Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

Unsere Partei zeigt, dass die Frauenquote wirkt. Es braucht Strukturen, die strukturelle Diskriminierung aufbrechen. Freiwillig teilt keine Männerriege ihre Macht. Das ist aber dringend notwendig, damit Frauen nicht nur von ihrem aktiven, sondern auch von ihrem passiven Wahlrecht, von ihrem Recht, gewählt werden zu können, Gebrauch machen können. Denn das Wahlrecht ist ein hohes Gut.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wie lang der Weg zum Wahlrecht war, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass die erste Frau, die 1873 das Wahlrecht öffentlich forderte, Hedwig Dohm war. Mit dem Satz

"Die Menschenrechte haben kein Geschlecht"

warb sie für das, was erst mehr als 40 Jahre später Realität werden sollte.

Der erste Internationale Frauentag fand im März 1911 statt. Er galt damals ausschließlich dem geforderten Frauenwahlrecht. Schön, dass die Berlinerinnen an diese Tradition anschließen und den Frauentag zum Feiertag gemacht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

In den letzten 100 Jahren wurde viel erreicht. Frauen dürfen selbstständig über ihren Beruf und ihr Bankkonto entscheiden, die Vergewaltigung in der Ehe wurde unter Strafe gestellt, die Verankerung der Gleichberechtigung im Grundgesetz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde durch das Gleichberechtigungsgebot ergänzt. Es gibt aber immer noch viel zu tun.

(Franziska Rath)

Ernüchternd ist der Anteil von Frauen in deutschen Parlamenten. In der Bürgerschaft beträgt dieser lediglich 38 Prozent, im Bundestag sind es nur 30 Prozent, Tendenz sogar rückläufig. Das ist zu wenig. Zu einer demokratischen Gesellschaft gehört die Hälfte der Macht den Frauen. Ohne Frauen ist kein Staat zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Deswegen bin ich froh, dass wir in der nächsten Legislatur ausführlich erörtern werden, wie wir auch in Hamburg ein Paritätsgesetz implementieren können.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Das haben wir doch schon gemacht!)

Neben dem Jubiläum des Frauenwahlrechts gibt es in diesem Jahr aber noch ein weiteres. Das ist das Jubiläum des Grundgesetzes, das 70 Jahre alt wird. Dieses verpflichtet uns, für tatsächliche Gleichstellung zu sorgen und bestehende Nachteile abzubauen. Diesen Auftrag sollten wir uns gerade in diesem Jubiläumsjahr zu Herzen nehmen, nicht nur im Bereich der Parlamente, sondern auch in allen anderen Lebensbereichen. Deswegen setzen wir GRÜNE uns für die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen ein. Wir sagen: Weg mit Paragraf 219a, Schwangerschaftsabbrüche gehören nicht ins Strafgesetzbuch.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LIN- KEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Ich bin froh, dass Hamburg hier bereits seit Jahren die limitierten rechtlichen Möglichkeiten nutzt und für Schwangere, die einen Abbruch wünschen, im Internet eine Liste mit Ärztinnen bereithält. Ich bin stolz darauf, dass auch Hamburg jetzt endlich für Frauen mit niedrigem Einkommen und im Sozialleistungsbezug die Kosten für Verhütungsmittel übernimmt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Wir kämpfen gegen Gewalt an Frauen immer und nicht nur am 25. November. Erfolgreich haben wir dafür gesorgt, dass der Grundsatz "Nein heißt Nein!" im Sexualstrafrecht verankert wurde. Und in dieser Legislatur haben wir die Mittel im Opferschutzbereich sowohl bei den Beratungsstellen als auch im Bereich der Justiz stark aufgestockt und schaffen ein neues Frauenhaus.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Wir setzen uns ein für gerechte Bezahlung, wir wollen die gerechte Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern. Um all das zu erreichen, braucht es aber nach wie vor starkes feministisches Engagement. Deswegen setzen wir zum Beispiel auch auf das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm – meine Kolle

gin hat es auch schon erwähnt –, um die Repräsentanz von Frauen in allen Bereichen zu erhöhen. Wir implementieren einen geschlechtergerechten Haushalt. Auch das ist ein Meilenstein, wo wir als Landesparlament vorangehen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Jubiläum ist ein guter Moment zum Feiern, aber auch zum Mahnen. Wir haben noch viel zu tun. Packen wir es an.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Frau Özdemir hat das Wort für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Es gab in den letzten Monaten sehr viele Aktionen von Frauen, zum Beispiel anlässlich des 8. März, des Equal Pay Day, des One Billion Rising und des Girls' Day, an denen auch viele Männer teilgenommen haben, was ich als positiv empfinde.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben vor ungefähr vier Wochen in der Bürgerschaft über das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm diskutiert. Wir haben auch über ein mögliches Paritätsgesetz, das eben erwähnt wurde, diskutiert, zu dem wir natürlich eine positive Position haben. Ich bin ehrlich gesagt erfreut darüber, dass wir auch heute wieder darüber diskutieren, weil das Thema aktuell ist und auch in der nächsten Zeit aktuell bleiben wird, denn es ist klar, dass hier einfach noch viel zu tun ist.

