Dabei bin ich mir sicher, dass selbst der Begriff „kommunale Ebene“ noch viel zu pauschal ist. Wir sind uns gewiss einig darüber, dass Möglichkeiten und Grenzen für die Wahrnahme kommunaler Selbstverwaltung in den vielen kleinen Gemeinden unseres Landes unter 500 Einwohnern eben anders beurteilt werden müssen als in den amtsfreien Gemeinden, den kleineren und größeren Städten sowie in den Ämtern.
Zum Einsatz der Enquetekommission bewegt mich auch ein weiteres Problem. Die seit über einem Jahr geführte Diskussion über den Einsatz dieser Kommission geht natürlich auch an den Kommunalpolitikern vor Ort nicht vorbei. Immer stärker wird diskutiert, wird erwartet, dass schon bald auch bestimmte Orientierungen aus der Landesebene kommen. Da wird vielerorts über die Vorteile einer Großgemeinde aus den Gemeinden des bisherigen Amtes diskutiert. Eine intensive Diskussion zu Gemeindefusionen, ich glaube, gibt es mittlerweile in jedem Landkreis. Hat schon die Reduzierung der Fusionsprämien von 500.000 DM auf 150.000 DM Fragen ausgelöst, so steht jetzt sehr stark die Frage in den Landkreisen, wie lange es denn nun noch freiwillig zugeht.
Nicht wenige Kommunalpolitiker reden ausschließlich über veränderte Strukturen, viel weniger aber über Inhalte und neue Aufgabenstellungen. So wird beispielsweise in der SVZ vor wenigen Tagen der Rehnaer Bürgermeister mit den Worten zitiert: „Wir brauchen Modelle, die wir, wenn es soweit ist, aus der Schublade ziehen können.“ Ich sage das, weil ich ernsthaft befürchte, dass wir schon sehr viel Zeit verloren haben und dass wir den Bedürfnissen der praktischen kommunalen Arbeit etwas hinterherhinken.
Wir sollten uns auch bemühen, nicht Losungen zu streuen, die zu falschen Schlüssen führen könnten. Ich bleibe dabei, dass das Prinzip der Freiwilligkeit und der Überzeugungsarbeit unumstößlich ist, eingeschlossen, dass letztlich per Bürgerentscheid eine neue Struktur besiegelt werden müsste.
Dieses Prinzip wird meines Erachtens in Frage gestellt, wenn wiederholt der Hinweis erfolgt, dass...
Dieses Prinzip wird meines Erachtens also in Frage gestellt, wenn wiederholt der Hinweis erfolgt, dass in dieser Legislaturperiode keine gesetzlichen Regelungen erfolgen. Von vielen Kommunalpolitikern wird das dann natürlich gleich so interpretiert – Herr Riemann hat es ja eben auch laut gesagt –,
dass es danach Zwangsfusionen gebe. Meines Erachtens besitzt aber weder ein Minister noch ein Landtagsabgeordneter, auch nicht Herr Riemann, die Befugnis, derartige Aussagen über die nächste Legislaturperiode zu machen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, nach der Beschlussfassung, für die ich ausdrücklich werbe, wird es darauf ankommen, nach den Parlamentsferien zügig die Arbeit der Enquetekommission zu organisieren. Ich bin dafür, auf vielen Gebieten vorliegende Analysen, statistische Materialien, Gutachten und so weiter zum Thema
der Enquetekommission entsprechend zu nutzen, um den gestellten Termin Ende März 2002 für einen vorzulegenden Bericht zu halten. Ich wünsche uns daher im Interesse der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung in unserem Land, wie es vorher mein Kollege Herr Friese sagte, den entsprechenden Mut, konstruktive Ideen und eine zielstrebige Zusammenarbeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich die Situation zur Frage der Gemeindestrukturen heute mit der Situation von vor einem Jahr vergleiche, dann kann ich nicht nur feststellen, dass es eine Reihe, aber in Anbetracht der Gesamtzahl unserer Gemeinden muss ich sagen, einige wenige Zusammenschlüsse von Gemeinden gegeben hat, sondern ich kann insbesondere feststellen, dass die Diskussion im letzten Jahr eine völlig neue Qualität gewonnen hat.
