Protokoll der Sitzung vom 03.02.2000

(Caterina Muth, PDS: Wie in keinem Ministerium.)

und die Vergangenheit hat hinlänglich bewiesen, dass auch einige hochbezahlte Gutachter dies nicht leisten können, selbst wenn sie wollten. Denn die dynamischen Veränderungen ausgesetzte moderne Abfallwirtschaft ist einfach zu komplex, als dass einfache, allgemein gültige Planungsansätze zu finden seien. Vielmehr können nur viele regional tätige Akteure aus verschiedenen Bereichen einem Optimum nahe kommen. Ich setze darauf, dass die Landkreise und die mit ihnen kooperierenden Entsorgungsunternehmen aus der Vielzahl möglicher Lösungen eine annähernd optimale Lösung finden können. Daher baue ich auf Deregulierung und kommunale Selbstverwaltung

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

und nicht auf eine – übrigens rechtlich nicht vorgeschriebene – detaillierte überörtliche Fachplanung des Landes,

(Caterina Muth, PDS: Jo.)

die Eigenverantwortung und Kreativität auf allen Ebenen strangulieren würde. Die DDR hat genügend böse Erfahrungen mit überörtlichen Planungen auf unsicherer Datenbasis. Ich habe nicht vor, die Methoden von Günter Mittag oder einer staatlichen Plankommission zu übernehmen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Ein grundlegender analytischer Fehler des Landesrechnungshofes besteht darin, dass er davon ausgeht, es würde nach wie vor eine isolierte kommunale Entsorgungswirtschaft geben können. Doch mit dem In-KraftTreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist das vorbei. Politisches Ziel dieses konservativ motivierten Gesetzeswerkes war, neben der ökologischen Zielsetzung, unter anderem, die dominante kommunale Wirtschaftstätigkeit auf dem Abfallsektor zu brechen. Dem produzierenden Gewerbe wurde gestattet, sich selbst um die Entsorgung seiner Abfälle zu kümmern. Es wurden Abfälle zur Verwertung definiert und diese für den Markt freigegeben. Damit veränderten sich die Abfallströme entscheidend, und zwar so, dass sie zu einem Großteil an den kommunalen Entsorgungsträgern vorbeiführten. Das war politische Absicht und ist, wie wir wissen, so eingetreten, mit der Folge, dass kommunalen Entsorgungsanlagen die Abfälle fehlen und die unter anderen Randbedingungen kalkulierten Selbstkosten kaum noch zu erbringen sind. Auf diese Art und Weise sollen die Kommunen gezwungen werden oder, ich sage es freundlicher, motiviert werden, private Dritte mit der Abfallentsorgung zu beauftragen.

Was heute die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu entsorgen haben, ist oftmals sozusagen der Müll vom Müll, der nur schwer zu vertretbaren Kosten zu beseitigen ist. Deshalb wird künftig wohl in aller Regel der öffentlichrechtliche Entsorgungsträger nicht ohne privates Kapital auskommen und die Abfallwirtschaft mit ins Boot nehmen müssen, um Synergien zu nutzen. Und diese wird es nicht

an Initiative fehlen lassen, denn nach wir vor gilt, dass Hausmüll eine sichere Umsatzquelle ist.

Folge ich der Beratung des Landesrechnungshofes, werden weder die Landkreise noch die Abfallwirtschaft die Chance der Vermarktung der Siedlungsabfälle eines ganzen Landes nutzen wollen. Um es einmal in Zahlen auszudrücken: Es ist ganz offensichtlich, dass bis 2005 und auch noch danach im Lande etwa 600.000 bis 700.000 Tonnen Haus- und Geschäftsmüll zu behandeln sind. Rechnen wir mit rund 200 DM pro Tonne Behandlungskosten – das ist die jetzige optimale Variante, die diskutiert wird – bietet sich hier ein Umsatz von 140 Millionen DM jährlich. Unterstellt man eine Rendite von fünf Prozent, sind jährlich 7 Millionen DM Gewinn zu verteilen.

Glauben Sie wirklich, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, dass Firmen wie RWE, Rethmann, Nehlsen oder Edelhoff im Tiefschlaf liegen? Sie und andere werden im Gegenteil sehr emsig und frühzeitig versuchen, sich ein Stück von dem Müllkuchen zu sichern. Und sie tun es bereits, wie wir wissen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, es werden sich Unternehmen und Geschäftsführer finden, die – ganz entgegen den Behauptungen des Landesrechnungshofes – das Risiko einer Investition in Abfallbehandlungsanlagen nicht scheuen werden. Sie haben verstanden, dass es einen neuen Markt für kleine Abfallbehandlungsanlagen gibt, denn nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern gibt es Landkreise mit geringem Abfallaufkommen und Landräte, die nicht alle miteinander harmonieren.

