Protokoll der Sitzung vom 24.05.2000

(Angelika Gramkow, PDS: Befristet, aber die Überprüfung steht auch schon drin. – Zuruf von Heidemarie Beyer, SPD)

Genau.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, die Fraktion der CDU hat zu diesem Tagesordnungspunkt Redebedarf angemeldet. Hintergrund waren insbesondere auch die jüngst vom Landesarbeitsamt Nord veröffentlichten Daten zum Arbeitsmarkt in Mecklenburg-Vorpommern. Wie stellt sich die Situation im Einzelnen dar?

Die Zahl der Arbeitslosen stieg im Vergleich zum Vorjahresmonat um 1.461 Personen. Besonders betroffen waren hiervon Jugendliche unter 20 Jahren mit einem Anstieg um sage und schreibe 19,6 Prozent und Jüngere zwischen 20 und 25 Jahren, bei denen der Zuwachs immerhin noch 15,8 Prozent betrug. Sowohl der Bereich der Arbeitsmarktpolitik als auch der Sozialpolitik wird von PDS-Ministern verantwortet. Das Ergebnis Ihrer Politik: eine Zunahme bei den arbeitslosen Schwerbehinderten von geradezu deprimierenden 11,7 Prozent!

(Wolfgang Riemann, CDU: Dafür haben wir den Integrationsförderrat.)

All dies geht einher mit einer Abnahme der offenen Stellen um 20,6 Prozent. Und wenn auf eine offiziell gemeldete Stelle noch zwei zusätzliche nicht gemeldete Stellen kommen, ist dies eine Vernichtung von sage und schreibe 6.500 Stellen binnen zwölf Monaten. Zugleich ist der Beschäftigungsstand im Januar 2000 mit 571.500 Personen der niedrigste seit Erhebungsbeginn überhaupt. Allein im Verlauf des Jahres 1999 ist er demnach um 3,5 Prozent gefallen. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.

(Wolfgang Riemann, CDU: Prima-Klima.)

Aber auch regional, meine Damen und Herren, wird es nicht besser. Ein Beispiel aus einer Region, die, wie Sie nicht unerwähnt lassen werden, gerade keinen schwarzen Landrat hat: Beim Arbeitsamtsbereich Hagenow gab es Anfang Mai 4.312 Arbeitslose.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Die Zahlen liegen ja noch nicht mal vor, Mensch!)

Die Zahl liegt damit höher als zu Jahresbeginn. Davon waren 2.224 Frauen. Auch hier gibt es einen Anstieg zu verzeichnen. Selbiges gilt für die Entwicklung bei den Langzeitarbeitslosen, während die Anzahl der arbeitslosen Schwerbehinderten in den letzten zwei Jahren hier sogar um 7,8 Prozent gestiegen ist.

Ich habe wirklich Schwierigkeiten, bei dieser Regierung nur den Hauch von arbeitsmarktpolitischer Sachkompetenz zu erkennen.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU)

Und noch schlimmer: Der Anteil der Jüngeren – und da meine ich die unter 25-Jährigen – ist im Vergleich zum Vorjahr um 7 Prozent und im Vergleich zum Jahr 1998 um 8,9 Prozent gestiegen.

Frau Dr. Seemann, wenn Sie mir den Vergleich mit Äpfeln und Birnen vorhalten,

(Sylvia Bretschneider, SPD: Das ist sehr schmeichelhaft gewesen.)

dann gebe ich Ihnen dazu die aktuelle Presseinformation „Arbeitsamtbereich“ vom Stand April, Erscheinungsdatum 9. Mai 2000, nachzulesen auf Seite 17.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Frau Kleedehn, deswegen handelt es sich um Aprilzahlen und selbst das haben Sie nicht begriffen. Wir reden vom Mai. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Deswegen können Sie diese Dinge so darstellen. Ich würde Ihnen nachher die Zahlen zum Nachlesen herübergeben.

