Protokoll der Sitzung vom 13.07.2000

Nun frage ich in die Runde: Können wir angesichts solcher wirtschaftlichen und sozialen Defizite guten Gewissens ein Gesetz zu unseren Gunsten verabschieden? Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Änderungsantrages verneinen dieses und entsagen einer Entschädigungserhöhung für den Zeitraum dieser Legislaturperiode. Sollten wir nicht unserem Verantwortungsbewusstsein, in erster Linie für dieses Land zu entscheiden und nicht für uns selbst, durch Verzicht Ausdruck verleihen? – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Koplin.

Da noch weiterer Redebedarf angemeldet wurde, schlage ich vor, dass wir die Redezeit noch einmal um dreimal fünf Minuten erhöhen.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Rehberg von der CDU-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe aus zwei Gründen noch mal um das Wort gebeten. Einmal hat mich der Zwischenruf von Herrn Böttger gereizt und zum anderen ist es sicher noch eine Erklärung wert, warum ich nicht unter dem Antrag stehe.

Als Erstes: Sicher, wir sind eine Berufsgruppe, die selbst für sich entscheiden muss. Herr Schoenenburg hat das juristisch begründet. Ich stehe auch dazu. Ich stehe dazu seit Jahren, dass wir selbstverantwortlich entscheiden müssen. Ich bin seit Jahren dagegen, dass man – ich sage das sehr bewusst – aus Feigheit zwei, drei Jahre nicht über sich selbst entschieden hat. Denn das Schlimmste, was passieren konnte, und das hat uns 1996 unsere Diätenkommission bewiesen, nachdem sie uns damals vorgeschlagen hatte, auf 5.600 DM brutto zu gehen, war, dass wir einen großen Sprung von 1993 auf 1996 machen mussten. Übrigens war damals dieser Vorschlag ausgerichtet auf der Basis von fünf Flächenländern Deutschland West und der Maßstab war damals der öffentliche Dienst.

Und wer heute meint, sich da für eine Angleichung einsetzen zu müssen, den muss ich fragen, Herr Koplin, Herr Böttger: Wie groß ist denn Ihre Doppelmoral? Jetzt habe ich wieder auf uns selbst bezogen. Und welchen Maßstab legen wir für uns selber an? Ich bin ja dafür – wenn es nicht möglich ist, dass die überwiegende Mehrheit im Landtag sagt, ich entscheide für mich selber, ich bin dazu bereit, auch den öffentlichen Druck auszuhalten –, einen Maßstab zu legen. Aber welchen nehmen wir? Den R1-Richter am Amtsgericht, den Bürgermeister der 10.000-Einwohner-Gemeinde, den leitenden Verwaltungsbeamten, den Realschullehrer? Oder nehmen wir den Bezirksleiter der IG Metall, einen hauptamtlichen DGB-Kreisvorsitzenden, die Geschäftsführer der Krankenkassen in diesem Land, Geschäftsführer bei Industrieund Handelskammern,

(Dr. Manfred Rißmann, SPD: Die lachen sich tot.)

bei Handwerkskammern? Ich brauche gar nicht, Herr Schoenenburg, mit Fußballern anzufangen, wenn ich diese Gruppen sehe. Mir geht es um den Maßstab.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ich hab’ ja auch klein angefangen.)

Die Gehälter kenne ich sehr gut. Sie sind in aller Regel im fünfstelligen Bereich, die ich eben genannt habe, bis auf die eine oder andere Ausnahme, und teilweise steht eine Zwei davor. Ich möchte gar nicht auf Pensionsansprüche, privates Handy, Dienstauto und so weiter eingehen. Das ist gar nicht mein Thema.

Ich bedauere es, dass die Landtagsverwaltung uns 1996 nicht gesagt hat, dass der Landtag noch mal neu entscheiden muss und dass es erst dann laufen kann. Das muss ich sagen. Und heute wissen Sie das alles besser. Dann hätten wir, denke ich, im Oktober 1998 entschieden.

Ich muss Ihnen auch sagen, gerade meinen Kolleginnen und Kollegen der SPD und auch Herrn Ringstorff, wir haben damals die Arbeitskreisleiterzulage abgeschafft mit der Absprache, dass wir eine Grunddiät festlegen und einen Index laufen lassen mit der allgemeinen Einkommensentwicklung. Ich muss sagen, ich halte mich an meine Absprachen und ich bedauere – und deswegen stehe ich nicht unter dem Antrag –, dass diese Absprache mit der Mehrheit nicht eingehalten werden konnte. Ich akzeptiere aber, dass Priorität hat, dass wir überhaupt etwas bewegen.

Lassen Sie mich noch eins sagen: Ich halte die Inflationsrate nicht für günstig. Ich halte auch, Herr Landtagspräsident Kuessner, das Bruttoinlandsprodukt nicht für den Maßstab. Ich sage es mal flapsig, dann können Sie auch den durchschnittlichen Zuckergehalt von Äpfeln nehmen oder die Durchschnittstemperatur im Sommer. Denn, bei aller Liebe, das Bruttoinlandsprodukt beeinflussen wir mit unserer Politik im Landtag nun nicht hauptsächlich.

Ich halte einen Maßstab für gerechtfertigt, das ist die allgemeine Einkommensentwicklung der Arbeitnehmer in diesem Land. Wenn ich nur den öffentlichen Dienst sehe, in 2001 sind das 4,36 Prozent. Und jetzt komme ich zum Thema Inflationsrate. Wenn wir den Maßstab nehmen, den wir heute haben – 6.880 DM brutto –, und uns die Folgejahre angucken bei durchschnittlich zwei Prozent, dann werden uns sehr schnell gerade Berufsgruppen im öffentlichen Dienst, die heute drunter liegen, überholen. Und gucken Sie sich die letzten Jahre an! Im Schnitt ist im öffentlichen Dienst ja nicht der Maßstab die Ost-West

Angleichung gewesen, sondern Sie müssen Basis West plus Ost-West-Angleichung plus Dienstalterssprünge nehmen, das sind zwischen sechs, sieben und acht Prozent. Das heißt, wir werden vielleicht auch bald Probleme kriegen, den Realschullehrer in den Landtag zu holen.