(Heiterkeit bei Dr. Henning Klostermann, SPD)

Deshalb gibt es intensive Forschungen und Entwicklungen, die mit Anlagen deutlich unter 100.000 Jahrestonnen Behandlungskosten unter 200 DM anstreben. Und das sind keine Wolkenkuckucksheim-Träume von Minister Methling, sondern Aussagen der Wirtschaft an meinem Beratungstisch, an dem fast wöchentlich Abfallwirtschaftsunternehmen ihre Leistungsangebote präsentieren.

Politik ist immer gut beraten, zumindest aus meiner Sicht, nicht detailliert prognostizieren zu wollen, was bei entsprechenden Marktchancen Forscher und Technologen entwickeln können. Diese sind in aller Regel an ihren Reißbrettern beziehungsweise Computern wesentlich kreativer, als sich manche vorstellen können. Ich kann mir davon zumindest eine Vorstellung erlauben, nach den Gesprächen mit der Abfallwirtschaft und der Wissenschaft, die sich damit beschäftigt.

Die Überzeugung des Landesrechnungshofes ist es, dass der einzige verantwortliche Weg eine große Müllverbrennungsanlage für dieses Land sei. Dieser Idee folgt er verbissen und fordert von mir indirekt, aber sehr deutlich, ich hätte dem mit dem Abfallwirtschaftsplan Rechnung zu tragen. Unterstellt man einmal, eine zentrale Müllverbrennung wäre wirklich die Lösung, dieses unterstellt, völlig wertfrei, dann stellen sich folgende Fragen: Wer plant, wer baut und wer betreibt eine solche Anlage? Welchem Landkreis würde wohl der Landesrechnungshof eine Kreditermächtigung über die notwendigen circa 500 MillionenDM für eine solche Anlage geben? Welcher Landkreis würde überhaupt auf die Idee kommen, das Investitionsrisiko für solch ein Monstrum zu übernehmen, selbst wenn die anderen Kreise Kooperation signalisieren würden? Wer glaubt ernsthaft, es könnte eine GmbH aller Landkreise zur Errichtung einer solchen Anlage geben?

Dann bliebe noch die glänzende Idee, das Land gründet eine Landesgesellschaft, investiert und betreibt die Abfallentsorgung des gesamten Landes selbst, am besten mit dem Umweltminister als Geschäftsführer

(Heiterkeit bei Abgeordneten der PDS – Angelika Gramkow, PDS: Träumen Sie ruhig weiter! – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das ist doch wenigstens mal eine Idee.)

oder zumindest als Gesellschafter. Weitere Vorschläge für Geschäftsführer hätte ich parat, aber darauf will ich hier verzichten.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Es wäre sehr aufschlussreich, vom Landesrechnungshof zu erfahren, wie er das wirtschaftliche Risiko einer solchen Variante für das Land einschätzen würde. Ich sehe in dieser zentralen Anlage keinesfalls ein Optimum, weder ökologisch noch ökonomisch, und werde daher der Empfehlung des Landesrechnungshofes nicht Folge leisten können.

Wenn dem wirklich so wäre, würden ja nunmehr, wo die volle Planungsfreiheit der Kreise gegeben ist, alle Kreise blitzschnell ihre Offerten an die EVG in Rostock richten. Diese würde sich darüber sehr freuen, zumal manches für den Standort Rostock spricht: Er ist zentral gelegen, es gibt eine gute Infrastruktur, man kann Müll sogar über das Meer heranfahren,

(Peter Ritter, PDS: Man muss es nur militärisch organisieren. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

sie ist hinreichend groß, es gibt klare Kostenaussagen, Erweiterungspotentiale sind vorhanden, das Genehmigungsverfahren ist weit fortgeschritten. Ich merke aber nichts von einer Bewegung der Landkreise, dass sie der EVG in Rostock solche Offerten unterbreiten, zumindest sind mir solche nicht bekannt geworden.

Es sollte doch auch der Opposition aufgefallen sein, dass der Landkreistag – erstaunlicherweise haben Sie den diesmal gar nicht zitiert –

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

und auch die einzelnen Landkreise nicht gegen den Abfallwirtschaftsplan aufgetreten sind, sondern die nunmehr gegebene Planungsfreiheit der Verantwortlichen ausdrücklich begrüßten.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Das bestätigten mir gerade in der letzten Woche Herr Landrat Molkentin als Vertreter des Landkreistages und auch Frau Gehm, zuständige Beigeordnete in Ostvorpommern. Ich glaube, wir alle wissen, dass beide weit außerhalb des Verdachtes stehen, Freunde der PDS zu sein.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Erhard Bräunig, SPD – Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Es mag gut sein, dass der Opposition und dem Landesrechnungshof mechanisch-biologische Anlagen suspekt sind. Wer allerdings meint, in solchen Anlagen würde es glitschen und zischen und die Keime schössen nur so durch die Lüfte,

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

macht seine – zugegebenermaßen in diesem Falle verständliche – fehlende fachliche Kompetenz offenkundig. Den politischen Zweckpessimismus der vorgelegten Beratung, aufgrund der Konstellation im Bundesrat würde es keine Novelle der TA Siedlungsabfall geben und die Behandlung des Abfalls in mechanisch-biologischen Anlagen sei kein Weg, um Siedlungsabfälle zu politisch vertretbaren Kosten zu entsorgen, teile ich nicht, auch in Kenntnis der dazu geführten Diskussionen in der Umweltministerkonferenz.