War vor einem Jahr dieses Thema der Gemeindestrukturen für viele noch ein Tabuthema – und es ist kein Jahr her, sondern wesentlich weniger, dass der Vorsitzende der CDU-Fraktion sich hier hingestellt hat und sich als Retter des christlichen Abendlandes vor den bösen Roten, die alle Gemeinden zu Großeinheiten zusammenschließen wollen, hingestellt hat –, so hat sich auch bei der CDU inzwischen ein deutlicher Meinungswechsel vollzogen. Und ich kenne durchaus CDU-Bürgermeister – ich halte das für völlig legitim –, die in ihren Umlandgemeinden sehr heftig für einen Beitritt dieser Gemeinden zu der Stadt, deren Bürgermeister sie sind, werben.
(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist der Charme der kommunalen Selbstverwaltung, ja. – Gabriele Schulz, PDS: Ja.)
Ich glaube auch, dass diese Bürgermeister – und das tun sozialdemokratische Bürgermeister ja in gleicher Weise – durchaus Recht haben, aus ihrer Sicht. Genauso können wir konstatieren – ich habe mir den Artikel gut aufbewahrt –, dass auch die hoch geschätzte Vorsitzende der PDS-Fraktion vor einem Dreivierteljahr in Gemeindefusionen insbesondere ein Problem gesehen hat, weil sie einen Verlust an Demokratie fürchtet. Und auch hier sehe ich, dass die Position, die politische Position sich deutlich geändert hat hin zum Willen und hin zur Bereitschaft, sich zu verändern. Wenn ich die beiden anderen Fraktionen angesprochen habe, dann darf ich meine eigene nicht auslassen. Ich will der Wahrheit die Ehre geben und sagen, selbstverständlich hat sich auch in sozialdemokratischen Landes- wie Kommunalpolitikereihen in dieser Frage einiges getan.
Und so können wir landauf, landab betrachten, dass dieses Thema von einem Tabuthema zu einem Thema geworden ist, das von sehr vielen – Landes- wie Kommunalpolitikern – sehr unbefangen, sehr frei, sehr offen miteinander diskutiert wird, und ich halte das für gut. Ich halte das für gut, weil die Struktur, über die geredet wird, in der Tat veränderungswürdig ist. Und diese Struktur, Herr Dr. Jäger, wird natürlich auch geprägt von der finanziellen Ausstattung unserer Kommunen,
wobei ich Ihrer Einschätzung, dass eine angebliche permanente Reduzierung der Landesmittel geradezu zwanghaft dazu führt, dass hier Fusionen notwendig sind, dieser Auffassung widerspreche ich in der Tat, weil sie schon eine Unterstellung enthält,
Ich glaube aber, dass die Finanzausstattung der Gemeinden nur ein Faktor ist, der diese Diskussion anheizt. Andere Faktoren sind die geringe Einwohnerzahl, die eine große Zahl unserer Gemeinden hat, unsere Siedlungsstrukturen, auch das Verhalten der Menschen, die die kreisfreien Städte verlassen und einen Wohnsitz im Umland nehmen. Es sind eine ganze Reihe von objektiven Faktoren, die es notwendig machen, dass wir uns mit unserer Gemeindestruktur auseinander setzen und dass wir hier Lösungen anbieten.
