Protokoll der Sitzung vom 12.04.2000

die aus konkreten Anfragen aus der Wojewodschaft Westpommern herrühren. Ich hoffe, die Opposition hat nichts dagegen,

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD: Sehr schön.)

dass wir uns auch in diesem Bereich der internationalen Zusammenarbeit und dem Osten öffnen. Das ist ein guter Ansatzpunkt für die weitere Entwicklung.

Also diesen Weg müssen wir, meine Damen und Herren – das muss uns allen bewusst sein –, mit oder ohne Greencard gehen. Unsere Hochschulen werden noch stärker, als das bisher schon der Fall war, erkennen, dass sie internationaler Konkurrenz ausgesetzt sind. Ihre Studienangebote, grundständig oder in der Weiterbildung, werden deswegen konsequent international angelegt – das wollen alle – und entsprechend vorgebildeten Kandidaten auch aus dem Ausland offen stehen. Dieses Stück Weltoffenheit sollte an unseren Hochschulen und in unserem Land eine Normalität werden. Wir sollten das begrüßen, fördern und wünschen.

Ich möchte zum Schluss darauf hinweisen, dass wir zwar Haushaltsvorsorge für die mittel- und längerfristigen Maßnahmen getroffen haben, aber wenn ein Sofortprogramm mit der heimischen Wirtschaft gestartet werden soll, dann müssen, wo das noch nicht der Fall sein sollte, entsprechende Bundes- und EU-Programme auch für unsere Hochschulen geöffnet werden. Wir dürfen uns keine Illusionen darüber machen, dass auch hier Ressourcen gefragt sind.

Im Übrigen würde ich es für sehr gut halten, wenn wir nicht mit Beiträgen, wie wir sie am Anfang vom Oppositionsführer gehört haben, die Hochschulen unseres Landes schlecht reden. Wir haben gute Hochschulen,

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD – Wolfgang Riemann, CDU: Hier redet niemand die Hochschulen schlecht, Herr Professor!)

die sich mit Ehrgeiz auf den Weg machen, auch diesem Bedarf zu entsprechen, auf einem Zukunftsfeld, das für die Absolventen unserer Einrichtungen Chancen eröffnet und das der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes gut tut. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Kassner von der Fraktion der SPD, Entschuldigung, PDS.

(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: Schon konvertiert?)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kaum ein Bereich entwickelt sich so dynamisch wie der der Informations- und Kommunikationstechnik. Und welche Faszination dies ausübt, zeigt nicht

zuletzt auch die Diskussion in der letzten Stunde, wie sehr auch viele von dieser Faszination betroffen sind, wie sehr sie sich damit selbst konfrontiert fühlen.

Die Geschwindigkeit der Innovation ist so enorm. Sie bringt damit eine Fülle von neuen Einsatzgebieten, schafft aber auch neue Probleme, meine Damen und Herren, wie zum Beispiel die Ethik des Internets. Oder auch, wie gehen wir mit dem Schutz der Kinder und Jugendlichen vor diesem neuen Medium um? Die Internet-Technologie wird in den nächsten Jahren alle gesellschaftlichen Bereiche verändern und eben nicht nur den Wirtschaftsbereich. Gewaltige Aufgaben stehen deshalb vor uns und erfordern einfach ein neues Denken. Und das kann man natürlich nur mit Menschen mit hoher Qualifikation, die sowohl die Vorteile erkennen und nutzbar machen können, aber auch die Gefahren aufspüren und Maßnahmen zu deren Abwehr entwickeln können.

Unsere Gesellschaft hat also einen großen Fachkräftebedarf, zweifelsohne, und, ich sage es ganz deutlich, das nicht nur bei Softwareentwicklern und Informationstechnikern. Die meisten der anderen Berufe müssen sich ebenfalls auf diese neue Technologie einstellen und Schlussfolgerungen zum Beispiel für ihre Berufsausbildung umsetzen. Es geht also nicht nur um fehlende Fachleute in den neuen Berufen der Informationstechnik, es geht um die Umstellung der gesamten Bildung auf diese neue Technologie und deren Anwendungsgebiete. Wir haben deshalb den Antrag ganz bewusst nicht nur auf Fachkräfte in IT-Berufen beschränkt, sondern eben auch auf Ingenieurberufe erweitert.

Meine Damen und Herren, wenn wir jetzt analysieren, ob wir hier in Mecklenburg-Vorpommern einen besonderen Rückstand haben oder ob die Entwicklung nicht in einem solchen Tempo abläuft, wie wir uns das wünschen, dann müssen wir dabei sehr ehrlich sein. Für uns bedeutet das, schnell und zügig die erforderlichen Schritte zu gehen, dabei aber nicht in irgendwelche Hektik zu verfallen, sondern besonnen und klug die Notwendigkeiten zu analysieren und umzusetzen. Wir möchten dabei das ganze Spektrum für unser Land erschließen. Der Fachleutebedarf und der Nachwuchs in dieser Branche bedürfen wirklich gesonderter Maßnahmen, die wir in einem Sonderprogramm gebündelt haben möchten. Wir als PDSFraktion sehen darin ganz bewusst ein Gegenstück zur Greencard-Diskussion in Deutschland.

