Protokoll der Sitzung vom 19.01.2022

(Beifall)

Der Ansatz, den SPD und GRÜNE hier fahren – wir machen es uns einfach, versiegeln einfach weiter, bebauen wertvolle Grünflächen, weil wir eben nicht bereit sind, auch einmal über den Tellerrand zu schauen –, ist einfach zu wenig. Das Diekmoor, Oberbillwerder oder die Hummelsbütteler Feldmark sind hier einige traurige Beispiele aus der Vergangenheit und gegebenenfalls auch aus der Zukunft.

Herr Kienscherf, Sie werden uns sicherlich gleich wieder erzählen, dass die CDU keinen Wohnungsbau will und diese ganzen Geschichten, die Sie hier die letzten Jahre immer wieder abspielen. Aber das nimmt Ihnen inzwischen in dieser Stadt gar keiner mehr ab, denn die CDU hat in den letzten Jahren zahlreiche Initiativen und Anträge eingebracht, unter anderem die verstärkte Nutzung bereits versiegelter Flächen, Bebauung über Parkplätzen oder über Supermärkten, was bisher noch nicht wirklich passiert, oder endlich die ordentliche Umsetzung des Magistralenkonzepts. Das Magistralenkonzept ist doch keine Erfindung des Senats, sondern ist eine Erfindung der CDU schon aus der letzten Legislaturperiode.

(Beifall)

Und das hat deutlich gezeigt, wie man hier gute Oppositionsarbeit in Hamburg macht.

Zur Wahrheit gehört auch, wenn wir uns Gedanken machen, wie wir unsere Grünflächen schützen wollen, dass wir punktuell weiter in die Höhe bauen müssen. Auch da müssen Sie mutig sein, denn das Ziel sollte uns eigentlich einen, Grünflächen in Hamburg zu erhalten. Wir müssen gucken, wie wir das Arbeiten und das Wohnen in unserer Stadt noch enger zusammendenken, wie wir es gemeinsam voranbringen. Und auch da haben wir zahlreiche Vorschläge in unserem Innenstadtkonzept gemacht oder auch die Bebauung oder das Bauen von Wohnraum in der City Nord. All das ist möglich, aber all das machen Sie zurzeit nicht, weil Sie es sich leider schlicht zu einfach machen.

Stattdessen bebauen Sie lustig weiter unsere Grünflächen mit allen negativen Folgen. Das führt dazu, dass der Versiegelungsgrad in unserer Stadt von Jahr zu Jahr immer weiter zunimmt. Wissen Sie, was besonders erschreckend ist? Das alles mit Regierungsbeteiligung der GRÜNEN, die doch eigentlich von ihren Wählerinnen und Wählern gewählt sind, um die Grünflächen zu erhalten, um die Natur zu schützen, das Klima zu schützen. Was Sie hier in den letzten Jahren gemacht haben, ist genau das Gegenteil, das sollen die Menschen

(Vizepräsident André Trepoll)

draußen auch sehr deutlich wissen, und das wissen sie auch.

(Beifall)

Die Folgen der immer weiter zunehmenden Versiegelung sehen wir auch tagtäglich in unserer Stadt, Starkregenereignisse führen immer wieder zu Überschwemmungen. Der Vertrag für Hamburgs Stadtgrün schützt eben aktuell nur einen Prozentsatz von Natur- und Landschaftsschutzgebieten. Wir lehnen die Praxis von SPD und GRÜNEN ab, die Sie in Hamburg praktizieren, nämlich die Bebauung ohne Ausgleichsflächen innerhalb des Zweiten Grünen Rings; das lehnen wir strikt ab. Ihr aktueller Grünflächenfraß, der zulasten der Umwelt, zulasten der Lebensqualität geht, ist eben keine ökologische Stadtentwicklung, so wie wir sie uns als CDU vorstellen. Wir sind bereit, das gemeinsam zu entwickeln, aber dazu müssen Sie endlich dann einmal die Bereitschaft mitbringen.

