Protokoll der Sitzung vom 03.02.2000

Herr Riemann, hören Sie doch mal ein bisschen zu!

(Wolfgang Riemann, CDU: Na klar.)

… wer kommunale Selbstverwaltung will und wer dem Föderalismus das Wort redet, darf im Bereich der Abfallwirtschaft nicht mit Kopfgeboten, per Zwangszuweisung

und Vorgaben nur einer Entwicklungsrichtung – und das war ja mal Ihr Weg – die Innovation in diesem Bereich verhindern. Im Grunde ist der neue Abfallwirtschaftsplan ein Schritt hin zu lebendigem Föderalismus. Sie wollen es nur nicht wahrhaben. Und es wurde allerhöchste Zeit, dass dieses geschieht.

Ich halte es hier mit Herrn Kloepfer, der den Umweltpolitikern und Umweltpolitikerinnen nicht ganz unbekannt sein dürfte als Rechtsexperte, der zum Thema Föderalismus und Abfallrecht in Bezug auf räumliche Problemlösungen Folgendes sagt:

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

„Die zentrale Ebene ist in vielen Fällen überfordert, den uneinheitlichen Präferenzstrukturen der Bürger in unterschiedlichen Gebietskörperschaften immer gerecht zu werden. Mit steigendem Zentralisierungsgrad wachsen für den Bürger die Schwierigkeiten, seine eigenen Vorstellungen in die auch für ihn verbindlichen Problemlösungen einzubringen. Daraus folgt, dass politische Lösungen auf dezentraler Ebene mit ortsnahen und gegebenenfalls auf die lokalen und regionalen Verhältnisse angepasste Problemlösungsstrategien sich nicht nur bürgernäher und dabei bedürfnisfreundlicher, sondern auch kostenminimierend und damit effizienzfördernder auswirken.“

Und um deutlich zu machen, dass das alles kein PDSSonderweg ist, sondern dass auch andere Fachleute diesen Weg favorisieren, möchte ich auch Freiherr von Lersner zitieren, ehemals Präsident des Bundesumweltamtes, der dazu sagt: „Ein abfallrechtlicher Vorteil föderalistischer Strukturen liegt in der Möglichkeit von experimentalen Regeln und Konzepten.“ Und genau hier setzt die neue Verordnung an, die nur regelt, dass die Deponien des Landes zu nutzen sind und darüber hinaus den entsorgungspflichtigen Körperschaften die Möglichkeit gegeben ist, alle dem Stand der Technik entsprechenden Verfahren zur Abfallbehandlung zu nutzen. Und wer da meint, dass dieses mit einem unüberschaubaren finanziellen Risiko verbunden sei, dem sage ich, das trifft für jede Investitionsplanung zu, die nicht flexibel ausgelegt ist, die nicht auf veränderte Mengen im Abfallbereich reagiert, egal ob sie zentralistisch oder dezentral angelegt ist. Es wird darauf ankommen, dass auf der Grundlage vernünftiger Konzepte unter Beachtung der regionalen Besonderheiten die Abgeordneten und Bürger vor Ort transparent und bedacht planen und investieren – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Diese notwendige Planung kann der Umweltminister nicht ersetzen, er kann sie begleiten und den Willen dazu hat er vorhin formuliert.

In einem haben alle Recht, die sich über die nicht vorhandenen und unzureichenden Datenlagen beklagen und am liebsten einen Leitfaden für den richtigen Weg formuliert wissen wollen. Wir reden über einen Bereich, der seit Jahren vielen Veränderungen unterliegt, sowohl was die Mengenbilanzen betrifft als auch die Preisentwicklung, die technischen Möglichkeiten der Abfallverwertung und -behandlung. Das hat natürlich nicht nur positive Aspekte im Bereich innovativer Entwicklung. Nein, es ist heute schwer zu überschauen, wie sich die normativen Rahmenbedingungen ändern und welche Verfahren wie viel kosten. Das wird ja auch vom Landesrechnungshof kritisch angesprochen. Nur, das kann doch im Umkehrschluss nicht heißen, dass wir alte Entsorgungsphilosophien nach dem Motto: „Alles kommt auf einen Berg und wird dort verbrannt.“ als Lösung ansehen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich überhaupt nicht auf die verschiedenen technischen Möglichkeiten eingehen. Ich möchte auch nicht eingehen auf die verschiedenen Hinweise und Bedenken des Landesrechnungshofes. Ich denke, dass eine Debatte in diesem Parlament im 10-Minuten-Rhythmus der Ernsthaftigkeit dieser Argumente nicht gerecht wird. Wir werden in weiteren Fachgesprächen auch zukünftig zu diesem Thema noch viel reden müssen.