(Reinhard Dankert, SPD: Eben.)

Wir schließen uns den kritischen Stimmen an, die in diesen Maßnahmen den falschen Weg sehen, um den gegenwärtigen Schwierigkeiten zu begegnen.

Nun ist die Fachkräftesituation in unserem Land bestimmt nicht das Spiegelbild für die Lage in Deutschland. Das Potential unseres Landes ist leider immer noch viel zu bescheiden und die Chancen, es beträchtlich zu erweitern, werden von Unternehmern der Branche nicht als sehr gut bewertet, da die Abnehmer dieser Dienstleistung in unserem Land eben noch nicht zahlreich genug vorhanden sind. Allerdings, über den wahren Bedarf der Wirtschaft liegen, wie wir es schon mehrfach gehört haben, keine verlässlichen Zahlen vor.

Das eigentliche Problem bei der Debatte um die Greencard sind nach unserer Meinung nicht die fehlenden oder angeblich fehlenden Computerspezialisten, sondern die seit geraumer Zeit fehlenden Qualifikationsstrategien.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Wenn wir in Zukunft nicht mehr die Klage über Fachkräftemangel hören wollen, dann dürfen wir einfach nicht mit ansehen, dass Stundenausfälle in naturwissenschaftlich-mathematischen Fächern in den Schulen die Regel sind, dass das Ausbildungsangebot der Industrie zurückgeht, dass die Zahl der strategisch wichtigen Studienplätze stagniert und dass keine Maßnahmen eingeleitet werden, um diese wenigen Studienplätze dann auch tatsächlich mit Studenten zu belegen.

(Beifall Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Heute früh beispielsweise brachte das Radio die Meldung, dass die Studenten an der Ingenieurhochschule Wismar die besten Bedingungen für ihr Studium haben. Zwölf Systeminformatik-Studenten können dort eine maximale Betreuung durch die Dozenten in Anspruch nehmen. Aber ich will hier noch einmal die Zahl wiederholen: Zwölf Studenten!

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja.)

Dies passt gut zu einer anderen Meldung, die besagt, dass sich 1999 in Deutschland 21.600 junge Leute um einen Ausbildungsplatz in den Berufen der IT-Branche bemüht haben, aber nur 13.500 Ausbildungsverträge dann auch tatsächlich geschlossen wurden, weil eben nicht genügend Plätze vorhanden waren. Die Branche klagt über Spezialistenlücken, die sie jedoch selbst verursacht hat.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Die Wirtschaft hat im vergangenen Jahr eine Initiative mit dem volltönenden Slogan „Deutschland 21 – Aufbruch in das Informationszeitalter“ gestartet. Ich sage, spät kommt sie, doch sie kommt. In diesem Rahmen verpflichtet sich die Wirtschaft, 40.000 Ausbildungsplätze in den nächsten Jahren zu schaffen. Das Tempo ist trotz großer Worte jedoch noch viel zu gering, denn erst in drei bis fünf Jahren werden die Kräfte zur Verfügung stehen, die jetzt mit der Ausbildung beginnen.

Nun könnte man sagen, wir benötigen die Zuwanderung von Spezialisten, um diesen Zeitraum auszufüllen. Dem steht jedoch die große Zahl der Arbeitslosen in den IT-Berufen gegenüber und die noch größere Zahl derjenigen, die zur Zeit in Weiterbildungsmaßnahmen der Arbeitsämter beispielsweise für diesen Berufszweig qualifiziert werden.

(Lutz Brauer, CDU: Nichts anderes hat Rehberg gesagt.)

Deutschland verfügt über genügend ausgebildete Fachleute und die Republik hat auch sehr viel Geld dafür ausgegeben, um diesen Stand zu erreichen. Allein für die Weiterbildung durch die Arbeitsämter wurde etwa 1 Milliarde DM zur Verfügung gestellt. Es drängt sich deshalb die Frage auf, ob mit der Greencard nicht doch eine andere Richtung eingeschlagen wird. Wir vermuten, dass eine neue Stufe der Deregulierung des Arbeitsmarktes eingeleitet werden soll.

