Protokoll der Sitzung vom 13.04.2000

Scheringer, mit der Planwirtschaft sind wir auch an die Grenzen gestoßen. Selbst wenn wir uns darüber einig sind, dass gerade in der Frage der Europäischen Agrarleitlinie auch planwirtschaftliche Elemente ganz klar Einzug gehalten haben, kommen wir an diesem Reformwerk im Sinne der europäischen Erweiterung nicht vorbei.

(Martin Brick, CDU: Das ist richtig.)

Das Reformwerk – das habe ich auch immer so gesagt – hat mich nicht – mich nicht! – zu Jubelstürmen hingerissen, sondern, ganz im Gegenteil, ich habe von Anfang an auf die gravierenden Auswirkungen hingewiesen. Ich glaube, dass wir in einer gemeinsamen Anstrengung auch für Klarheit gesorgt haben, dass MecklenburgVorpommern nicht einseitig benachteiligt wird. Der Vorteil an der Entwicklung ist, dass wir jetzt Klarheit haben über den Zeitraum 2000 bis 2003. Dann kommt der Review und dann werden wir sehen, ob es Veränderungen geben wird. Unsere gemeinsame Anstrengung muss darauf gerichtet sein, für Klarheit für die Durchfinanzierbarkeit der Ziel-1Gebiete und damit insbesondere auch unseres EAGFL zu sorgen. Hierzu hat Mecklenburg-Vorpommern einen erheblichen Beitrag geleistet.

Es kommt nun darauf an – und das ist immer wieder aus meiner Sicht dringend notwendig –, diese Zeitspanne zu nutzen, um sich für den Markt fit zu machen und damit neue Alternativen aufzuzeigen. Wir haben nicht nur getrommelt, sondern wir haben auch konkrete Argumente eingebracht. Insofern sage ich nochmals: Wenn es so gekommen wäre, wie es die Vorstellung gerade auch der südlichen Länder war – und, sehr geehrter Herr Kollege Brick, Sie haben das ja gerade wieder angeführt –, wenn wir in die Kofinanzierung einsteigen sollten, dann können wir den Laden ganz und gar dicht machen. Das muss doch jedem klar sein. Und wenn das gerade von Ihnen kommt, dann bin ich tatsächlich etwas enttäuscht, weil gerade die CDU-geführten Länder aus dem Süden in den Diskussionen wieder damit anfangen – wir haben das auf der Agrarministerkonferenz leider zur Kenntnis nehmen müssen –, dass man in die Kofinanzierung einsteigen möchte. Das heißt, damit würden die reichen Länder bevorteilt und die armen Länder, die gar nicht in der Lage sind, die Kofinanzierung so umzusetzen,

(Martin Brick, CDU: National hab’ ich gesagt, national.)

wie Sie das denken, die nationale Kofinanzierung, wir wären überhaupt nicht in der Lage, dieses durchzufinanzieren.

(Martin Brick, CDU: Das heißt der Bund.)

Das würde Mecklenburg-Vorpommern und insbesondere Vorpommern noch weiter zurückschmeißen. Und nach dem Ansatz auf ein harmonisches Miteinander auch mit den osteuropäischen Staaten hätten wir damit nicht unbedingt den Beitrag geleistet, den Sie auch, glaube ich, wollen.

Deswegen ist es außerordentlich wichtig, dass ich das noch mal wiederhole: Wir haben mit Erfolg die Degression und die Modulation abgewehrt. Ich glaube schon, dass die Einschnitte in die Milch- und Rindfleischerzeugung durch die Prämien weitgehend abgefedert werden, wenn Sie sich die Dotierung ansehen. Insofern muss ich das noch mal geradestellen, was Herr Scheringer gesagt hat: Es ist nicht so. Wenn Sie sich die Erzeugerpreise im Vergleich zum letzten Jahr ansehen, dann haben wir in man

chen Bereichen tatsächlich ein stärkeres Nachfragepotential und die Preise sind im Vergleich zu den Vorjahren tatsächlich angestiegen. Gucken Sie sich die Dotierungen in „Agrar-Europe“ an oder auch in anderen einschlägigen Beweismaterialien wie der ZMP. Daraus geht ganz klar hervor, dass wir zum Vorjahr erhöhte Preise haben, ob das bei Getreide oder bei Milch ist oder ob das insbesondere zum Glück auch bei Schweinefleisch ist.

(Martin Brick, CDU: Trotzdem ist das Einkommen runtergegangen.)

Und ich will schon noch mal sagen, der Süden rüstet sich zum Beispiel in der Ochsenmast und der Rindermast.

(Martin Brick, CDU: Ja, aber wie!)

