Protokoll der Sitzung vom 16.03.2000

Über einzelne Punkte des vorliegenden Entwurfs, wie etwa die steuerfreie Veräußerung von Anteilen an Kapital

gesellschaften, wird noch zu reden sein. Die Landesregierung wird sich zusammen mit den Ländern Niedersachsen und Brandenburg bemühen, das Optionsmodell noch stärker auf die Bedürfnisse von kleinen und mittleren Unternehmen zuzuschneiden, und bei diesen Beratungen wird der Faltlhauser/Merz-Entwurf nicht unbeachtet bleiben.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Im Übrigen führt der Gesetzentwurf der Opposition zu noch mehr Steuermindereinnahmen, und zwar in Höhe von etwa 7,6 Milliarden DM. Noch höhere Defizite der Staatshaushalte in Kauf zu nehmen wäre aber verfehlt und nähme uns für die Zukunft die Handlungsfähigkeit. Ich habe allerdings irgendwie vernommen, als wenn Herr Nolte gar nichts dagegen hätte, die Nettokreditaufnahme anzuheben, indem er das macht. Also das war für mich ein vollkommen neuer Touch.

(Harry Glawe, CDU: Nee, nee, das hat Frau Gramkow gesagt.)

Vielleicht können Sie, Herr Rehberg, noch mal darauf eingehen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das war ein für mich neues Argument von der CDU.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU – Volker Schlotmann, SPD: Was sagen Sie dazu?)

Jetzt komme ich...

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Nee, nee.

(Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Höhere Staatsdefizite wären auch wachstumspolitisch gefährlich, da die Investoren höhere Zinsen und langfristig höhere Steuern zu erwarten hätten. Der erhoffte Wachstums- und Arbeitsplatzeffekt bliebe aus, nur der Schuldenberg würde wachsen. Und auch aus diesem Grunde, denke ich, ist der Antrag der Opposition abzulehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Gestatten Sie jetzt die Anfrage des Abgeordneten Nolte? (Zustimmung)

Bitte, Herr Nolte, fragen Sie.

Frau Ministerin, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass ich über Haushaltsneutralität nur im Zusammenhang mit den kommunalen Haushalten gesprochen habe?

Herr Nolte, auch das geht so einfach nicht, wie Sie sich das denken. Wir werden auch da sehen müssen, wie sich das System auswirkt. Es kann nicht sein, dass Bund und Länder bei der Steuerreform praktisch draufzahlen und die Kommunen dazu keinerlei Beitrag leisten.

(Wolfgang Riemann, CDU: Ran an die Taschen! – Angelika Gramkow, PDS: Ihr Vorschlag zur Ge- werbesteuer ist viel schlimmer, Herr Riemann.)

Wie dieser Beitrag aussehen wird, wird man sehen. Auch die Kommunen werden übrigens von dem System, wie die Gewerbesteuer in Zukunft angerechnet werden soll, wahrscheinlich sogar profitieren. Lassen Sie uns doch erst mal abwarten, wie das Ganze ausgeht!

Danke, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt die Vorsitzende der Fraktion der PDS Frau Gramkow.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Steuerreform ist dringend erforderlich – das ist unumstritten.

(Harry Glawe, CDU: Das bestreiten wir ja auch gar nicht.)

Und selbst die Adjektive in Ihrem Antrag, meine Damen und Herren der CDU, „einfach“, „überschaubar“ und „gerecht“, selbst die Adjektive sind akzeptabel.

(Harry Glawe, CDU: Aha!)

Allerdings frage ich mich, wer eigentlich für das vorhandene Steuersystem verantwortlich ist.

(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: 16 Jahre Kohl.)

Und selbst Ihre Petersberger Beschlüsse, in die Sie, Herr Nolte, dringend noch mal reingucken sollten, lassen gerade die Ansätze dieser Adjektive vermissen.

Die PDS, auch ein Teil der Opposition im Deutschen Bundestag, fordert eine Steuerreform, die endlich aufhört, dafür zu sorgen, dass Arme immer ärmer und Reiche immer reicher werden in dieser Gesellschaft. Wir sind dafür, die über Jahre favorisierte Umverteilung von unten nach oben unter dem Deckmantel der Schaffung von Arbeitsplätzen aufzuhalten. Das Ergebnis sind Massenarbeitslosigkeit, drastischer Rückgang der Einnahmen der öffentlichen Hand,

(Wolfgang Riemann, CDU: Enteignen! Enteignen! Alle enteignen!)

massive Verschuldung bei Beibehaltung von Dauersubventionen an die Wirtschaft und letztlich der Abbau des Sozialstaates in Deutschland gewesen.

