Protokoll der Sitzung vom 13.07.2000

Somit möchte ich abschließend noch einmal um die Zustimmung zu diesem Antrag bitten. Ich weiß, dass der Begriff der Deregulierung nicht bei allen Teilen dieses Hauses in jedem Falle auf positive Resonanz stößt, aber Sie können heute auch deutlich machen, ob Ihnen die Entbürokratisierung dort, wo es sachlich möglich und geboten ist, wirklich am Herzen liegt oder ob wir über Lippenbekenntnisse nicht hinausgehen wollen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Schier von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr Schier, Sie dürfen reden.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gut, dass diese Vorschriften wie die Landesverordnung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum von Zeit zu Zeit im Sinne einer Deregulierung auf den Prüfstand gestellt werden und der zugrunde liegende Regelungsbedarf kritisch geprüft wird.

Nicht erst der vorliegende Oppositionsantrag und die von Ihnen, Kollegin Kleedehn, diesbezüglich gestellte Kleine Anfrage haben die Verwaltung veranlasst, den Regelungsbedarf der Wohnraumzweckentfremdungsverordnung zu prüfen. Bereits im vergangenen Sommer wurde die Verordnung auf Wunsch der Schweriner Industrie- und Handelskammer von der Landesregierung geprüft. Das Ergebnis ist heute nicht anders als damals: Auch bei der derzeitigen Wohnungsmarktlage ist die Wohnraumzweckentfremdungsverordnung nach wie vor ein sinnvolles und wirksames Instrument zur Behebung qualitativer Wohnraummängel. Ohne Frage, die quantitative Versorgung mit ausreichendem Wohnraum ist heute insgesamt erkennbar besser als beim Inkrafttreten der Zweckentfremdungsverordnung. Beim genaueren Hinsehen allerdings sind unter qualitativen Aspekten auch heute noch in verschiedenen Städten unseres Landes Mängel in der Wohnungsversorgung vorhanden.

Aus Sicht des Rostocker Oberbürgermeisters soll daher die Verordnung, die sich dort bewährt hat, weiter gelten. In Rostock gibt es beispielsweise ein Missverhältnis zwischen Wohnungs- und Haushaltsgrößen, weil nicht genügend kleine, bis zu 60 Quadratmeter große Wohnungen für Ein- und Zweipersonenhaushalte vorhanden sind. Das sind in der Hansestadt Rostock immerhin 70 Prozent der Haushalte. Auch der besondere Bedarf für bestimmte Personengruppen wie behinderte und alte Menschen zum Beispiel an Wohnungen in unteren Etagen oder in Häusern mit Fahrstühlen rechtfertigen weiterhin die Regelungsmöglichkeiten der Wohnraumzweckentfremdungsverordnung. Meine Damen und Herren, bereits diese beiden Beispiele der Hansestadt Rostock machen die Notwendigkeit der Wohnraumzweckentfremdungsverordnung deutlich.

Ich möchte Ihnen gerne noch ein zweites Beispiel nennen. Kollegin Kleedehn, Sie sind bereits auf die Thematik in Wismar eingegangen. Die Bürgermeisterin der Hansestadt Wismar sorgt sich nicht nur darum, dass in ihrer Stadt Wohnraum in ausreichender Menge vorhanden ist, sie will für ihre Bürgerinnen und Bürger auch, dass genügend Wohnungen in guter Qualität bereitstehen. Auch dem sozialunverträglichen Wohnraumabbruch oder den Veränderungen sowie dem Verfall von Wohnraum wird in Wismar mit der Verordnung, die Sie ja jetzt außer Kraft setzen wollen, entgegengetreten. Darüber hinaus kann in Wismar durch den sozial verantwortlichen, klugen Umgang mit der Verordnung die Ansiedlung und Existenzgründung von Gewerbetreibenden gesteuert und damit ein weiteres Aussterben der dortigen Innenstadt verhindert werden. Bei der Schaffung von Ersatzwohnraum ist

die Verordnung ein geeignetes Instrument zur Einschränkung der Ausweitung von ausgesprochen luxuriösem Wohnraum. Aus diesen Gründen, meine Damen und Herren, hat die Wismarer Bürgermeisterin die Landesregierung darum gebeten, ihr das hierzu erforderliche Regulierungsinstrument zu belassen.

Meine Damen und Herren, soweit die Opposition mit ihrem Antrag das Ziel einer Deregulierung auf dem Wohnungsmarkt anstrebt, sei hierzu festzustellen: Durch die Anwendung der Wohnraumzweckentfremdungsverordnung wurden bisher weder zusätzliche Kosten verursacht noch wurde zusätzliches Verwaltungspersonal erforderlich. Auch der Zeitraum für die Bearbeitung der Anträge liegt in der Regel zwischen zehn Tagen und vier Wochen und kann somit nicht als maßnahmezögernd angesehen werden.

