Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

Das ist der Weg, nicht Standorte in Frage stellen. Dazu wird der HGP fortgeschrieben. Die Hochschulautonomie durch entscheidungsfähige Strukturen nach innen herstellen und durch Globalhaushalte materiell untersetzen,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

das wird einer der Schwerpunkte des Landeshochschulgesetzes und dieses Gesetz ist als Modell auf dem Weg.

Wir haben einige große Entscheidungen in der Hochschulpolitik im nächsten Jahr vor uns. Ich freue mich auf die gemeinsame Arbeit, auch mit dem Parlament.

Wer ein modernes Bildungssystem für unser Land will, der muss sich auch für Veränderungen öffnen. Veränderungen erzeugen immer Widerstände. Veränderungen müssen von Mehrheiten – nicht nur in der Politik, sondern auch in der Öffentlichkeit – mitgetragen werden. Veränderungen dürfen daher nicht übers Knie gebrochen, sie müssen im Dialog vorbereitet und erreicht werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Wenn es darum geht, viele Menschen auf unserem Weg mitzunehmen, dann müssen wir eben solange diskutieren und gemeinsam nach Lösungen suchen, bis sich möglichst viele auf den Weg mit uns machen. Das ist demokratische Politik. Anders sind keine langfristigen Entwicklungen zu gestalten, die über den politischen Zeittakt einer Legislaturperiode hinaus Bestand haben werden.

(Angelika Gramkow, PDS: Was ist in Sachsen-Anhalt anders als in Mecklenburg-Vorpommern, Herr Minister?)

Natürlich entstehen in solchen Prozessen Konflikte und Kontroversen. Wer diesen ausweichen will und sie nicht aushalten möchte, der sollte besser zu Hause bleiben.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Wenn sich die Kontroversen indessen nicht zielführend entwickeln, muss man den Mut haben, sie abzubrechen oder dissent zu entscheiden. Diesen Regeln zu folgen wird in den nächsten Jahren bestimmt bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Bildungspolitik des öfteren nötig sein.

Und noch etwas: In solchen Prozessen bleiben auch Koalitionen in ihrem Bemühen um den besten Weg nicht frei von Meinungsverschiedenheiten. Wer könnte das anders erwarten. Uns geht es dabei nicht um Machtspiele, wie mancher Außenstehende besser zu wissen glaubt. Wir nehmen diese unsere Pflicht in der Koalition sehr ernst. Uns geht es um einen argumentativen Disput und um die Ausschöpfung aller Möglichkeiten, Übereinstimmung zu finden.

(Harry Glawe, CDU: Aha.)

Ein Beispiel ist die Diskussion um die schulartenunabhängige Orientierungsstufe, die hier heute auch geführt wurde. Hier führen die Koalitionspartner eine in der Sache am Wohl unserer Schüler orientierte ernsthafte Diskussion.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

Hier geht es um Argumente bei der PDS und bei meiner Partei, deren Relevanz jeweils auch von Fachleuten vertreten wird. Über das Gewicht einzelner Argumente bei der Ausgestaltung der Orientierungsstufe gibt es unter uns verschiedene Auffassungen. Aber diese Meinungsverschiedenheiten werden wir auch ohne die Assistenz der Opposition auflösen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Sylvia Bretschneider, SPD: Richtig. – Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU)

Dabei werden wir uns nach dem richten, was das Beste für unsere Schüler und was unter der Gesamtheit der gegebenen Bedingungen auch wirklich zu realisieren ist.

(Zurufe von Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU)

Sicher würden manche sehr gern auch diese Gelegenheit in Anspruch nehmen, einen Keil zwischen die Koalitionspartner zu setzen. Ich gehe davon aus, dass das nicht erfolgreich sein wird, solange es uns um die gemeinsame Sache geht.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Zu einer sachlich fundierten Auseinandersetzung um das strittige Schulproblem hat die Opposition bisher nichts beigetragen als die Absicht zur Konservierung des Status quo. Der Versuch, jeden Konflikt, der im Wege auftaucht, zum Skandal zu machen, jede Kontroverse auf der Ebene der Mühen zur Krise zu stilisieren, entspricht nicht den Erwartungen der Menschen an das Parlament und an die Regierung

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Das entscheiden Sie mal!)

und kann nur sehr vorübergehend Aufmerksamkeit erwecken.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Dr. Ulrich Born, CDU: Das entscheiden Sie mal!)