(Beifall)

Der aktuelle Vertrag für Hamburgs Stadtgrün öffnet SPD und GRÜNEN zudem weiterhin Tür und Tor zur Versiegelung von Grünflächen in der Stadt, ohne dann kompensatorische Maßnahmen zwingend vorzuschreiben. Und unsere begrünten Stadtteile, und damit meine ich die begrünten Stadtteile an den äußeren Rändern unserer Stadt, dürfen mittelund langfristig nicht mit den gleichen Problemen konfrontiert werden, wie sie in der Innenstadt anzutreffen sind, nämlich mit einer immer weiter verstärkten Versiegelung und dadurch auch einhergehend immer mehr Überschwemmungen, alles, was dazugehört. Das ist negativ für den Klimaschutz. Dafür setzen wir uns ein, und der Vertrag für Hamburgs Stadtgrün muss darum umgehend reformiert und analog dazu aufs ganze Stadtgebiet ausgeweitet werden. Da haben wir auch gestern und heute gehört, dass sowohl der NABU als auch der BUND uns unterstützt.

Wir als CDU-Fraktion haben bei der Schaffung von neuem Wohnraum in den letzten Monaten und Jahren intensiv mitgeholfen, das wollen wir auch weiterhin tun, denn wir wissen im Gegensatz zu Ihnen, dass zu einer lebenswerten Stadt auch Parks und Grünflächen gehören. Das ist wichtig für die Lebensqualität und vor allem für das Klima in unserer Stadt. – Herzlichen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Thering. – Herr Kienscherf. Wünschen Sie das Wort, Herr Kienscherf? Das ist der Fall. Es ist leider tatsächlich so, dass Sie der einzige Abgeordnete sind, den ich nicht sehen kann, weil Sie genau in Sichtachse hinter dem … Aber wir können das jetzt heilen, indem ich Ihnen das Wort erteile. Bitte schön.

Herr Präsident, ich winke Ihnen immer, aber Sie gucken nicht darauf.

Ja, lieber Herr Thering, das war doch wieder ein buntes, hektisches Sammelsurium von allen möglichen Behauptungen. Ich will gleich eingangs sagen: Sie sagen, das wissen die Menschen. Ich glaube, was die Menschen in dieser Stadt wissen, ist, dass CDU und soziale Stadtentwicklung, dass CDU und Wohnungsbau eben nicht zusammenpassen.

(Beifall)

Das wissen die Menschen in dieser Stadt, und das haben sie leidvoll erfahren müssen in den letzten Jahrzehnten Ihrer Regierung.

Es geht tatsächlich, Herr Thering, darauf haben Sie ein wenig jedenfalls einleitend Bezug genommen, um Konflikte, die wir haben in der Stadtentwicklung. Den Vertrag für Hamburgs Stadtgrün, den Sie so mal eben nebenbei gestreift haben, ja, genau dieser Vertrag für Hamburgs Stadtgrün ist einmalig in Deutschland, und er hat eine entsprechend große Beachtung gefunden, weil hier tatsächlich versucht wird, Siedlungsentwicklung, Grünentwicklung und Naturentwicklung zum ersten Mal gemeinsam zu denken und dafür zu sorgen, dass eine wachsende Metropole sich nachhaltig und sozial entwickeln kann.

(Beifall)

Das ist ein großer Wert, und ich muss an dieser Stelle, denn das fußt auf einer Volksinitiative des NABU, noch einmal einen Dank aussprechen. Wir haben in sehr intensiven Gesprächsrunden über eine Lösung diskutiert, und wir haben einen Kompromiss gefunden, wo wir alles berücksichtigen können. Trotz einer wachsenden Stadt, trotz mehr Wohnungsbau, trotz mehr sozialer Infrastruktur ist in diesem Vertrag sehr klar geregelt, dass Grünflächen in einem erheblichen Umfang geschützt werden und dass die Naturqualität messbar in dieser Stadt in den nächsten Jahren verbessert wird. Das ist beispielhaft in ganz Deutschland.

(Beifall)

Ich will Ihnen das deutlich machen an den Zahlen. Sie haben darauf hingewiesen, es geht um Nachverdichtung. Nein, es geht auch darum, erst einmal Flächen zu schützen. Und wir werden 30 Prozent der Flächen in Hamburg nicht bebauen, die werden geschützt sein, 10 Prozent Naturschutzgebiete, über 20 Prozent Landschaftsschutzgebiete, Biotopverbundflächen über 20 Prozent, diese sind vertraglich abgesichert. Das ist ein riesiger Erfolg gerade für die äußere Stadt.

