(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Harry Glawe, CDU: Sie haben den Antrag jetzt gelesen, oder? – Peter Ritter, PDS: Der wollte über die Greencard für Fußballer reden.)
(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Traust du dich auch, ihm das zu sagen?)
Er hat hier das Podium benutzt, um populistisch zu hetzen gegen den Bundeskanzler und gegen die Landesregierung.
(Reinhard Dankert, SPD: Das ist sein Geschäft. – Heidemarie Beyer, SPD: Wenn ihm das Wasser bis zum Hals steht.)
Das war offenbar das Anliegen. Nun würde ich mal sagen, dass es ein sehr gutes Anliegen ist. Das haben die Herren Minister Eggert und Holter hier schon ausführlich entgegnet.
Sie waren in der Bundesregierung. Und was haben Sie getan? Sie haben die Entwicklung verschlafen, das ist das Problem.
(Beifall bei der SPD – Dr. Ulrich Born, CDU: Das war viel qualifizierter als das, was der Bundeskanzler gesagt hat. – Harry Glawe, CDU: Dann fragen Sie mal, was der alles in Niedersachsen angerichtet hat.)
(Harry Glawe, CDU: Er hat ganze Studiengänge aufgelöst. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Hören Sie doch mal auf Frau Staszak!)
Gut, das wollte ich nur gern vorausschicken, um das hier mal zu klären. Es wurde hier vieles gesagt, was die Landesregierung vorhat und was sie machen will. Ich möchte auch grundsätzlich etwas dazu sagen, weil mir das Thema sehr wichtig ist,
(Harry Glawe, CDU: Das machen Sie sehr gut. – Dr. Ulrich Born, CDU: Das haben wir mit großem Interesse vernommen.)
Dass die Transformation der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft nicht über Nacht vom Himmel gefallen ist, das wissen wir eigentlich alle.
Wir haben es hier mit einem seit Jahren feststehenden Wandel zu tun. Er wird bestimmt durch die Informationsund Kommunikationstechnologien und verändert eigentlich alle gesellschaftlichen Bereiche. Dazu hat bereits Martin Bangemann 1994 in der Veröffentlichung „Europa und die globale Informationsgesellschaft“ Empfehlungen für den Europäischen Rat, noch heute gültige Analysen und Handlungsnotwendigkeiten dargelegt. Auch auf dem Forum Informationsgesellschaft 1996 wurde schon festgestellt, zwar sind wir davon überzeugt, dass die Informationsgesellschaft zu mehr Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Lebensqualität führen kann, jedoch werden diese Folgen nicht sofort und, wenn wir diesen Prozess nicht sorgsam steuern, vielleicht überhaupt nicht eintreten.
Dass die Informationswirtschaft auch in Deutschland bereits heute eine der wichtigsten Zweige für Wachstum und Beschäftigung ist, kann niemand mehr bestreiten.
(Dr. Ulrich Born, CDU: Aber die Grünen wollten doch 1994 die Sozialver- träglichkeit des Computers geprüft haben. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber die haben wir hier ja nicht. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)
Die modernen Informationstechnologien sind die treibende Kraft für die zusätzliche Beschäftigung vor allem im Dienstleistungsbereich. Die Gefahr, den Anschluss an die weltweite Entwicklung zur Informationsgesellschaft zu verpassen, besteht bereits seit drei Jahrzehnten. Trotz aller Abgrenzungs- und Definitionsprobleme ist festzustellen, dass bereits seit 30 Jahren die einschlägige Ausbildung nie ausgereicht hat. Also wir hätten ganz viel tun können in den vergangenen Jahren.
(Dr. Ulrich Born, CDU: Frau Kollegin, die Grünen haben 1994 die Sozialverträg- lichkeit des Computers prüfen lassen wollen.)
Fortbildung und Umschulung von Fachkräften mit anderer Erstausbildung sind jetzt seit Jahren an der Tagesordnung. Verlässliche Planungen und Anpassungen an zukünftige Anforderungen setzen exakte Kenntnisse des aktuellen und des zu erwartenden Kräftebedarfs sowie der erforderlichen Qualifikationsstruktur der zu besetzenden Stellen voraus.