Mecklenburg-Vorpommern macht hier wieder den Fehler, dass wir nicht hinterhergehen. Dann muss man sich nicht wundern, wenn Plafonds oder Obergrenzen tatsächlich an unserem schönen Bundesland vorbeigehen. Hier sollten wir gemeinsam versuchen, alles zu tun. Wir haben versucht, die 90-Tier-Obergrenze auch in dieser Richtung zu beeinflussen – mit Erfolg. Deswegen muss es uns gelingen, sehr schnell in die zahlreichen Fördermaßnahmen, die wir zum Glück bekommen werden, so denn möglichst schnell die Ziel-1-Gebietsförderung auch umgesetzt werden kann und damit das Operationelle Programm bestätigt wird, einzusteigen.

Ich will schon noch mal sagen, dass wir für die Agrarstrukturförderung – andere Länder sind stolz darauf, dass sie 40 oder 50 Millionen in diesem Bereich anwenden können, und ich sage es hier auch noch mal für alle diejenigen, die diese Zahl so noch nicht verinnerlicht haben – folgende Summen erhalten: Wir haben in den nächsten Jahren jährlich 230 Millionen DM allein für die Agrarstrukturförderung für die ländlichen Räume zur Verfügung und für die Agrarumweltmaßnahmen kommen immerhin noch mal 43 Millionen DM dazu. Jetzt müssen wir versuchen, diese Mittel auch so zu platzieren, dass sie tatsächlich in Wertschöpfung und in stabile wettbewerbsfähige Unternehmen investiert werden. Die Weichen dazu haben wir gestellt.

Ich denke auch, dass wir mit den neuen Richtlinien, die wir in Brüssel vorgelegt haben, die Maßnahmen innerhalb des ländlichen Raumes tatsächlich zugunsten einer regional ausgewogenen integrativen ländlichen Förderung umsetzen werden. Statt wie bisher sollen zukünftig nicht nur Bauvorhaben als solche gefördert werden, sondern darüber hinaus weitere Maßnahmen im ländlichen Raum, die Beschäftigungswirkung haben und damit der Attraktivität der ländlichen Räume entsprechen. Dazu zählen im Übrigen auch Investitionen in kleinen und mittelständischen Unternehmen des Gewerbes, des Handwerks und im Dienstleistungssektor, um insbesondere die Schaffung von Arbeitsplätzen zu erreichen und zu neuen Existenzgründungen zu kommen. Aber auch im Bereich der sonstigen Infrastrukturentwicklung werden wir einige neue Wege finanzieren und auch deren Umsetzung durchsetzen. Ein weiterer Schwerpunkt der neuen Förderung ist die Qualifizierung und Ausbildung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die wir stärker als bisher untersetzen. Einen Teil dieser Umsetzung werden wir hoffentlich in diesem Jahr schon deutlich dokumentieren, indem die Ausbildungsprofile geschärft werden, unter anderem durch die Berufsausbildung mit Abitur.

Aber wir sollten auch Abstand nehmen von eingefahrenen Gleisen. Hier werden neue Prioritäten gesetzt, insbe

sondere im integrativen Ansatz der Direktvermarktung. Investitionen im Bereich der Veredlungsproduktion, glaube ich – und erste Signale haben wir dafür –, werden die Unternehmen leisten. Insbesondere im Molkereibereich, aber auch in den fleischverarbeitenden Unternehmen gibt es Vorstellungen für Nachfolgeinvestitionen.

Wir haben aus unserer Sicht die Schularbeiten gemacht, um die Einhaltung der inhaltlichen Voraussetzungen und der Terminabwicklung zu garantieren. Doch ich will auch sagen, dass die beschlossenen Preissenkungen durch die Anpassung der Beihilfen nicht in Gänze aufgefangen werden können. Deswegen müssen wir alles daransetzen, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen zu verbessern und die Potentiale auszunutzen, die wir tatsächlich haben. Hier gibt es erhebliche Reserven, ob im Managementbereich oder auch in den Fragen der Qualitäten und deren Umsetzung.

Was uns alle gemeinsam ärgert – das haben Sie nicht verändern können, Herr Brick, ich werde es auch nicht erreichen können –, das ist die Kompliziertheit der Regelungen und Durchführungsbestimmungen. Gestern ist ja das Argument gefallen: Sie haben in Ihrer Zeit allein zehn Durchführungsverordnungen zur Milchgarantiemengenverordnung selber erlassen. Ich habe für mich in Anspruch zu nehmen, dass ich davon ausgehe, dass die Milchgarantiemengenverordnung irgendwann ganz und gar wegfällt und wir gar keine mehr brauchen. Das ist doch ein Ansatz.

