Vierter Vorbehalt: Wir negieren den Elternwillen. – Nein, denn das Elternwahlrecht für die weiterführende Schule bleibt ab dem Ende der Klasse 6 erhalten und wird durch eine Schullaufbahnempfehlung unterstützt.
Fünfter Vorbehalt: Wir stellen Maximalforderungen. – Nein, lieber Kollege Schlotmann, denn die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag waren schon ein Kompromiss,
sie waren der kleinste gemeinsame Nenner zwischen SPD und PDS und dazu noch von den Wahlprogrammen getragen.
Wir haben uns bewusst damit zufrieden gegeben, weil wir den Einstieg in eine wirkliche Bildungsreform in Mecklenburg-Vorpommern wollten. Wir brauchen diese Reformen. Die PDS will diese Reformen, denn Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit sind auch ein wesentlicher Maßstab für Demokratie. Entgegen einer Zeitungsmeldung von heute: Hierin wird und kann es mit der PDS in Mecklenburg-Vorpommern keinen Kompromiss geben.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verstehe mich nicht unbedingt als Bildungsexperte, aber ich meine, es ist ein wich
(Heiterkeit bei Heike Lorenz, PDS: Das habe ich geahnt. Wer ein Kind hat, der weiß auch was von Schule.)
kann sich vielleicht doch zu dem Thema äußern. Wenn Sie gestatten, Herr Schlotmann, würde ich das gerne tun.
Meine Damen und Herren! Ich möchte wirklich noch mal die dringende Bitte loswerden und richte mich an die Koalitionäre: Bitte hören Sie doch auf, an Strukturen herumzubasteln! Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass dies immer wieder zu Verunsicherungen führt. Ich halte es für wesentlich besser, wenn man sich innerhalb der Strukturen über Inhalte Gedanken macht, nachdenkt über Qualifizierung, über Aktualisierung von Lehrinhalten. Ich glaube, dass da eine ganze Menge zu tun ist,
Ich meine, und ich habe das Gefühl, dass wir uns da vielleicht gar nicht so uneinig sind, dass die Schule wieder stärker erziehend tätig sein muss. Es hat ja mal so einen Abfall gegeben. Ich glaube, inzwischen muss das korrigiert werden. Das Stichwort, was ich da nennen würde, heißt für mich Wertevermittlung. Ich will sagen, ganz offensichtlich – und ich sage das auch ganz selbstkritisch – fällt es Eltern heutzutage wohl schwer, traditionelle positive Werte an die Kinder weiterzugeben. Dies wird Schule nicht ersetzen können, das ist mir schon klar,
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Wie sollen sie denn auch, wenn sie sehen, wie sich die Politiker das Geld unter den Nagel reißen.)
aber die Schule kann hier unterstützend mitwirken. Mir scheint es wichtig, dass zum Beispiel unsere Kinder es wirklich erlernen, Pflichten zu erfüllen, was ja bekanntlich nicht immer Spaß macht, oder dass man mit jemandem auskommen muss, den man vielleicht gar nicht mag. Ich denke auch, es ist nicht so wichtig, ständig die Schülerpersönlichkeit in den Vordergrund zu stellen, sondern vielleicht zunächst einmal helfend tätig zu werden, dass sich eine Schülerpersönlichkeit überhaupt entwickeln kann.
Meine Damen und Herren! Da ich eben kein Experte bin, fehlt mir zum Beispiel das Verständnis für solche Regelungen, wie ich sie auch erst erlernt habe, dass man auf dem Abiturzeugnis die unentschuldigten Fehltage nicht mehr ausweisen darf, weil dies die Schülerpersönlichkeit konterkarieren könnte. Wissen Sie, dass sind doch Fragen, über die wir einmal streiten könnten, ob solche Inhalte das leisten, was für die Zukunft zu erwarten ist.
Ich halte die Bereitschaft zur Pflichterfüllung, die Übernahme von Verantwortung neben einem fundierten Grundlagenwissen für ganz wesentlich bei der Vorbereitung auf eine Berufsausbildung oder ein Studium, wie Sie dann auch wollen. Ich habe mir schon oft vorgestellt, was
in einer sogenannten Schülerpersönlichkeit vorgeht, wenn sie oder er nach dem Abschluss der jeweiligen Schule die Lehre bei dem, nennen wir ihn mal, Fleischermeister Mustermann in Schwerin antritt. Ich habe mir das oft überlegt, was da so plötzlich passiert. Ich sage Ihnen, manchmal bricht ein ganzes Weltbild zusammen, was man dann erlebt und welche Pflichten man zu erfüllen hat.
