Fünftens, ich komme zu den rechtsextremistischen Parteien in Mecklenburg-Vorpommern. Die rechtsextremistischen Parteien im Lande konnten ihren politischen Einfluss auch 1999 nicht ausweiten. Sie blieben bei der Europa- und den Kommunalwahlen unter zwei Prozent. Angetreten waren „nur“ die Nationaldemokratische Partei Deutschlands, die NPD, und die Republikaner. Die in Mecklenburg-Vorpommern nahezu bedeutungslose DVU mit ihren schätzungsweise 200 Mitgliedern trat gar nicht erst an. Auch die Republikaner zeigten außerhalb des Wahlkampfes keine wahrnehmbaren Aktivitäten, was sehr wahrscheinlich auch mit der niedrigen Mitgliederzahl von circa 100 Personen zusammenhängt.
Die NPD jedoch, meine Damen und Herren, ist weiterhin eine rechtsextremistische Partei im Lande, die eine kontinuierliche und strategisch ausgerichtete politische Arbeit leistet und regelmäßig durch Demonstrationen öffentlich in Erscheinung tritt. Allerdings konnte sie ihren 1998 erreichten organisatorischen und personellen Aufschwung nicht behaupten. Sie verfügt gegenwärtig noch über circa 250 Mitglieder, während es 1998 350 waren. Gleichwohl wird die NPD allein aufgrund ihrer organisatorischen Möglichkeiten ein wichtiger Faktor im Rechtsextremismus des Landes bleiben und als solchen müssen wir ihn auch bezeichnen.
Hinzu kommt, dass die antikapitalistische und nationalrevolutionäre Ausrichtung dieser Partei am ehesten von rechtsextremistischen Skinheads und Neonazis akzeptiert wird. Sie stehen der NPD als Aktionspotential zur Verfügung, zum Beispiel bei Demonstrationen. Die von der Partei gewünschte Führungsrolle innerhalb des nationalen Widerstandes bleibt jedoch nach wie vor Wunschdenken.
Eine politische Einbindung der subkulturellen Skinheadszene und der Neonazis ist ihr bislang nicht gelungen, wenngleich, wie gesagt, einige erhebliche Versuche seitens der Strategen in der NPD gestartet worden sind.
Summa summarum will ich sagen, das Lagebild zeigt, übrigens im Einklang mit unabhängigen Untersuchungen wie etwa der Studie von Professor Dünkel aus der Universität Greifswald, dass die Gefahr der Verführung für unsere Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern nach wie vor groß ist. Ebenso groß muss das Engagement sein, das, wie gesagt, aus der Mitte unserer Gesellschaft erfolgen muss, um der Jugend in dieser Auseinandersetzung mit den rechten Parolen das politische Rückgrat stärken zu können.
Erstens. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe aus Vertretern des Landeskriminalamtes, des Verfassungsschutzes und der Polizeidirektion Schwerin legte im Februar 1999 ein Konzept zur verstärkten polizeilichen Bekämpfung des Rechtsextremismus vor. Kern des Konzeptes bildete eine Analyse der in der Vergangenheit praktizierten Form der Verfolgung staatsschutzrelevanter Straftaten mit entsprechenden Vorschlägen zur Effektivierung der Sachbearbeitung und zur Prävention. Die Konzeption beinhaltete insbesondere einen Vorschlag zur Umstrukturierung der vormals bestehenden Organisationseinheit MOFREG. Sie wurde im Ergebnis zur mobilen Aufklärung Extremismus, kurz MAEX, umgestaltet. Dazu kommt gleich von mir noch einiges mehr.
Zweitens. Handlungskonzept der Polizei im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Veranstaltungen: Wir haben im Innenministerium Ende 1998 ein Handlungskonzept der Polizei im Zusammenhang mit rechtsextremistischen, neofaschistischen und fremdenfeindlichen Veranstaltungen entwickelt. Darin wurden die Polizeidirektionen des Landes angewiesen, sämtliche Aktivitäten von Rechtsextremisten gezielt zu unterbinden, Veranstaltungen zu verbieten beziehungsweise unverzüglich aufzulösen und festgestellte Straftaten konsequent und gerichtsfest zu verfolgen.
