Protokoll der Sitzung vom 27.02.2019

Herr Dr. Flocken.

(Glocke)

Herr Dr. Flocken, Sie bemerken die Ungeduld der Zuhörenden, doch etwas enger zum angemeldeten Thema bitte zu kommen.

(Beifall bei Jörg Hamann CDU)

Ja.

Was machen nun Sie? Sie lassen sich einspinnen in die Begriffe und somit in das Denken der alten Dunkelmenschen, in Begriffe, die zumeist alte schwarze Frauen geprägt haben. Als ob Genderwissenschaften nicht existierten, als ob Milliarden von Euro für diese Lehrstühle umsonst ausgegeben würden,

(Dr. Monika Schaal SPD: Ja, wir sind empört über das Gequatsche! – Zurufe)

reden Sie von Frauen und Männern, die es doch gar nicht gibt. Schlimmer, Sie schreiben diesen auch noch unterschiedliche Eigenschaften zu, unterschiedliche Eignungen für bestimmte Felder der Politik. In der Heissnerschen Terminologie ein Fall von eklatantem Biologismus. Wenn ich kandidieren will,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Keiner will, dass Sie kandidieren!)

zwingen Sie mich zu entscheiden, ob als Mann oder Frau. Wie können Sie das verantworten? – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Meine Damen und Herren, wir starten mit einer zweiten Runde und das Wort bekommt erneut Frau von Treuenfels-Frowein jetzt für drei Minuten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich würde sagen, wir kehren einmal wieder zur Sache zurück.

(Beifall bei Michael Kruse und Daniel Oetzel, beide FDP)

Ich glaube, dass wir uns alle ziemlich einig darin sind, dass wir uns über Werte und über Gerechtigkeit und Ähnliches unterhalten wollen. Da möchte ich jetzt gern einmal zwei Repliken wagen.

Das Erste ist, dass ich es schon erstaunlich finde, dass die SPD sich politisch noch gar nicht positioniert, sondern Sie legen so ein bisschen im Konjunktiv …

(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Dann müssen Sie den Zusatzantrag lesen! Wir prüfen!)

Ja, genau, da machen Sie so eine rot-rot-grüne Koalition auf, wir würden und wir prüfen und eventuell im Grunde des Tages.

Die GRÜNEN haben sich richtig positioniert. Ich finde es zwar falsch, aber sie sagen, was sie wollen. Sie sagen so: Ja, wahrscheinlich, vielleicht, wir prüfen einmal. Was denn jetzt eigentlich? Wollen Sie das politisch oder wollen Sie das politisch nicht? Ja oder Nein, das ist hier einmal die Ansage. Bei so einer großen Fraktion muss man das schon erwarten können.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Zweitens möchte ich jetzt gern einmal ein bisschen persönlich werden, denn ich wurde während meiner Rede und auch danach, fand ich, so ein bisschen, wie soll ich sagen, persönlich angegriffen. Das finde ich etwas unsachlich, wenn ich das einmal sagen darf.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)

Ehrlich, wenn man sich als Frau hier hinstellt und für die Frauenrechte kämpft und ich als Frau mich hierhin stelle und sage, ich möchte das nur nicht per Zwang, mir dann zu unterstellen, wir als FDP wären wohl dagegen und wir sollten uns einmal unsere Partei angucken und die Frauen würden uns nicht wählen – das finde ich so unfassbar unsachlich, dass ich das gar nicht ernst nehmen kann.

(Beifall bei der FDP, der CDU und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)

Das Gleiche gilt … Wenn sich hier ein Mann wie Herr Seelmaecker hinstellt und dazu spricht, dann gibt es erst einmal Gelächter. Was für eine Art von Gleichberechtigung wollen Sie eigentlich? Nur, dass die Frauen bevorzugt sind, oder dürfen die Männer hier auch noch einmal mitreden?

(Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD – Dirk Kienscherf SPD: Es gibt hier auch Män- nerversteher!)

Das bringt mich gleich zum nächsten Punkt. Hier wird immer so viel von den Frauen gesprochen. Da wird ständig so ein Männerduktus angewandt, den Sie den Männern zuschreiben. Das hat immer etwas mit Macht zu tun, Frauen an die Macht. Warum sagen Sie das nicht ein bisschen anders? Warum müssen Sie unbedingt Politik als Macht bezeichnen? Sagen Sie doch, was wir sind. Wir sind gewählte freie Abgeordnete. Wir sollen für die Bürger dieser Stadt Politik machen und wir sollen nicht Machtbefugnisse ergreifen. Das hat mit Gerechtigkeit überhaupt nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD)

(Dr. Ludwig Flocken)

Das hat nur damit zu tun, dass Sie draußen den Frauen weismachen wollen, dass Sie mehr Politik für Frauen machen können, wenn es Frauen sind. Das ist genau das Gegenteil von Gleichberechtigung. Ich erwarte von jedem einzelnen Mann, der hier sitzt, dass er genauso gut Politik für Frauen machen kann, wie ich hoffe, dass ich es für Männer machen könnte. Darauf kommt es an, auf gar nichts anderes hier.

