Protokoll der Sitzung vom 02.02.2000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! In dem erhabenen 1961 erschienenen Staatslexikon findet man im sechsten Band unter dem Stichwort Orden und Ehrenzeichen

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

folgende aufschlussreiche Definition: „Zu Beginn der Neuzeit begannen fürstliche Heerführer, ihren verdienten Unterführern Schaumünzen mit Bild des Fürsten und Wappen zu verleihen. Sie konnten damit die vordem üblichen Geldgeschenke einsparen.“

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Beifall Birgit Schwebs, PDS)

Gewiss ziert der beabsichtigte Orden nicht das Antlitz eines Landesfürsten, sondern ihn zieren nach dem Entwurf Ochsenkopf, Greif und Adler, aber Geldgeschenke werden selbstverständlich gespart. Der Orden soll rein ideell sein.

(Siegfried Friese, SPD: Das ist auch in Ordnung so.)

Meine Damen und Herren, ich unterstelle der Regierung gute Absicht. Ihr geht es darum, ehrenamtliche Tätigkeit in den verschiedensten gesellschaftlichen Aufgabenbereichen verstärkt zu unterstützen. So steht es jedenfalls auch im Koalitionsvertrag. Und entsprechend der Begründung des Gesetzentwurfs ist dies die entscheidende Intention der Regierung – und Herr Dr. Ringstorff hat es ja noch einmal gesagt –, wenn sie vorschlägt, einen Verdienstorden des Landes Mecklenburg-Vorpommern zu stiften.

Darum heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfes, mit dem Orden soll die Möglichkeit eröffnet werden, Verdienste um das Land und seiner Bevölkerung zu würdigen, und es solle „eine Stärkung des Ehrenamtes im weitesten Sinne durch ideelle Anerkennung besonderen freiwilligen Einsatzes erfolgen.“ So weit, so gut, könnte man sagen, gegen diese Absicht wird wohl kaum jemand etwas zu sagen haben. Herrn Prachtl habe ich genauso verstanden.

Ersichtlich wird aus der Begründung des Ordensprojektes, dass es selbstverständlich nur um eine, allerdings um eine besonders herausgehobene Möglichkeit der Anerkennung geht. Dennoch muss ich gestehen, meine Damen und Herren, dass mich die hehren Absichten der Regierung nicht froh stimmen. Ottilie und Otto Normalverbraucher werden erstaunt sein, wenn sie erfahren, dass nun ein Orden für Verdienste um das Land und die Bevölkerung gestiftet wird, der an Frauen und Männer ohne Ansehen der Staatsangehörigkeit verliehen werden soll, allerdings für die Damen mit Schleifchen, für Herren ohne.

(Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: Ich denke, das wird Akzeptanz finden.)

Aber Staunen ist ja zunächst mal etwas Produktives.

Sie werden sich aber fragen: Hat denn die rot-rote Regierung – und diese Frage gibt es bereits in Schwerin – nichts weiter zu tun, als über solche Orden nachzudenken?

(Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Dann aber werden Ottilie und Otto wohl abwinken, denn sie werden von vornherein wissen, dass sie nicht

zum Kreis der zu Bedenkenden gehören, denn sie haben mit einiger Sicherheit nicht die erforderlichen Verdienste, vielleicht nicht einmal den notwendigen Arbeitsverdienst. Es wird ein ganz exklusiver Kreis von 100 Leuten Träger des Ordens sein. Ein neuer Bewerber muss dann immer warten, bis ein früherer Inhaber das Zeitliche gesegnet hat. Ich bin schon gespannt, wie lang die Warteliste dann sein wird.

(Heiterkeit bei Rainer Prachtl, CDU)

Und es ist auch ganz klar, dass der Orden von der Anlage her ein richtiger Renommierorden wird. Besucht uns Bundesprominenz, wird man Orden spenden. Besuchen uns gar auswärtige gekrönte und ungekrönte Häupter, wird man sie dekorieren und die Verdienste für das Land und die Bevölkerung einfach voraussetzen.

Meine Damen und Herren, dass Sie mich nicht falsch verstehen, ich bin nicht dafür, dass ein Orden, wenn wir ihn beschließen sollten, kochgeschirrweise verteilt wird. Das haben wir alles in unserer Geschichte. Aber ich muss gestehen, gegen die Abgehobenheit, ganze 100 Leute bedenken zu wollen, habe ich Einwände. Es ist geradezu lächerlich, damit das Ehrenamt stärken zu wollen. Und in dem Zusammenhang gefällt mir schon gar nicht der Rückgriff auf den 1884 gestifteten Greifenorden des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin. Ich frage mich: Wozu ein Rückgriff auf eine solche feudale Tradition, und das von einer sozialdemokratisch-sozialistischen Landesregierung?