(Zuruf von Gesine Skrzepski, CDU)

Aber ich möchte eine generelle Anmerkung zu dem, was der Landesrechnungshof aufgeschrieben hat, doch machen. Neben allen fiskalischen Bemerkungen und Fragen, die aufgeworfen werden, denke ich, wird eines deutlich:

1. Es gibt einen grundlegenden abfallpolitischen Dissens zwischen der Landesregierung und dem Landesrechnungshof, der an vielen Stellen mehr oder weniger direkt zutage tritt. Das ist das Thema Behandlungstechnologie, Verbrennung oder biologisch-mechanische Behandlung.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

2. Es gibt einen grundsätzlich planerischen Dissens, der deutlich wird in der Frage zentrale oder dezentrale Abfallbehandlung.

Darüber hinaus sei angemerkt, dass der Landesrechnungshof die fiskalische Frage in den Vordergrund stellt, ist nachvollziehbar. Wir jedoch sollten uns davor hüten, die ökologischen, die ökonomischen, die soziokulturellen und die demokratischen Fragen getrennt voneinander zu beantworten.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Dieser Weg kann nur in die Irre führen. Ich wünschte mir, dass wir endlich dahin kommen, Abfall nicht als das zu sehen, was die Menschen meistens heute artikulieren als etwas Stinkendes, das man irgendwie loswerden muss, sondern als Möglichkeit betrachten, Abfall als das zu sehen, was er ist, als eine Mischung von wertvollen Stoffen, die wir der Natur entnommen haben und die wir der Natur nutzbar zurückgeben müssen.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Das mag sich sehr visionär anhören, aber wenn wir die industrielle Entwicklung, die Technologieentwicklung der letzten 40 Jahre sehen, dann bin ich der Überzeugung, dass in Zukunft noch ungeahnte Möglichkeiten der Technologieentwicklung auch in der Abfallbehandlung und -verwertung vor uns liegen. Unser Ansinnen muss es sein, genau diese Entwicklung nicht jetzt zu blockieren, indem wir zentrale, überdimensionierte, auf eine Entwicklungsrichtung ausgelegte Anlagen fördern, sondern den Weg frei machen für Innovation.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

In diesem Sinne unterstützen wir den Abfallwirtschaftsplan und wissen, dass wir noch viele Jahre im Dialog stehen müssen zu den konkreten Lösungen. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und Dr. Henning Klostermann, SPD)

Danke, Frau Muth.

Das Wort hat noch mal der Umweltminister Herr Professor Methling.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wollte doch noch auf ein paar Argumente eingehen. Ich will noch einmal sagen, dass ich mich bemüht habe, rein in der Sache die Wertung des Landesrechnungshofes hier zu diskutieren, und ich denke, dass ich dieses auch sachlich getan habe. Ich kann also hier nichts anderes erkennen. Ich glaube auch, dass der Präsident des Landesrechnungshofes dieses nicht anders sehen wird – wenn nicht, haben wir noch Gelegenheit, darüber zu sprechen. Herr Tanneberg verfolgt ja die Landtagssitzung sehr aufmerksam.

Was die Bewertung der fachlichen Kompetenz des Umweltministers betrifft, wissen Sie, meine Damen und Herren, da will ich mal kein Urteil abgeben. Am besten, Sie besuchen die Tagungen, an denen ich teilnehme und wo ich in der Diskussion spreche, dann würden Sie nicht zu solchen Fragen gelangen, Herr Jäger, und schon gar nicht zu solchen Wertungen. Das will ich hier mal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Dr. Armin Jäger, CDU: Sie haben nur ein Kurzzeitgedächtnis.)