Deswegen, ich sage das mit großem Selbstbewusstsein, welchen Maßstab legen wir an uns selber? Das hat auch etwas mit Transport unserer Tätigkeit, mit Transformation nach draußen zu tun. Und was mich heute freut, ist, dass wir endlich offen und ehrlich über dieses Thema im Landtag diskutieren. Ich merke, dass es hier auch eine große Übereinstimmung gibt.

Mein Appell an diejenigen, die diesen Änderungsantrag eingereicht haben: Ich nehme das Herrn Schoenenburg nicht übel, dass er gemeint hat vor gut einem Jahr, dass ich auf 125 Prozent aus bin. Es ist übrigens besonders schwer für einen Fraktionsvorsitzenden, hier zu reden, denn wir kriegen das Doppelte von dem normalen Abgeordnetenbezug.

(Angelika Gramkow, PDS: Richtig.)

Deswegen, auch der Lorenz Caffier oder Herr Dankert oder Herr Schoenenburg, die reden ja nicht in erster Linie für sich selber. Das ist ja nicht das zentrale Thema. Aber wir kommen noch auf ein Problem: Diätenurteil in Karlsruhe. Das wird auch noch mal sehr interessant, was die Leistungsdifferenzierung im Parlament betrifft. Ich wünsche mir, dass die Regelung, wie wir sie haben, offen im Abgeordnetengesetz beschrieben, dass die bleibt,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

und nicht, dass wir in den Fraktionen darüber entscheiden müssen. Das wünsche ich mir, das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen.

Wissen Sie, wer heute, Herr Böttger, mit Zwischenruf von Verzicht redet, oder Sie, Herr Koplin, das ganz offen sagen, wenn Sie den Verzicht wirklich ehrlich meinen, dann weisen Sie seit 1990 in der PDS-Fraktion nach – jetzt schließe ich wieder alle ein, weil Sie nie einer Diätenerhöhung zugestimmt haben –, dass Sie bei 3.500 DM brutto aus dem Jahr 1990 stehen geblieben sind

(Beifall Reinhardt Thomas, CDU – Claus Gerloff, SPD: Richtig.)

und alles andere irgendwann abgeführt haben für soziale Zwecke, denn das bezeichne ich – das sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit – im Jahr 2000, zehn Jahre Landtag Mecklenburg-Vorpommern, als mehr als verwerflich. Das ist für mich schlichtweg Doppelmoral. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke, Herr Rehberg.

Das Wort hat der Abgeordnete Böttger, PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Rehberg, da ich Sie so gereizt habe mit meinem Zwischenruf, will ich auch gleich...

(Eckhardt Rehberg, CDU: Sie haben mich überhaupt nicht gereizt.)

Haben Sie ja hier gesagt. Sind Sie senil, dass Sie sich nicht mehr erinnern können?

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Na, na, na! – Harry Glawe, CDU: Er stellt schon wieder Diagnosen.)

Er hat es doch gerade vor wenigen Sekunden hier gesagt.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Er hat es eben selbst gesagt.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Und die Präsidentin hört da zu. Das ist wirklich toll! Das ist super! Das muss ich mal sagen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Rehberg! Solange ich in diesem Landtag bin, habe ich noch keiner Diätenerhöhung zugestimmt.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Ja, habe ich doch gerade eben gesagt.)

Von Ihnen haben wir dann immer den Vorwurf zu hören bekommen, das ist populistisch. Jetzt sind wir in einer Regierungskoalition und stimmen wieder nicht zu – jedenfalls diejenigen, die hier unterschrieben haben. Jetzt kommt von Ihnen natürlich wieder der gleiche Vorwurf, wir sind populistisch. Nein, ich finde es in dieser Frage sehr geradlinig und ich nenne Ihnen auch die Argumente.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Wenn man an der Börse spekuliert, dann braucht man keine Diäten- erhöhung. – Gesine Skrzepski, CDU: Genau. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich weiß ja nicht, wo Sie spekulieren,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ich nicht. Ich habe von Ihnen gesprochen.)

aber das ist auch gar nicht das Thema.

Ich glaube, wir brauchen hier auch nicht über das Wort „angemessen“ zu diskutieren. Ich finde, die Diäten in Mecklenburg-Vorpommern sind angemessen und sie sind auskömmlich.

(Zuruf von Siegfried Friese, SPD)

Ich bin übrigens der Meinung, dass diejenigen, die hier den Antrag gestellt haben, auch sehr angemessen vorgehen, denn es geht hier in der Tat um ungefähr 90 DM. Und da sage ich, das ist überhaupt nicht mein Grund, es abzulehnen, sondern mein Grund, es abzulehnen, ist folgender: Könnten wir nicht durch ein Einfrieren dieser 90 DM im Monat, die uns weder reicher noch ärmer machen, ein bestimmtes Zeichen nach außen setzen, dass wir nicht nur von anderen verlangen, den Gürtel enger zu schnallen, die Kommunen nicht ordentlich ausstatten, wie sie eigentlich ausgestattet werden müssten, sondern sagen, wir wollen hier ein Zeichen setzen? Darum geht es eigentlich und um nicht mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Und dann finde ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Diskussion um das Profil der Abgeordneten schon abenteuerlich.