Und diese Enquetekommission wird eine Analyse der derzeitigen Situation machen müssen. Und wenn sie diese Analyse macht – dazu gehört nicht sehr viel prophetische Gabe, dieses vorauszusagen –, wird sie feststellen, dass in einer großen Zahl gerade der einwohnerschwachen Gemeinden ein massiver Verlust an Handlungsfähigkeit festzustellen ist und dass die kommunale Selbstverwaltung, die wir alle hochhalten und die das Grundgesetz im Artikel 28 vorgibt, in der Praxis immer weniger stattfindet in diesen kleinen und kleinsten Gemeinden. Eine realistische Analyse wird auch an der Tatsache nicht vorbeikommen, dass die Investitionsfähigkeit dieser kleinen und kleinsten Gemeinden immer weiter zurückgeht. Sie wird deshalb an der Tatsache nicht vorbeikommen, dass hier Dienstleistung für den Bürger immer weniger stattfindet. Und dieses ist der Ansatz für uns, etwas zu ändern, denn am Ende muss der Bürger mit seinen Interessen das Ziel unseres Handelns sein.
Deshalb, Herr Dr. Jäger, haben wir auch nicht das vorgefertigte Leitbild, das man einfach nur auf den Tisch legen muss, sondern wir alle gemeinsam müssen aus der Analyse – und so steht es auch in unserem Beschlusstext – der Situation und unter Berücksichtigung von Zielen, die wir haben und die mit Globalbegriffen wie kommunale Selbstverwaltung, Handlungsfähigkeit, Investitionsfähigkeit beschrieben sind, Wege finden, wie wir von der Situation ausgehend zur Erreichung dieser Zustände kommen, die da Investitionsfähigkeit, Handlungsfähigkeit und Arbeit im Interesse des Bürgers heißen. Das ist der Weg und nicht im stillen Kämmerlein ein Leitbild ausarbeiten, der staunenden Öffentlichkeit auf den Tisch knallen und sagen, nun mach mal was draus.
Dieser Prozess des Diskutierens – und da bin ich voll einer Meinung mit der Kollegin Schulz – ist keiner, der hier in diesem Schloss allein stattfinden darf und nur von den Abgeordneten dieses Landtages stattfinden darf. Ich finde es hervorragend, dass wir mit dieser Enquetekommission ganz bewusst die kommunale Ebene in zwei Formen, die beiden Verbände und namentlich benannte Kommunalpolitiker, in die Diskussion mit einbeziehen – wir reden also nicht über Kommunalpolitik, sondern wir reden auch mit den Kommunalpolitikern – und dass wir nicht glauben, dass wir die Weisheit mit dem Schaumlöffel gefressen hätten, sondern dass wir die Wissenschaft,
die sich mit diesem Thema auseinander setzt, in die Arbeit mit einbeziehen. Ich glaube, auf diese Art und Weise werden wir zu vernünftigen Resultaten kommen.
Lassen Sie mich noch einen Satz zur Situationsanalyse anfügen, Herr Dr. Jäger, weil Sie sagten, die Ämter hätten sich im Großen und Ganzen bewährt.
Ich möchte dieser Einschätzung so nicht zustimmen. Vor allen Dingen möchte ich ihr aus einem Grund nicht zustimmen, der jetzt weniger auf die Zustandsbetrachtung abzielt, sondern auf die Zukunft. Wir stellen fest, dass die Gemeinden, deren Fähigkeit, klassische, originäre Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung zu erfüllen, nachlässt, diese Aufgaben zunehmend auf die Ämter übertragen. Die Ämter werden Schulträger. In den Ämtern werden zunehmend Satzungen gemacht, die für das gesamte Amtsgebiet verbindlich sind. Die Ämter bekommen klassische Selbstverwaltungsaufgaben übertragen. Die Gemeinden geben diese nolens volens an die Ämter ab.
Damit kommen die Ämter in eine Situation, dass diese Organisationseinheit, die ja mal als Schreibstube für die Gemeinden eingerichtet und definiert worden ist, zunehmend zu dem Ort wird, wo kommunalpolitisch, salopp gesagt, die Musik spielt. Hier werden zunehmend die Entscheidungen getroffen, die für die Bevölkerung im Amt von zentraler Bedeutung sind. Und ich glaube, das Beispiel Schulträgerschaft ist hier ein sehr schlagendes. Aber für eine solche Aufgabenstruktur sind unsere Ämter nicht gebaut. Unsere Ämter haben kein vom Volk unmittelbar gewähltes Organ.
