Protokoll der Sitzung vom 22.05.2019

(Beifall bei der SPD und bei Olaf Duge GRÜNE)

Ein Europa ohne Kinderarmut, ein Europa mit fairen Mindestlöhnen, die nicht in Armut führen; ein faires Europa. Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass wir für einen langfristigen inneren Frieden Europas ein soziales und gerechtes Europa schaffen müssen und werden, denn so und nur so werden wir den aktuellen Herausforderungen trotzen und unsere vergangenen Erfolge eine Zukunft haben.

Apropos Frieden, meine Damen und Herren: Gerade in einer Zeit, in der die Weltordnung, wie wir sie kennen, infrage gestellt wird, ist Europa die Antwort. Als Friedensprojekt innerhalb der europäischen Staaten erfolgreich, erwächst die Verantwortung, sich international stärker für den Frieden einzusetzen und die diplomatischen Fähigkeiten zu nutzen, die wir in den letzten Jahren ausgebaut haben. Aber auch in der Außenpolitik sollten wir uns nicht mit dem Status quo zufriedengeben. Stellen Sie sich doch für einen Moment ein Europa mit einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik vor. Wie viel könnten wir bewegen, wie viel mehr Gewicht hätten wir auf internationaler Ebene, wenn wir für ein geschlossenes und einiges Europa mit einer Stimme sprechen würden. Meine Damen und Herren, wir wollen mehr Europa wagen. Seien Sie dabei.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Ilkhanipour. – Herr Westenberger, Sie haben nun das Wort für die CDU-Fraktion.

Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht noch einmal zur politischen Richtigstellung dessen, was der Kollege Dr. Wolf von der AfD gerade gesagt hat. Ich möchte dazu einen Satz zitieren von Herrn Gauland auf dem Bundesparteitag in Riesa. Er bezeichnete die EU als "korrupten, aufgeblähten, undemokratischen und latent totalitären Apparat", er gehöre … Den Rest möchte ich jetzt nicht weiter vorlesen. Wenn Sie sich also hinstellen und sagen, dass Sie eine höchst freundschaftliche, ja

(Danial Ilkhanipour)

schon fast erotische Beziehung zu Europa hätten, dann nehme ich Ihnen das nicht mehr ab, und ich bin einmal gespannt, wie Sie den Rest des Tages hier politisch überleben wollen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, den GRÜ- NEN und vereinzelt bei der LINKEN und der FDP)

Wer die Drucksache gelesen hat – und das tun wir ja hin und wieder einmal, auch wenn das schon massiv viel ist, was wir als Halbtagspolitiker auf den Tisch bekommen –, sieht, dass die EU-Ratspräsidentschaft von Rumänien sich besonders mit dem Thema der informationellen Selbstverwaltung und Selbstbestimmung durch die einzelne Bürgerin, den einzelnen Bürger unseres Europas in Verbindung gesetzt hat. Und wer mir vorhin zugehört hat, weiß, dass wir auch aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention bereits das Recht der informationellen Selbstbestimmung als Grundrecht in der Europäischen Menschenrechtskonvention haben. Wir scheitern jedoch regelmäßig an der Umsetzung öffentlichen Rechts, daran, dass wir selbst kaum Herrscher der Umsetzung des öffentlichen Rechts sein können. Server stehen in den Vereinigten Staaten oder an anderen Orten, und hin und wieder hören wir auch als Mitglieder des Eingabenausschusses: Ab jetzt endet die Möglichkeit einer hamburgischen Verwaltung. Umso mehr ist es doch sinnvoll, dass wir uns auf europäischer Ebene … Und es geht doch nur gemeinsam. Oder will etwa ein einzelnes Land den Versuch unternehmen, sich mit den Vereinigten Staaten von Amerika oder der Republik China in Verbindung zu setzen, um dort wirtschaftliche, private und politische Macht an eine Kette zu setzen? Wir sind doch eigentlich, um die Interessen unserer einzelnen Bürgerinnen und Bürger auch gerade in einer sich immer weiter digitalisierenden Welt zu vertreten, angehalten als Europäer, uns über Freihandelsabkommen und über Verträge, auch zwischen den einzelnen Wirtschafts- und politischen Räumen, miteinander zu verbinden.