Drittens. Wir haben im Innenministerium und auch im Landeskriminalamt mehrere aktualisierte Broschüren herausgegeben, die der Aufklärung über den Rechtsextremismus dienen sollen. So wurde die Broschüre „Skinheads“, die gerade erst kürzlich in Neuauflage erschienen ist, bereits in mehreren 1.000 Exemplaren innerhalb unseres Landes an den Schulen verwendet, aber auch außerhalb des Landes abgefragt.
Viertens, ich komme zum „Konzerterlass“. Anfang des Jahres 1999 haben wir im Innenministerium einen Erlass zum ordnungsbehördlichen und polizeilichen Vorgehen bei Veranstaltungen von Rechtsextremisten erarbeitet. Dieser Konzerterlass griff die erkannten Unsicherheiten bei der rechtlichen Bewertung rechtsextremistischer Veranstaltungen durch die vor Ort agierenden Polizeibeamten auf. Entsprechende Handlungsdefizite wurden mit dem Erlass abgebaut. Hierin wurden alle Polizeibehörden des Landes angewiesen, einschlägige Musikveranstaltungen anhand bestimmter Kriterien rechtlich als Versammlungen einzuordnen und gemäß Versammlungsgesetz die zulässigen Eingriffsermächtigungen anzuwenden. Musikveranstaltungen, die als Geburtstagsfeiern getarnt werden – hier geht es um die von mir vorhin geschilderte sub
kulturelle Skinheadszene –, unterfallen dagegen nicht dem Schutz des Versammlungsgesetzes. In diesen Fällen müssen die umfassenden Eingriffsermächtigungen des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes angewendet werden. Hier hat sich die Zusammenarbeit mit den Ordnungsämtern der Kommunen im letzten Jahr sehr deutlich verbessert.
Fünftens. Erlass zur Bekämpfung des Rechtsextremismus: Mit dem „Erlass des Innenministeriums zur Bekämpfung des Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern“ vom 9. Juni 1999 wurde auf polizeilicher Seite ein Bündel von Maßnahmen initiiert, das insbesondere zu einer Effektivierung der Strafverfolgung rechtsextremistischer Straftaten führen und gleichzeitig die Zusammenarbeit aller beteiligten Behörden verbessern soll. So wurde die Bearbeitung von Staatsschutzdelikten geringerer Tatintensität, insbesondere der Propagandadelikte, den Kriminalkommissariaten der Polizeidirektionen übertragen. Die vier Fachkommissariate der Kriminalpolizeiinspektionen können sich somit verstärkt der Verfolgung schwerer Staatsschutzdelikte, insbesondere der Gewaltdelikte widmen. Darüber hinaus wurde für diese Dienststellen eine Mindestpersonalstärke von fünf Beamten festgeschrieben.
Kern des von mir eben genannten Erlasses bildet jedoch die Einrichtung der MAEX-Gruppen in den fünf Polizeidirektionen des Landes sowie die Koordinierungsstelle MAEX im Landeskriminalamt. Die MAEX einschließlich der Koordinierungsstelle hat derzeit eine Personalstärke von 37 Beamten. Die MAEX wird hauptsächlich präventiv in der rechte Szene tätig, um Gefahren zu verhüten, Straftaten zu verhindern und gezielt auf die Szenemitglieder einzuwirken. Weiterhin werden durch die MAEX Treffpunkte der rechtsextremistischen Szene aufgeklärt, Straftaten fördernde Anlässe erkannt sowie Personenund Gruppenerkenntnisse für eine qualifizierte täterorientierte Gefahrenabwehr und Strafverfolgung gewonnen.
Durch die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen kommunalen und auch privaten Verantwortungsträgern können außerdem Alternativen für aussteigewillige Szeneangehörige konkret vor Ort erarbeitet und angeboten werden. Dies berührt wiederum die Frage der Zusammenarbeit von kommunalen Behörden der Polizei und anderen Trägern von Jugendarbeit.
Die MAEX leistete von 1999 bis heute über 4.600 Einsatzstunden. Sie erbrachten über 1.600 Kontaktansprachen und kontrollierten 750 Personen. Dabei wurden über 380 Staatsschutzerkenntnisse aufgenommen.
Der Erlass zur Bekämpfung des Rechtsextremismus beinhaltet daneben eine Reihe von weiteren Maßnahmen zur Verbesserung der Aus- und Fortbildung der Landespolizei, der Präventionsarbeit und der polizeilichen Sachbearbeitung auf der Basis der Vorschläge des Konzeptes zur verstärkten Bekämpfung des Rechtsextremismus in unserem Lande.