Meine Damen und Herren! Wenn es stimmt, dass uns in Mecklenburg-Vorpommern, und dies wird von der Statistik ja immer wieder so ausgewiesen, circa 12.000 Unternehmen fehlen – es gibt auch noch höhere Zahlen –, dann müssen mehr junge Menschen in unserem Land den Schritt in die Selbständigkeit wagen. Ich denke, dass wir uns auch in diesem Zusammenhang fragen müssen, ob Schule hier das Notwendige leistet, um Kinder und Jugendliche auf eine solche Projektion ihres Lebens vorzubereiten. Nach meinem Eindruck gibt es hier erhebliche Defizite. Ich sage das ohne jede Kritik, da Fragen von Selbständigkeit und Unternehmertum an unseren Schulen kaum eine Rolle spielen und vielleicht auch gar nicht spielen können, weil die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind. Wenn man von Unternehmern spricht, dann ja oft von der negativen Seite her, weil da gerade mal wieder Schlagzeilen über die Presse gelaufen sind.
Ich halte es für ausgesprochen wichtig, dass Lehrer mit ihren Schulklassen in Unternehmen gehen. Übrigens habe ich feststellen müssen, dass das sehr schwierig heutzutage ist. Es gibt kaum Bereitschaft in den Unternehmen, es gibt auch nicht mehr so viel Lehrer, die das gerne machen. Ich möchte sehr positiv hervorheben, weil Frau Beyer jetzt hier vorne so aufschaut, dass die Jungunternehmerschulen in Güstrow und, wie ich jetzt höre, auch in Parchim, ein guter Weg sind, um Menschen auf die Selbständigkeit vorzubereiten. Ich halte dies für ein innovatives Element schulischer Bildung und meine, dass hier am lebenden Beispiel die Fragen diskutiert werden müssen.
Ich bitte wirklich darum, schauen wir uns noch einmal gemeinsam an, was im Fach AWT, also Arbeit, Wirtschaft, Technik, gelehrt wird. Ich habe mir den Lehrplan geben lassen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir für Unternehmertum im Lande haben müssen. Ich frage mich, ob es denn wirklich in dem Fach notwendig ist, den Beginn der Industrialisierung in Großbritannien oder das Scheitern des alternativen ökonomischen Konzepts des Marxismus zu unterrichten.
Ich glaube, hier sind wir auf dem falschen Wege. Ich will gar nicht sagen, dass das nicht auch Lehrinhalte sind.
Aber hier sind wir auf dem falschen Wege. Ich meine, es gibt viel über inhaltliche Dinge zu reden, aber lassen Sie uns die Strukturen nun wirklich mal ein bisschen beiseite legen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Dialektik, Dialektik! – Zuruf von Dr. Berndt Seite, CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist sicher richtig, dass man sich mit dem Beginn der Ausbildung, im Kindergarten, in der Schule über die Perspektive der Herausbildung von Charakteren sorgt und diskutiert, von denen wir erwarten, dass sie die Zukunft gestalten, dass sie sich selber etwas zutrauen, dass sie mit Eigenständigkeit, Verantwortungsbewusstsein und mit hohem fachlichen Können ausgestattet werden in unserer Gesellschaft. Und da haben wir, glaube ich, den richtigen Weg beschritten, darüber auch gründlich zu diskutieren. Das kann man nicht in einer Aktuellen Stunde erledigen. Ich will es auf den Bereich beziehen, der hinterher Nutznießer von eigenständigen, selbständigen, gut ausgebildeten Schülern wird, ich meine die weiterführenden Gänge der beruflichen, der fachlichen Entwicklung an den Universitäten, an den Hochschulen und Fachschulen. Und für mich gehört zur Bildung eben nicht der Streit um eine kleine Etappe – fünftes, sechstes Schuljahr – dazu, sondern der etwas weitere Blick auf die späteren Chancen.