Aber es wird darüber hinausgehen, dass wir in der inneren Stadt, wo wir eine hohe Verdichtung haben – und da kommen wir zum Thema Grünes Netz und dass wir verantwortungsvoll damit umgehen –, genau da sagen, wir wollen dieses Grüne Netz

(Dennis Thering)

(Beifall)

Deswegen geht es darum, diesen Vertrag umzusetzen. Und wenn es darum geht, dass es dort auch zu Problemen kommt, dann ist uns das allen bewusst mit den Bezirken zusammen, dann ist uns bewusst, wenn man einen einmaligen Weg in Deutschland beschreiten will, dass wir diese Zielkonflikte lösen müssen. Und da muss man nachsteuern. Deswegen ist es sehr wichtig – heute haben wir zum ersten Mal oder zum zweiten Mal diesen Bericht vorgelegt, der dann auch in den Stadtentwicklungsausschuss geht, der dann auch in den Umweltausschuss geht –, wir müssen darüber diskutieren, und wir müssen Dinge anpassen. Aber wir sind zum ersten Mal dabei, Vorkaufsrechte regelhaft in diesen Grünflächen zu prüfen und sie auch auszuüben, dass wir mehr Naturschutzgebiete kriegen, dass wir in neuen Quartieren deutlich mehr Grünfläche kriegen. Und dass der Versiegelungsgrad weniger stark zugenommen hat als in allen anderen Bundesländern, da zeigt dieser Vertrag erste Wirkung. Und es ist gut, dass wir in Hamburg wieder einmal Impulsgeber sind. – Vielen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Kienscherf. – Jetzt erhält das Wort für die GRÜNE Fraktion die Abgeordnete Sparr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die CDU springt hier auf ein in der Tat viel diskutiertes Thema auf. Aber offensichtlich – wenn man den Antrag genau liest, merkt man es – fehlt es Ihnen doch an wirklichen Ideen und auch an der notwendigen Detailkenntnis; dazu komme ich gleich.

Ja, es gibt einen Konflikt darum, wie sich unsere Stadt weiter entwickeln soll. Es gibt eine Kollision von meist völlig legitimen Interessen. Naturerhalt gegen Neubau, wohnortnahe Arbeitsplätze gegen Gewerbelärm, mehr Platz für Fuß- und Radverkehr gegen den motorisierten Individualverkehr und noch einiges mehr.

Die CDU benennt den Konflikt auch in ihrem Antrag, aber der Text verdriftet dann sehr schnell ins Ungefähre, man redet von kreativen Lösungen, von einer Politik des Ermöglichens. Was genau soll denn wo ermöglicht werden? Wie sollte denn aus Ihrer Sicht eine verantwortungsvolle Stadtentwicklungspolitik aussehen? Verdichtung im Bestand? Sie wissen selbst, dass wir mit den Konversionsflächen so gut wie durch sind und dass es auch bei der Verdichtung Grenzen gibt. Ich fand es interessant, dass Sie jetzt eben auch für höheres Bauen plädiert haben. Aber schreiben Sie dann wieder Anträge, um die Anwohner:innen vor den Zumutungen einer höheren Nachbarbebauung zu schützen? Dann sollten Sie wenigstens so ehrlich sein zu sagen, dass in Hamburg nun leider wirklich kein

(Dirk Kienscherf)

schützen und wir wollen es auch ausbauen. Aber in Einzelfällen, wo wir da doch rangehen müssen, da sagen wir, muss es nicht nur eine Kompensation geben, wie sie im Übrigen gesetzlich vorgeschrieben ist, sondern darüber müssen wir hinausgehen, da müssen wir Ausgleichsflächen schaffen, und zwar im selben Umfang, wie Flächen in Anspruch genommen werden. Das ist ein riesiger Fortschritt, und ich freue mich, dass gerade der NABU darauf verweist, dass uns das in Hamburg besonders im Bereich der inneren Stadt voranbringt.

(Beifall)

Insgesamt werden wir die Naturqualität, die Biodiversität nachweislich verbessern. In 50 Prozent der Naturschutzgebiete werden wir die Naturqualität um eine Stufe verbessern. In dem Rest von Hamburg, der uns auch besonders wichtig ist, der eingeteilt ist im Biotopkataster, immer messbar, mehrere Hundert Zellen sind das, werden wir trotz wachsender Siedlungsbebauung die Naturqualität und die Biodiversität verbessern. Und auch das ist ein riesiger Fortschritt.

(Beifall – Glocke)

Herr Kienscherf, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Abgeordneten Kappe?

Natürlich.