(Herbert Helmrich, CDU: Wäre Ihnen mit Hammer und Sichel lieber?)

Und die Vorpommern werden doch wohl fragen: Wenn schon auf solch altes Gerümpel zurückgegriffen werden soll, wieso nehmen wir dann nicht den Preußischen Adlerorden als Vorbild, der übrigens noch ein paar Tage älter ist. Dieser wurde nämlich schon 1701 gestiftet von Friedrich dem Ersten. Oder vielleicht nehmen wir auch einen schwedischen Orden, denn es ist doch historisch belegt, dass der vorpommersche Adel von Stralsund, Greifswald und Anklam seinerzeit schwedische Auszeichnungen lieber hatte als reichsdeutsche.

(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU – Reinhardt Thomas, CDU: Da hängt mehr dran.)

Übrigens hing beim Adlerorden dann auch wenigstens was dran, nämlich preußischer Erbadel, und er war mindestens so schön wie der Mecklenburgische Großherzogliche. Allerdings hatte er kein Schleifchen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Haben Sie was gegen Schleifchen?)

Und da der Orden, den das Malteserkreuz ziert, dem Beglückten und Dekorierten nur Ideelles und Geistiges zukommen lässt, könnte man wenigstens ein Fläschchen Malteser etwa in der Größe drei Achtel anhängen. Und dann kommt schließlich auch noch – und jetzt werde ich ernsthaft – ein anderer Gesichtspunkt dazu,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Schleifchen ist trotzdem schön.)

den wir sorgsam überlegen sollten:

(Der Abgeordnete Dr. Klaus-Michael Körner meldet sich für eine Anfrage.)

Der Staat, genauer gesagt der Ministerpräsident, soll entscheiden, wem der Orden zukommt...

Herr Dr. Schoenenburg, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wenn ich fertig bin.

Herr Abgeordneter, bitte danach.

Er möge bitte warten.

... und wer die nötigen besonderen Verdienste für das Land und die Bevölkerung hat. Also der Ministerpräsident entscheidet. Ich möchte eine solche Entscheidung zum Beispiel nicht treffen mögen,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Noch sind Sie ja auch nicht Ministerpräsident.)

denn es ist doch wohl klar,...

(Dr. Ulrich Born, CDU: Wollen Sie es denn noch werden?)

Stellen Sie sich das selber vor, wenn Sie Ministerpräsident wären!

... dass in den Augen von Ministerpräsident Ringstorff Verdienste anders aussehen als in den Augen eines christlich-demokratischen Regierungschefs,

(Reinhardt Thomas, CDU: Richtig, von der PDS-Fraktion nicht zu vergessen.)

vor dem uns im übrigen der liebe Gott weiter behüten möge.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Meine Damen und Herren, ich denke, wir sollten in den Ausschüssen das Projekt noch einmal gründlich bedenken,

(Reinhardt Thomas, CDU: Der liebe Gott wird sich besinnen.)

einschließlich der Gestaltung und der Verfahrensweise. Nun gut, es entscheidet nicht nur der liebe Gott, sondern Sie mit Ihren Affären entscheiden selber, wie Sie gewählt werden.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich gestehe, wenn es nach mir persönlich ginge, würde ich vorschlagen, dass der Landtag beschließt, Artikel 109 der Weimarer Reichsverfassung findet für MecklenburgVorpommern Anwendung. Dort steht nämlich schlicht und einfach der Satz: „Orden und Ehrenzeichen dürfen vom Staat nicht verliehen werden.“ Und das war auch tatsächlich Weimarer Realität. Abgesehen von der Rettungsmedaille verlieh der Staat keine Orden, wie es auch das Deutsche Reich bis 1918 nicht tat. Und dass es auch ohne Orden und Ordensmeierei geht, zeigen ja andere Bundesländer – Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt. International befänden wir uns in der Gesellschaft von Israel und der Schweiz, die keine Orden kennen. Ich gestehe, mir wäre ein solcher Verzicht, eine solche Selbstbeschränkung der Staatsmacht sympathisch, und ich hielte das für das Land für würdevoll.

Ich denke, wir werden überall diese Fragen debattieren müssen, und schlage vor, dass dies federführend in den Rechtsausschuss und mitberatend in den Innenausschuss überwiesen wird. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der CDU)

Gestatten Sie jetzt die Anfrage von Herrn Dr. Körner? (Zustimmung)

Herr Dr. Schoenenburg, Sie haben sich ein bisschen karikierend über Orden und Ehrenzeichen ausgelassen, haben insbesondere Traditionen des 19. und des 18. Jahrhunderts angesprochen. Sie haben in der Tat Recht. Da ist der Orden etwas, was man verliehen kriegt...