Protokoll der Sitzung vom 12.04.2000

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Ja, das werden Sie gleich sehen.)

Danke, Frau Staszak.

Der Wort hat jetzt der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Professor Kauffold.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Der Minister. Ja, das ist ein Zukunftsthema.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich kann es mir auch nicht verkneifen festzustellen, nachdem Herr Rehberg sehr weit in der Weltgeschichte umhergesurft ist,

(Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS)

global und national habe ich kaum bemerken können, dass er in Mecklenburg-Vorpommern gelandet war.

(Harry Glawe, CDU: Das stimmt nicht. – Heiterkeit bei Dr. Henning Klostermann, SPD – Sylvia Bretschneider, SPD: Er hat jetzt abgehoben.)

Ich habe aber doch im Redebeitrag feststellen können, dass er auch der Meinung ist, dass das ein wichtiges Thema ist, über das man im Landtag reden müsste.

(Zuruf von Heike Polzin, SPD)

In diesem Sinne, meine ich, begrüßt auch die Opposition, dass sich der Landtag mit dem Antrag der SPD und der PDS einem Zukunftsthema zugewandt hat, über das wir wahrscheinlich nicht nur dieses Mal sprechen werden.

Wir haben im Übrigen auch schon in der letzten Woche im Bildungsausschuss über das Thema gesprochen. Da hatte sich der Bildungsausschuss dankenswerterweise über Aktivitäten, die im Lande laufen, informieren lassen. Wir haben dort Stellung genommen zu dem, was in den Schulen und in Berufsschulen passiert. Ich möchte das deswegen heute nicht vertiefen. Es kann sein, dass der eine oder andere Abgeordnete darauf noch Bezug nimmt. Es läuft im Land schon allerhand. Es gibt eine Vielzahl von

Aktivitäten, von Bemühungen, die Entwicklungen voranzubringen, von der Weiterbildung über die Ausstattung bis hin zu Projekten. Ich sehe einen Anstoß mit dem Antrag, der hier heute vorgelegt worden ist, und den geforderten Strategien dahingehend und das deckt sich mit dem, was ich meine.

Es muss schneller gehen, damit wir keine Zeit verlieren. Aber wenn wir schneller sein wollen, dann müssen wir natürlich auch Effekte zu nutzen versuchen, die nichts kosten, dass wir besser koordinieren, dass wir besser abstimmen. Solche Möglichkeiten sind immer da, dass wir harmonisieren zwischen den Anforderungen, die die verschiedenen Elemente des Bildungssystems stellen. Aber ganz ohne Kosten ist das nicht zu haben. Das müssen Sie wissen.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD, und Sylvia Bretschneider, SPD: Richtig.)

Das wäre etwas, was ich nur ganz allgemein zu Schulen sagen möchte. Der Wirtschaftsminister hat ja auch auf die Zusammenarbeit hingewiesen, die das Bildungsministerium und das Wirtschaftsministerium auf dem Gebiet der Berufsschulen haben.

Ich möchte mich hier ausschließlich auf den Hochschulbereich konzentrieren und möchte sagen, dass sich die Studienanfängerzahlen seit Anfang der 90er Jahre in den Ingenieurwissenschaften – mit Ausnahme des Bauingenieurwesens – und in der Informatik rückläufig entwickelt haben. Das möchte ich also auch feststellen, ohne das mit irgendwelchen Schuldzuweisungen zu verbinden. Aber das ist nun einfach so. Und der Zusammenhang zwischen dieser Entwicklung und den relativ schlechten Arbeitsmarktperspektiven zu Beginn dieses Jahrzehnts wird von sachkundiger Seite auch nicht bestritten.

Dieser Trend ist nun seit Mitte des Jahrzehnts gebrochen und insbesondere in der Informatik ist der Andrang an den Hochschulen erheblich bei den Studienanfängern. Wir leiden jetzt aber an den Versäumnissen, die sich in strategischer Planung, auch in der Bereitschaft von Politik meinetwegen, ein Risiko einzugehen, und auch von Hochschulen, ein Risiko einzugehen, äußern und die sich nun zeigen. Wir werden qualifizierte Absolventen nicht im Handumdrehen zur Verfügung stellen können, auch wenn die Hochschulen unseres Landes ein umfangreiches und attraktives Studienangebot bereithalten.