Vielen Dank, Herr Kienscherf. Sie haben gerade gelobt, dass innerhalb des Zweiten Grünen Rings diese Ausgleichsmaßnahmen und Kompensationen sehr wichtig sind und sehr gut für die Umwelt. Nennen Sie uns doch einmal bitte fachliche Gründe, warum das nicht auch für außerhalb des Zweiten Grünen Rings zählen soll. Und warum ist dieser Antrag von der CDU denn schlecht?

(Beifall)

Das ist eine Frage, die ist berechtigt und die haben wir uns in der Tat auch in den Verhandlungen gestellt. Ich habe es schon angesprochen, dass Naturschutzflächen, Biotopverbundflächen und Landschaftsschutzgebiete insbesondere in der äußeren Stadt sind, und diese 30 Prozent werden besonders geschützt. Und in der inneren Stadt haben wir darüber hinaus zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen. Würden wir diese auch in der äußeren Stadt anwenden, dann können Sie in der Tat Wohnungsbau und Siedlungsentwicklung und soziale Infrastruktur vergessen. Das wollen wir nicht, wir wollen weiterhin eine nachhaltige Entwicklung in unserer Stadt.

Platz mehr ist, jedenfalls nicht für Menschen mit kleinem bis mittlerem Einkommen. Hier im Parlament sind wir aufgefordert, das zu debattieren und vernünftig gegeneinander abzuwägen und dann mehrheitsgetragene Entscheidungen zu treffen. Darum ist es wichtig zu wissen, worüber wir reden.

Verglichen mit anderen großen Städten ist Hamburg in Sachen Grün gut aufgestellt. Wir leben in einer Stadt mit fast 2 Millionen Menschen und 226 000 Straßenbäumen, 30 Prozent unserer Landesfläche sind anderweitig geschützt, Herr Kienscherf ist schon darauf eingegangen. Aber wir müssen uns auch ehrlich machen. Noch wächst Hamburg, und vor allem ist die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum groß. Diese wird erkennbar nicht in kleinteiligen Siedlungen erfüllt werden können. Es ist daher nicht völlig auszuschließen, dass doch einmal kleinräumig in Grünflächen eingegriffen werden soll. Darum haben wir vereinbart, dass innerhalb des enger bebauten Grünen Rings, und daraus ergibt sich auch die Logik dieser Vereinbarung, eine ortsnahe Kompensation für das verlorene Grün geschaffen werden muss. Eine Kompensation als staatliche Verpflichtung. Diese Kompensation ist eben nicht mit dem Ausgleich zu verwechseln, den ein Bauträger leisten muss, wenn er Bäume fällen lässt, und so weiter. Das ist nämlich eine Verpflichtung aus dem Naturschutzgesetz.

Zurück zum Antrag. Schon im Vortext wenden Sie sich gegen eine angebliche Praxis der Bebauung ohne Ausgleichsflächen innerhalb des Zweiten Grünen Rings. Sorry, aber das ist schlicht unwahr. Selbstverständlich gilt die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung auch innerhalb des Zweiten Grünen Rings. Ich will Ihnen gar kein Kalkül unterstellen, aber Unwissenheit macht es nicht besser, und am Ende bleibt, dass Sie hier mit Falschaussagen Politik machen.

(Beifall)

Im Übrigen sei hier der Hinweis erlaubt, dass die naturschutzrechtlichen Regelungen natürlich weitgehend durch Bundesrecht bestimmt werden. Und es war auch eine CDU-geführte Bundesregierung, die die Paragrafen 13a und b ins Baugesetzbuch eingeführt hat, nach der die Ausgleichsregeln für die Gebiete unter 2 Hektar nicht mehr gelten sollen. Wir haben uns dann in Hamburg darauf verständigt, das in den Außengebieten, Paragraf 13b, nicht anzuwenden.

Ich versuche mich nun an der Exegese Ihres Petitums. Sie wollen, Petitum 1, den Vertrag für Hamburgs Stadtgrün analog auf die ganze Stadt anwenden. Was genau meinen Sie damit? Der Vertrag für Hamburgs Stadtgrün wurde zwischen der BUKEA, den Bezirken und den betroffenen Fachbehörden geschlossen, und natürlich gilt er für die ganze Stadt. Oder meinen Sie damit den Auslöser für den Vertrag, die Einigung mit der Volksinitiative "Hamburgs Grün erhalten", Drucksache 21/16980?

Selbst die gilt aber für die ganze Stadt. Was nur innerhalb des Zweiten Grünen Rings gilt, habe ich gerade gesagt.