Protokoll der Sitzung vom 27.02.2019

Frau Özdemir, ich habe das jetzt echt ungern, dass DIE LINKE und wir uns da irgendwie kabbeln. Das geht doch genauso gut die GRÜNEN an und auch

(Cansu Özdemir)

Teile der SPD, zum Glück nicht aller. Aber wie kommen Sie eigentlich dazu, gerade mir als Frau – das finde ich irgendwie diskriminierend – zu sagen, erstens, ich sei verfassungsfeindlich, zweitens, ich wolle keine Frauen in der Politik? Hallo. Ich habe genau das Gegenteil gesagt. In meiner Rede habe ich klar und deutlich gesagt, dass ich die Art, wie Sie und auch die GRÜNEN das durchsetzen wollen, für verkehrt halte.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie müssen den Zu- satzantrag lesen!)

Ich habe euren Zusatzantrag gelesen, dazu komme ich gleich.

Ich habe auch gesagt, dass ich dafür bin. Natürlich bin ich dafür. Warum sollte ich auch dagegen sein, dass wir mehr Frauen in der Politik haben? Und da möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Natürlich hat auch unsere Partei ein Defizit, Frauen in die Partei zu bekommen. Aber das hat andere Gründe. Das kannst du doch mit dem Parité-Gesetz nicht ändern, sondern wir brauchen Attraktivität in der Politik und das ist eine Strukturveränderung innerhalb der Partei. Wissen Sie was? Ehrlich, wir haben in der Partei, glaube ich, irgendwie 22 Prozent Mitglieder Frauenanteil und wir haben hier einen weitaus höheren Anteil, die in der Bürgerschaft sind. Was heißt das denn? Das heißt doch einfach, wenn wir Frauen in der Partei haben, dann sind die auch zickezacke im Parlament. Und ohne Quote. Und warum? Also funktioniert das doch bei uns. Dass man die Anteile erhöhen muss, das sehe ich auch so. Aber uns und gerade auch mir als Frau jetzt vorzuwerfen – was soll das – , dass ich nicht wolle, dass hier Frauen in die Politik kommen, das ist einfach nur albern und auch unsachlich. Und wissen Sie was? Das ist populistisch, nicht das, was wir hier sagen. Das ist nämlich der große Unterschied.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das ist das eine. Und wenn ich auch Frau Engels gegenüber sage, dass Sie uns hier Verfassungsbruch vorwerfen, das finde ich schon ein …

(Zuruf von Mareike Engels GRÜNE)

Das haben Sie sehr wohl gesagt. Vielleicht waren Sie das auch.

(Dirk Kienscherf SPD: Der Verfassungs- schutz prüft ja noch nicht!)

Sie haben doch ganz einfach gesagt, dass das, was wir jetzt haben, an Verfassungsbruch grenzen würde. Und wenn wir gegen Ihr Parité-Gesetz sind, sagen Sie – das haben Sie auch gesagt –, wir seien verfassungsfeindlich. So ein Quatsch. Wir sagen einfach nur Folgendes: Wir wollen keine Bevormundung, sondern wir wollen, dass es ein Prozess ist, der auch schon eingeleitet ist.

(Glocke)

Die jungen Frauen fühlen sich viel gleichberechtigter, als …

(Glocke)

(unterbrechend) : Frau von Treuenfels-Frowein …

Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP (fortfahrend) :* … ihnen das jemand zutraut. Und deswegen möchte ich hier einmal abschließen …

(Glocke)

Eine Frage. Und wenn Sie die Glocke hören, dann wäre es gut, wenn Sie einen Moment aufhören.

Ich habe sie nicht gehört, Entschuldigung.

Sie haben sie nicht gehört. Also, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Danke schön. Ich wollte noch einmal den Hinweis geben und auch wissen, wie Sie das dann beurteilen, weil Sie gerade gesagt haben, wenn genügend Frauen in der Partei seien, dann schlage sich das auch automatisch im Parlament nieder – also jetzt ein bisschen vereinfacht wiedergegeben, aber das war doch gerade die Aussage. Sie haben den gleichen Frauenanteil in der Partei wie die AfD. Man kann bei einer ähnlich großen Fraktion auch sehen, dass es durchaus einen Unterschied macht. Sie haben drei Frauen in der Fraktion, die AfD hat eine Frau in der Fraktion. Die AfD hat beispielsweise auch nur 6,6 Prozent Frauen überhaupt auf ihrer Landesliste gehabt, also zwei von 30. Glauben Sie, dass Ihre These tatsächlich haltbar ist, oder über einen wie langen Zeitraum müssen wir nach 100 Jahren Einführung des Frauenwahlrechts noch warten, bis diese Automatismen sich dann tatsächlich realisieren?

Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP (fortfahrend) :* Kann ich gern beantworten.

(Beifall bei René Gögge GRÜNE)

Nachdem Sie erst einmal die Frage beklatschen, kann ich gleich die Antwort geben. Ganz einfach, das ist eine gute Frage, weil sie einmal das Problem ein bisschen aufmacht. Wir fühlen uns nicht verantwortlich für die Interna der AfD. Das ist Nummer eins.

(Beifall bei der FDP, der AfD und bei Philipp Heißner CDU)

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein)

Genau.

Ehrlich gesagt interessiert mich das nicht, sondern mich interessiert, dass jede Partei es intern selbst schafft. Das interessiert mich. Und nur das hat hier auch jeden Einzelnen zu interessieren. Ich brauche jetzt keine Vorschläge von den GRÜNEN und erst recht nicht von der LINKEN, wie wir unsere Partei zu strukturieren haben. Hallo, wir haben ein Selbstorganisationsrecht. Das brauchen wir einfach nicht. Das ist die zweite Antwort.

