Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

sozialdemokratischen Regierung, die der politischen Unmündigkeit der Frauen ein Ende machte.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Philipp Heißner CDU)

Jetzt, 100 Jahre später, können wir festhalten: Viel haben wir im Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht, übrigens meist hart erkämpft. Viel erreicht wurde auf europäischer Ebene und gerade wir in Deutschland haben massiv von den Impulsen aus der EU profitiert, viel erreicht haben wir auf Bundes-, aber auch auf Hamburg-Ebene. Stichworte sind Artikel 3 Grundgesetz von 1949 sowie 1990,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Sehr aktuell!)

die Abschaffung gesetzlich vorgeschriebener Aufgabenteilung in der Ehe 1976/77, die Einrichtung der ersten Leitstelle für die Gleichstellung der Frau in Hamburg 1979, die Verankerung von GenderMainstreaming 1996, die Unterstrafestellung von Vergewaltigung in der Ehe 1997, das Gleichstellungsgesetz 2002, das Elternzeitgesetz 2007, Entgelttransparenzgesetz 2017 und vieles, vieles mehr. Dafür können wir uns auf die Schulter klopfen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Philipp Heißner CDU)

Wir haben also Grund zum Feiern, ja, aber auch Grund zum Heulen. Aktuelle Medienanalysen zeigen, dass ausgerechnet beim Kinderfernsehen und den sozialen Medien, von den Spielwarenabteilungen einmal ganz zu schweigen, die Situation unter Gendergesichtspunkten katastrophal, die Berufswahl der jungen Leute weiterhin stereotyp ist. Apropos, bei Equal Pay sind wir weit abgeschlagen im europäischen Vergleich. Aufsichtsräte, ja, seit Einführung der Quote wird das besser, aber bei den Vorständen bewegt sich nichts. So viel zum Thema Selbstverpflichtung und Freiwilligkeit, liebe Damen und Herren von der FDP. Und Vorbilder Führungskräfte auch in Wissenschaft und Forschung? Immer noch eine Rarität, den Bildungserfolgen der Mädchen zum Trotz.

Thema Geld, Care-Arbeit; gerade beim Thema Rente offenbart sich, wie weit wir wirklich von der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern entfernt sind.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Und dann gibt es auch noch dieses Rollback in Polen, Norwegen und auch hierzulande. Die Frauen meiner Generation und ich, wir hätten uns nie träumen lassen, dass wir gemeinsam mit den jungen Feministinnen 2019 wieder für Positionen kämpfen müssen, die schon unsere Ahnen bewegt haben: dass wir, und nur wir, über unseren Körper bestimmen, dass wir uns in der Sprache wiederfinden, und nicht nur mit gemeint werden, dass glei

cher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt wird, dass Nein auch Nein heißt, Sexismus bekämpft wird und die strukturelle Diskriminierung von Frauen als Fakt anerkannt ist, der notwendigerweise staatliches Gegensteuern nach sich zieht.

Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Dem folgen wir Hamburger Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, dem folgt Rot-Grün sehr konsequent. Kita-Ausbau, Ganztagsbetreuung, Istanbul Convention, Gremienbesetzung, das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm, Gender-Budgeting, Gender-Monitoring, all das sind Maßnahmen, die nach und nach Wirkung zeigen, und darauf können wir auch stolz sein.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Eines aber können wir nicht allein richten. Dass wir auch 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts noch immer keine paritätischen Verhältnisse in der Politik haben, ist skandalös. Und dass einige das auch gar nicht ernsthaft wollen und für notwendig erachten, das ist der wahre Skandal.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Es muss Schluss sein mit den Ausflüchten. Das sind wir doch den 17 mutigen Frauen, oft aus sehr kleinen Verhältnissen, die am 16. März 1919 hier in die Bürgerschaft aus vielen verschiedenen Parteien einzogen, schuldig. Das sind wir aber auch den jungen Frauen und Männern von heute schuldig. Lassen Sie uns handeln. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Das Wort bekommt nun Frau Rath für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Als mich neulich jemand gefragt hat, was es mir bedeuten würde, als Frau in der Hamburgischen Bürgerschaft zu sitzen, habe ich geantwortet, dass es mir nichts bedeutet, als Frau hier sitzen zu dürfen, weil es für mich selbstverständlich und Normalität ist.

(Zurufe von der SPD)

Doch allein die Frage zeigt, dass das nicht gesellschaftlicher Konsens zu sein scheint. Die Diskussion hier zeigt es auch.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Daher waren die vielen interessanten Veranstaltungen rund um das Thema 100 Jahre Frauenwahlrecht völlig richtig, damit das gesellschaftliche Bewusstsein hier immer wieder aufs Neue ge

schärft wird. Gerade in Zeiten, in denen manche eine gesellschaftliche Rolle rückwärts der Frau einfordern, sind solche Veranstaltungen, die uns immer wieder daran erinnern, dass das Frauenwahlrecht keineswegs immer eine Selbstverständlichkeit war, von großer Bedeutung. Es sind aber nicht nur die populistischen Strömungen, die Frauen in das vermeintlich Altbewährte, Geborgene zurückdrängen möchten, sondern auch andere gesellschaftliche Entwicklungen, die sich beispielsweise das Recht herausnehmen, zu definieren, was eine gute Mutter ist und was eben nicht.

