Protokoll der Sitzung vom 13.07.2000

Meine Damen und Herren! Richtig spannend wird es, wenn wir uns vor Augen führen, wie das Maß der Ökosteuer über Ausnahmeregelungen manipuliert wird und wie die eingenommenen Mittel verwendet werden. In aller Kürze: Die Verwendung der Mehreinnahmen aus der Ökosteuer zur Schließung von Haushaltslücken – wie es die Bundesregierung tut – zu nutzen ist nicht akzeptabel.

Wenn, dann sind die Einnahmen dazu zu verwenden, die Nebenkosten der Arbeit zu entlasten und ökologische Politik zu finanzieren. Gegenwärtig schätzen alle Experten gemeinsam ein, die Beschäftigungseffekte dieser Steuerreform sind gleich Null. Und von Gerechtigkeit ist diese Ökosteuer meilenweit entfernt.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Es bleibt auch bei der rot-grünen Bundesregierung wie unter der Regierung Kohl so, wie es gewesen ist:

(Dr. Ulrich Born, CDU: Nein, nein, nein. – Wolfgang Riemann, CDU: Das ist noch ein bisschen was anderes.)

Alles Wohl den Unternehmern, umverteilen von unten nach oben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Harry Glawe, CDU: Nein, die hatten keine Ökosteuer.)

Momentan werden Unternehmen über großzügige Ausgleichsregelungen und Befreiungen

(Wolfgang Riemann, CDU: So eine Steuerreform, die nur die Großen entlastet, hätten wir nicht gemacht.)

mit rund 2 Milliarden DM entlastet, während die Bezieher niedriger Einkommen belastet werden.

(Harry Glawe, CDU: Die PDS macht kräftig mit.)

Dummerweise erhöht sich deren Belastung durch die Bindung der Ausgleichsmechanismen an die Senkung der Lohnnebenkosten, je weniger sie verdienen. Bei RentnerInnen, SozialhilfeempfängerInnen, StudentInnen entfällt ein Ausgleich sogar ganz.

Meine Damen und Herren! Ich will Ihnen noch zwei Beispiele nennen, die deutlich machen, dass die jetzige Ökosteuer ungerecht ist. Ich erspare mir hier einzelne finanztechnische Regelungen und nenne nur das Ergebnis der Steuer. Zum Beispiel die Heidelberger Zement AG: Das Unternehmen erzielte 1995 einen Umsatz in Höhe von 792 Millionen DM. Bei dem damaligen Energieverbrauch müsste es in der ersten Ökosteuerstufe circa 12 Millionen DM Ökosteuer auf Strom, Heizöl und Erdgas zahlen, wenn es keine Ermäßigung gäbe. Das entspräche 1,5 Prozent des Umsatzes. Da die Ökosteuer um 80 Prozent ermäßigt ist, reduziert sich die Ökosteuerzahlung für dieses Unternehmen auf 2,4 Millionen DM. Als energiein

tensives Unternehmen profitiert die Heidelberger Zement AG nur relativ wenig von der regulären Lohnnebenkostensenkung im Rahmen der Ökosteuerreform, nämlich um circa 250.000 DM.

Die Bundesregierung hat nun festgelegt, dass die Nettobelastung nur maximal 20 Prozent über der Lohnnebenkostensenkung liegen darf, in diesem Beispiel also um circa 50.000 DM. Von den bereits reduzierten Ökosteuern in Höhe von 2,4 Millionen DM erhält das Unternehmen über den so genannten Spitzenausgleich noch einmal 2,1 Millionen DM zurück. Gegenüber der regulären Belastung, die also jeder hier bezahlen muss im Land, wenn er ein kleiner Unternehmer ist, ergibt sich daraus für dieses Unternehmen eine Ermäßigung von 99,5 Prozent. Und das ist keine Ungerechtigkeit?

(Wolfgang Riemann, CDU: Und Herr Ringstorff schweigt dazu.)

