Im Ältestenrat wurde eine Aussprachezeit von 60 Minuten vorgeschlagen. Dazu gibt es keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Frage nach zukunftsfähigen Gemeinden und Gemeindestrukturen in Mecklenburg-Vorpommern ist derzeit viel in Bewegung geraten. Das liest man ab an der im ganzen Land geführten öffentlichen Diskussion. Allerdings spiegelt sich diese Bewegung, die in die Diskussion geraten ist, leider nicht bei der Teilnahme von Abgeordneten an dieser Sitzung wider, was ich bedauere, Frau Schulz.
Auch die Einsetzung der Enquetekommission zeigt, dass diese Diskussion von Bedeutung ist und dass Sie, die Parlamentarier, sich dieser Diskussion auch stellen wollen. Ich halte es für ausgesprochen wichtig, dass diese öffentliche Diskussion im Parlament geführt und organisiert wird und zu dem Ziel der Enquetekommission, zukunftsfähige Gemeinden und Gemeindestrukturen zu entwickeln, auch Vorschläge gemacht werden, weil nur unter der Beteiligung aller Bürger, Gemeindevertreter und Parlamentarier dieser Weg gelingen kann.
Wie die Diskussion läuft, liest man in der Presse, beispielsweise in der SVZ vom 6. März dieses Jahres. Da wird berichtet von einem CDU-Parteitag in Schwerin, an dem der Kollege Hardraht aus Dresden, den ich persönlich sehr schätze, teilgenommen hat. Was da im Einzelnen besprochen wurde, steht in der Zeitung. Mir hat ein Teilnehmer berichtet, der Kollege Hardraht soll gesagt haben, man solle einen Gesetzentwurf in der Schublade haben und die Gemeinden bitten, diesen freiwillig zu erfüllen.
(Gerd Böttger, PDS: Haben Sie da einen V-Mann? – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)
Ich habe meine Kenntnisse von Teilnehmern dieser Beratung, die nicht weit weg hier in dieser parlamentarischen Veranstaltung sitzen, meine Damen und Herren.
Wir lesen vielerlei Vorschläge in den Zeitungen. Zum Beispiel lese ich auch, dass ein profundes CDU-Vorstandsmitglied vor einigen Monaten gesagt hat: Dies Land braucht nur noch zwei Landkreise und zwei kreisfreie Städte. Ich glaube nicht, dass das die Meinung der CDU war,
Ich will nur sagen, dass sich diese intensive Debatte jeden Tag in den Lokalseiten unserer Zeitungen oder auch
im Fernsehen widerspiegelt. Ich will Ihnen mal zitieren, was der Bürgermeister von Marlow gesagt hat. Marlow ist eine Gemeinde, die gerade eben einen Zusammenschluss mit Umlandgemeinden vorgenommen hat und jetzt amtsfrei ist. Und in der Gemeindevertretung sitzt zum Beispiel ein nicht unwichtiger Landtagsabgeordneter aus diesem Parlament, der zur Zeit leider auch nicht dieser interessanten Debatte beiwohnen will.
Der Bürgermeister von Marlow sagt: „Sicherlich gibt es den einen oder anderen, der nach wie vor skeptisch ist, der nach wie vor mit dieser Situation nicht fertig werden wird“ – wen er auch immer meint –, „aber der Großteil der Bevölkerung geht hier schon lange mit.“ Das ist auch mein Eindruck. Der Großteil der Bevölkerung geht hier schon lange mit, und der Großteil der Bevölkerung sieht, dass die Bürgerinnen und Bürger auch einen Beitrag dazu leisten können und wollen, zukunftsfähige Gemeindestrukturen in Mecklenburg-Vorpommern zu entwickeln.
Meine Damen und Herren, welche Probleme gibt es, welche Probleme müssen gelöst werden? Ich will Ihnen fünf nennen:
1. Wir haben derzeit eine – wie die kommunalen Landesverbände besonders betonen – knappe Finanzausstattung der Kommunen. Diese wird nach dem Jahr 2004 abnehmen, denn nach dem Jahr 2004 werden wir einen Anschlusssolidarpakt bekommen nach dem jetzigen Solidarpakt I, und circa 1 Milliarde DM der jetzigen Finanzausstattung ist Ausfluss des Solidarpaktes I, das heißt, die Finanzausstattung wird nach dem Jahre 2004 abnehmen. Und wenn jetzt schon die Kommunen sagen, sie seien unter den gegebenen Strukturen nicht in der Lage, ihre Selbstverwaltungsaufgaben genügend zu erfüllen, wie soll es dann zukünftig sein, wenn sich strukturell nichts ändert?
Herr Dr. Jäger, auch ein sonst wie schönes Finanzausgleichsgesetz ist nicht in der Lage, dieses strukturelle Problem zu lösen.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Angelika Gramkow, PDS: Das ist auch nicht seine Aufgabe. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)
Und ich sage Ihnen noch eins: Wer den Bürgern jetzt nicht die Wahrheit sagt, der hat seinen Auftrag verfehlt. Ich komme noch darauf zu sprechen.
2. Ein weiteres Problem ist, dass eine Reihe von Kommunen, vor allem natürlich kleine Kommunen, nicht mehr in der Lage sind, ihre dringenden Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen – Kitas, Schulen und auch Wasserver- und Abwasserentsorgung. Diese Aufgaben werden teilweise übertragen auf Zweckverbände, teilweise auf die Ämter. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Kommunen, einige jedenfalls, selbst nicht in der Lage sind, diese Aufgaben zu erfüllen.