Deswegen kann ich nur an die beiden Fraktionen appellieren, die sich in diesem Haus bislang sehr, sehr schwergetan haben mit der intellektuellen … ja, sagen wir einmal so: über die Klippe zu springen und sich dem Thema Freihandel überhaupt ein bisschen freundschaftlich anzunähern. Ich glaube, Herr Trump zeigt uns jetzt, wie sinnvoll es gewesen wäre, mit der Regierung Obama zumindest noch in ein Vorvertragsverhältnis einzutreten. Damit hätten wir uns viele, viele Twitter-Zeilen erspart, viel Aufregung, und er hätte den Wirtschaftsprozess zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa nicht auf dieses Maß gebracht, auf dem wir jetzt sind.

(Beifall bei Gert Kekstadt und Hansjörg Schmidt, beide SPD)

Das ist wirklich sehr, sehr reizend.

Also, wir brauchen ein gemeinschaftliches Europa, um eben auch dort Marktmacht in Leitplanken zu setzen, wenn wir es auf unserem deutschen und europäischen Boden nicht mehr hinbekommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Herr Westenberger. – Herr Gözay, Sie erhalten nun das Wort für die GRÜNE Fraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen! Bevor ich einige Punkte zum Arbeitsprogramm sagen – es wurde von meinen beiden Vorrednern schon einiges erwähnt –, möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Senatskanzlei, aber auch bei den Mitwirkenden und Organisatoren der gerade vergangenen Europawoche zu bedanken, die sich in den Veranstaltungen der letzten Woche engagiert und sich für Europa eingesetzt haben. Unter dem Motto "Mein Europa" hat die Freie und Hansestadt Hamburg ihre traditionelle Europawoche letzten Sonntag offiziell beendet. Es gab spannende Gespräche und es wird wahrscheinlich auch noch viele weitere geben, aber wichtig ist, dass wir über die neuen Aspekte von Europa diskutiert haben.

In diesem Jahr fiel erstmals die Fastenzeit Ramadan mit der Europawoche zusammen, und im Fastenbrechen wurden auch sehr viele europäische Themen diskutiert: mit Christen, mit Juden, mit Moslems, Buddhisten, mit anderen Glaubensrichtungen. Jetzt fragt sich natürlich der eine oder andere: Was hat der Ramadan mit der Europawoche zu tun? Er hat viel damit zu tun, nämlich insoweit, dass in Deutschland, im Zentrum Europas, Religionsfreiheit und Kultur in Frieden, Toleranz, Respekt und im Dialog miteinander ausgelebt werden können. Das ist mein Verständnis von meinem Europa, und darauf bin ich stolz.

(Beifall bei der SPD)

Auch die "Lange Nacht der Konsulate", die morgen stattfindet – das wurde hier noch nicht erwähnt –, bietet unseren Hamburgerinnen und Hamburgern die Gelegenheit, mit den Diplomaten in ein offenes Gespräch zu gehen. Ich nenne Polen als Beispiel. Das polnische Generalkonsulat, zu dem viele Menschen gehen werden, bietet die Gelegenheit, kritisch über einige Punkte, die meine Kollegen genannt haben, zu diskutieren. Das sind Themen, die wir in der "Langen Nacht der Konsulate" aufgreifen können; eine Besonderheit in Hamburg.

Kommen wir aber zu der Europawahl und der Bezirkswahl in der nächsten Woche. Ich habe in den vergangenen Jahren noch nie – und ich glaube, das können Sie bestätigen – so viele junge Menschen gesehen, die sich für Europa und für den

(Michael Westenberger)