Beispiel 2 – BASF Ludwigshafen: Der Vorstandsvorsitzende der BASF, Jürgen Strube, hat sich kurz nach InKraft-Treten der ersten Ökosteuerstufe mit einem Brief bei den Koalitionspolitikern sogar bedankt und er wird wissen, warum. Durch die Ermäßigung und die Rückerstattungsregeln hat sich die Ökosteuerzahlung für BASF auf 15,6 Millionen DM reduziert. Nach den ursprünglichen Plänen wären 131 Millionen DM zu zahlen gewesen. Da BASF im Rahmen der Reform 13 Millionen DM weniger Rentenversicherungsbeiträge zahlen muss, reduziert sich die Nettobelastung auf 2,6 Millionen DM. Im Verhältnis zum Konzernumsatz in Höhe von 54,1 Milliarden DM beträgt die Ökosteuerbelastung somit weniger als 0,05 Promille.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das ist gerecht.)

Ich meine, diese Beispiele sprechen für sich. Ähnlich erschreckende Bilanzen können wir übrigens auch im Verkehrssektor ziehen. Unsere Bemühungen, den ÖPNV und die Bahn von der Ökosteuer zu befreien, blieben bisher erfolglos. Wenn darüber hinaus allerorts Schienenpersonennahverkehr eingestellt und Eisenbahnstrecken stillgelegt werden und jetzt auch noch die Idee der Erhöhung der Kilometerpauschale diskutiert wird, kann ich nur noch zu dem Schluss kommen, dass der Autokanzler Schröder im Interesse seines Klientel ganze Arbeit geleistet hat.

(Beifall Barbara Borchardt, PDS, und Heike Lorenz, PDS – Wolfgang Riemann, CDU: So ein Quatsch, so ein Quatsch! Ach!)

Das darf nicht so weitergehen. Unser Anliegen ist es deshalb, den sterbenskranken Patienten Ökosteuer nicht zu begraben, so, wie Sie es wollen, sondern zu einer Gesundung zu verhelfen und diese Ökosteuer zu verändern. Dabei ist eine umweltverträgliche Verkehrspolitik zentraler Bestandteil dieser Idee. Förderung des ÖPNV, Erhaltung und Ausbau der Bahn in der Fläche, integrierte Taktpläne und so weiter – diese Forderungen kennen Sie, aber sie müssen natürlich bezahlt werden. Hierfür können Mittel aus der Ökosteuer natürlich eingesetzt werden, wenn die Mittel auch richtig fließen und nicht Ausnahmen, wie ich sie genannt habe, ständig das Säckel leer machen.

Hier, meinen wir, muss umgesteuert werden. Und das heißt aus meiner oder unserer Sicht, es ist nicht nur notwendig, eine Lenkungsfunktion auf der Einnahmeseite zu realisieren über erhöhte Kraftstoff- und Rohstoffpreise, sondern wir müssen endlich dahin kommen,

(Wolfgang Riemann, CDU: Und eine Sozialkomponente wollen wir gar nicht?)

dass wir auch aus der Ausgabenseite und bei der Verwendung der Mittel eine Lenkungsfunktion erreichen, indem wir Alternativen, zum Beispiel im Verkehrsbereich, finanzieren. In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag. Wir möchten keine Überweisung, sondern gleich eine Abstimmung.

Und eines lassen Sie mich noch sagen, Herr Riemann, auch wenn Herr Borchert schon grob darauf eingegangen ist: Ich denke, das Schwarzweißbild, gerade bei der Ökosteuer, wie Sie es gezeigt haben, stimmt nicht ganz. Wenn Sie also über Preiserhöhungen sprechen, die da sind, das ist völlig korrekt, dann nennen Sie auch alle Ursachen. Es wurde vorhin schon gesagt, allein die Euroschwäche...

(Wolfgang Riemann, CDU: Hab’ ich genannt. Hab’ ich genannt.)

Sie haben es aber nicht deutlich gemacht,

(Wolfgang Riemann, CDU: Die hab’ ich genannt.)

dass das allein schon 25 Prozent der Preissteigerungen ausmacht.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja, aber die restlichen 75 Prozent? – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Und wer für diese Euroschwäche verantwortlich ist, darüber können wir ja noch einmal eine neue Debatte anfangen,

(Wolfgang Riemann, CDU: Ja, fangen wir noch mal eine neue Debatte an.)

nicht wahr?! – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Nicht 16 Jahre Helmut Kohl sind dafür verantwortlich.)