3. Kofinanzierungen zu Landes-, Bundes- und vor allem europäischen Programmen kommen derzeit nicht überall zustande. Und wenn ich an das Jahr 2005 und folgende denke, kommen sie noch viel weniger zustan
de. Deshalb muss es darum gehen, die Investitionskraft der Kommunen zukünftig so zu stärken, dass die europäische Entwicklung an Mecklenburg-Vorpommern, und vor allem am ländlichen Raum in Mecklenburg-Vorpommern, nicht vorbeigeht.
4. Die Verwaltung – das ist ja schon gesagt worden –, die seit 1992 aufgebaut worden ist in diesem Lande und letztlich steht und auch als eine wichtige Struktur der Kommunen zu berücksichtigen ist, diese Verwaltung hat eine umfangreiche Aufgabe zu erledigen. Ich denke zum Beispiel daran, dass es Amtsverwaltungen gibt, die bis zu 20 Einzelgemeinden zu verwalten haben, deren Haushaltsberatungen zu begleiten haben. Sie müssen mal mit den Kämmerern sprechen, die diese Aufgaben erledigen müssen. Mit anderen Worten: Wir haben auch im Sinne der Verwaltungseffizienz diese Beratungen durchzuführen.
5. Und letztlich ist es aus meiner Sicht ebenso erforderlich, über die demokratische Kontrolle der Verwaltung in den Ämtern eine Debatte zu führen. Ich sage das deswegen, weil der Zeitpunkt gekommen ist, wo man diese Debatte offen und der Wahrheit entsprechend führen muss.
Jeder, der die Bürger in dem Glauben lässt, das Ganze sei etwa mit einer leichten Korrektur oder meinetwegen auch einer schwerwiegenden Korrektur des Finanzausgleichsgesetzes zu beheben, der verfehlt seine Aufgabe, weil wir eine strukturelle und keine marginale Aufgabe zu bewältigen haben.
Nach meinen Erfahrungen im Land, in den Amtsausschüssen, in den Gemeindevertretungen, in den Gemeinden – zum Beispiel nehme ich derzeit gerne Waffenbriefübergaben wahr, weil wir in den Vertretungen, zu denen sehr viele Bürger geladen werden, diese Debatte sehr intensiv führen – sehen die Bürger ein, dass sie selbst durch ihr Mittun einen wichtigen Beitrag zur Modernisierung der kommunalen Strukturen leisten können und auch wollen, aber diese Beteiligung auch erwarten. Und das, meine ich, ist der entscheidende Punkt. Es geht nicht über die Bürger hinweg, es muss mit ihnen gemeinsam gestaltet werden.
Wir müssen die Menschen ernst nehmen, wenn wir diesen Weg gehen wollen. Und deswegen bin ich auch äußerst optimistisch, dass bei dieser Enquetekommission ein Ergebnis herauskommt. Denn eine Kommission, die einen sachlich und zeitlich begrenzten Auftrag hat und einen eindeutig definierten Auftrag erledigen will, ist dazu sehr viel besser in der Lage, als eine, die einen unübersichtlichen Auftrag wahrzunehmen hat, der in seiner Begrenzung nicht klar ist und der dazu führt, dass eine Unzahl von Problemen in einer Kommission beraten werden soll, die letztlich zu keinem Ergebnis führen kann. Deswegen sage ich Ihnen, dieser Auftrag ist einer, der eindeutig ist, der sich abgrenzt von anderen Problemen, die wir natürlich auch noch zu bewältigen haben, und insofern auch erledigt werden kann.
Zu Punkt 1 – Kontrolle der Verwaltung und Entwicklung der Demokratie – habe ich schon einiges gesagt, das will ich hier kurz überspringen.
Punkt 2 – Kofinanzierungen aufbauen können, vor allem im Rahmen europäischer Programme – ist die Aufgabe des jetzt laufenden Jahrzehnts. Wir haben eine Situation, in der die europäischen Programme im Wettbewerb der europäischen Regionen verwirklicht werden, das heißt, die Region, die die europäischen Programme nicht kofinanzieren kann, geht leer aus. Und wenn wir wollen, dass Europa in Mecklenburg-Vorpommern stattfindet und hier auch die Ziele der europäischen Programme verwirklicht werden, dann müssen wir die Gemeinden fit machen, diese Ziele auch umsetzen zu können. Das ist ein wesentlicher Punkt für die Zukunftssicherung des ländlichen Raums in Mecklenburg-Vorpommern.
Zu Punkt 3 – Verwaltung effizienter gestalten – habe ich auch schon etwas gesagt. Reden Sie mit den Kämmerern in den Ämtern, dann wissen Sie, was ich meine.
Als weiteren Punkt bei der Verwaltungseffizienz möchte ich nennen, dass wir eine große Zahl amtsfreier Städte und Gemeinden haben, die ihre Stadt oder Gemeinde durch eine Verwaltung verwalten – etwa das Rathaus der Stadt Röbel, um ein Beispiel zu nennen –, und unmittelbar daneben ist die Verwaltung des Umlandamtes nach denselben Strukturen aufgebaut. Beide machen dasselbe, allerdings für verschiedene Gebiete.
Meine Frage ist: Ist das erforderlich? Und ich sage Ihnen, auch hier ist die Debatte in den Gemeinden sehr viel weiter, als ich das gelegentlich bei einigen Abgeordneten vor allem der Opposition derzeit erlebe.
Meine Damen und Herren! Es wird gesagt – Herr Markhoff hat es auch wieder gesagt –, der Innenminister soll Leitbilder nennen. Das sagen auch die Landesverbände und ich höre es auch von anderer Seite. Dazu will ich Ihnen zwei Sachen sagen:
Erstens. Für Leitbilder ist letztlich jede Partei selbst verantwortlich. Ich gehe davon aus, dass Sie welche haben, Herr Markhoff, ich spreche Sie mal als CDU im Ganzen an. Insofern bin ich auch daran interessiert, welche Leitbilder Sie denn für sich nennen wollen.