(Beifall bei der LINKEN und bei Mareike En- gels GRÜNE)

Ich möchte an dieser Stelle aber nicht nur die üblichen Schlagworte in den Raum werfen – Schlagworte, die natürlich wichtig sind und immer wieder benannt und problematisiert werden müssen –, sondern ich möchte auch den Raum nutzen, um auf eine gesellschaftliche Diskursverschiebung hinzuweisen, die die Errungenschaften momentan infrage stellt. Wir stellen aktuell fest, dass emanzipatorische Errungenschaften der Vergangenheit leider keine Garantie bieten, auch in der Zukunft unangefochten fortzubestehen. Das ist ein Bestandteil der aktuellen Diskussion, aber auch der Diskussion, seitdem die AfD in den Parlamenten sitzt. Wir haben immer noch die Situation, dass die Gleichberechtigung von Frau und Mann, auch von Personen, die sich als inter- oder transgeschlechtlich definieren, infrage gestellt wird. Das sind Rechte, die nicht selbstverständlich sind. Sehr geschätzte Frau Rath, bei einem Frauenanteil von 38 Prozent in diesem Parlament kann man nicht von einer Selbstverständlichkeit sprechen. Sie ha

(Mareike Engels)

ben eben erwähnt, welche schwierigen gesellschaftlichen Bedingungen Frauen haben. Das sind eben auch die Bedingungen, die sie daran hindern, gleichberechtigte Chancen zu haben, um überhaupt in dieses Parlament hineingewählt zu werden. Das ist ein Punkt, den wir anpacken müssen und wo wir nicht sagen dürfen, das sei doch jetzt eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD, den GRÜ- NEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Ja, es wurde sehr viel erreicht in den letzten Jahrzehnten, aber vieles muss in diesen Tagen erneut verteidigt werden, so zum Beispiel das Recht auf körperliche Selbstbestimmung von Frauen. Sie, geschätzte Kolleginnen von der SPD, haben sich heute verkleidet, um, denke ich mal, mit dieser Geste an die Vorkämpferinnen zu erinnern. Aber ich finde, Sie sollten Ihre Kraft und Ihre Zeit dafür nutzen, Druck auf Ihre Koalition auf Bundesebene auszuüben, damit der Paragraf 219a endlich gestrichen wird.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Ihre Rolle in dieser Debatte ist leider wenig rühmlich, ganz zu schweigen von der unerträglichen Rolle der CDU.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir beobachten global eine reaktionäre Wende, deren Kräfte sich antifeministisch gegen die emanzipatorischen Errungenschaften positionieren, die die Geschlechter-, Familien- und Lebensentwürfe, die wir heute als normal bezeichnen und für die Kämpfe geführt wurden, infrage stellen und sich ihnen auf eine aggressive Art und Weise entgegenstellen. Wir haben Staatsmänner wie Trump, Erdogan, Putin, Sebastian Kurz,

(Dennis Thering CDU: Was ist das denn für eine Aufzählung?)

deren Haltung frauenverachtend und ein Bestandteil ihrer Politik ist.

(Dirk Nockemann AfD: Das ist arrogant! Ar- rogant ist das!)

Auch Ihre Politik, Herr Nockemann, ist frauenverachtend.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Zu den Kernthemen dieser Kräfte gehören neben Nationalismus, Rassismus, antisemitischen und antimuslimischen Positionen auch immer wieder frauenverachtende und antifeministische Ideologien. Das ist eine Diskussion, die wir die ganze Zeit zu Recht in der Öffentlichkeit führen, und es freut mich wirklich sehr, dass so viele junge Feministinnen und Feministen auf die Straße gehen,

(Dirk Nockemann AfD: Es gibt auch andere Frauen!)

um dagegen anzukämpfen, um die Errungenschaften zu verteidigen.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN, ver- einzelt bei der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Ich habe bei meiner Vorbereitung lesen können, wie schwer es die Frauen in Ihrer Partei haben. Auch der Frauenanteil in Ihrer Fraktion zeigt, welches Frauenbild Sie haben, nämlich das aus dem letzten Jahrhundert.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN, ver- einzelt bei der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Wir dürfen uns nicht auf den Errungenschaften ausruhen, wir müssen diese Errungenschaften auch verteidigen. Ich bin froh, dass wir dafür zum Glück eine Mehrheit in diesem Haus haben.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN, ver- einzelt bei der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)