Vielen Dank, Frau Muth.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Rehberg von der CDU-Fraktion. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Herr Borchert, Sie widersprechen sich ja selber. Auf der einen Seite – ich zitiere Sie – sprechen Sie von „Einnahmeverlusten im Bundeshaushalt“ und auf der anderen Seite loben Sie die ökologische Komponente dieser Abzocksteuer und führen aus, dass sie zur Senkung der Lohnnebenkosten dient. Sie widersprechen sich selber. Diese Steuer ist eine reine Abzocksteuer und wir sollten sie überhaupt nicht Ökosteuer nennen. Doch wir müssen es, damit wir sie überhaupt fachlich qualifizieren können. Und wenn Sie darüber reden, dass wir uns als der Retter des Sozialstaates aufspielen, dann will ich Ihnen nur eines sagen: Gehen Sie in die Geschichte der Bundesrepublik zurück! Alle großen Sozialgesetze sind unter Regierungsverantwortung der CDU entstanden. A l l e !

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Barbara Borchardt, PDS – Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Gucken Sie sich 50 Jahre Geschichte der Bundesrepublik Deutschland an!

(Wolfgang Riemann, CDU: Pflegeversicherung.)

Und, Herr Borchert, ich wiederhole das, was ich vorhin gesagt habe, wenn Sie von Arbeitslosigkeit reden, wenn Sie davon reden, dass mehr Beschäftigung eine bessere Basis der Sozial- und Solidarsysteme bedeutet, dann müssen Sie Mecklenburg-Vorpommern schon benennen. Ich sage Ihnen noch einmal, zwei Jahre Ihrer Regierung bedeuten 18.200 Beschäftigungsverhältnisse weniger.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Das ist die Tatsache. Das ist Ergebnis Ihrer Regierung. Nicht die Arbeitslosenzahlen sind entscheidend. Und lesen Sie sich bitte mal das Interview von Herrn Pohl vom Wirtschaftsinstitut aus Halle in der heutigen „Schweriner Volkszeitung“ durch. Dann wird er Ihnen ganz klar sagen, dass heute die entscheidende Komponente zur Stabilisierung der Sozialsysteme, ob Rente, Gesundheit oder Pflege beziehungsweise Arbeitslosenversicherung, nicht die Arbeitslosenzahlen sind, denn die Arbeitslosen gehen in die Rente, die Vorruheständler gehen in die Sozialhilfe hinüber. Das heißt, die Belastung der Solidarsysteme nimmt nicht ab durch eine Minderung der Arbeitslosigkeit, sondern sie nimmt teilweise zu,

(Wolfgang Riemann, CDU: Nur die Statistik wird ein bisschen geschönt.)

wenn Sie noch einmal genau hingucken, wo das Sinken der Arbeitslosenzahlen, aber nicht die massiv wachsenden Beschäftigtenzahlen im Westen Deutschlands herkommen.

Übrigens hat ein Punkt dazu mit beigetragen, dass der Benzinpreis massiv gestiegen ist, weil er die Einfuhr verteuert, unsere Ausfuhr aber verbilligt hat. Das ist das Verhältnis des Euro zum Dollar. Das heißt, das Wachstum gerade im Westen – und der Osten ist ja davon abgekoppelt – kommt doch dadurch zustande, dass wir unsere Ausfuhren, unsere Produkte billiger anbieten konnten, weil der Dollar so stark geworden ist. Also auf der einen Seite, sehr geehrter Herr Borchert, beklagen Sie diesen Punkt, aber auf der anderen Seite ist er in Ihrer Argumentation in hohem Maße von Nutzen.

Ich denke, es ist schon bezeichnend für die Sprachlosigkeit dieser Landesregierung, dass – obwohl gerade jetzt die Benzinpreiserhöhungen von über 2 DM besonders dramatisch für Mecklenburg-Vorpommern sind – erstens die Landesregierung nicht redet und zweitens sie das offenbar überhaupt nicht interessiert. Das halte ich schon für mehr als dramatisch.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wenn wir über die Preispolitik der Mineralölwirtschaft reden, dann möchte ich Sie an eins erinnern: Wie kam es denn, dass die Freien mehr bezahlen mussten als Abnehmer bei den Mineralölkonzernen und es an den Tankstellen selber billiger war? Weil die Produktpreise – das ist keine Abzocke der Mineralölkonzerne gewesen – eben höher gewesen sind, als sie überhaupt an den Tankstellen angeboten wurden.