Klimaschutz interessieren. Es geht um die Solidarität Europas. Ich glaube, dass diese jungen Menschen mit den Initiativen "Pulse of Europe" und "Fridays for Future" ihre Politikverdrossenheit endlich einmal unter Beweis gestellt haben. Sie zeigen, dass Europa für sie wichtig ist und sie sich für Europa einsetzen können.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission "Versprechen einlösen und unsere Zukunft gestalten" gibt es zahlreiche Themen, die wichtig für Hamburg sind und die wir, so glaube ich, in den kommenden Jahren in den Ausschüssen und in der Bürgerschaft debattiert werden. Die inhaltlichen Schwerpunkte liegen dabei im Bereich der grünen Kompetenz: Nachhaltigkeit, Energie, Klima und Umwelt. Es gibt natürlich weitere Programme, die auch wichtig sind, aber das sind eben die Punkte, die gerade im Mittelpunkt stehen. Und das sind auch die Themen, für die wir GRÜNE uns in den nächsten Jahren hier in Hamburg und in Europa einsetzen wollen.

Was bedeutet das in der Praxis? Für Europa: Wir wollen bis 2050 die erste CO2-neutrale Wirtschaftszone werden. Wir wollen, dass 2050 mehr Fische im Meer schwimmen als Plastik. Wir wollen, dass bis 2050 Klimaneutralität erreicht wird und wir dazu beitragen, die Erderwärmung unter 2 Grad zu halten.

Für Hamburg: Wir möchten ab 2030 keine Kohlewärme mehr in Hamburgs Fernwärmeleitung; Initiative "Tschüss Kohle". Außerdem wollen wir im Containerterminal Altenwerder bis 2020 alle Dieselfahrzeuge mit Batterien und Elektromotoren ausstatten, 18 Stromtankstellen für die Fahrzeuge installieren und Strom aus Sonne und Wind gewinnen. Das bedeutet mehr saubere Luft für die Hamburgerinnen und Hamburger, für die Tiere, aber auch für die Umwelt.

Das sind nur einige Beispiele, die wir für Hamburg und Europa in den nächsten Jahren einlösen werden. In diesem Sinne: Hamburg ist Europa und Europa ist die Zukunft Hamburgs. – Vielen Dank.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Gözay. – Ich erteile jetzt das Wort an Herrn Dolzer für die Fraktion DIE LINKE.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Wer ein vereintes und solidarisches Europa anstrebt, in dem die Menschen respektvoll zusammenleben und respektvoll miteinander umgehen, muss rechte Stimmungsmache bekämpfen und die Grundlagen für sozial gleiche Rechte sowie den Ausgleich der Unterschiede zwischen den

Regionen legen. Nur wenn wir zulassen und auch gefördert wird, dass sich die Volkswirtschaften zum Beispiel in Griechenland, Spanien, Portugal und Italien und in weiteren Ländern wirklich entwickeln, wird die EU aus der Krise kommen. Die Austeritätspolitik der EU, das wurde in dem Gespräch mit Herrn Kühnel und der Diskussion um das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission deutlich, und die Konzentration der Macht in Kommission und Rat führen in die Sackgasse. Es ist wichtig, dass das Parlament wesentlich mehr Impuls- und Kontrollrechte bekommt, denn das Parlament sorgt dafür, dass Europa und die EU für die Menschen gestaltet werden kann. Kommission und Rat verhindern das immer wieder zugunsten der Durchsetzung von Interessen der großen Konzerne. Deshalb müssen wir das Parlament stärken, wenn wir die EU stärken und erhalten wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Außerdem muss sich einiges an der politischen Ausrichtung der EU ändern. Eine friedliche Außenpolitik ist essenziell, um die EU nicht in Konkurrenz zu weiteren Akteuren zu treiben, sondern wirklich als Friedenskraft zu stärken. Dazu muss erstens eine andere Außenpolitik betrieben und nicht weiter aufgerüstet werden. Nicht zu gucken, dass man eine gemeinsame Verteidigungsunion erreicht, sondern dass man eine gemeinsame Friedensunion hinbekommt, ist unser Ziel.

(Beifall bei der LINKEN)

Und dazu müssen Rüstungsexporte gestoppt werden und andere Maßregeln gesetzt werden, als es momentan getan wird.