Doch vor dem Hintergrund der zahlreichen Veranstaltungen zum Frauenwahlrecht auf bürgerschaftlicher und bezirklicher Ebene und in den frauenpolitischen Organisationen der Parteien habe ich mich ein klein wenig gefragt, ob der SPD heute kein aktuelleres politisches Thema einfällt,

(Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein FDP: Ja, genau!)

das die Hamburgerinnen und Hamburger aktuell vor zwei so wichtigen Wahlen umtreibt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Außerdem haben wir erst vor wenigen Wochen hier, wenn auch sicherlich nicht abschließend, über ein mögliches Paritätsgesetz diskutiert. Zu dessen rechtlicher Einordnung hat mein Kollege Richard Seelmaecker seinerzeit schon umfangreich Stellung genommen. Aber unabhängig davon, wie wir hier über irgendwelche Quoten oder Ähnliches denken – es gibt für beide Seiten, denke ich, vernünftige Argumente –,

(Gabi Dobusch SPD: Ach ja?)

darf es in keinem Fall bei dem stumpfen Einhalten von Quoten bleiben, wenn es um wahre Gleichberechtigung von Mann und Frau in Demokratie und Gesellschaft geht.

(Gabi Dobusch SPD: Verfolgen Sie das doch mal!)

Denn Quoten verführen auch dazu, davon auszugehen, dass es sich durch das reine Einhalten dieser mit der Förderung von Frauen getan hat und die Weste somit rein ist. Das kann wiederum manchmal dazu führen, dass Frauen in Schlüsselpositionen sitzen, dort aber in Wirklichkeit nichts zu melden haben.

(Beifall bei der CDU und bei Harald Feineis AfD)

Frauen wirklich zu beteiligen bedeutet, den Willen zu haben, die politische Infrastruktur auf den Kopf zu stellen und dafür Sorge zu tragen, Kinder und Politik beziehungsweise Familie und politische Karriere mit praktischen Ansätzen und nicht nur durch reine Akzeptanz zu vereinbaren. Hier bietet uns sicherlich die Digitalisierung eine riesige Chance.

(Gabi Dobusch)

Das gilt nicht nur für die Parlamente und die Parteien, sondern auch für den vorpolitischen Raum. Denn politische Willensbildung und Mitgestaltung durch Frauen beginnt sicherlich nicht erst in der Hamburgischen Bürgerschaft, sondern zum Beispiel schon in den vielen Bürgervereinen in den Stadtteilen.

Im Jahr 1980 regelte das Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz das Recht auf gleiches Entgelt. Knapp 40 Jahre später scheinen wir in diesem Punkt gefühlt nicht weitergekommen zu sein, doch die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frau ist auch heutzutage der Schlüssel, wenn es um politische Teilhabe von Frauen geht. Ob man es wahrhaben will oder nicht, politisches Engagement muss man sich leisten können. Wie hoch der Gehaltsunterschied zwischen Mann und Frau tatsächlich ist, ist umstritten, aber es gibt ihn; das ist wohl unstrittig. Deshalb war es auch richtig, dass das Thema durch das Entgeltgleichheitsgesetz unter anderem durch den Einsatz des frauenpolitischen Sprechers der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marcus Weinberg, auf die politische Agenda gesetzt worden ist.

(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Nun sind wir doch im Wahlkampf! – Zurufe von der SPD)

Im Juli dieses Jahres wird das Gesetz erstmals in Berlin evaluiert und wir schauen gespannt nach Berlin.

Lassen Sie mich zum Schluss eine persönliche Bitte an Sie alle richten, insbesondere in diese Richtung des Hauses: Lassen Sie uns versuchen, das Thema Frauen und Politik positiv zu besetzen. Nur durch Kostüme, durch das gebetsmühlenartige Vorbeten, wie schlecht es um die Frauen in der Politik und wie besonders schlecht es um die Frauen in dieser und jener Partei bestellt sei,

(Dirk Kienscherf SPD: Sie brauchen nur Ihre Fraktion anzuschauen!)

werden Sie sicherlich keine Frau dafür gewinnen können, sich politisch zu engagieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP – Wolfgang Rose SPD: Das war doch echt peinlich!)

Frau Engels hat das Wort für die GRÜNE Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gerade mit Blick auf die anstehenden Wahlen kann ich mir kein aktuelleres Thema vorstellen, als über die Bedeutung, die in diesem Wahlrecht liegt, das wir innehaben, und über die Bedeutung dessen, dass jetzt wirklich alle wählen können, zu diskutieren.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

100 Jahre Frauenwahlrecht – ein Grund, zu feiern, und ein Grund für eine Aktuelle Stunde in der Bürgerschaft, auch für uns GRÜNE. Anders als die Sozialdemokratinnen haben wir vor 100 Jahren zwar nicht für die Einführung des Frauenwahlrechts gekämpft, deswegen auch keine Verkleidung in der Richtung – damals gab es uns GRÜNE einfach noch nicht –, aber als grüne Partei verstehen wir uns als die Partei, die aus den neuen sozialen Bewegungen der Siebzigerjahre hervorgegangen ist, und hierzu gehört neben der Umweltund Friedensbewegung auch ganz zentral die Frauenbewegung.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Deswegen sind wir von Beginn an eine feministische Partei, die nicht nur immer Frauen in der ersten Reihe hatte, sondern sich auch zentral um frauenpolitische Belange kümmert, dies sogar als einen Wesenskern ihrer Partei begreift.

Unsere Partei zeigt, dass die Frauenquote wirkt. Es braucht Strukturen, die strukturelle Diskriminierung aufbrechen. Freiwillig teilt keine Männerriege ihre Macht. Das ist aber dringend notwendig, damit Frauen nicht nur von ihrem aktiven, sondern auch von ihrem passiven Wahlrecht, von ihrem Recht, gewählt werden zu können, Gebrauch machen können. Denn das Wahlrecht ist ein hohes Gut.