(Zuruf von Martin Brick, CDU)

Ja, warum haben Sie sie denn nicht abgeschafft? Ich will jetzt nicht wieder auf das Thema eingehen. Es ist doch gut, dass man immer einen Nachfolger hat. Es ist auch gut für das Land, dass es einen Nachfolger gibt.

(Harry Glawe, CDU: Und dass es einen Vorgänger gibt, das ist auch gut gewesen.)

Auch dieses will ich schon noch mal deutlich ansprechen.

(Harry Glawe, CDU: Sonst hätten Sie ja nichts zu meckern.)

Infolge der Ökosteuerreform und Diskussion um die Gasölverbilligung gab und gibt es in diesem Jahr Einschnitte. Ich habe diese von Anfang an so abgelehnt. Aber man muss auch festhalten, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Agrarwirtschaft sehr wohl einen Ausgleich bekommt. Immerhin 700 Millionen DM Mindereinnahmen werden für die Einführung des grünen Diesels, der im Übrigen auch vom Deutschen Bauernverband und auch in Mecklenburg-Vorpommern grundsätzlich begrüßt wird, akzeptiert. Hinzu kommen die 375 Millionen DM aus der Gemeinschaftsaufgabe. Insofern sind die Mittel, die aus dem Agrarhaushalt des Bundes gestrichen worden sind, nämlich 854 Millionen DM, immerhin mit exakt 1 Milliarde und 75 Millionen DM, denke ich, anerkennenswerterweise kompensiert worden. Das war schon eine politische Kraftanstrengung. Ich glaube, dass dieses mittlerweile auch von der Landwirtschaft anerkannt wird.

Die alten Länder – und das will ich hier mit dieser 3.000DM-Obergrenze schon noch mal sagen – diskutieren definitiv wieder Degression und Modulation. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auf Ihrer Ebene, sehr geehrte Kollegen der CDU, alles daransetzen, diese Diskussion tatsächlich zu verhindern. Ansonsten werden Sie sich auch mit Ihrem

Parteifreund oder Kollegen Herrn Fischler in dieser Frage auseinander setzen müssen.

Und da bin ich dann auch bei dem Thema der Agrarleitlinie. Um das abzukürzen: Wir haben ganz klar die Berliner Beschlüsse des letzten Jahres anerkannt. Dazu stehe ich auch heute noch. Es war im Sinne der Landwirtschaft, obwohl gerade die Veredlungsproduktion in dieser Frage zu kurz kommt, ein Erfolg der Bundesregierung, dass wir die Agenda haben verabschieden können. An der Finanzierung der Agrarleitlinie und der agrarpolitischen Maßnahmen darf nicht gerüttelt werden. Wir müssen uns alle dafür einsetzen, dass die Beschlüsse zur Agenda 2000 nicht, ich betone, nicht durch Mittelkürzungen oder Verschiebungen innerhalb der Europäischen Union torpediert werden. Die jüngsten Meldungen aus der Presse, dass die Kosovo-Hilfe der EU aus dem Agrarhaushalt erfolgt und finanztechnische Änderungen im Agrarhaushalt vorgesehen sind, schaffen diesbezüglich natürlich neue Unruhe unter den Landwirten.

Die Kommissarin Schreyer hat uns in Memmingen insbesondere auch aufgrund der Aktivitäten, die wir geleistet haben, versichert, dass es zur Besorgnis keinen Grund gebe und dass die Agrarhilfen nach wie vor voll gesichert sind. Ich gehe davon aus, dass diese Zusagen zutreffend sind. Die Agrarministerkonferenz hat in einem Beschluss, der einstimmig gefasst worden ist, die Bundesregierung aufgefordert, mit allem Nachdruck darauf hinzuwirken, dass für die im Agrarbereich festgelegten Ziele auch die finanziellen Voraussetzungen eingehalten werden. An den Preisausgleichszahlungen – das betone ich nochmals – darf und soll und wird auch nicht gerüttelt werden.

Überdies wurde der Bund darauf hingewiesen, alles zu unternehmen, die für die Osterweiterung gegebenenfalls zusätzlich benötigten Finanzmittel nicht aus dem Agrarbudget zu entnehmen. Dieser Beschluss von den Agrarministerinnen, Agrarministern und -senatoren ist nicht mehrheitlich, sondern einheitlich gefasst worden.