(Dr. Ulrich Born, CDU: In Wismar aber nicht, in Wismar nicht.)

Ich komme noch darauf, Herr Born.

Ich will auch sagen, die Bayern machen eine sehr gute Technologiepolitik

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja.)

und die Baden-Württemberger machen auch eine gute Technologiepolitik.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Stimmt.)

Aber die haben seit Jahrzehnten eine ziemlich ungebrochene Entwicklung im Bereich der Entwicklung von Technologie und die haben auch mehr Moos. Ohne Moos nichts los! Das muss man hier sagen, nicht wahr?

(Zuruf von Lutz Brauer, CDU)

Bitte?

(Lutz Brauer, CDU: Das müssen Sie doch nicht uns sagen. Da müssen Sie sich mal umdrehen!)

Nein, das hat damit nichts zu tun. Das hat aber mit der Frage von Herrn Born was zu tun.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Frau Keler hat die Geldmaschine im Keller. – Kerstin Kassner, PDS: Genau.)

Ja, die hat sie eben nicht im Keller. Und wir bekennen uns zu der Konsolidierungspolitik, die wir hier machen müssen. Aber sie zwingt uns eben zu neuen Ufern, sie zwingt uns dazu, nicht überall Studiengänge zu doppeln. Sie zwingt uns dazu, Kooperationen zu suchen,

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD: Richtig.)

Schwerpunkte zu bilden und ein eigenes Profil zu suchen. Auch in Wismar gibt es ein eigenes Profil. Im Übrigen haben die Wismaraner diesen Studiengang selbst mit abgemeldet.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja, zwangsläufig, zwangsläufig.)

Herr Born, ich stehe Ihnen immer zur Verfügung, aber lassen Sie mich jetzt bitte meinem Duktus folgen, denn ich möchte das nicht zu lange machen. Die Zeit ist ja auch schon fortgeschritten.

Der Antrag der SPD- und PDS-Fraktion stellt die Forderung, mittelfristig und langfristig sowie kurzfristig etwas zu tun. Ich möchte mich zunächst zur mittel- und langfristigen Perspektive äußern.

An den Hochschulen in unserem Land, das heißt an der Universität Rostock sowie den Fachhochschulen in Stralsund und Wismar, werden insgesamt acht informatikbezogene Studiengänge vorgehalten. Im Wintersemester 1999/2000 studierten in diesen acht Studiengängen 1.664 Studenten, darunter 765 im ersten Fachsemester – Tendenz rapide steigend. Wenn Sie diese Zahlen mit den Gesamtstudentenzahlen von vor vier Jahren vergleichen, ist überall ein sehr steiler Anstieg zu verzeichnen. Und die Kapazität reicht aus, um diesen Anstieg immer noch zu befriedigen. Daneben sind 13 weitere ingenieurwissenschaftliche Studiengänge mit insgesamt 3.400 Studenten an der Rostocker Universität und den Fachhochschulen, darunter sind rund 800 Studienanfänger. Die Tendenz ist auch hier steigend.

Anders ist es bei den Absolventenquoten. Diese sind in diesen Studiengängen derzeit nicht überragend, aber das entspricht der anfangs sehr schwachen Nachfrage. Wir werden also in den nächsten Jahren auch eine steigende Anzahl von Absolventen haben, die die Hochschulen verlassen.

Nun, das sind quantitative Daten. Und wenn ich etwas Inhaltliches hinzufüge, dann möchte ich sagen, wir halten nicht nur über 20 Ingenieurstudiengänge vor, wir sind auch ständig gemeinsam mit den Hochschulen bemüht, sie auf den neuesten technologischen und arbeitsmarktorientierten Stand zu bringen, damit sie den Anforderungen entsprechen. Es ist auch so, dass heute nicht mehr der reine Informatiker gefragt ist, sondern der Bindestrich-Informatiker. Daher sind Studiengänge wie Wirtschaftsinformatik, Medizininformatik, Multimediatechnik geeignete Spezialisierungen, die auch nachgefragt werden.