Meine Damen und Herren! Ihre Beschäftigungspolitik ist auf ganzer Linie gescheitert. Selbst wenn ich mir Ihre Drucksachen 3/1226 und 3/1309 anschaue, sehe ich für die nächsten Jahre keine Besserung. Ihre Problembeschreibung ist nichts anderes als das Eingeständnis, dass Sie am Arbeitsmarkt mit Ihrem Latein am Ende sind.

(Wolfgang Riemann, CDU: Nicht nur am Arbeitsmarkt.)

Dort heißt es: „… dass die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland, normales Wirtschaftswachstum vorausgesetzt, bis etwa 2005/2007 auf hohem Niveau bleiben wird.“ Das ist Kapitulation pur.

(Angelika Gramkow, PDS: Nein, das ist Orien- tierung an den Realitäten und für diese Realitäten haben Sie gesorgt in 18 Jahren Regierungspolitik.)

Meine Damen und Herren! Anstatt zu überlegen, wie durch investitionsfördernde Maßnahmen ein wirklicher Wachstums- und Beschäftigungsimpuls initiiert werden kann,

(Heike Lorenz, PDS: Das ist genau das Prob- lem. Allein durch Wachstum wird man gar nichts lösen, da muss man ganz umsteuern.)

zeugt die Unterrichtung dieser Landesregierung davon, dass sie ihr Heil weiterhin in untauglichen Rezepten sucht.

(Zurufe von Volker Schlotmann, SPD, und Heike Lorenz, PDS)

Sie wollen den von Ihnen mit verursachten Mangel an freien Stellen auf dem so entscheidenden ersten Arbeitsmarkt durch ein großes planwirtschaftliches Brimborium kompensieren beziehungsweise die Statistik schönen.

(Angelika Gramkow, PDS: Was meinen Sie denn damit?)

Sie verherrlichen die arbeitsmarktpolitischen Instrumente – ich komme dazu –, mit denen Sie glauben, die Arbeitslosenquote um 5,5 Prozent gesenkt zu haben.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Sie haben doch ganz einfach bei uns die Arbeitsplätze abgebaut, Frau Kleedehn, das ist doch ganz übersichtlich.)

Statistisch mag dies sogar zutreffen, Herr Dr. Schoenenburg. In Wahrheit sorgen Sie aber dafür, dass das wahre Ausmaß der Arbeitslosigkeit verschleiert und heruntergerechnet wird.

(Heike Lorenz, PDS: Ach!)

So geht man nicht mit dem Schicksal der Arbeitslosen um.

(Volker Schlotmann, SPD: Da haben Sie doch Übung drin!)

Diese wollen eine echte und dauerhafte Perspektive.

(Volker Schlotmann, SPD: Das haben Sie 16 Jahre lang hervorragend gekonnt.)

Sie haben es nicht verdient, mit bürokratischen Beschäftigungstherapien abgespeist und vertröstet zu werden.

Meine Damen und Herren! In Wahrheit stehlen Sie sich aus der Verantwortung und hoffen auf ein statistisches Beschäftigungswunder, weil immer mehr Menschen in das Rentenalter kommen. Im Gegensatz zu Ihnen hat Herr Bundeskanzler Schröder dieses in seiner jüngsten Regierungserklärung immerhin auch so offen ausgesprochen.

Die Fortführung der Landesbeteiligung an beiden Trägergesellschaften wird den Steuerzahler bis zum Jahr 2005 wenigstens 18 Millionen DM kosten – Geld, das im Bauministerium wesentlich beschäftigungsfördernder verwendet werden könnte. Jeder weiß, dass der Sanierungsbedarf in unseren Städten und Gemeinden nach wie vor groß ist. Deshalb ist es unsinnig, öffentliche Investitionsmittel gerade im Bereich des Einzelplans 15 in dreistelliger Millionenhöhe herunterzu- und die Bauwirtschaft vor die Wand fahren zu lassen, um dann als vermeintlicher Retter in der Not vollmundig neue Wege in der Arbeitsmarktpolitik anzukündigen.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU – Kerstin Kassner, PDS: Das dachte ich gerade bei Ihrer Rede. Das dachte ich gerade bei Ihrer Rede. – Heiterkeit bei Sylvia Bretschneider, SPD: Welche Rede? – Kerstin Kassner, PDS: Das ist auch wieder wahr.)