Im Übrigen weise ich abschließend noch mal darauf hin, dass es wohl der ehemalige Bundeskanzler Kohl gewesen ist, Herr Minister a. D.,

(Martin Brick, CDU: Der mochte die Bauern.)

der die Maastricht-Beschlüsse umgesetzt hat, und dass im Wesentlichen gerade die Agrarleitlinie auch mit Ihrer Zustimmung bewertet worden und damit auch in die Umsetzungsphase gelangt ist. Insofern finde ich das manchmal schon etwas merkwürdig, wie man den Standort Mecklenburg-Vorpommern in dieser Frage schlecht redet. Ich glaube, die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern sind gewappnet für diese Aufgaben. Und wenn es uns gelingt, uns tatsächlich politikunabhängiger zu machen, in Marktfrüchte zu investieren, die tatsächlich nachgefragt werden – und da steht die Kartoffel gerade für Vorpommern ganz hoch im Kurs oder auch die Schweineproduktion –, dann bin ich davon überzeugt, dass wir einer der modernsten Standorte nach wie vor sind und auch bleiben werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zuruf von Martin Brick, CDU)

Danke schön, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schwebs von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die nächste Runde der EU-Erweiterung wurde im letzten Jahr in Berlin mit nicht zu überhörendem Klange eingeläutet. Die zehn ausgewählten Länder Mittelund Osteuropas drängen auf einen schnellen Beitritt. Und die bisherigen 15 EU-Länder wollen durch die Erweiterung der EU in Richtung Osten sich eher heute als morgen auf der internationalen Bühne mehr ökonomisches Gewicht und auch mehr politischen Einfluss sichern.

Aber bereits jetzt – ein knappes Jahr später – ist absehbar, dass dieser Prozess langwieriger und auch komplizierter sein wird, als ursprünglich von beiden Seiten gedacht. Und da gibt es selbstverständlich sofort Begehrlichkeiten und Anwartschaften auf die finanziellen Mittel des europäischen Agrarhaushaltes, die eigentlich dazu gedacht waren, die Folgen des Beitritts für die osteuropäischen beitrittswilligen Landwirtschaften abzufedern, so, wie es ursprünglich auf dem Berliner Gipfel am 24./25 März letzten Jahres vereinbart worden war.

Die Europäische Kommission begründet die Begehrlichkeiten mit der Wahrnehmung neuer politischer Prioritäten, die mit dem Gebot der Haushaltsdisziplin auf EUEbene in Übereinstimmung zu bringen sind. Die rot-grüne Regierung, meine Damen und Herren, hat ja an den Berliner Verhandlungen über die Agenda 2000 und am Konzept zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik maßgeblichen Anteil. Sie hat damit energisch die Weichen für eine stärkere Marktorientierung der deutschen Landwirtschaft einschließlich der ihr innewohnenden sozialen und ökologischen Risiken gestellt. Damit ist diese Regierung unmittelbar in der Pflicht, für entsprechende Rahmenbedingungen dieser angestrebten Entwicklung zu sorgen.

Sicherlich muss betont werden, gegenüber den ursprünglichen Vorstellungen gelangen auf dem Berliner Gipfel wesentliche Nachbesserungen im Interesse der europäischen und der deutschen, auch der ostdeutschen Landwirtschaft. Dies alles rechtfertigt aber keinesfalls die gegenwärtigen Versuche der Europäischen Kommission, die Berliner Beschlüsse zum Agrarteil der Agenda – speziell diejenigen, die den finanziellen Rahmen des Prozesses abstecken – aufzuweichen.

Damit die deutsche Landwirtschaft wirklich zu einer multifunktionalen, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Landwirtschaft im Rahmen des Welthandels wird, braucht sie verlässliche Rahmenbedingungen. Deshalb wollen wir mit unserer Beschlussvorlage darauf dringen, dass die Landesregierung sich dafür einsetzt, dass bei der Umsetzung der Agenda 2000 im Agrarteil auch die finanziellen Voraussetzungen eingehalten werden, so, wie sie ursprünglich vereinbart worden waren. Unter den gegebenen Bedingungen sind die Landwirte auf diese Gelder angewiesen, um sich langfristig auf die zukünftigen Bedingungen der gemeinsamen Agrarpolitik einzustellen, denn, meine Damen und Herren, weder die ökonomischen Ergebnisse der landwirtschaftlichen Betriebe im letzten Jahr noch die Arbeitsmarktsituation in den ländlich geprägten Regionen bilden eine ausreichend gute Grundlage für das Leben mit der Agenda.