Meine Damen und Herren, ich komme zu einem letzten Punkt im Bereich der polizeilichen Maßnahmen, zu der Aufgabe des Landesrates für Kriminalitätsprävention. Wie Sie wissen, haben wir neue Strukturen für die gesamtgesellschaftliche Präventionsarbeit geschaffen. So wurde beim Landesrat für Kriminalitätsvorbeugung eine Arbeitsgruppe „Extremismus“ ins Leben gerufen, die sich ausschließlich der wirksamen Bekämpfung von Extremismus
in Mecklenburg-Vorpommern stellt. Sie entwickelt Präventionskonzepte, prüft deren Umsetzbarkeit und bringt die Durchführung auf den Weg. Um dem gesamtgesellschaftlichen Ansatz, den Herr Ritter schon angesprochen hat, gerecht zu werden, sind in dieser Arbeitsgruppe das Justizministerium, das Sozialministerium, das Bildungsministerium, die Verfassungsschutzbehörde, die Landeszentrale für politische Bildung, der Landesjugendring, der Verein für Demokratie und Toleranz, der Präventionsrat der Stadt Stralsund sowie die Konferenz der Kommunalen Ausländerbeauftragten in MecklenburgVorpommern vertreten.
Diese Arbeitsgruppe „Extremismus“ ist gerade im Moment im Begriff, einen Leitfaden zum Umgang mit rechtsextremistischen Jugendgruppen und Möglichkeiten präventiver Arbeit in den Kommunen vorzulegen und zu verabschieden. Hierin wird die Arbeitsgruppe zu dem Ergebnis kommen – ich kann es an dieser Stelle schon mal kurz vorwegnehmen –, dass es keinen Königsweg für den Umgang mit rechtsextremistischen Jugendlichen und Gruppen beziehungsweise Kameradschaften in Mecklenburg-Vorpommern gibt. Der Weg der Integration erscheint in dieser Arbeitsgruppe jedoch als der Erfolg versprechendste. Die Arbeitsgruppe schlägt unter anderem eine ganze Reihe von Einzelmaßnahmen vor, die ich jetzt hier nicht vorwegnehmen will, die Sie dann in der Broschüre, die aufgelegt wird, nachlesen können.
Meine Damen und Herren! Ich hatte schon gesagt, dass die Aufgabe, vor der wir stehen, eine Aufgabe aller Ressorts, letztlich des ganzen Landes ist. Deswegen hat das Kabinett nach dem Kabinettsbeschluss vom 20. April 1999 das Thema Rechtsextremismus innerhalb einer interministeriellen Arbeitsgruppe „Prävention“ behandelt. Diese interministerielle Arbeitsgruppe wird im Mai diesen Jahres voraussichtlich ihren Abschlussbericht vorlegen. Diesem Bericht möchte ich an dieser Stelle nicht vorgreifen, klar ist allerdings, dass es hier um handlungsorientierte Maßnahmen gehen muss, die vor allem der Jugend in unserem Land das politische Rückgrat stärken sollen, um mit der rechtsextremistischen Verführung klarzukommen und dieser nicht zu erliegen.
Der Erfolg der hier genannten Maßnahmen lässt sich nur langfristig an der Entwicklung der Lage im Land, besonders in der extremistischen Szene des Landes, ablesen. Kurzatmige Ergebnisse werden wir nicht erzielen. Der zu verzeichnende Rückgang der Straftaten im Bereich des Rechtsextremismus weist allerdings darauf hin, dass die Bemühungen der Landespolizei, nämlich konsequent einzuschreiten und präventiv tätig zu sein, erste Früchte tragen. Dennoch ist es für eine Entwarnung zu früh, wie das Beispiel Eggesin drastisch vor Augen führt. Ich bin davon überzeugt, dass die Landespolizei mit den dargestellten Maßnahmen konsequent gegen die rechte Gefahr einschreiten kann und dieses, wie sich zeigt, auch sehr deutlich tut.
Die Arbeit im Landesrat für Kriminalitätsprävention ist ebenso auf einen richtigen Weg gebracht. Ihr gelingt es zunehmend, gesamtgesellschaftliche Initiativen aufzunehmen, zu bündeln und zu initiieren. Schließlich wird die Landesregierung mit ihrem Arbeitsbericht aus der interministeriellen Arbeitsgruppe ebenso neue Handlungsebenen darstellen.
