Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

Diese Piktogramme, die wir zurzeit in Hamburg haben – das mögen Sie dann bitte dem Senat, der gerade weg ist, einmal mitteilen –, führen dazu: Wer kein voll gefedertes Rad hat, merkt immer: radumm, radumm. Sie müssen sie gefälligst einmal bodengleich machen.

Aber, CDU, mein lieber Herr Thering, Sie haben sich jetzt so dafür gerühmt, die Velo-Routen, das StadtRAD erfunden zu haben.

(Dennis Thering CDU: Das war gut!)

Ja, dafür kriegen Sie von mir aus auch noch drei Sternchen. Aber warum haben Sie sich seitdem nicht mehr weiterentwickelt? Warum sind Sie stehen geblieben?

(Dennis Thering CDU: Weil wir nicht mehr regieren!)

Nein, Sie machen keine vernünftige Radpolitik. Ich muss Herrn Hesse loben; das hätte ich mir nie vorstellen können. Herr Hesse war aufgeschlossen für den Radverkehr. Bei Ihnen ist das überhaupt nicht der Fall. Sie wollen den Radverkehr immer an den Rand drängen.

(Dennis Thering CDU: Wir sind die Einzigen mit einem Fahrradkonzept!)

Damit komme ich jetzt zum rot-grünen Senat. Wenn Sie wollen, dass Radfahren Spaß macht und keine Strafe ist, dann müssen Sie endlich den Mut haben, den Straßenraum neu zu verteilen.

(Beifall bei der LINKEN)

Solange Sie weiterhin darauf bestehen, alle glücklich machen zu wollen, wird das nichts. Sie müssen sagen: Wir brauchen mehr, mehr, mehr Platz für den umweltbewussten Verkehr, und das ist auf der Straße zuallererst der Radverkehr. Dann, glaube ich, wird das wesentlich besser. Und dann dürfen Sie noch einmal erkennen: Tempo 30 wäre super für Hamburg; wenn wir das haben, wird es sicherer, dann haben wir weniger Autounfälle, weniger Radunfälle, weniger Lärm und vielleicht auch ein besseres Klima. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Sudmann. – Herr Aukes, Sie haben nun für die FDP-Fraktion das Wort.

Verehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Frau Sudmann hat es gerade vollkommen richtig gesagt. Herr Bill, leider ist Ihnen Ihr Antrag heute etwas verhagelt. Denn wenn ich mir überlege, was wir gestern gehört haben, Platz 25 als fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands, dann kann man das natürlich nicht als besonders positiv ansehen, insbesondere deshalb nicht, weil Sie mantraartig vor sich hertragen, was Sie alles in den letzten zwei oder drei Jahren in Sachen Fahrradfahren gemacht haben. Es scheint anscheinend bei den Menschen nicht anzukommen.

(Beifall bei der FDP)

Bei der Velo-Route gebe ich Ihnen recht, wenn Sie sagen, die Velo-Routen müssten besser gekennzeichnet werden. Das ist eine gute Idee. Velo-Routen sind nämlich auch wichtig für den Tourismus in Hamburg. Viele Leute, die mit dem Fahrrad fahren, werden diese etwas schnelleren, breiteren Strecken, wenn sie denn dann vorhanden sind, benutzen. Und da ist ein Orientierungssystem, das gut sichtbar ist und keine Verwirrung stiftet, ein gutes Mittel, um die Leute von A nach B zu transportieren und zu leiten. Das ist richtig. Also das, was Sie da installieren, muss klar, logisch und nachvollziehbar sein. Es kommt weniger auf Piktogramme an; es kommt auf einfache, klare, auch für Ausländer verständliche Bezeichnungen an. Das ist wichtig.