Der Amtsausschuss ist nur mittelbar demokratisch legitimiert und die Doppelspitze, die wir an der Spitze unserer Ämter mit dem ehrenamtlichen Amtsvorsteher und dem hauptamtlich leitenden Verwaltungsbeamten haben, ist schon jetzt eine äußerst problematische Situation
und sie wird immer weiter problematisch werden, je mehr den Ämtern Selbstverwaltungsaufgaben übertragen werden. In der Praxis kommen wir nämlich dazu, dass das Amt faktisch vom leitenden Verwaltungsbeamten geleitet wird.
Ich habe es mir erspart, hier einzelne Beispiele herauszustellen, wie leitende Verwaltungsbeamte, die in eine solche Rolle hineinrutschen, dann teilweise mit ihren Bürgermeistern umgehen. Ich möchte auch nicht die Gruppe der leitenden Verwaltungsbeamten hier negativ beurteilen. Ich glaube, es gibt sehr viele leitende Verwaltungsbeamte, die ihre Aufgaben ausgezeichnet machen, aber Fakt ist, wir kommen in eine Situation, wo demokratisch nicht legitimierte Lebenszeitbeamte zum entscheidenden Faktor in der Kommunalpolitik werden. Und das ist nicht vernünftig. Deswegen, selbst wenn Sie Recht hätten, dass sich unsere Ämter in der Vergangenheit bewährt hätten, für die Zukunft brauchen wir neue Strukturen. Und genau dies ist Aufgabe unserer Enquetekommission, solche Strukturen zu entwickeln.
Dieses ist für mich die erste und entscheidende Aufgabe dieser Kommission, aber es ist nicht die einzige, wir haben uns ja auf einen Aufgabenmix von vier Punkten geeinigt. Die Speckgürtelproblematik ist hinlänglich bekannt. Auch dieses wird Gegenstand unserer Enquetekommission sein. Ich glaube, hier prallen Interessen diametral aufeinander, nämlich die Interessen der Bewohner der großen Städte – das sind die kreisfreien Städte und zunehmend bekommen auch große kreisangehörige Städte so ein Speckgürtelchen – und die der Bewohner des Umlands. Diese Interessen unter einen Hut zu bringen wird meines Erachtens die Aufgabe der Quadratur des Kreises und ich glaube, wir werden Lösungen entwickeln müssen, mit denen am Ende beide leben können. Dieses wird äußerst schwierig, aber ich möchte hier betonen, dieses ist kein parteipolitisches Thema, denn dieses Problem hat Rostock und dieses Problem hat Stralsund und es hat Wismar und es hat Greifswald.
Ein drittes Aufgabenfeld scheint mir sehr wichtig zu sein, meine Damen und Herren. Wir sprechen über Strukturen und Strukturveränderungen und Leitbilder, die wir durchsetzen. Aber ich denke, wir dürfen die Menschen nicht mit dem Knüppel in der Hand zu ihrem Glück zwingen, sondern wenn wir neue Strukturen einführen wollen, dann wird dies nicht gehen und es wird am Ende nicht erfolgreich sein, wenn wir nicht auf Akzeptanz mindestens einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung treffen. Deswegen halte ich es für zwingend erforderlich, dass wir uns über Maßnahmen Gedanken machen, wie denn die Akzeptanz für Strukturveränderungen in der Bevölkerung herzustellen oder zu erhöhen ist. Und da habe ich eine andere Einschätzung als Sie, Herr Dr. Jäger, was Ortsbeiräte angeht. Ich glaube, dass dies ein sehr interessantes Modell sein kann – wenn wir beispielsweise aus mehreren Dörfern eine größere Gemeinde machen –, für die Bewohner eines solchen Dorfes ein Organ zu schaffen,