(Beifall bei der FDP, der CDU und der AfD)

Ein Letztes. Sie bezeichnen uns als geradezu verfassungsfeindlich, wo die SPD doch selbst noch prüfen will. Warum wollen Sie denn überhaupt noch prüfen, wenn Sie so sicher sind,

(Dirk Kienscherf SPD: Die Art und Weise!)

dass alles, was wir fordern, verfassungsfeindlich ist? Wir sagen: Es geht um die Freiheit der Wahl, um die Selbstbestimmung der Partei. Die ergibt sich aus der Verfassung. Wissen Sie was? Eine Wertediskussion ist für mich immer genau dann eine Wertediskussion, wenn die GRÜNEN meinen, das wäre andersherum, weil wir diese moralinsaure Wertediskussion, die Sie da ständig führen, nicht teilen. Das war alles, was ich vorhin damit sagen wollte. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der AfD und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)

Frau Dobusch bekommt das Wort für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als meine Fraktion in der letzten Legislaturperiode zu einer Debatte mit der damaligen Staatssekretärin Elke Ferner, einer unermüdlichen Vorkämpferin für das Paritätsgesetz nach französischem Vorbild, einlud, diskutierten wir in kleinem Kreis und auch das Medienecho war durchaus überschaubar. Aktuell ist das Gott sei Dank bei diesem Thema anders. Wir führen hier eine lebhafte Diskussion an prominenter Stelle. Von Twitter bis "Bild am Sonntag" ist zu beobachten, wie AfD-Mitglieder urplötzlich Judith Butler erkannt haben und mit ihr argumentieren, wie gerade in der konservativen Ecke viele sich mit dem dritten Geschlecht befassen, nicht wahr, Herr Nockemann, und alles nur, weil Parität droht, wunderbar. Ich finde das wunderbar, denn Parität ist ein tolles Konzept, das meine Fraktion, meine Partei sich natürlich schon auf die Fahnen geschrieben hat, und das nicht erst seit gestern.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Tatsächlich offen ist die Frage, ob sie als Gesetz kommen muss und wie sie denn als Gesetz kommt. Das hat etwas damit zu tun, dass andere Parteien, andere Fraktionen an dieser Stelle Nach

holbedarf haben, aus meiner Perspektive jedenfalls.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Also ihr wollt Gesetze für uns ma- chen!)

Wie genau die Ausgestaltung aussehen könnte, ob die Parteien sich bewegen, vielleicht auch sehr freiwillig, deren interne Logik, wie die neue CDUVorsitzende übrigens gerade ausgeführt hat, andere Prinzipien, wie zum Beispiel den regionalen Proporz, immer noch höher bewertet als das in der Verfassung verankerte Prinzip der Gleichstellung, das können wir diskutieren. Ob Gerichte eventuell wieder den Ton angeben werden oder ob wir Frauen uns auch partei- und fraktionsübergreifend verständigen – fraktionsübergreifend scheinbar nicht mit der FDP –, das haben wir doch erst einmal in der Hand und können das diskutieren.

Es hat Jahrzehnte gedauert, bis in der alten Bundesrepublik der eine kleine Satz im Grundgesetz, den Elisabeth Selbert, eine der wenigen Mütter des Grundgesetzes, durchgesetzt hatte – wir haben ihn heute schon gehört: Männer und Frauen sind gleichberechtigt – seine Wirkung quer durch die gesamte Rechtsprechung entfaltet hatte. Nun hatten anlässlich der Wiedervereinigung schlaue Frauen wie Lore-Maria Peschel-Gutzeit diesen Satz ergänzt um: Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Auch dieser Satz des Grundgesetzes zeigt erst langsam Wirkung und bis er in seiner ganzen Konsequenz wahrgenommen und umgesetzt ist, drohen noch viele, wahrscheinlich auch juristische, Abwehrkämpfe. Wir werden sehen, was in Brandenburg passiert, wie es um Quoten, um Stellenausschreibungstexte und Gleichstellung generell immer wieder Auseinandersetzungen gegeben hat.

Aber die Parität kommt, das kann gar nicht anders sein. 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts stehen wir in der Pflicht, Parität auch in den Parlamenten endlich wahrzumachen. Das sind wir unseren Vorkämpferinnen, aber auch den jungen Frauen von heute schuldig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Erneut bekommt Herr Seelmaecker für die CDU-Fraktion das Wort.

(Wolfgang Rose SPD: Jetzt reden wir aber von heute!)

Vielen Dank, jetzt ohne Gelächter, nur noch mit Zwischenrufen. Es steigert sich, wunderbar, vielen Dank.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein)

Was trennt uns, was vereint uns? Also, ich hatte zuerst etwas Bedenken in Bezug auf diese Debatte gehabt. Aber ich muss sagen, sie ist im Grunde genommen sehr fruchtbar, denn wir haben hier eine klare Abgrenzung bei einem relativ klaren Thema. Wir haben auf der einen Seite die AfD. Herr Nockemann, Sie haben klar gesagt, Frauen hätten weniger Interesse an Politik. Das ist eine Aussage, die ich als falsch ansehe.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Frau Özdemir, Sie haben für DIE LINKE gesagt, es müsse ein Gesetz geben mit Konsequenzen für die Parteien, also auch eine klare Aussage, es müsse die Knute von Staats wegen geben. Frau Engels, Sie haben auch klar gesagt, die Hälfte der Macht gehöre den Frauen. Also da sehe ich es, ehrlich gesagt, genauso wie Frau von TreuenfelsFrowein: Mit dem Begriff Macht habe ich an dieser Stelle ein ganz erhebliches Problem. Ich habe ein anderes Abgeordnetenverständnis als Sie, ein ganz anderes. Ich bin gewählt, ich bin frei gewählt worden als Abgeordneter in einer repräsentativen Demokratie und mein Selbstverständnis für mich als Abgeordneter, als der ich heute vor Ihnen stehe, sagt mir, ich repräsentiere das ganze Volk.