Als der Bildungsminister Kauffold vor einigen Tagen die Ergebnisse einer vom Ministerium in Auftrag gegebenen Prognose über künftige Studienbewerberzahlen präsentierte, hatte ich den Eindruck, dass bei den anwesenden Vertretern der Hochschulen – auch die Studenten waren dabei – eine positive Resonanz vorhanden war, weil die frühzeitige Einbindung in die Hochschulgesamtplanung und der Blick auf die Perspektive der nächsten 10, 15, 20 Jahre zu Verständnis und zu gemeinsam getragenen Entscheidungsprozessen führt. Das ist wichtiger als die Aufforderung zu Stellungnahmen zu bereits fertigen Papieren. Das ist für mich ein Ansatz, im Dialog bessere Chancennutzung und realere Bedingungen in die Entscheidungen hineinzubekommen. Ein solcher Stil aber bedarf des Beitrags aller. In diesem Sinne sehe ich auch eine Diskussion in fünf Minuten zu dem Thema, das heute hier ansteht.
Wenngleich hochschulpolitisch das Gros der Arbeit der Koalition erst in diesem Jahr beginnen wird, so sind wichtige Maßnahmen in den vorangegangenen getroffen worden, die heute ihre Auswirkungen haben. Hochschulbaukorridor nenne ich nur als Beispiel, in der letzten Legislaturperiode beschlossen. Nunmehr kommt es richtig in Gang und erstmals ist es der Finanzministerin gelungen, nach ansteigenden Werten der Vorjahre einen hundertprozentigen Mittelabfluss in diesem so wichtigen Investitionsbereich zu realisieren.
Die Anmeldungen zum 30. Rahmenplan für die Gemeinschaftsinitiative „Hochschulbau“ liegt kabinettsreif vor. Auf Bundesebene sind schwierige Verhandlungen zu Studiengebühren, BAföG-Reform, vollzogen worden und es wird demnächst ein entsprechendes Paket auf den Tisch kommen. Welches Modell es auch immer sein wird, es muss erreicht werden, dass mehr Studierende gefördert werden im Sinne einer Chancengleichheit. Das hat für unsere Landeskinder eine besondere Bedeutung.
Die Koalitionsfraktionen sind sich bei der geplanten Novelle des Landeshochschulgesetzes über eine Reihe von Eckwerten weitgehend einig. Parallel dazu soll die Fortschreibung des Hochschulgesamtplanes erfolgen. Das hat auch inhaltlich große Vorteile und ich hoffe, dass die hiermit verbundene öffentliche Diskussion einen ande
ren Charakter annehmen wird, als das bei den sicher schwierigen Debatten um Klinika, um Kardiologie, um Jura, um BWL und Orientierungsstufe, um Kita der Fall ist.
Wenn Qualität von Forschung und Lehre und wissenschaftliche Weiterbildung an den Hochschulen gewährleistet und ausgebaut werden sollen, dann muss auch vorurteilsfrei über Reformen, über Optimierungen gesprochen werden. So verstehe ich auch das Interview von Professor Kohler, das in den letzten Tagen in der „OstseeZeitung“ zu lesen war. Es besteht für mich kein Grund, Bildung- und Wissenschaftslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern schlecht zu reden.
Die finanziellen Zuwendungen des Landes für Hochschulbildung und Forschung mit in etwa 540 DM je Einwohner sind oberhalb des Durchschnitts. Auch die Ergebnisse sind präsentabel. Die kürzliche Evaluierung der Institute für Niedertemperaturplasmaphysik in Greifswald für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere in Dummerstorf durch den Wissenschaftsrat wie auch die weitere Bewertung anderer Forschungszentren und noch ausstehende sind präsentabel. Die Technologieförderung des Landes ist auf eine enge Verbindung von Forschung und industrieller Nutzung abgestellt. 40 junge Akademiker haben 1999 eigene technologieorientierte Unternehmen gegründet.
Acht von zehn Hochschulabsolventen haben einen qualifikationsgerechten Arbeitsplatz, 90 Prozent haben einen Arbeitsplatz, 60 Prozent davon in unserem Land. Wir haben keinen Grund, uns solcher Leistungen mit Kritik zu stellen. Wir sollten auch die hier erwähnen und das war das Anliegen meines Kurzbeitrages. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin immer sehr dankbar, wenn der Landtag die Bildungspolitik in den Mittelpunkt von Debatten stellt.