Um dieses nachvollziehen zu können, braucht man nur einige Blicke in den Agrarbericht des Bundes vom vergangenen Jahr zu werfen. Gern hätte ich an dieser Stelle auch den Agrarbericht des Landes genutzt, aber dieser liegt ja den Abgeordneten noch nicht vor. In den letzten fünf bis sechs Jahren ist in Bezug auf die Landwirtschaft deutlich erkennbar, dass die Schere zwischen der Brutto

und der Nettowertschöpfung immer weiter auseinander klafft. Der langjährige Abwärtstrend der Nettowertschöpfung ist das Ergebnis einer Entwertung der landwirtschaftlichen Produkte und der in ihnen vergegenständlichten Arbeit. Die entscheidende Ursache für diese negative wertmäßige Entwicklung ist der Verfall der Agrarpreise im Zuge der Liberalisierung des Agrarmarktes. Die Erzeugerpreise sanken im letzten Jahr gegenüber 1994/95 auf 91 Prozent ab, obwohl die steigende Produktion und Wertschöpfung in der Landwirtschaft nachweislich von immer weniger Arbeitskräften erbracht wurde. Der Niedergang der Erzeugerpreise hat auch dazu geführt, dass trotz kontinuierlicher Ertrags- und Leistungssteigerungen der Landwirte die Gesamterlöse der deutschen Landwirtschaft seit 1994/95 stagnieren. In der Tierproduktion sind sie sogar auf 93 Prozent gesunken.

Eine der Hauptursachen für den Einbruch bei der Wertschöpfung und damit auch innerhalb der Einkommensentwicklung der Landwirte ist beispielsweise der Zusammenbruch des Marktes für Schweinefleisch. Innerhalb eines Jahres erhöhte sich die Verkaufsmenge in Deutschland um 9,3 Prozent. Zusammen mit Billigangeboten aus dem Ausland führte dies zu einem Preisrückgang um 33,8 Prozent – für die Erzeuger wohlgemerkt. Gerade dieses Marktsegment, das nicht reguliert ist und damit dem internationalen Konkurrenzdruck quasi schutzlos ausgeliefert ist, zeigt beispielhaft, was den Landwirten droht, wenn die Forderung nach Deregulierung von der Bundesregierung weiterhin so kritiklos wie bisher angenommen und durchgesetzt wird.

Ähnliche Tendenzen, wie sie aus dem Agrarbericht der Bundesregierung abzulesen sind, lassen sich auch auf europäischer Ebene beobachten. Auch hier findet man den Verfall der Erzeugerpreise und parallel dazu einen Rückgang der realen Wertschöpfung je Arbeitskraft. Diese ökonomische Entwicklung im vergangenen Jahr beweist wie kaum ein anderer Zeitabschnitt, wohin der Kurs der Liberalisierung in der Landwirtschaft führt. Die Landwirte erwarten aber – und das meines Erachtens zu Recht – von der Europäischen Union, dass die mit der Agenda 2000 angekündigte höhere Planungssicherheit für ihren Beruf und für ihren Lebensunterhalt auch realisiert wird. Und ein entsprechendes Wirken in ihrem Interesse erwarten die deutschen Landwirte auch von ihrer Regierung.

Deshalb erscheint meiner Fraktion der Punkt 1 des vorliegenden Beschlusses nicht ausreichend genug. Nur eine Darstellung der Problematik – und sei sie noch so kritisch – ändert nichts daran, dass die Landwirte langfristig wirkende verlässliche Rahmenbedingungen brauchen. Nur so kann das qualitative Wachstum der Landwirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit, Multifunktionalität und Wettbewerbsfähigkeit gesichert werden.

Die Agrarpolitik und die sie tragenden Politiker – wozu die Agrarminister der Länder mit Sicherheit zählen – müssen dafür sorgen, dass den Landwirten genügend Handlungsspielraum bleibt, die für die Zukunft notwendigen unternehmerischen Entscheidungen zu treffen. Einseitige Belastungen und vage Aussagen über zukünftiges Handeln und zu erwartende finanzielle Rahmen, wie sie die Formulierung der Europäischen Kommission suggeriert – ich zitiere jetzt die Europäische Kommission: „Über die weiteren Jahre und ihre Finanzierung nach 2002 soll erst im Zusammenhang mit der dann anstehenden Zwischenbewertung der Agrarmarktpolitik entschieden werden“, diese und ähnliche Äußerungen – Herr Brick hat sie

ja auch schon aufgezählt, das kann ich mir dann sparen – verunsichern natürlich die Landwirte, schwächen die notwendige Wettbewerbsbereitschaft und behindern letztendlich die Entwicklung und Gestaltung einer integrierten Politik für den ländlichen Raum.

Aus diesem Grunde wollen wir dem Landwirtschaftsminister mit diesem Auftrag, vor allen Dingen mit dem Punkt 2, den Rücken stärken, wenn er zukünftig im Kreise der Agrarminister im Interesse der Landwirte Mecklenburg-Vorpommerns agiert.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)