Protokoll der Sitzung vom 22.05.2019

Herr Westenberger bekommt das Wort für die CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, bis zu den Vorrednern, die mit Europa sachlich etwas besser umgegangen sind als die Redner davor … Ich möchte einmal daran erinnern, was wir mit Europa eigentlich haben. Wir werden gleich hoffentlich noch über 70 Jahre Grundgesetz sprechen und ich möchte Sie einmal an geltendes deutsches Recht erinnern, das Bestandteil der Europäischen Menschenrechtskonvention ist, die 1950 auf europäischem Kontinent verabschiedet worden ist.

Artikel 1: Verpflichtung der Achtung des Menschenrechts; Artikel 2: Recht auf Leben; Artikel 3: Verbot von Folter; Artikel 4: Verbot der Sklaverei und Zwangsarbeit; Artikel 5: Recht auf Freiheit und Sicherheit; Artikel 6: Recht auf faires Verfahren; Artikel 7: Keine Strafe ohne Gesetz; Artikel 8: Recht auf Privatheit und Familienleben; Artikel 9: Gedankenfreiheit; Artikel 10: Meinungsfreiheit; Artikel 11: Versammlungs- und Vereinsfreiheit.

Das alles war bis 1950 auf europäischem Boden keine Selbstverständlichkeit. Dieses Recht ist Verwaltungs- und Verfassungsrecht in Deutschland zugleich – und wir kloppen uns herum zwischen den Linken und den Rechten um Begriffe, die Sie sich gegenseitig um die Ohren hauen, statt hier einmal wirklich die Bedeutung unserer Europäischen Union und unserer Europäischen Verfassung hervorzuheben.

(Beifall bei der CDU, der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Der Erste Bürgermeister war so lieb und hat aus meiner Rede insbesondere den Außenhandel und auch die Bedeutung des europäischen Kontinents noch einmal hervorgehoben.

(Heiterkeit bei der SPD und der CDU – Ers- ter Bürgermeister Dr. Peter Tschentscher: Das habe ich abgeschrieben!)

Welche Möglichkeiten haben wir denn, gemeinsam zu gehen, und welche Möglichkeiten haben wir, jeweils getrennte Wege zu gehen? Wir erleben doch auch innerhalb der Europäischen Union, welche Nachteile es bringt, einen Amokkurs zu fahren und aus der Vernunft auszuscheren. Insbesondere die Männer in diesem Haus wissen doch seit ihrer Kindheit: Dreimal auf die Herdplatte zu drücken, bringt keinen Erfolg, insbesondere, wenn sie an ist. Wir erleben jede Woche wieder im britischen Parlament, in welch unsägliche Situation sie sich und ihre Gesellschaft geführt haben, und auch, in welcher Hoffnungslosigkeit dieses Parlament und diese Gesellschaft sich gerade befinden. Es muss doch wirklich ein Ansinnen sein, den Menschen, mit denen wir derzeit jeden Tag an den Infoständen sprechen, die Bedeutung und die Sinnhaftigkeit Europas näherzubringen, statt hier schmutzige Wäsche zu waschen. Deswegen, bitte, liebe LINKE, die Themenwahl war unglücklich, sehr unglücklich. Das hätten wir hier besser machen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Dr. Wolf für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrtes Präsidium, meine Damen und Herren! Es wurden in verschiedenen Reden unterschiedliche Fake News losgelassen, darauf kann und will ich gar nicht im Einzelnen eingehen, sondern mich am Thema orientieren.

(Zurufe von der SPD – Arno Münster SPD: Erst mal behaupten!)

Das Thema, das DIE LINKE angemeldet hat, muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: "Keinen Fußbreit den Rechten!", geht es da los.

(Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Hier offenbart sich eine Ablehnung von Demokratie und Meinungsfreiheit, die autoritäre Einstellung der Links-Fraktion.

(Zuruf von Anna Gallina GRÜNE)

Demokratie lebt von Streitkultur, von Pluralität, vom Austausch der Argumente. All das ist Ihnen aber fremd, wenn Sie allen Ernstes Parteien und

(Uwe Giffei)

Wähler eines Ihnen offenbar verhassten konservativen Meinungsspektrums ausgrenzen. Das ist undemokratischer Geist in Reinkultur. Mehr noch, die Formulierung "keinen Fußbreit" ist doch wohl bereits als Drohung zu verstehen – Drohungen, wie sie Mitgliedern und Sympathisanten meiner Partei immer wieder widerfahren. Stellen wir uns das doch einmal umgekehrt vor, wir würden fordern, keinen Fußbreit den Linken.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Was wir nicht tun, denn wir stehen voll und ganz zu Pluralität und Meinungsfreiheit, anders als Sie zu Rechtsstaat und Demokratie. Da zeigt sich, wie verlogen Ihre Anmeldung ist, wenn es nach der Kampfansage "Keinen Fußbreit den Rechten!" dann heißt, "Demokratie, Vielfalt stärken". Demokratie und Vielfalt heißt eben immer auch den Andersdenkenden,

(Sabine Boeddinghaus DIE LINKE: Das sagt der Richtige!)

