spürt man auch.

Es wurde von Herrn Rose schon erwähnt: 400 Mitarbeiter, 32 Standorte, zwei mobile Bücherhallen auf Rädern, das ist insgesamt das, was die meistgenutzte Kultureinrichtung in dieser Stadt ausmacht. Fast 5 Millionen Hamburgerinnen und Hamburger nutzen pro Jahr das riesige Medienangebot vor Ort und das allein zeigt schon die enorme Bedeutung, die die Bücherhallen für diese Stadt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und es kommen natürlich noch mehrere Millionen virtuelle Mediennutzungen und auch zahlreiche Veranstaltungen dazu, bei denen man etwas lernen oder selbst gestalten kann; die sind sehr gut besucht. Die Vielfalt der Formate ist erstaunlich. Wir hätten zum Beispiel, statt uns hier auszutauschen, heute in der Bücherhalle Bramfeld Gedichten lauschen oder Werke von Künstlerinnen zum Thema "100 Jahre Frauenstimmrecht" in der Zentralbibliothek betrachten können. Aber auch Lernen für die Deutschprüfung oder Hausaufgabenhilfe werden angeboten. All das ist kein Gedöns oder ein Nice-to-have, sondern das sind unverzichtbare Angebote. In manchen sozial benachteiligten Gegenden sind die Bücherhallen die einzige städtische Einrichtung, die allen offensteht. Wir sehen, dass es ohne HÖB nicht geht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

In diesem Jahr wird das Bibliothekssystem 100 Jahre alt und entscheidend dabei ist – das wurde richtigerweise erwähnt –, dass die HÖB sich immer wieder neu erfinden. Sie sind eine Einrichtung, die allen offensteht, unabhängig von Alter, Geschlecht, ethnischer oder sozialer Herkunft. Deshalb hat die Koalition die HÖB weit oben auf die Agenda gesetzt. Unsere Bibliotheken sind ein Schatz für Hamburg, den wir hegen und pflegen und weiter nach vorn bringen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Aus diesem Grund haben wir schon im letzten Doppelhaushalt die Grundlage für den zukünftigen Erfolg geschaffen. Neben der Zuwendungserhöhung um 1,15 Millionen Euro gilt seit diesem Jahr eine jährliche Zuwachsrate von 1,5 Prozent. Zum Teil sind die einzelnen Filialen auch ganz gut aufgestellt und vorn, was Innovationen in diesem Bereich angeht.

Ich will als Beispiel einmal Finkenwerder nennen, wo durch das Open-Library-Service-System die Nutzung auch unabhängig vom Personal möglich ist. Das ist in Deutschland die erste Bibliothek, die das anbietet. Trotzdem gibt es einiges zu tun, denn einige Standorte müssen auf Vordermann gebracht werden. Dazu gehören gründliche Sanierungen, um die Aufenthaltsqualität zu verbessern. Teilweise sind auch Umzüge und neue Anmietungen notwendig, um Platz zu schaffen oder die Barrierefreiheit sicherzustellen.

Das ist eine beträchtliche Aufgabe, die wir zusammen mit den Bücherhallen angehen. Deshalb stellen wir 2,9 Millionen Euro aus dem Sanierungsfonds zur Verfügung, um den Bücherhallen den Rücken zu stärken. Damit wird dann zum Beispiel der Open-Library-Betrieb auch in Schnelsen möglich.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich glaube, uns allen in diesem Hause ist bereits klar, dass die Bücherhallen längst viel mehr sind als ein Ort, an dem man Gedrucktes abholt. Besonders die Zentralbibliothek hat sich schon zum sogenannten dritten Ort entwickelt, so eine Art vorgelagerte Erweiterung des Wohnzimmers. Man findet ein tolles Medienangebot, kann in Gruppenräumen lernen, in gemütlichen Sesseln schmökern, auch Musik machen. Und natürlich gibt es das beste WLAN der Stadt. Hier hält man sich gern auf. Für viele ist das aber auch der einzige Raum, in dem sie zusammenkommen oder zur Ruhe kommen können. Daher ist es nur konsequent, dass auch in Hamburg das Projekt Sonntagsöffnung, das in anderen Städten schon erfolgreich erprobt wird, gestartet wird. So stellen wir sicher, dass auch an diesem Tag das Wohnzimmer unserer Stadt zugänglich ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dafür dass die öffentlichen Bücherhallen so großartig aufgestellt sind, kann man Hella Schwemer kaum genug danken. Sie hat gemeinsam mit ihren Beschäftigten in jahrelanger Schwerstarbeit und – auch das ist deutlich geworden – in nicht immer leichten Zeiten Herausragendes geleistet. Auch bei Gegenwind hat sie fest das Ziel im Blick gehabt, eines der modernsten Bibliothekssysteme zu entwickeln und dieses Niveau zu halten, und das ist

(Dietrich Wersich)

ihr hervorragend gelungen. Ganz herzlichen Dank, Hella Schwemer-Martienßen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Im September wird die neue Leiterin, Frauke Untied, dann Bibliotheken übernehmen können, die optimal für die Zukunft aufgestellt sind, großartige Räume, die ganz viel Seele haben. – Vielen Dank.