Protokoll der Sitzung vom 16.03.2000

(Angelika Gramkow, PDS: Oh!)

Nun könnten ja einige sagen, das mag ja sein, da müsste die Qualität der Abschlüsse eben minderwertiger sein. Aber genau das hat TIMSS schon widerlegt und ich gehe davon aus, dass PISA dies noch eindrucksvoller belegen wird, da dessen komparativer Methodenansatz in der Zwischenzeit ja wohl offensichtlich verbessert wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da zur Zeit wohl diese grundsätzlichen Systemfragen in Deutschland als Tabuthema angesehen werden und vielleicht erst in einigen Jahren erneut auf die Tagesordnung kommen, ist es deshalb um so wichtiger, als ersten Schritt die regionale Schule, oder wie sie auch immer benannt werden wird, auf höchstem Niveau inhaltlich und ausstattungsmäßig auszubauen, denn ohne wirklich anerkannten Abschluss und eine gute nachfolgende Berufs- oder Hochschulausbildung wird es für Jugendliche zukünftig immer schwerer, einen Platz im Erwerbsleben zu finden. Insofern ist die Aussage bei einer Expertenbefragung

durch das BMwF richtig, die da lautet: „Bildung ist die soziale Frage des 21. Jahrhunderts.“

(Jörg Vierkant, CDU: Ja.)

Und dies schließt vor allem den Zugang zu Bildung und Mittel der Bildung in allen Bereichen ein.

Ich gehe davon aus, dass ungeachtet aktueller Debatten und auch tagespolitisch notwendiger Entscheidungen durch die derzeit vielfältigen perspektivisch geprägten Formüberlegungen mittelfristig noch sehr viele Anregungen und auch praktikable Maßnahmen ermittelt werden. So wird uns neben den Ergebnissen der PISA 2000, an der ebenfalls Schulen unseres Landes als Probanden teilnehmen, auch das von Bund und Ländern eingerichtete Forum Bildung sowie der Bildungsserver Mecklenburg-Vorpommern wertvolle Hinweise für die weitere Bildungs- und Schulreform liefern.

Ich kann zwar den Wunsch von Lehrern, Eltern und Schülern nach Ruhe in den Schulen verstehen und auch die Forderung der CDU nach Konservieren des Status quo ist aus der Sicht der Opposition nachvollziehbar, denn wer gibt schon zu, dass man das, was man hinterlassen hat, nicht so richtig gebrauchen kann,

(Harry Glawe, CDU: Aha.)

jedoch wenn wir uns ernsthaft den Anforderungen der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts stellen wollen oder müssen, kommen wir um Unruhe bei der Suche nach Antworten nicht umhin. Statt Verteidigung ist Angriff gefordert, wenn wir nicht abgehängt werden wollen.

So notwendig die Greencard zur Zeit auch ist – ich komme zum Schluss –, sie ist auch der Beweis für die Bildungskatastrophe und den Reformstau im Bildungswesen der letzten Jahre. Lassen Sie uns diesen Denkprozess mit Interesse, Engagement, Geduld und nicht mit heißgestrickten Oppositionsanträgen begleiten. Unsere Fraktion lehnt den vorliegenden Antrag aus den von meiner Kollegin Frau Polzin und mir dargelegten Gründen ab.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Seemann.

Ich schließe jetzt die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1140. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1140 ist damit mit den Stimmen von SPD und PDS gegen die Stimmen der CDU-Fraktion abgelehnt.

Bevor wir zum Tagesordnungspunkt 16 kommen, muss ich noch einmal auf den Tagesordnungspunkt 12 zurückkommen. Nach Sichtung des Protokolls, das mir inzwischen vorliegt, sehe ich mich gezwungen, dem Abgeordneten Rehberg für die gefallenen Äußerungen einen Ordnungsruf zu erteilen.

(Beifall Annegrit Koburger, PDS)

Ich möchte das gleichzeitig noch einmal mit einem Appell an alle verbinden, dass wir den Streit zwar suchen und führen sollten, denn ich glaube, das macht unser Parlament auch interessant, aber dass man das so tun sollte, dass man andere damit nicht verletzt. Ich bitte Sie sehr um Verständnis für diese Äußerung.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 16: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Steuerreform, Drucksache 3/1137.

Antrag der Fraktion der CDU: Steuerreform – Drucksache 3/1137 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Nolte von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Nolte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Angesichts der Tatsache, dass die Beratung des Bundesrates über das vorliegende Steuerreformgesetz der rotgrünen Bundesregierung noch in diesem Monat zum Abschluss gebracht werden soll, erscheint es meiner Fraktion dringend geboten, diese für Deutschland und damit auch für Mecklenburg-Vorpommern extrem wichtige Problematik heute zu behandeln, denn es bleibt der Landesregierung nicht mehr viel Zeit, unbedingt notwendige Korrekturen an dem Entwurf nicht nur einzufordern, sondern möglichst auch über die Länderschiene im Bundesrat durchzusetzen. Der Umfang des vorliegenden Antrages beweist, in welchem Maß das Gesetzesvorhaben noch diskussions- und reformbedürftig ist.