Wie ich gerade schon gesagt habe, sind das Problem in Hamburg allerdings nicht die Velo-Routen,

sondern das Problem in Hamburg – und das dürfen Sie nun auch nicht unter den Tisch kehren – sind die Fahrradwege an sich. Im Gegensatz zu dem, was Sie uns hier jedes Mal erzählen, ist es nicht so, dass die Fahrradwege in Hamburg gut sind. Sie sind, wenn man den Gesamtzustand sieht, schlecht, wie es gestern wiederum vom Deutschen Fahrrad-Club attestiert worden ist. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Bevor Sie jetzt Autobahnen bauen, bauen Sie vielleicht erst einmal Landstraßen und Bezirksstraßen aus; das wäre meiner Meinung nach richtig. Die Radwegequalität muss erhöht werden. Nur dann sind die Leute bereit, auch auf Dauer gesehen, vom Auto aufs Fahrrad umzusteigen.

Wir sind in Hamburg allerdings noch nicht so weit. Sie wollen Velo-Routen ausbauen, aber Sie wollen keine Maßstäbe setzen, wie man die Schlaglochpisten der Radwege umändert, was man machen kann. Da wäre ein sinnvolles Konzept besser, als heute Piktogramme auf Velo-Routen zu malen oder zu stecken. Das Gleiche gilt auch bei den Radwegen; auch das ist immer wieder ein Punkt. Bevor Sie hier Velo-Routen ausbauen, sollten Sie vielleicht einfach einmal Ihre ganzen auf die Straßen gemalten Fahrradwege so umändern, dass Menschen, die nicht jeden Tag mit dem Fahrrad fahren und die nicht 25 sind, diese Fahrradwege auch ordentlich, sicher und vernünftig benutzen können. All das machen Sie nicht.

(Beifall bei der FDP)

Trotzdem ist Ihr Antrag richtig, dass Sie die VeloRouten vorsehen, nur Ihre Prioritätenumsetzung ist falsch. Drehen Sie es um, nehmen Sie Ihren VeloRouten-Antrag wieder zurück und bauen Sie erst einmal ordentliche Fahrradwege. Das ist, glaube ich, wichtig. Alle Fahrradwege in Hamburg müssen gut sein. Nur dann werden sie von den Bürgern auch als Verkehrsweg genutzt.

In diesem Sinne stimmen wir Ihrem Antrag zu. Allerdings umfasst er – und da komme ich wieder auf das, was ich heute Nachmittag zu Beginn des ersten Antrags gesagt habe, zurück … Sie können hier jetzt nicht kurz vor den Wahlen einen schicken Antrag zur Velo-Routen-Beschriftung einbringen, wenn Sie vorher zwei Jahre eines Ihrer wichtigsten Themen vernachlässigt haben und gestern von Ihrem normalerweise größten Zusprecher, dem Deutschen Fahrrad-Club, eine Vier minus bekommen haben. Mit einer Vier minus wird man, das wissen Sie selbst auch, auf Dauer nichts. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Detlef Ehle- bracht AfD und Dennis Thering CDU)

Vielen Dank, Herr Aukes. – Herr Ehlebracht, Sie haben nun für die AfD-Fraktion das Wort.

(Heike Sudmann)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag beginnt mit den Worten, Velo-Routen stellten das Grundgerüst des gesamtstädtischen Radverkehrsnetzes dar. Das ist falsch. Sie stellen die Unfähigkeit der Politik dar, simple Pläne binnen mehrerer Jahrzehnte nicht zu Ende zu bringen.

(Dr. Monika Schaal SPD: Vergessen Sie nicht, Sie sind auch ein Teil der Politik!)

Während Berlin einen technisch anspruchsvollen Flughafen dafür braucht, reichen in Hamburg dafür gerade einmal einfache Radwege. Seit Ende der Neunzigerjahre gibt es das sehr lobenswerte und durchdachte Konzept der Velo-Routen und auf der Hamburg.de-Seite steht, bis 2020 sollten die VeloRouten mit einer Gesamtlänge von etwa 280 Kilometern kontinuierlich ausgebaut und beschildert werden – über zwei Jahrzehnte für Radwege. 2020 werden diese nicht fertig sein. Rechnerisch hätte das bedeutet, 14 Kilometer pro Jahr. Nicht geschafft. Aber jetzt wollen Sie sich einmal zwischendurch abfeiern, weil Sie noch Nummern und Piktogramme entwickeln und diese dort auftragen lassen wollen. Dafür stellen Sie hier auch noch einen Antrag. Überlassen Sie es doch schlicht und ergreifend der Kompetenz der Behörde, eines Abteilungsleiters dort und den Fachkräften dort, dieses zu machen, statt hier ein Schaulaufen zu veranstalten und sich wichtigtuerisch in einer Willy-Wichtig-Politik-Manier in solche handwerklichen Sachen einzumischen.