Wenn wir aber der Industrie sagen, dass sie den Nachweis antreten sollte, dass sie ausländische Spezialisten eben nicht als billigen Ersatz für die Ausbildung junger Leute begreift, dann sollte sie einen konsequenten Weg gehen, nämlich für jeden im Moment angeworbenen Spezialisten, der unbedingt gebraucht wird, einen neuen ein

schlägigen Ausbildungsplatz zu schaffen. Dann wäre das ein Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

In unserem Land haben etwa 500 bis 600 Arbeitslose der Berufsgruppe Datenverarbeitungsfachleute keinen Job in unserem Land. Dem gegenüber steht aber nur eine verschwindend geringe Zahl der offenen Stellen in dieser Branche – in unserem Land wohlgemerkt. Warum qualifizieren wir nun nicht diese 500 bis 600 – oder einen Teil davon – entsprechend? Dabei müssen die Firmen der Branche einfach mit mehr Engagement als bisher diese Aufgabe angehen. Wir müssen mehr als bisher die speziellen Anforderungen bewerten, die gebraucht werden.

Vielleicht haben Sie den Artikel im „Nordkurier“ vom 15.12. auch gelesen, der unter der Überschrift „Multimediabranche zwischen Traum und Alptraum“ recherchierte, dass viele Personalentscheider die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern bislang als schwer beziehungsweise sehr schwer bezeichnen. Den Bewerbern fehle es an Schlüsselqualifikationen wie Teamfähigkeit und Kundenorientierung, allerdings auch nach wie vor an den erforderlichen Spezialkompetenzen. Dieses Ergebnis ist doch symptomatisch für die Situation, wenn weiter in dem Artikel festgestellt wird, dass immer dann neu eingestellt wird, wenn ein großes Projekt ins Haus steht. Von jetzt auf gleich werden dann die neuen Mitarbeiter gesucht, die kaum eine angemessene Einarbeitungsphase haben. Diese Strategie kann einfach nicht aufgehen und jeden Versuch, eine solche Strategie auf Kosten der Gesellschaft umzusetzen, lehnen wir ab.

Die Landesregierung überarbeitet – wir haben es von den drei Ministern gehört – die Multimediakonzeption und schlägt vielfache Möglichkeiten vor, wie wir mit dieser Situation umgehen. Wir sollten das nicht aus der Hand geben. Ich denke, dass das wirklich eine Anforderung ist, die hier in diesen Landtag gehört, wo wir uns regelmäßig mit der Situation auf diesem wichtigen Feld beschäftigen müssen, ob das in den Ausschüssen ist, ob das in Gesprächsrunden vor Ort ist, in den Universitäten, in den Schulen. Das ist eine Aufgabe, die an uns alle gestellt ist. Ansonsten werden wir mit den notwendigen Schritten nicht zu Rande kommen, um etwas in Richtung Zukunftsfähigkeit dieses Landes zu erreichen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke, Frau Kassner.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Bretschneider von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst wundert es mich doch, zwei Redner, eine Partei und doch so unterschiedliche Äußerungen. Frau Kassner, wenn die Welt so schön schwarz-weiß wäre, wie Sie sie eben versucht haben an einigen Stellen zu malen, wäre einiges, glaube ich, etwas einfacher. Nicht jeder derjenigen mit gewissen Vorkenntnissen, die sich zur Zeit auf dem Arbeitsmarkt als arbeitssuchend gemeldet haben, ist eben geeignet, um für spezielle Anforderungen eingesetzt werden zu können.

(Kerstin Kassner, PDS: Aber versuchen müsste man es.)

Und nicht jede Umschulung und Weiterbildungsmaßnahme führt dazu, dass den speziellen Bedürfnissen der Branche Rechnung getragen wird. Das ist vielleicht auch ein Grund für die geringe Zahl der fehlenden Fachkräfte, wie sie bei den Arbeitsämtern gemeldet ist, denn die Zahl liegt sicher weitaus höher, weil die Unternehmen – und wir wissen ja, der Markt regelt vieles – ins Internet gehen und dort ihre Bedarfe anmelden und gar nicht beim Arbeitsamt melden.

(Kerstin Kassner, PDS: Genau das habe ich gesagt.)

Das ist ein Punkt.

(Kerstin Kassner, PDS: Die Wirtschaft ist den enormen Bedarf schuldig geblieben.)

Gut, aber kommen wir zu dem, was ich eigentlich sagen wollte. Schade, dass Herr Rehberg nicht mehr da ist. Dass nun der Inderwahn des Herrn Rüttgers auch Herrn Rehberg und die CDU erfasst hat, wen wundert das. Statt die Greencard-Überlegungen des Bundeskanzlers als das zu nehmen, was sie sind,

(Reinhardt Thomas, CDU: Luftnummern. – Dr. Ulrich Born, CDU: Das war unausgegoren.)

nämlich die Reaktion auf das bildungspolitische Erbe einer verfehlten Berufsbildungspolitik der letzten Jahre,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist der Sinn der Sache. Niedersachsen hat den Minister- präsidenten gehabt, der das gemacht hat.)