Dass hier gewaltige Informationslücken bestehen, lässt sich am Beispiel der IHK zu Schwerin verdeutlichen, das habe ich neulich gerade gelesen. Sie muss derzeit noch eine Recherche in ihrem Kammerbezirk anstellen, um zu zukunftsorientierten Qualifizierungsmaßnahmen aussagefähig zu sein. Wie man bei einer solchen Sachlage jungen Menschen ihre Chancen in IT-Berufen erklären und sie zu einer diesbezüglichen Berufswahl motivieren will, wenn man das jetzt noch nicht weiß, das muss mir erst einmal jemand erklären. Das fand ich schon erhebend.
Die Erhöhung der Bereitschaft, IT-Berufe zu erlernen und in diesen Berufen in Deutschland tätig zu werden, erfordert gemeinsame Anstrengungen von Wirtschaftsund Sozialpartnern, von der Wissenschaft, von gesellschaftlichen Gruppen, von Politik und Verwaltung, aber nicht ausschließlich von Politik, denke ich. Dazu gehört vor allem, Personalbeschaffungs- und Personalentwicklungsplanung als Entwicklungs- und Wachstumsgrundlage zu begreifen und auch zu betreiben. Investitionen in Personalentwicklung sind ureigenste Angelegenheit der Unternehmen und können nicht einer Selbstregulierung überlassen werden. Unternehmen, die in der Hoffnung leben, fertige Fachkräfte in ausreichender Anzahl vom Arbeitsmarkt abschöpfen zu können, werden den Kampf um Marktanteile verlieren. Arbeitgeber und ihre Vertretungen müssen deutliche Signale für ihr Interesse an solider IT-Basisqualifikation setzen.
Die Diskussion zur Kurzlebigkeit des Wissens ist in ihrem Grundgehalt richtig. Sie schreckt aber eher ab, als dass sie motiviert. Nur langfristige Perspektiven ermuntern Arbeitnehmer und Arbeiternehmerinnen, sich für ITBerufe zu entscheiden. Ein weiterer in Deutschland eher als Entwicklungshemmer denn als Entwicklungschance begriffener Punkt ist: Die Arbeitsbelastung in den IT-Berufen muss auf ein Normalmaß zurückgeführt werden. Innovative Arbeitsformen müssen verstärkt umgesetzt werden. Zurückgehende Anteile von älteren Personen und Frauen in der IT-Branche sind ein Indiz mangelnder Flexibilität in den Beschäftigungsstrukturen des IT-Bereiches. Das sind Potentiale, auf die dieser Wachstumsbereich eigentlich nicht verzichten kann.
Wer die Behebung der Fachkräfteengpässe thematisiert, muss gleichzeitig über Entwicklungsmöglichkeiten und Beschäftigungszuwächse nachdenken. Hierzu sind auch Märkte und Lebensbereiche stärker zu nutzen, die bisher vernachlässigt worden sind, zum Beispiel die Gesundheitsvorsorge oder haushaltsnahe Dienstleistungen. Dazu gehört aber auch die Intensivierung des Einsetzens der Informationstechnologien in kleineren und mittleren Unternehmen. Dabei sollte die Wertschöpfung für den Betrieb im Vordergrund stehen. Möglichkeiten von Kooperationen und Netzwerken sollten in die Überlegungen einfließen, Auslagerungen von Dienstleistungen erwogen werden. Dabei dürfen nicht die Argumente über Personal- und Technikkosten als Entwicklungsbremse wirken. Ich will damit sagen, dass die Akzeptanz für den Einsatz von Informationstechnologien schnell und grund
Die unaufhaltsam fortschreitende Entwicklung zur Informationsgesellschaft wirft aber auch Fragen zu den gesellschaftlichen Auswirkungen auf. Die Zukunft der Menschen wird immer stärker davon bestimmt, ob sie zu den Wissenden gehören oder nicht. Damit ist die Teilhabe und die Mitwirkung an der Informationsgesellschaft ein entscheidender Faktor für die Integration und Chancengleichheit und Maßstab für den Demokratisierungsprozess oder die Potenzierung von Ungleichheiten. Zurzeit zeigen die Beteiligungswerte, dass das Informationszeitalter noch meilenweit von der Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern entfernt ist. Der Anteil von Frauen an allen Internetnutzern beläuft sich in Deutschland auf rund ein Drittel, in den vereinigten Staaten aber bereits auf über 40 Prozent. Nur 23 Prozent der Computerfachleute sind weiblich, der Frauenanteil am Ingenieurstudium beträgt 17 Prozent, im Bereich Informatik nur 8 Prozent. In den vier wichtigsten IT-Berufen sind 13,6 Prozent der Auszubildenden Mädchen.