Sie können es nicht der Opposition vorwerfen, dass die Bundesregierung ein so unausgereiftes Konzept vorlegt, das in fast allen Regelungsbereichen Korrekturbedarf ausweist. Es ist ja immerhin schon erfreulich, dass mittlerweile auch Sozialdemokraten erkannt haben, dass mit der gegenwärtigen Verfassung unseres Steuersystems für die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Wettbewerb kein Blumentopf zu gewinnen ist. Unsere hohen Steuersätze hemmen die wirtschaftliche Dynamik, engen die Spielräume für Eigeninitiative ein und mindern die Leistungsbereitschaft der Bürger. Nur durch eine deutliche Senkung der Steuersätze werden neue Handlungsspielräume für arbeitsplatzschaffende private Investitionen geschaffen. Darüber hinaus kann über diesen Weg ein Beitrag zu einer spürbaren Senkung der viel zu hohen Staatsquote – manche sprechen auch von der „Entmündigungsquote“ – erreicht werden.

(Präsident Hinrich Kuessner übernimmt den Vorsitz.)

Bedauerlich ist nur, dass dank der sozialdemokratischen Blockadepolitik im Bundesrat in der letzten Legislatur Jahre ungenutzt verstrichen sind. Und auch jetzt soll nach den Plänen der Bundesregierung die letzte Entlastungsstufe erst im Jahre 2005 rechtswirksam werden. Was aber, so frage ich mich, geschieht, wenn andere Staaten in Europa um uns herum diese Zeitspanne nutzen, ihrerseits weitere Verbesserungen ihrer jeweiligen Steuersysteme zu erwirken? Deutschland befände sich dann fortlaufend in der Rolle des Hasen, der feststellen muss, dass der Igel schon vor ihm am Ziel ist.

Wir hätten, wenn Sie es denn gewollt hätten, längst ein Steuersystem haben können, welches sich auf der internationalen Bühne sehen lassen könnte. Doch parteipolitische Obstruktionen waren in der letzten Legislatur wichtiger, und das noch auf dem Rücken der Arbeitslosen, als deren Anwalt sie sich doch sonst immer so gern generieren.

(Heinz Müller, SPD: Gerieren.)

Gerieren, danke schön, Herr Germanist. Das ist sehr nett.

Die CDU im Land und im Bund verfolgt eine solche Strategie nicht, sondern zeigt dankbare Alternativen zum Status quo und zu den Plänen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf.

Zunächst ist erfreulicherweise zu konstatieren, dass es sich mittlerweile auch bei Sozialdemokraten herumgesprochen hat, dass eine Nettoentlastung in einem Umfang von 42,5 Milliarden DM laut CDU-Vorschlag nicht nur wirtschaftspolitisch geboten, sondern auch finanzpolitisch machbar und vertretbar ist. Der Begriff „Selbstfinanzierungseffekt“ war ja der SPD noch im Vorfeld der Bundestagswahl offensichtlich weitgehend unbekannt. Dass hier offensichtlich ein Lernprozess in Gang gekommen ist, kann aus Sicht meiner Fraktion nur als begrüßenswert bezeichnet werden. Der Effekt würde allerdings noch weit höher ausfallen, wenn die Steuerreform als Befreiungsschlag und nicht als Stotterentlastung konzipiert worden wäre.

(Angelika Gramkow, PDS: Für wen denn ein Befreiungsschlag?)

Wie bitte?

(Angelika Gramkow, PDS: Für wen ein Befreiungsschlag?)

Als Befreiungsschlag selbstverständlich für die Bundesrepublik insgesamt, sowohl für die Initiative der Unternehmen, die dann bereit sind zu investieren, als auch für den Staat, der Freiräume gewinnen kann.

(Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Ich habe das selbst in der Diskussion in den USA erlebt. Und ich denke, Frau Gramkow, bei Ihrer letzten Reise haben Sie gut und gerne die Möglichkeit gehabt, auch diese Situation dort festzustellen. Bekanntermaßen streiten ja die Amerikaner gerade über die richtige Verwendung ihrer Überschüsse.

(Angelika Gramkow, PDS: Aber warum wohl? Die haben den vierstufigen Steuersatz zum Beispiel bei der Körperschaftssteuer.)

Ich wollte, wir hätten bei den Haushaltsberatungen die gleichen Probleme. Ich komme noch darauf.