Dieser Antrag erinnert mich ein bisschen an 2015, an einen der ersten Anträge, mit dem ich mich hier befassen musste; da ging es um die Anbringung einer Schautafel am Infopoint in der HafenCity. Dieser Antrag hatte ungefähr die gleiche gegen null tendierende Relevanz.

Aber wo wir schon dabei sind: Müssten Sie in diesem Fall nicht konsequenterweise auch noch einen Antrag für die Pinsel zum Auftragen der Farbe stellen? Das wäre die gleiche Kategorie. Statt dieses Antrags hätten Sie in der Vergangenheit lieber mehr dafür sorgen sollen, dass die Qualität der Radwege, die Sie in Hamburg bauen – wie wir jetzt schon in verschiedenen Redebeiträgen gehört haben – eine deutlich andere und bessere ist. Sie hätten die Radwege viel stärker als bisher baulich, dort wo es möglich ist, von der Straße trennen müssen. Sie hätten Kreuzungsverkehre, gegebenenfalls durch kostspielige Bauwerke wie Brücken, vermeiden müssen. Also im Grunde genommen hätten Sie es so machen müssen, wie Ihre Lieblingsbeispiele Kopenhagen oder Barcelona es machen. Das hätten Sie hier machen müssen; dann hätten Sie Grund gehabt, sich dafür zu loben. Aber Sie ziehen nur Striche auf Straßen; mehr machen Sie nicht.

In Barcelona machen sie es zum Beispiel so: Sie ziehen eine Doppellinie und zwischen diesen bei

den Linien werden in Ein-Meter-Abständen ellipsenförmige, abgerundete handbreithohe Betonsteine verschraubt. Das ist eine Sicherung, die den Radweg von der Straße trennt. Das ist eine qualitativ hochwertige Maßnahme. Dann hätten wir nicht die Problematik, die hier schon seitens der CDU angeklungen ist und die auch in der Untersuchung deutlich wurde, dass Menschen sich nicht trauen, auf Ihren Radwegen, auf Ihren Straßen zu fahren. Sie wollen in der jetzigen Form, wie Sie das hier betreiben, den Radfahrer sozusagen als Kampfmittel, als biologische Verkehrsbremse einsetzen, um den Verkehr auszubremsen.

(Martin Bill GRÜNE: Das ist doch peinlich!)

Nein, das ist nicht peinlich, das ist Tatsache, das ist genau das, was Sie wollen. Denn wie Qualität aussieht, können Sie sich in diesen von Ihnen angeführten Beispielstädten anschauen. Davon sind Sie doch meilenweit entfernt. Und wenn man sich zwei Bilder anguckt, eine Velo-Route oder einen Radweg von Ihnen und einen Radweg, wie er dort aussieht, dann sehen selbst Sie, dass dazwischen Welten liegen.

(Glocke)

Vizepräsidentin Christiane Schneider (unterbre- chend): Einen kleinen Moment, ich bitte wirklich um Ruhe. Es sind zwar jetzt sehr viele im Raum, aber wer partout nicht zuhören, sondern reden will, der sollte lieber rausgehen. – Schönen Dank.

Dafür reicht es jetzt letztlich bei Ihnen aber nicht, sondern lediglich zu einer so eitlen Selbstdarstellung in Antragsform, die ein paar Pinselstriche als Inhalt hat und kaschieren soll, wie die qualitativ schlechte, undurchdachte Leistung aussieht, die Sie bei der Verlegung der Radwege an den Tag legen. Natürlich haben wir nichts gegen die anständige Beschilderung von Radwegen und Velo-Routen; das ist in der Sache richtig. Aber ich habe hoffentlich deutlich gemacht, dass das eine Aufgabe ist, die hier gar nicht besprochen werden muss. Da lässt man der Kompetenz der Fachbehörden einfach einmal freien Lauf und dann wird das erledigt. – Danke.