In dem Gespräch mit Herrn Kühnel wurde zudem klar, dass die EU-Kommission in keinem Punkt eine Politik gegenüber diktatorischen Regimen, zum Beispiel der Regierung Erdogan, auch nur andenkt. Sie denkt nicht nur nicht darüber nach, dass es vielleicht notwendig wäre, gezielt politischen Druck auf eine Regierung auszuüben, die Menschenrechte mit Füßen tritt, in deren Gefängnissen gefoltert wird, die völkerrechtswidrig in Afrin einmarschiert, gemeinsam mit islamistischen Kräften – Herr Kühnel hat es gesagt: Die EU-Kommission sieht es nicht als notwendig an, da mehr Druck aufzubauen. So kann das nicht weitergehen. Da muss sich die EU ebenfalls ändern.

Die Europäische Union ist momentan in einer schweren Krise, das sehen wir am Brexit, das sehen wir an den Entwicklungen in Italien. Da müssen wir einfach umdenken. Wir wollen ein soziales Europa. Wir wollen ein Europa, in dem Klima eine Rolle spielt, Frieden eine Rolle spielt und die Rechte der Menschen und nicht die Rechte der Konzerne im Mittelpunkt stehen. Deshalb ist viel Arbeit zu tun. Das müssen wir immer wieder diskutieren und das werden wir auch in Zukunft in den Diskussio

(Murat Gözay)

nen mit den Vertretern der Kommission und des Arbeitsprogramms der Kommission tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Dolzer. – Das Wort erhält nun für die FDP-Fraktion Frau Nicolaysen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben uns im Ausschuss intensiv mit dem Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission auseinandergesetzt. Viele Punkte wurden bereits angesprochen. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf die Errungenschaften für den Frieden in Europa hinweisen. Das ist ein Verdienst der Europäischen Union.

Europa ist eine Gemeinschaft der Werte und des Rechts. Trotzdem gibt es noch sehr viel zu verbessern. Daran müssen wir gemeinsam auf allen Ebenen arbeiten.

(Beifall bei der FDP)

Klar ist, dass auch die bilateralen Beziehungen der Europäischen Union, zum Beispiel zu Japan und Kanada, eine zunehmende Bedeutung haben, das wurde nicht nur im Gespräch mit den Vertretern der Europäischen Kommission deutlich. Nicht zuletzt Hamburg als Handels- und Hafenmetropole profitiert davon, insgesamt ist es für Europa sehr wichtig, sich mit Partnern zu verbinden, die dieselben Werte wie Menschenrechte und eine pluralistische Demokratie verfolgen. Das hat Herr Kühnel von der Europäischen Kommission im Europäischen Haus am 21. März dieses Jahres in Berlin sehr gut hervorgehoben.

Meine Damen und Herren! Im Zuge der bevorstehenden Europawahl sollten wir nicht vergessen, dass Presse- und Meinungsfreiheit unverzichtbare Voraussetzungen für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit in Europa sind.

(Beifall bei der FDP)

Aktuell erleben wir beides in einigen Ländern der Europäischen Union als bedroht, zum Beispiel in Polen und in Ungarn. Wir Freie Demokraten sehen diese Freiheiten als wesentlich an für das Zusammenleben und die Gemeinschaft der Europäischen Union und für die Gestaltung der Zukunft für die junge Generation. Dafür lohnt es sich, auch auf Landesebene für Europa zu kämpfen. Meine Damen und Herren, gehen wir die notwendigen Projekte gemeinsam mit den Institutionen weiter an, auch für die jungen Menschen. Das betrifft den Breitbandausbau, 5G-Funktechnologie und die Förderung der Zusammenarbeit von Universitäten in verschiedenen europäischen Ländern. Dafür setzen wir Freie Demokraten uns ein.

Und zum Brexit: Wir müssen alles Notwendige tun, um den hier lebenden Bürgern des Vereinigten Königreichs eine positive Bleibeperspektive zu ermöglichen, egal wie der Ausgang dann sein wird. Voraussetzung ist: Hamburg muss weiter auf alle Varianten des Austritts vorbereitet sein. Dazu gehört auch, die Ausländerbehörden in den Bezirken auf einen ungeregelten Austritt vorzubereiten. Wir brauchen eine klare Strategie in enger Abstimmung mit dem Bund und der Europäischen Union.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns Europas Chancen nutzen. – Vielen Dank.