Linken oder Rechten, zu akzeptieren, statt ihn einzuschüchtern. Demokratie und Vielfalt nur für diejenigen, die die richtige linke Meinung haben, das ist keine Demokratie, sondern das Gegenteil. Hier kommt die Mauerschützen-Partei ungeschützt zum Vorschein.

(Zurufe von der LINKEN: Oh!)

Ich halte fest: Solidarität nicht nur, wenn die Gesinnung passt; das ist eben keine Solidarität. Gerechtigkeit ist nicht Umverteilung, im Gegenteil, linke Umverteilung ist ungerecht. Demokratie und Vielfalt bedeutet immer auch, abweichende Meinungen zuzulassen, egal, ob sie einem gefallen oder nicht, und nicht zum Beispiel die Wahl von AfDVertretern zu Beiräten, Kommissionen und Deputationen immer wieder zu vereiteln.

(Zurufe von der SPD)

In diesem Zusammenhang erinnere ich noch einmal an die Mahnung des linken Widerstandskämpfers Ignazio Silone, Sie kennen es hoffentlich:

"Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: 'Ich bin der Faschismus.' Nein, er wird sagen: 'Ich bin der Antifaschismus.'"

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Dann bekommt jetzt Herr Dr. Tjarks für die GRÜNE Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ja, Herr Wolf, wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: Ich bin der Faschismus. Sondern er wird sagen: Ich

bin für Vielfalt – so wie Sie das eben gesagt haben –,

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

und ich möchte gleichzeitig zum Beispiel Kampnagel schließen, weil ich die Vielfalt in dieser Stadt nicht ertragen kann. Das wird er vielleicht sagen. Sie sollten hier nicht Märchengeschichten erzählen darüber, dass Sie für Vielfalt sind und gegen Ausgrenzung. Das passt einfach nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und bei Nebahat Güçlü fraktionslos, Jörg Hamann CDU und Jens Meyer FDP)

Es ist doch vielmehr so, dass wir einen Parteispendenskandal oder einen Skandal insgesamt des politischen Systems erleben, eine bahnbrechende Erschütterung in Österreich, ein Erdbeben, in dem wir sehen, wie Ihre Schwesterpartei gerade nicht nur zu Recht völlig vor die Hunde geht, sondern ihr Land – und ich frage Sie einmal: Was ist das eigentlich für ein Patriotismus, den Sie als rechte Parteien pflegen? – für ein paar Euro an Putin verkaufen würde. Das ist das, was sie machen.

Und was haben Sie damit zu tun? Ihr Herr Meuthen und Ihre Frau Weidel haben die größte Parteispendenaffäre seit Herrn Kohl an den Hacken und die sagen auch nicht, wo das Geld herkommt. Die sagen auch nicht, was sie dafür versprochen haben. Das ist doch die Realität, mit der Sie sich auseinandersetzen müssen und um die es hier geht.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD, der LIN- KEN, der FDP, vereinzelt bei der CDU und bei Nebahat Güçlü fraktionslos)

Und ich glaube schon, dass sich Europa damit auseinandersetzen muss, dass am 23. Juni 2016 Großbritannien, getrieben von einer konservativen Partei, von David Cameron, überbordendem Nationalismus und falschen Versprechungen, für die vielleicht größte Selbstverzwergung seiner eigenen Geschichte gestimmt hat, für das Chaos des Brexit,

(André Trepoll CDU: Es ist schlimm mit die- sen Volksabstimmungen!)

der in zwei Jahren immer noch nicht umgesetzt worden ist. Wer hat gesagt im Wahl-O-Mat, ich ändere meine Aussage, ich bin nicht mehr für den Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union? Das sind Sie, meine Damen und Herren von der AfD, weil Sie sich nach dem Chaos nicht einmal mehr trauen, Ihre eigenen Forderungen vorzutragen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich glaube, die übergroße Mehrheit in diesem Haus ist gegen rechts; da gibt es keine zwei Meinungen. Aber ich glaube, wir sollten nicht nur da

(Dr. Alexander Wolf)

rüber reden, was wir Positives mit der Europäischen Union verbinden, über ihre Geschichte und was sie geleistet hat – das hat sie sattsam bewiesen –, sondern vor einer Europawahl muss man auch darüber reden, was man mit ihr eigentlich anfangen möchte in den nächsten fünf Jahren. Ich kann für die GRÜNEN sagen: das ist mehr Klimaschutz, dass der Emissionshandel ins Rollen kommt, das ist natürlich das Beenden der humanitären Katastrophe im Mittelmeer, und das ist die Freiheit von Wissenschaft und Forschung, ein freier Welthandel und eine auf internationalem Recht basierende Ordnung.

Wir sollten uns nichts vormachen, wir sind mittlerweile als Deutsche bei 7,5 Milliarden Erdenbürgern etwa 1 Prozent der Menschheit. Deswegen gilt das, was Federica Mogherini anlässlich des 100. Geburtstags von Helmut Schmidt gesagt hat: Es gibt viele europäische Länder, die schon begriffen haben, dass sie klein sind. Andere werden es noch merken.

Europa ist unsere Zukunft, und zwar nicht als Europa der Nationen, sondern als einheitliche Europäische Union. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Nockemann von der AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Dr. Tjarks, nicht zum ersten Mal erweisen Sie sich als Meister der inhaltlichen Verkürzung und der Verallgemeinerung.