Ich sage aber auch noch mal an dieser Stelle in aller Klarheit: Hier geht es um eine grundlegende Herausforderung, die nur aus der Mitte der Gesellschaft heraus zu meistern ist. Von der Mitte her müssen wir die Ränder, insbesondere den rechtsextremistischen Rand, einfangen und da hat jede Bürgerin und hat jeder Bürger in unserer Gesellschaft ein politisches Mandat. Letztlich, meine Damen und Herren, geht es darum, die Zukunft unserer jungen Demokratie, die wir in Mecklenburg-Vorpommern gerade eben erst gestalten wollen, in die Verantwortung der Jugend zu legen. Das ist die Aufgabe und wir haben die Jugend darauf vorzubereiten, diese Aufgabe anzunehmen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Dr. Timm, zu Ihrem langen Rechenschaftsbericht ist nur zu sagen, Sie setzen das fort, was wir als CDU hier in diesem Lande begonnen haben, und das ist gut so.
(Beifall Harry Glawe, CDU – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Na, da kann man ja nur lachen. Sie haben nicht gehandelt.)
Zum Thema dieser Aktuellen Stunde ist zu sagen: Bei rechtsextremistischen Straftaten gab es Gott sei Dank keine Zunahme, bei Gewalttaten ebenfalls nicht. Gleiches gilt für den Linksextremismus, allerdings auf viel niedrigerem Niveau. Dass aus der Sicht der PDS die Gegner nur im rechtsextremistischen Spektrum zu suchen sind, können wir nachvollziehen. 40 Jahre lang haben Sie die Bundesrepublik als Hort des Neofaschismus verdammt und den Antifaschismus als Totschlagargument gegenüber den Gegnern benutzt
und, ich meine, das muss heute nicht fortgeführt werden. So lange ist das noch nicht her, als dass wir Ihre gesellschaftlichen Maßnahmen zur Zurückdrängung der faschistischen Gefahr vergessen hätten. An den antifaschistischen Schutzwall und an die Toten kommunistischer Gewaltherrschaft darf doch wohl nach zehn Jahren noch erinnert werden und auch daran, dass der Rechtsextremismus schon in der DDR vorhanden war, übrigens entstanden in der Konfrontation mit dem verzerrten und deformierten Sozialismus. Sie kennen doch die VP-Studie von 1989.
Dass die linksextremistischen Straftaten und Gewalttaten in Mecklenburg-Vorpommern und deren Anhänger viel geringer sind als die rechtsextremistischen, das ist Fakt, das ist gut so,
das zeigt aber auch, wo wir unsere Prioritäten setzen müssen. Da sind wir gar nicht unterschiedlicher Meinung.
Nur, das ist noch lange kein Grund, von den bewährten Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie abzuweichen. Rechts- und Linksextremisten sind Gegner unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und daran sollten wir immer denken.
Wer im Juni 1994 das Staatswesen der Bundesrepublik abschaffen, das System der Parteiendemokratie aufknacken wollte und bis heute die Systemfrage stellt, von dem müssen wir uns in Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland und Europa nicht belehren lassen, wie wir mit Extremisten umgehen müssen.
Übrigens, die Polen sehen das ganz nüchtern. Und die Partei, die mit dieser PDS einschließlich ihrer linksextremistischen kommunistischen Plattform in einer Regierung sitzt, hat nicht das Recht, über Österreich herzufallen. Das muss auch mal gesagt werden.
(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Angelika Gramkow, PDS: Haben wir das getan? – Sylvia Bretschneider, SPD: Wir sind hier nicht in Österreich. Das ist peinlich, das ist äußerst peinlich, was Sie hier abgeben. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Lassen Sie mal Ihre Scheuklappen fallen!)
Wir haben unsere Hausaufgaben gegen Extremisten und Rechtsextremisten in Deutschland und insbesondere hier vor Ort gemacht. Der Herr Dr. Timm hat das alles sehr gut erläutert.
„Sport statt Gewalt“ ist nach den rechtsradikalen Ausschreitungen in Lichtenhagen von uns initiiert worden und wir haben weitere Präventionsprojekte in den Kommunen vorangetrieben. Der Bäderdienst der Polizei hat das Image unseres Landes wieder hergestellt. Die Sonderkommission gegen Rechtsextremismus ist unsere Initiative und unsere Antwort auf die Herausforderung des Rechtsextremismus.