Die vorgetragenen Beispiele für einen sozialorientierten und verantwortungsbewussten Umgang mit der Wohnraumzweckentfremdungsverordnung in unseren Hansestädten Rostock und Wismar machen deutlich, dass eine sozialdemokratisch geführte Landesregierung gut beraten ist, an der Verordnung weiterhin festzuhalten.

(Jörg Vierkant, CDU: Das ist es. – Zuruf von Bärbel Kleedehn, CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Opposition verfolgt mit ihrem Antrag offensichtlich das Ziel, Regelungen, die das soziale Gleichgewicht auf unserem Wohnungsmarkt gewährleisten sollen, zugunsten hemmungsloser wirtschaftlicher Interessen zu opfern.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU)

Wir werden eine solche Politik jedoch nicht zulassen und deshalb lehnen wir den CDU-Antrag ab. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Kreuzer von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Kreuzer.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! So kurz und herzlos der Antrag der CDU-Fraktion formuliert ist, kann man ihn sicherlich auch beantworten.

Nach meinen Begriffen hat dieses von der CDU-Fraktion aufgerissene Problem drei Seiten.

Die erste Seite ist die Wohnungs-, Gewerberaum-, Bau

politik, Städteplanung. Hier führen Sie eine Argumentation, dass man heute keine Gefährdungen hinsichtlich der Wohnraumversorgung mehr abwehren muss. Das heißt auf gut Deutsch genau das, was der Kollege Schier zum Schluss gesagt hat: Sie möchten also das freie Spiel der Marktkräfte und nicht mehr die Regelung durch die Kommunen.

Und da sage ich Ihnen, genau nach der Wohnraumzweckentfremdungsverordnung ist das heute alles schon möglich. Ich zitiere: „Wohnraum darf in den Städten Schwerin, Rostock, Wismar, Stralsund, Greifswald, Neubrandenburg, Neustrelitz, Waren und Güstrow nur mit Genehmigung des jeweiligen Oberbürgermeisters oder Bürgermeisters anderen als Wohnzwecken zugeführt werden.“ Das heißt, es funktioniert heute schon so, wie Sie es zum Ziel haben. Das müssen Sie als ehemalige Bauministerin und als ehemaliger Bauminister doch auch

wissen. Diese Bürgermeister und Oberbürgermeister können doch heute schon entscheiden, wohnraumpolitisch tätig zu werden oder nicht tätig zu werden.

(Bärbel Kleedehn, CDU: Dann brauchen wir doch keine Landesverordnung.)

Und wenn sie tätig werden, dann können sie auch im Sinne der Gewerberaumentwicklung entscheiden oder wie auch immer. Also dieses gewerberaumpolitische Ziel, was Sie offensichtlich im Auge haben, das läuft doch mit diesem Antrag völlig ins Leere.

Zweite Seite – Kommunalpolitik. Mit dieser Wohnraumzweckentfremdungsverordnung sind den genannten neun Städten Kompetenzen verliehen worden. Und mit Ihrem Antrag sagen Sie, diese Kompetenzen sollen beendet werden. Und da sage ich Ihnen, das ist kommunalpolitisch nicht wünschenswert,

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

völlig unabhängig davon, ob die Kommunalpolitiker, die Oberbürgermeister und Bürgermeister von diesem Recht Gebrauch machen.

Und drittens. Es ist die Seite der Betroffenheit, die Seite der Betroffenen. Sie sagen, einigen ist es egal, einige meinen, die kann weg, aber mindestens zwei haben gesagt, wir brauchen diese Regelung noch. Na, wir müssten doch vom Teufel geritten sein, wenn wir sagen, ohne Not nehmen wir zweien, die den Bedarf noch angemeldet haben, genau diese Kompetenz wieder weg. Also auch diese Betroffenheit spricht gegen Ihren Antrag.

So sage ich Ihnen, das kann man nicht alles unter Deregulierung kaputtschlagen wollen. Alles, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, was sachlich und wichtig ist, spricht gegen Ihren Antrag. Logischerweise spricht dann auch die PDS-Fraktion gegen Ihren Antrag. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Bärbel Kleedehn, CDU: Sie ist überflüssig wie ein Kropf.)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Born von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Born.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Kollege Kreuzer, Sie haben ja gerade versucht, sich sehr engagiert für den Fortbestand einer Verordnung einzusetzen, deren Zweckmäßigkeit darzulegen Ihnen aber kaum gelungen ist. Denn, Herr Kollege Kreuzer, Sie haben ja zu Recht darauf hingewiesen, dass von neun Städten sieben eindeutig gesagt haben, sie brauchen diese Verordnung nicht mehr, weil der Regelungszweck gar nicht mehr erfüllt werden kann. Also ist es auch nur noch angemessen, sich mit den beiden restlichen Stellungnahmen auseinander zu setzen.

(Torsten Koplin, PDS: Nicht nur.)

Deshalb können wir das ganze Verfahren auch verkürzen.