Gegen all dieses, was ich jetzt gesagt habe, versucht ja die Landesregierung schon etwas zu machen, wie heute mehrfach erwähnt wurde. Dieses hat viele Ursachen. Dazu gehört, dass die Nutzung und Gestaltung von PCAnwendungen von einem Technikerverständnis geprägt ist, das durch männliche Sichtweisen bestimmt wird. Die Folge ist häufig eine Fehleinschätzung der erforderlichen Qualifikation. Eine besondere Verantwortung kommt dem Bildungsbereich zu, heute auch schon erwähnt. Technische Berufe und Studiengänge stellen vor allem einen nüchternen emotionslosen Umgang mit Technik in den Vordergrund.
Experten aus der Informationstechnik kritisieren daher das Fehlen von Nutzer- und Sozialorientierung sowie von ganzheitlichen Herangehensweisen an die Informationstechnik. Deshalb müssen kooperative und kommunikative Unterrichts-, Ausbildungs- und Studienelemente in technische Ausbildungen einbezogen werden. Eine Schlüsselqualifikation für den Zugang und die Mitgestaltung der Informationsgesellschaft ist die Medienkompetenz. Voraussetzung für ihren Erwerb ist der Zugang zu informationstechnologischen Wissens- und Informationsressourcen. Hierbei erweist sich Berufstätigkeit oft als entscheidender Faktor.
Die Nutzung von Onlinediensten am Arbeitsplatz ist häufig der Auslöser für den privaten Internetzugang. Darüber hinaus wird der Zugang von Frauen zu den neuen Medien von der Ausgestaltung der Netze bestimmt. Hier werden Sie bisher mit Inhalten konfrontiert, die das Leben und die Realität von Frauen nicht widerspiegeln. Neben der Medienkompetenz sind vor allem soziale Kompetenzen und organisatorische, konzeptionelle, kaufmännische und gestalterische Fähigkeiten erforderlich, wie inzwischen zahlreiche Untersuchungen belegen. Sie sehen, nicht informationstechnische Detailkenntnisse sind für ITBerufe ausschlaggebend, sondern Kompetenzen, die Frauen im Allgemeinen zugeordnet werden. Dieser der Technik zugeordnete Bereich kann und muss kein heiliger Ort nur für Männer sein und bleiben.
Wenn es gelingt, die Betonung von Inhalten in den Vordergrund zu stellen und anspruchsvolle Anwendungskon
zepte zu entwickeln, wird es ein verändertes Berufswahlund Weiterbildungsverhalten von Frauen und Mädchen zugunsten von IT-Technologien geben. Hier ist die Wirtschaft aufgefordert, Angebote zu machen, wenn sie nicht auf die Potentiale verzichten will. Damit verknüpft ist selbstverständlich ein Anforderungsprofil, das Frauen und Männern gleichermaßen erlaubt, Beruf, Karriere und Familienplanung zu verknüpfen.
Die Veränderungen durch das Informationszeitalter sind nicht nur gekennzeichnet durch neue wirtschaftliche Inhalte und Verfahren, sondern vor allem durch neue gesellschaftliche Prozesse. Es besteht die unwiederbringliche Chance, durch die Aufhebung von Zeit und Raum sowie durch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten und Qualifikationen von Frauen das Informationszeitalter zur Verwirklichung der Chancengleichheit zu nutzen.
In diesem Sinne bitte ich Sie, den Antrag zu unterstützen. Und, Herr Born, ich hoffe, Sie meinen das ernst.