Und die dritte will ich Ihnen auch geben: Ich glaube, man kann das nur mit Motivation, mit positivem Verständnis und nicht mit Quote schaffen. Sie sagen: Wie lange sollen wir denn noch warten, es hat sich doch schon so viel getan. Ich sage Ihnen Folgendes, ich habe es Ihnen gestern bei "Schalthoff" auch schon gesagt: Die jungen Frauen, mit denen ich darüber gesprochen habe – ich war mir da gar nicht so sicher, was die antworten würden –, haben alle gesagt: Wie bitte, warum muss das sein, wir brauchen keine Quoten, wir sind viel gleichberechtigter, als ihr oder Sie oder wer auch immer es je gewesen sind. Das ist doch gut so. Deswegen muss man das nicht haben. Das ist genau das, was ich meine. Wir werden das in einem Prozess schaffen, wir werden das mit Motivation schaffen, aber nicht durch eine Zwangsquote. Ich glaube, damit wäre jetzt alles gesagt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die SPD-Fraktion bekommt nun Frau Dobusch das Wort.

Frau Präsidentin! Ich habe eben gehört, dass wir das schaffen werden. Ja, daran glaube ich auch. Die Frage ist eben nur, mit welchen Methoden wir am schnellsten ans Ziel kommen und wie wir es vermeiden, noch weitere 100 Jahre warten zu müssen, denn das fände ich ziemlich misslich.

Das Ziel staatlicher Gleichstellungspolitik muss meines Erachtens sein, strukturell bedingte Benachteiligung abzubauen, um die Zugänge unter anderem zu politischer Partizipation und Führungsmacht möglichst fair zu gestalten. Da gibt es jetzt einiges, was wir schon tun. GPR ist das eine Stichwort, das andere, was auch noch nicht gefallen ist, ist die Frage der Vereinbarung von Familie und Beruf. Und auch, als wir darüber gesprochen haben, wie man die Bürgerschaft vielleicht anders organisieren könnte, waren dies schon Themen, die wir angesprochen haben, und wir haben noch keine guten Lösungen dafür in der Politik und auch nicht hier für die Bürgerschaft gefunden.

Die Frage von Geschlechterquoten und deren Verankerungen in Wahlgesetzen ist nur ein möglicher Weg, bei dem es sich aber lohnt, ihn noch einmal anzuschauen, denn er ist nicht so abwegig, wie

Sie das dargestellt haben. Vielleicht darf ich Sie einfach daran erinnern, dass es gesetzliche Quotenregelungen bereits in neun EU-Staaten gibt; das ist nicht gerade wenig. Es ist auch so, dass diese Regelungen heutzutage sehr häufig gerade in den Ländern vorgeschlagen werden, die sich in Transformationsprozessen hin zu mehr Demokratie befinden, und die, die das vorschlagen, kommen durchaus auch aus diesem Land. Es geht immer darum, die politische Partizipation von Frauen zu sichern. Das passiert übrigens gerade in Ruanda und auch in Tunesien und es ist immer so die Frage, wo wir uns dann bitte verorten wollen.

Ziel: Ich hoffe, dass wir uns darin total einig sind. Aber bei manchen Beiträgen hier habe ich natürlich gemerkt, okay, das war eine Fehleinschätzung. Ziel müsste es meinerseits sein, paritätische, gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern am politischen Leben sicherzustellen, und das möglichst schnell und bald. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion bekommt nun Herr Wersich das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich befürchte, dass wir mit der Art, wie wir über das Anliegen hier sprechen, der Sache keinen guten Dienst tun.

(Beifall bei der CDU, der AfD und bei Ekke- hard Wysocki SPD)

Ich glaube, gerade bei diesem Thema, wenn wir wirklich mehr tun wollen für das wichtige Anliegen einer höheren Beteiligung von Frauen, müssen wir mit Respekt miteinander reden, wir müssen die Argumente hören und wir müssen auf die Argumente eingehen und nicht mit Lautstärke oder mit Unterstellungen arbeiten. Damit tun wir uns als Parlament keinen Gefallen und, ehrlich gesagt, auch nicht den Zuhörerinnen und Zuhörern, die der Debatte heute gefolgt sind.

(Beifall bei der CDU, der FDP und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)

Dass das Thema mehr Beteiligung von Frauen ein drängendes ist, das wissen wir und das weiß ich auch für die CDU mit am stärksten. Ich bin immer ein Kämpfer für das Quorum gewesen, weil wir zu wenige Frauen in den Mandaten haben. Es liegt aber im eigenen Interesse einer Partei, allzumal einer Volkspartei, wenn sie wählbar sein will, auch dafür zu sorgen, dass Männer und Frauen auf den Listen angemessen berücksichtigt sind. Etwas anderes ist es aber, wenn wir eine gesetzliche Säule einführen, und darüber reden wir heute. Wir reden doch nicht über das Thema – es ist auch nicht angemeldet –, ob wir mehr Frauen wollen, sondern wir reden über die Frage, ob eine gesetzliche Ver

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein)

säulung des Parlaments in eine Frauen- und eine Männerseite hilfreich ist. Und da will ich doch nur einmal sagen: Wenn wir das machen, verfestigen wir in Wahrheit die Trennung zwischen Männern und Frauen.

(Beifall bei der CDU, der FDP, der AfD und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)

Dann gibt es künftig bis in die Tiefen unserer Parteien hinein gar keinen Wettbewerb mehr zwischen Männern und Frauen,

(Glocke)