Für die Menschen in unserem Land ist damit aber nichts gewonnen, für unsere Kinder schon gar nichts.

(Harry Glawe, CDU: Fragen Sie mal den Schulelternrat, was der dazu sagt!)

Wir stehen dafür, dass es in der Bildungspolitik unseres Landes eine Hinwendung zur notwendigen Qualität und dabei zu machbarem Erfolg gibt.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Was heißt das konkret jetzt?)

Wir stehen dafür, dass diese Hinwendung im Dialog mit den Betroffenen erfolgt, dass ihre Argumente gehört werden, bevor entschieden wird. Nur eine solche Politik kann die Zustimmung finden, die wir für Reformen brauchen. Davon wird uns niemand abbringen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Bluhm von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Bluhm.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bildungswissenschaftler Professor Dr. Rolf hat einmal auf die Frage, ob denn Schule den Anforderungen der Wirtschaft, Politik und Elternschaft unbedingt entsprechen muss, geantwortet: „Schule muss auf die gesellschaftlichen Veränderungen und Anforderungen zwar reagieren, aber sie muss anders reagieren, als das die meisten von ihr erwarten. Wenn sie ernsthaft über ihren pädagogischen Auftrag nachdenkt, müsste sie versuchen, sich zu einem Gemeinwesen zu entwickeln, in dem Lehrerinnen und Lehrer im Interesse der Schüler wirken, in dem SchülerInnen als Koproduzenten des Lernens verstanden werden. Bei diesem Gemeinwesen“, so Professor Rolf, „stelle ich mir vor, helfen die Eltern mit, produktive Lernbedingungen zu schaffen. Ich wünsche mir ebenso, dass die Nachbarschaft, die Kommunalpolitik, der Stadtteil die Schule als ihr Zentrum begreift.“

Ja, meine Damen und Herren, ich denke, in dieser Aussage liegt das an aktuellem Aufgabenbereich fixiert, wie Schule in Mecklenburg-Vorpommern sich entwickeln sollte. Dafür die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, das liegt in Verantwortung von Politik. Daran arbeiten wir.

Ich komme zu der aktuellen Auseinandersetzung an einem Beispiel.

(Harry Glawe, CDU: Ich denke, es gibt keine. Das hat der Minister doch gerade erklärt.)

Herr Glawe, wir haben doch gerade von Ihnen gehört, dass Sie alles so beibehalten wollen, wie es jetzt ist. Deswegen ist doch da schon der Konflikt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Zwischen PDS und CDU ist der Konflikt viel größer als zwischen PDS und SPD.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Um die damalige Auseinandersetzung der Gesamtschuldebatte in Nordrhein-Westfalen produktiv zu been

den, schlug 1995 die bundesweit wirksame und mit namhaften Vertretern der Erziehungswissenschaft, der Wirtschaft und der Gewerkschaften sowie die auch politisch plural besetzte Bildungskommission NRW einstimmig vor, den Streit um die Gesamtschule nach kommunalen Gegebenheiten zu lösen und zugleich flächendeckend die sechsjährige Grundschule einzuführen. Obwohl die Kommission dieses Thema keineswegs in den Mittelpunkt stellte und nicht von einer kurzfristigen Einführung sprach und obwohl die Vorschläge und Begründungen der Kommission noch nicht einmal als Ganzes veröffentlicht waren, reichte offenbar allein das Stichwort „sechsjährige Grundschule“ aus, um die altbekannten Akteure des schulpolitisch-konservativen Blocks gegen die Denkschrift zu mobilisieren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Was sagt uns das heute? Die zahlreichen und wiederkehrenden Auseinandersetzungen um ein längeres gemeinsames Lernen haben meines Erachtens gezeigt, dass es auf Seiten des konservativen Blocks – und zu dem gehören Sie ja nun ohne Frage –

(Harry Glawe, CDU: Was?)

keine Dialogbereitschaft in dieser Frage gibt, solange es nicht die machtpolitische Situation und Etablierung dieser Schulform

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

unabdingbar macht und solange nicht die praktische Erfahrung konservativer Eltern gezeigt hat, dass ihre Kinder auch durch gemeinsamen Unterricht hinreichend gefördert werden können.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und Rudolf Borchert, SPD)

Solche Beispiele, meine Damen und Herren, die gibt es in der Bundesrepublik und die gibt es international.