Selbstverständlich ist hier – und das habe ich nie anders dargestellt – sowohl technologisch als auch im Rechtsetzungsverfahren noch einiges zu leisten. Dies kann und darf aber keinesfalls dazu führen, auch weiterhin nur auf Müllverbrennung zu setzen oder aber landesseitig Festlegungen zu treffen, die nur dem Bund zustehen. Die mechanisch-biologischen Verfahren haben erst jetzt eine Chance, ihre ökologische und ökonomische Gleichwertigkeit zu beweisen. Wir schreiben keine mechanisch-biologischen Anlagen vor, wir machen sie möglich, wenn sie ihre Gleichwertigkeit nachweisen können. Und diesen Nachweis müssen sie erbringen.

Lassen Sie mich zusammenfassen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die Opposition fordert auf der Grundlage der Beratung des Landesrechnungshofes die Landesregierung auf, den eingeschlagenen Weg der Abfallpolitik wieder zu verlassen. Die Beratung des Landesrechnungshofes leitet auf der Basis von juristischen, technologischen und finanziellen Einschätzungen, die die Landesregierung weitgehend nicht teilen kann, Vorstellungen und Forderungen zur Abfallpolitik ab. Es ist das gute Recht der Opposition, sich diesen Vorstellungen anzuschließen. Allerdings wird Politik auch im Bereich der Abfallwirtschaft nicht durch den Landesrechnungshof, sondern unter Beachtung der Hinweise der Träger der öffentlichen Belange, selbstverständlich auch unter Beachtung der Meinung des Landesrechnungshofes, letztlich aber durch Parlament und Landesregierung gemacht. Koalitionsfraktionen und Landesregierung sind sich über den eingeschlagenen Weg einig, denn dieser Weg ist richtig.

Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger begrüßen wie auch die Abfallwirtschaft diese neue Politik. Eigenständige neue Vorschläge der Oppositionsfraktion sind hier und anderswo nicht vorgetragen worden und können demzufolge nicht berücksichtigt werden. Der neue Abfallwirtschaftsplan ist weder nichtig noch grob fehlerhaft. Er ist keine Gefährdung für unser Land, sondern eine neue Chance, die nach meiner festen Überzeugung sehr bald in konkrete Ergebnisse münden wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. Gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Herrn Dr. Jäger?

Ja, bitte.

Bitte sehr, Herr Dr. Jäger, stellen Sie Ihre Frage.

Herr Minister, Sie haben uns jetzt doziert, was Ihre Meinung ist.

(Peter Ritter, PDS: Ihre Meinung kann er ja nicht vorstellen. – Heike Lorenz, PDS: Ja, eben.)

Können Sie mir – wenigstens fragen darf ich doch mal –

(Unruhe bei Abgeordneten der PDS – Zuruf von Sylvia Bretschneider, SPD)

sagen, wer diese Auffassung in der Fachwelt – ich meine jetzt das Umweltbundesamt, ich meine Betriebswirtschaftler –, wer die denn wirklich noch teilt? Sie haben jetzt eine Generalabrechnung mit dem Landesrechnungshof gemacht – übrigens sehr unüblich, darf ich mal sagen, wie Sie das gemacht haben,

(Angelika Gramkow, PDS: Als Schweriner eine solche Frage zu stellen zum Abfall- wirtschaftsplan, das wundert mich.)

aber das ist Ihre Sache.

Frau Gramkow, lassen Sie uns doch mal in der Stadtvertretung darüber reden. Nur, lassen Sie mich fragen. Ich kann nicht auf Sie hören und reden, also so gut bin ich noch nicht, krieg’ ich aber noch hin.

(Siegfried Friese, SPD: Einfach reden, nicht hören.)

Herr Minister, noch mal ganz klar: Welche wissenschaftlichen Untersuchungen unterstützen Ihre Aussagen, die Sie hier vor diesem Parlament getan haben, und welche stehen ihnen entgegen? Ich habe mich sehr gewundert, mit welcher Einseitigkeit Sie das hergegeben haben, was wissenschaftlich heute untersucht wurde. Und wenn Sie mir die Fundstelle in den Veröffentlichungen des UBA mal nennen würden, ich bin nächste Woche in Berlin, ich gucke es mir gerne an.