(Beifall bei der AfD und bei Dr. Jörn Kruse fraktionslos)

Vielen Dank, Herr Ehlebracht. – Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung und ich bitte um Aufmerksamkeit.

Wer möchte dem gemeinsamen Antrag der Fraktionen der GRÜNEN und der SPD aus Drucksache 21/16693 seine Zustimmung geben? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag bei einigen Enthaltungen angenommen worden.

Ich rufe Punkt 39 auf, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Nicht Obdachlose, sondern Obdachlosigkeit bekämpfen!

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Nicht Obdachlose, sondern Obdachlosigkeit bekämpfen! – Drs 21/16679 –]

Die Fraktionen der SPD, der GRÜNEN, der LINKEN und der AfD möchten diese Drucksache an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen.

Wird das Wort hierzu gewünscht? – Frau Özdemir, Sie haben es für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Rund 2 000 Menschen in Hamburg leben auf der Straße. Die Dunkelziffer ist höchstwahrscheinlich viel höher, gerade weil nicht alle Obdachlosen erreicht wurden und weil es vor der Befragung, die jetzt stattgefunden hat, viele Polizeikontrollen gegeben hat, Freizügigkeitsüberprüfungen, aber auch Platten geräumt wurden. Manche der Personen haben die Befragung abgelehnt, weil sie Angst vor ausländerrechtlichen Konsequenzen hatten. Dass diese Menschen in einer solchen Notsituation sind und nicht mehr erreichbar sind, ist das Ergebnis einer repressiven Sozialpolitik, die wir hier seit Jahren erleben.

(Dirk Nockemann AfD: Das ist nicht repres- siv, das ist gesetzmäßig!)

Dieser Senat bekämpft nicht die Obdachlosigkeit, sondern leider, wirklich leider, die obdachlosen Menschen in dieser Stadt. Fast zwei Drittel der betroffenen Menschen sind nicht deutscher Herkunft. Sie kommen aus Polen, aus Bulgarien, aus Rumänien und mehr als die Hälfte von ihnen hat in der Befragung angegeben, seit ihrer Ankunft in Hamburg ununterbrochen auf der Straße gelebt zu haben. Davon haben 71 Prozent angegeben, zur Arbeitssuche oder weil sie ein konkretes Jobangebot hatten, nach Hamburg gezogen zu sein. Nur ein marginaler Teil der Menschen erhoffte sich staatliche Unterstützung. Der Anreiz für viele dieser Menschen, nach Deutschland zuzuwandern, ist also nicht, wie häufig populistisch behauptet, die soziale Hängematte, sondern die Aussicht auf einen Job.

Immer wieder sprach die Behörde von dem Sogeffekt als Folge von Unterstützungsmaßnahmen. Aber der sogenannte Sogeffekt wird von der Studie hier überhaupt nicht bestätigt. Diese Argumentation können Sie jetzt also auch sein lassen.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Dirk No- ckemann AfD)

Mit solchen Argumentationen, aber auch mit einer Vertreibungspolitik, wie wir sie in Hamburg-Mitte sehr scharf erleben, lösen Sie die Problematik nicht. Das zeigt auch die Entwicklung der letzten Jahre. Sie verschärfen damit die ohnehin schon schwierige Situation der betroffenen Menschen auf der Straße, aber Sie erschweren damit auch die Arbeit der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. Jetzt einmal im Ernst: Wenn die Verelendung der Menschen auf der Straße sich immer weiter verschlimmert und Menschen sogar auf der Straße sterben, dann kann man sich doch nicht auf die Schulter klopfen, sich die Angebote anschauen und sagen, es sei alles gut so, man mache jetzt weiter so. Hier ist Handlungsbedarf; das ist doch klar.

(Beifall bei der LINKEN)