Derzeit wird geprüft, ob ein Studiengang Geoinformatik an der Fachhochschule Neubrandenburg eingerichtet werden kann, der im Übrigen nur für Frauen angeboten

werden soll. Die Universität Greifswald hat zudem die Einrichtung eines Studiengangs Computional Sciences mit Abschluss Bachelor beantragt. Eine ganz neue und spannende Herausforderung ist die Bioinformatik. Dieses Gebiet wird insbesondere in Rostock mit erheblichen Drittmitteln ausgebaut. Dort wird eine Professur errichtet und wir werden überlegen, inwiefern einzelne Module der Bioinformatik möglichst bald Eingang in Studiengänge finden können. In Greifswald wird der Studiengang Biomathematik vorgehalten, der eine sehr fachliche Nähe zur Bioinformatik ausweist.

Auch in der Ingenieurausbildung sind Innovationen notwendig und im Gange. Nicht nur, dass sich immer mehr Hochschulen auch in diesem Bereich auf moderne Abschlüsse orientieren, auf die Bachelor- und MasterAbschlüsse, es wandeln sich auch die Berufs- und Einsatzfelder. Auch hier spielt die Informationstechnologie eine Schlüsselrolle. Sie sickert gewissermaßen in alle Wissenschaftsgebiete vor und damit auch in die verschiedensten Studiengänge. Bauingenieurwesen ohne Bauinformatik ist genauso wenig denkbar wie Maschinenbau ohne Informatik, ganz zu schweigen von Elektrotechnik. Nicht der klassische Elektrotechniker ist heute so sehr gefragt, sondern der Nachrichtentechniker, der Mobilfunktechniker, der Telekommunikationstechniker, um nur einige aktuelle Gebiete zu nennen. Entsprechende Professuren sind an unseren Hochschulen vorhanden oder werden eingerichtet.

Ich will Ihnen mit diesem Beispiel sagen, dass wir nicht einfach nur von dem Block Informatik oder EDV reden dürfen, sondern dass hier sehr stark diversifiziert wird, dass unsere Hochschulen auch diesem modernen Trend entsprechen und dass sie eine breite Angebotspalette haben, die sie attraktiv machen.

Meine Damen und Herren! Die Breite dieser Struktur zu erhalten und auch bei knappen Ressourcen noch auszubauen, das ist unser Ziel und das wird unser länger- bis mittelfristiger Beitrag sein, um den Fachkräftemangel zu beheben. Und da wird auch Wismar einen Platz einnehmen, weil Wismar zwei spezialisierte Multimediastudiengänge hat.

Nun zu kurzfristigen Maßnahmen: Was machen wir aber nun mit dem akuten, dem kurzfristigen Bedarf, denn auch die grundständige Lehre bringt immer erst nach vier, fünf Jahren qualifizierte Absolventen hervor?

Schneller reagieren kann die wissenschaftliche Weiterbildung. Auch hier können und werden unsere Hochschulen ihr Know-how gezielt einsetzen, um kompakte Angebote zu entwickeln, mit deren Hilfe zum Beispiel beschäftigungssuchenden Ingenieuren oder EDV-Fachkräften, denen der Anschluss an die technologische Entwicklung fehlt, ein Wiedereinstieg in die Branche ermöglicht wird. Deswegen habe ich veranlasst, dass Gespräche mit der Wirtschaft aufgenommen werden. Dabei soll mit Firmen wie Siemens und Telekom gemeinsam ein Curriculum entwickelt werden, das speziell auf den Bedarf dieser Unternehmen abgestimmt ist. Ziel ist, noch im Wintersemester ein einjähriges Aufbaustudium Informatik in Rostock zu eröffnen, so dass bereits im ersten Jahr die ersten spezifisch nachqualifizierten Fachkräfte für die Region bereitstehen.

Bei einem Angebot darf es natürlich nicht bleiben. Die Universität Greifswald und die Fachhochschule Stralsund haben Gespräche miteinander aufgenommen, deren Ziel

ebenfalls die Einrichtung eines Aufbaustudiums mit informatischer Ausrichtung ist.

Im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten sind wir dabei, die Grundlagen für eine feste Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen unseres Landes und den Hochschulen in Stettin zu legen,

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

die aus konkreten Anfragen aus der Wojewodschaft Westpommern herrühren. Ich hoffe, die Opposition hat nichts dagegen,