Hier schwingt sich doch der Brandstifter zum Feuerwehrmann auf.

Meine Damen und Herren! Sie legen eine Unterrichtung vor, in der es von Phrasen nur so wimmelt, Initiierungen und Koordinierung gemeinwohlorientierter Arbeitsförderprojekte, Monitoringsysteme, Controllingsysteme, Qualitätssicherungssysteme, Bottom-up-Prozesse und so weiter. Welcher normale Mensch soll dieses noch verstehen im Lande?

Gleichzeitig rühmen Sie die Bedeutung von Existenzgründerberatung. Doch den Antrag der CDU, im Haushalt zum Jahr 2000 Mittel im Rahmen des AQMV hierfür zu verstärken, haben Sie abgelehnt. Das ist auch eine Art der Logik. Sie reden bei der Betrachtung Ihrer Beschäftigungspolitik von Krisenintenvention, doch wir müssen unseren Bürgern immer wieder sagen, die größte Krise für die Arbeitslosen in diesem Land ist diese Landesregierung selbst.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Was die Effektivität der Gesellschaften betrifft, sind ja auch einige bestechende Sachverhalte erkennbar. Danach hat beispielsweise die TGL Mecklenburg-Vorpommern im Rahmen ihrer so genannten arbeitsmarktpolitischen Dienstleistung für Unternehmen 6.000 Langzeitarbeitslose an einem Kurssystem teilnehmen lassen.

Nachdem nun selbst die Unterrichtung den Eindruck zu erwecken versucht, dass alles Bestreben der Wiedereingliederung von Arbeitslosen auf den ersten Arbeitsmarkt gilt, fragt man sich natürlich, wie viele von den 6.000 Betroffenen tatsächlich wieder eingegliedert werden konnten. Es sind gerade mal 27 Prozent. Das heißt, dass fast drei Viertel dieses Ziel nicht erreicht haben. Wenn ein Schüler in einer Klassenarbeit eine Punktzahl von 27 Prozent erreicht, erhält er in der Regel die Note 5. So ist Ihre Politik! Fragen Sie sich doch endlich mal, ob beispielsweise Beratungstätigkeiten durch Kammern, Verbände und Landesförderinstitut nicht wesentlich leistungsfähiger und effektiver erfolgen können. Ausgerech

net Sie glauben aber immer noch, die Zukunft des Arbeitsmarktes besser einschätzten zu können als die Praktiker vor Ort.

Ebenso fragwürdig sind Ihre Angaben zu den veranschlagten Mitteln im Personalbereich der TGL. War in einer Kurzübersicht des Wirtschaftsplanes als Anhang zum Einzelplan 15 noch von einem Betrag von 3,6 Millionen DM die Rede, sind es in Ihrer Unterrichtung nun auf einmal nur noch 1,67 Millionen DM. Einmal sprechen Sie zudem vom Personalaufwand, zum anderen wieder von Personalkosten, was von der Terminologie faktisch nicht dasselbe sein kann.

(Angelika Gramkow, PDS: Wenn Sie im Finanzausschuss gewesen wären, dann wüss- ten Sie, worüber Sie reden, Frau Kleedehn!)

Und wo kommen auf einmal die 2 Millionen DM her?

Als unsere Fraktion letztes Jahr Anträge auf zwei Sperrvermerke in Höhe von 1,5 Millionen DM stellte, wurde dieses abgelehnt, offenbar aber war genügend Luft in den entsprechenden Haushaltstiteln enthalten, wie sich jetzt herausstellte.