Die immer wieder vorgebrachte Behauptung, unser Belastungsvolumen gefährde die Sanierung der Staatsfinanzen, ist schlicht einfach nicht begründet. Erst im Herbst des vergangenen Jahres haben die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in einer Modellrechnung bis weit in die Mitte unseres Jahrzehnts festgestellt, dass die Maastrichter Kriterien immer noch weit übererfüllt werden und selbst in einer konjunkturellen Schwächephase dafür genügend Spielraum bestehen würde.

Für uns hat die strikte Anwendung des Leistungsfähigkeitsprinzips, wie es auch das Grundgesetz fordert, eine hohe Priorität. Wir streben dabei eine gleichmäßige Entlastung sämtlicher Einkommensstufen an. Wenn man den linearprogressiven Steuertarif grundsätzlich beibehalten will, dann ergibt sich daraus – schon allein nach den Gesetzen der Mathematik – der Fakt, dass auch diese Entlastungen in absoluten Beträgen progressiv sein müssten.

Leider haben auch in diesem Haus noch nicht alle Mitglieder nachvollziehen können, dass die Orientierung an diesem Grundsatz nicht nur sachgerecht, sondern neidideologisch geprägte Debatten und Umverteilungsorgien schlicht überflüssig machen würde.

Ein weiterer ganz zentraler Aspekt ist die Sicherstellung der Gleichbehandlung aller Einkommensarten. Die vorgesehene Einteilung in so genannte gute und schlechte Einkünfte zeugt von einem falschen Verständnis einer gerechten Besteuerung.

(Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Die Einteilung in unterschiedliche Einkunftsarten ist lediglich aufgrund der verschiedenen Techniken bei der Einkünfteermittlung angebracht. Zu einer unterschiedlichen Steuerbelastung darf sie hingegen nach unserer Ansicht nicht führen.

Völlig sachfremd erscheint auch die vorgesehene Abkehr vom Vollanrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren. Die Unterscheidung zwischen Kapitalgesellschaften – da komme ich auf Ihre Frage – auf der einen und Personengesellschaften auf der anderen Seite ist zwar zivilrechtlich gut begründbar, jedoch rechtfertigt dieses in keiner Weise eine Doppelbesteuerung ausgeschütteter Gewinne mit der Körperschaftssteuer der Gesellschaft und der Einkommenssteuer des Gesellschafters.

Gelegentlich ist der Einwand zu vernehmen, dieses Verfahren sei nicht europatauglich. Abgesehen davon, dass acht Staaten in der EU das System der Teil- oder Vollanrechnung praktizieren, frage ich mich dann schon, warum eine Umstellung auf das Halbeinkünfteverfahren adäquater sein soll, wenn ich mir die Tatsache vor Augen halte, dass nur Luxemburg nach dieser Methode vorgeht.

Wir mahnen entschlossen eine zielgenaue Entlastung kleiner und mittlerer Unternehmen an. Zuzüglich zu den von uns avisierten Maßnahmen im Bereich der Einkommenssteuer fordern wir eine durchgehende Absenkung der Messbeträge bei der Gewerbesteuer um 20 Prozent. Dabei verkenne ich überhaupt nicht die daraus entstehende Problematik der Finanzlage der Gemeinden. Als Gegenargument taugt ein solcher Einwand – gerade auch in unserem Land – jedoch nicht.

Zum einen wäre nach unserer Auffassung eine Erhöhung der Umsatzsteueranteile mach- und vertretbar, zum anderen sollte auch eine Senkung der Gewerbesteuerumlage in Erwägung gezogen werden. Keinesfalls fordern wir eine vollständige Abschaffung der Gewerbeertragssteuer, da wir dieses als zentrales Element eigenverantwortlicher kommunaler Steuerpolitik anerkennen und beibehalten wollen.

Allerdings ist deren augenblicklicher Status eher der einer Reststeuer, welche nur noch von wenigen Unternehmen voll bezahlt wird. Dies kann kein befriedigender Zustand sein und bedarf daher der Reform in Richtung der Schaffung einer stabilen neuen Steuerbasis für die Kommunen. Die Ehrlichkeit gebietet allerdings zuzugestehen, dass bei uns die Überlegungen noch in Gang sind und somit ein abschließendes Lösungskonzept noch nicht vorliegen kann. Aber das dürfte ja wohl für alle Fraktionen in diesem Hohen Hause gelten.

Insofern ist es unser Bestreben, die Steuerreform kurzfristig möglichst haushaltsneutral für die Gemeinden und Kreise auszugestalten. Mittel- und langfristig erwarte ich vielmehr sogar eine positive Wirkung, da es keinen Grund gibt anzunehmen, dass nicht auch diese Ebene von der durch die Reform mit induzierten Wirtschaftsdynamik profitieren wird. Ich lege hierauf sehr großen Wert und will diesen Gedanken betonen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Harry Glawe, CDU: Richtig. Sehr richtig.)