Herr Kollege Kreuzer – Stellungnahme der Hansestadt Rostock. Wenn die Hansestadt Rostock im Rahmen ihrer Ausführungen überhaupt nicht darstellt, dass das aufgezeigte Defizit an kleinen Wohnungen, welches, nebenbei bemerkt, recht pauschal, das heißt ohne substantielle Konkretisierungen behauptet wird, durch die vorliegende

Verordnung beseitigt werden könnte, dann ist das schon bemerkenswert. Es ist aber auch nachvollziehbar, dass die Hansestadt Rostock das gar nicht erst versucht, denn eine entsprechende Kausalität ist auch nicht im Mindesten zu erkennen. Wirft man einen genaueren Blick auf die Situation des Wohnungsmarktes vor Ort, dann stellt man vielmehr fest, dass unzählige Wohnungen in ganz unterschiedlicher Größe mit ganz unterschiedlichen Preisen und recht unterschiedlichem Komfort schlicht und ergreifend leer stehen in der Hansestadt Rostock.

Und auch der Hinweis auf die Schwerbehinderten ist in diesem Zusammenhang alles andere als überzeugend, da leider festzustellen ist, dass die meisten der ungenutzten, leer stehenden Wohnungen überhaupt nicht für diese Gruppe ausgerichtet sind. Dieses ist zu bedauern, aber es ist eine Tatsache, die in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen ist. Deshalb würde hier also ein Aufrechterhalten dieser Verordnung überhaupt nicht weiterhelfen.

Und dann schließlich zu den Bemerkungen der Hansestadt Wismar: Das ist also schon sehr interessant. Es ist zwar bekannt, dass die Bürgermeisterin – nicht Oberbürgermeisterin, sondern Bürgermeisterin – der Hansestadt Wismar gerade ordnungspolitisch sehr eigenwillige Vorstellungen hat,

(Zuruf von Gerd Böttger, PDS)

manchmal das dann auch sehr erfolgreich einsetzt, aber ordnungs- und baupolitische Zielsetzungen mit dieser Verordnung in Verbindung bringen zu wollen, geht schlicht am Regelungszweck dieser Verordnung, und zwar von Anfang an, völlig vorbei.

Ich zitiere einmal aus der Stellungnahme, so, wie es sich aus der Antwort der Landesregierung ergibt: „Die Hansestadt Wismar betrachtet die Wohnraumzweckentfremdungsverordnung als Regelinstrument, um ungenehmigtem Abbruch von Wohnraum, baulichen Veränderungen und dem Verfall von Wohnraum entgegenzuwirken. Auch kann sie die Ansiedlung und Existenzgründung für Gewerbetreibende steuern und somit ein weiteres Aussterben der Innenstadt verhindern. Bei der Schaffung von Ersatzwohnraum ist sie ein Instrument, um eine Ausweitung von ausgesprochen luxuriösem Wohnraum einzuschränken, um zu sichern, dass er dem allgemeinen Wohnungsmarkt in gleicher Weise zur Verfügung steht wie der zweckentfremdete Wohnraum und dass die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschritten wird.“ Dazu kann ich nur sagen, das hat mit dieser Verordnung schlicht und ergreifend nichts zu tun. Da hat einer in die falsche Schublade gegriffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Kollegin Keler, die Finanzministerin, müsste eigentlich selbst ein Interesse daran haben, wenn ich den Namen schon genannt habe, dass diese Verordnung schnell außer Kraft tritt, denn sie verursacht nur unnötige Kosten. Das ergibt sich schon aus den sehr langen Bearbeitungszeiten, die nach Auskunft der Landeshauptstadt Schwerin – übrigens, an der Spitze, Kollege Schier, und insofern müsste das für Sie unverdächtig sein, steht ja ein Bürgermeister, der Ihnen politisch nahe steht – bei bis zu einem Jahr liegen. Und das verhindert schlicht manche Bauvorhaben. Schon allein das sollte Grund sein, aus Kostenersparnisgründen diese ganze Verordnung so schnell wie möglich außer Kraft zu setzen.

Aber ich wollte sagen, die verehrte Kollegin Kleedehn hat das alles so überzeugend hier bei der Einbringung vor

gebracht, dass sich eigentlich jegliche weitere Argumentation zugunsten des Appells an die Landesregierung erübrigt. Deshalb, denke ich, sollte man sich vor der Sommerpause noch einen Ruck geben als Parlament.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das hat Herzog gesagt.)

Da wir in nächster Zeit ein bisschen weniger hier präsent sind, sollten wir wenigstens unsere Pflicht insoweit tun, dass wir die Regierung zum Arbeiten bringen. Und wenn es nur darum geht, eine unsinnige Verordnung außer Kraft zu schaffen, dann hat die Regierung eine vernünftige Beschäftigung. Deshalb stimmen Sie diesem Antrag guten Gewissens zu. Dann können Sie umso befreiter in die Sommerpause gehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ich schließe die Aussprache.