Im Übrigen verlasse ich mich auf die fachliche Kompetenz, die in dem Umweltministerium steckt und in unserem Landesamt, in der Wissenschaft des Landes Mecklenburg-Vorpommern und der Wirtschaft.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Und in der PDS-Landtagsfraktion.)

Und wenn Sie, Herr Nolte, meinen, dass ein paar Vertreter der Wirtschaft mir ihre Meinung gesagt hätten, dann spiegelt das nur wider, dass Sie mit dieser Wirtschaft keinen Kontakt haben. Ich habe diesen, und zwar täglich.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Dr. Armin Jäger, CDU: Wo leben Sie denn?! Sie haben keine Ahnung, wirklich. – Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Also wissen Sie, Herr Jäger, eine solche Ignoranz kann ich wirklich überhaupt nicht nachvollziehen, woher Sie diese Informationen haben. Ich würde ja gern mit Ihnen inhaltlich diskutieren. Ich diskutiere mit der Wirtschaft und Wissenschaft darüber inhaltlich.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ich diskutiere schon seit 20 Jahren. Sie müssen da noch viel lernen. – Unruhe bei Abgeordneten der PDS)

Ja, ich glaube, von Dr. Jäger lernen heißt auch in der Abfallwirtschaft viel lernen. Das habe ich ja gehört.

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber diese Platte hat wirklich einen langen Sprung.)

Oh ja. Also soweit, was die fachlichen Grundlagen betrifft.

Im Übrigen ist es eine blanke Fehleinschätzung, dass das, was bei uns an Abfallwirtschaftspolitik entwickelt wird, von niemand anderem vertreten wird. Auch da lade ich Sie gern zu solchen Diskussionen ein.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Unwissenheit schützt vor Torheit nicht.)

Was die Definitionshoheit betrifft, Herr Nolte, das Land Mecklenburg-Vorpommern ist nicht in der Lage, allein zu definieren, was Abfall zur Beseitigung und Abfall zur Verwertung ist. Da laufen im Moment heftige Diskussionen in Deutschland,

(Zuruf von Georg Nolte, CDU)

an denen wir teilnehmen, und wir versuchen mit unserer Abfallwirtschaftspolitik zu berücksichtigen, dass wir uns auf diese Situation einstellen, die eben sehr dynamisch ist, und das tun wir.

Was die bestehende Rechtslage auf anderen Gebieten betrifft, gegenwärtig ist es so, dass durch die TA Siedlungsabfall, durch den Anhang, durch die Kriterien, die erarbeitet worden sind für Abfälle, die zur Beseitigung kommen und die weitgehend nachsorgefrei und emissionsarm sein müssen, diese Deponiefähigkeit nur durch Müllverbrennungsanlagen erreicht wird. Falls es so ist, Herr Nolte, dass MBAs in der Zeit, wo es zu einer rechtlichen Umsetzung kommt, nicht ihre Gleichwertigkeit beweisen können, bleibt es so, dass Müllverbrennungsanlagen zugelassen werden und zugelassen werden können. Daran ändert sich nichts. Also für den Fall, dass MBAs im Jahre 2001 nicht genehmigungsfähig sind, bis dahin muss es spätestens geschehen sein, darüber sind sich alle im Klaren …

(Georg Nolte, CDU: Das kann ja keiner zaubern, das braucht ja Planungsvorläufe.)

Herr Nolte, Sie wissen einfach zu wenig, was auf diesem Sektor geschieht.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Sie wissen übrigens auch nicht, dass wir bereits eine MBA auf der Insel Rügen haben.

(Zurufe von Gesine Skrzepski, CDU, und Wolfgang Riemann, CDU)

Also wenn bis 2001 eine solche rechtliche Grundlage nicht gegeben ist, bleibt es bei der Müllverbrennung. Für diesen Fall sind wir gerüstet und die Kommunen werden diese Entscheidung dann treffen. Übrigens können sie schon heute entscheiden, dass sie eine Müllverbrennungsanlage haben wollen. Sie könnten auch heute schon entscheiden, dass sie ihren Müll nach Rostock geben wollen, und die EVG wäre vielleicht froh,

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)