Nun möchte ich, Herr Dr. Born, auch noch auf das historische Gedächtnis bei der CDU kommen, das ist ja offenbar auch nicht mehr bei allen vorhanden.
Es war die CDU, meine Damen und Herren der CDU, die 1991 und in den folgenden Jahren den Erziehungsauftrag von Schule in Mecklenburg-Vorpommern geleugnet hat.
Es war die CDU/F.D.P.-Koalition, die entgegen allen Auffassungen der Mehrheit das gegliederte Schulwesen in Mecklenburg-Vorpommern eingeführt hat.
(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD – Angelika Gramkow, PDS: Richtig. – Harry Glawe, CDU: Sie haben nicht richtig zugehört.)
Untersuchungen, meine Damen und Herren, des Instituts für Schulentwicklungsforschung Dortmund aus dem Jahre 1976/77 besagen, dass 73 Prozent der Ostdeutschen eine gemeinsame Schule bis zur 10. Klasse favorisieren. Es ist da ein deutlicher Trend zum integrativen Unterricht.
Und es war Ihre Landesregierung, die 1998 im März über die Schule in Mecklenburg-Vorpommern und die DDR-Schule eine Umfrage gemacht hat.
Eine Pressemitteilung in dieser Woche besagt, dass in Deutschland nach Expertenschätzung rund 1,5 Prozent aller Sekundarschüler längerfristig die Teilnahme am Schulunterricht verweigern. Meine Damen und Herren, was ist denn das? Das ist der Auszug der Schülerinnen und Schüler der Bundesrepublik aus der gegenwärtigen Schule in diesem Land. Da kann doch mit der Schule in diesem Land irgendetwas nicht vernünftig und in Ordnung sein.
Niemand leugnet, dass neben strategischen Fragen – und deswegen habe ich meinen ersten Teil der Rede auch so sehr strategisch angelegt, weil man natürlich eine Zielbestimmung
für Bildungspolitik braucht – nicht nur kurzfristige Aufgaben zu lösen sind. Dabei geht es aber auch – und damit komme ich zum Schluss –, neben vielen inhaltlichen Fragen, die im wesentlichen im Qualitätssicherungskonzept der Landesregierung verankert sind, um strukturelle Fragen, denn eine inhaltliche Entwicklung von Schule ohne Strukturen, die geht nicht, und nur Strukturen ohne Inhalt, das geht natürlich auch nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Wer gehört denn noch zum konservativen Block, Herr Bluhm?)
Herr Bluhm, das, was Sie eben gesagt haben, dass mit der Schule etwas nicht in Ordnung ist, das sehe ich auch so. Nur es ist nicht da nicht in Ordnung, wo Sie es vermuten. Es liegt an anderen Stellen.
(Andreas Bluhm, PDS: Ja, sehen Sie, das ist nämlich unser Unterschied. – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Sie haben mit Ihrem historischen Gedächtnis zu tun. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)
Meine Damen und Herren! Auf dem Bildungskongress der SPD am 25.01.2000 in Berlin hat Ihr Bundeskanzler Schröder gesagt: „Jedes Jahrhundert hat sein Thema. Das des 21. Jahrhunderts ist die Bildung.“
So weit, so gut. Dieser Aussage kann man uneingeschränkt zustimmen. Nur wie soll eine zukunftsgerechte Bildung aussehen?
Mit welchen konkreten Mitteln soll das Ziel erreicht werden? Darüber scheiden sich dann schon wieder die Geister.
In Mecklenburg-Vorpommern als Bundesland, das außer einer attraktiven Landschaft im wesentlichen nur noch seine Menschen und deren Förderung als zukünftige Wachstums- und Wohlstandsquellen zur Verfügung hat, sollten daher Fragen der Bildung besonders aufmerksam und gründlich durchdacht werden.
Das Ziel seiner Hochschulpolitik hat der Minister noch einmal am 22.01.2000 in einem Interview mit der SVZ kurz umrissen. Dort heißt es, die Akzeptanz der Real- und Hauptschulen muss erhöht werden, „um das Schulsystem im Land aus der ,Schieflage‘ zu bekommen... ’Wir brauchen eine Schulbildung, die für den Hochschulbesuch qualifiziert.“‘
Wie sieht nun diese Studierfähigkeit der Schülerinnen und Schüler oder ihre Qualifizierung, wie der Minister meint, für den Hochschulbesuch durch das Gymnasium jetzt und zukünftig aus? Einzig und allein der Elternwille ist das qualifizierende Kriterium für die Hochschulreife, so kann man es kurz gesagt auf den Punkt bringen.
Ein Blick auf den Ist-Stand unserer Gymnasien zeigt aber, dass der Prozentsatz der Abiturienten in Mecklenburg-Vorpommern, die ein Studium aufnehmen, erschreckend niedrig und die Zahl der Studienabbrecher relativ groß ist. Dabei ist die Zugangsquote zum Gymnasium eine der höchsten in Deutschland.
Es drängt sich dabei die Frage auf: Wird das eigentliche Ziel der Gymnasien, studierfähige Abiturienten in die Hochschulen zu schicken, überhaupt erreicht? In den letzten Jahren haben sich Klagen über den Wert der Hochschulreife verstärkt.
Es gibt entsprechende Schreckensmeldungen aus allen Bereichen der Gesellschaft. Dazu passt, wenn man manchmal vom Abitur distanziert oder etwas zynisch sagt, es ist eine Studierberechtigung ohne eine Studierbefähigung zu sein.
Meine Damen und Herren, ein genauer Blick auf die Abituranforderungen in Mecklenburg-Vorpommern zeigt Folgendes: Es ist möglich, innerhalb einer bestimmten Konstellation der Fächer- und Kurswahl trotz einer Fünf in Deutsch und Biologie als Prüfungsfächer und einer Fünf in
Mathematik beziehungsweise einer Sechs in Physik als weitere Naturwissenschaft das Abitur zu bestehen. Mit diesem Ergebnis hätte ein Schüler oder eine Schülerin in Mecklenburg-Vorpommern ihr Abitur bestanden und hätte die Hochschulreife erreicht. Ist man damit aber hochschulreif? Wer könnte da nicht die vielen Zweifel der Universitäten verstehen?
(Angelika Gramkow, PDS: Ja, ich dachte an die Sechs in Physik, die Sie konstruiert haben. – Zuruf von Andreas Bluhm, PDS)
Solche Liberalisierungen der heutigen Abiturregelungen haben 30 Prozent Studienabbrecher zur Folge, jährlich wohlgemerkt, und eine durchschnittliche sogenannte Verweildauer an den Universitäten von 14,2 Semestern. Meine Damen und Herren, so machen wir unsere Jugend nicht zukunftsfähig.
(Reinhard Dankert, SPD: Ist das langfristig so eingerichtet worden? – Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)
Wie schrieb die „Neue Züricher Zeitung“ schon 1997? Die Deutschen sind nicht gut und nicht rasch genug.