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Eine wirkliche Steuerreform muss dem Grundprinzip sozialer und steuerlicher Gerechtigkeit folgen, das heißt, alle Einkunftsarten und damit alle sozialen Gruppen der Gesellschaft sind als gleichwertig zu betrachten. Wir sind dafür, dass die Steuerbelastung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Einzelnen ausgerichtet ist. Insofern, Herr Riemann, ist Punkt 2 in Ihrem Antrag faktisch falsch

(Wolfgang Riemann, CDU: Nein.)

und Sie sollten ihn korrigieren. Denn die Steuerlast der Steuerpflichtigen in unserem Land ist gegenwärtig nicht im Geringsten im Verhältnis ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verteilt. In den letzten 16 Jahren wurden Steuersenkungsgesetze verabschiedet, über die sich besonders ertragsstarke Unternehmen und vermögende Einzelpersonen freuen konnten, in den letzten Jahren besonders. Warum haben Sie die Vermögenssteuer abgeschafft? Warum haben Sie die Freibeträge bei der Erbschaftssteuer so massiv heraufgesetzt

(Wolfgang Riemann, CDU: Weil sie Betriebsvermögen besteuern. Weil es ein Verfassungsgerichtsurteil gab.)

und riesige legale Steuerschlupflöcher ermöglicht? Ihr Antrag, meine Damen und Herren der CDU, ist insofern

heuchlerisch und dies lassen wir als PDS noch nicht einmal der Opposition durchgehen, Herr Riemann.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Das heißt nicht, meine Damen und Herren, dass wir als PDS-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern das rot-grüne Steuerprojekt befürworten.

(Wolfgang Riemann, CDU: Aha!)

Wir halten es für unzureichend. Und das hat nichts mit der von uns als notwendig erachteten Umverteilung von oben nach unten zu tun. Zwar ist die Senkung des Eingangssteuersatzes – und Frau Ministerin hat berechtigterweise darauf verwiesen – oder die Erhöhung des steuerfreien Existenzminimums für viele Steuerzahler, darunter auch zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sehr zu begrüßen, jedoch stellt sich die Frage, wie das Entlastungsvolumen von über 30 Milliarden DM für diesen Punkt von 1999 bis 2005 gegenfinanziert werden soll. Blauäugig nenne ich den, der daran glaubt, dass sich die Steuerreform über ein entsprechendes Wirtschaftswachstum selbst finanziert.

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Rot-Grün will die Steuerentlastung unter den Bedingungen der Haushaltskonsolidierung und des Abbaus der Neuverschuldung bis 2006 durchziehen. Die Konsequenz sind hohe und dauerhafte Einnahmeausfälle der öffentlichen Hand, wobei ich Frau Ministerin Recht gebe, dass ein Teil aufzubringen ist. Aber die geschätzten Kassenausfälle betragen in den Jahren 2001 bis 2004 insgesamt 125,7 Milliarden DM. Davon entfallen 71,3 Milliarden DM nur auf die Reform der Unternehmensbesteuerung. Nach Zahlen der Länder müssen wir mit erheblichen Steuermindereinnahmen bereits im Jahr 2001 rechnen. Sachsen plant alleine mit 1,2 Milliarden DM.

Steuerreform, Rentenkürzungen, Kürzungen der Sozialhilfe, vielleicht sogar der Arbeitslosenhilfe oder des Arbeitslosengeldes stehen damit im engen Zusammenhang. Und damit wird auch deutlich,

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

um welchen Preis die Entlastung von Einkommensempfängern und Unternehmen realisiert wird. Wer wird wo diese Zeche bezahlen?

Ich frage Sie: Warum kommt die Bundesregierung nicht auf die Idee, die Bemessungsgrundlagen zu verbreitern? Denn dies hätte Spitzenverdiener betroffen. Stattdessen profitieren sie überproportional von der geplanten Steuerreform. Auf die Frage nach der Gegenfinanzierung sehe ich jedoch sowohl bei Rot-Grün als auch bei CDU und CSU nur heiße Luft.