Ich rufe auf die Ziffern 1 und 2 der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 3/1502. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit sind die Ziffern 1 und 2 der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 3/1502 einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – Entschließung für Demokratie und Toleranz – gegen Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus, Drucksache 3/1487, in Verbindung mit Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Bekämpfung von Rechtsextremismus und Gewalt, Drucksache 3/1492.
Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Entschließung für Demokratie und Toleranz – gegen Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus – Drucksache 3/1487 –
Das Wort zur Begründung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1487 hat die Abgeordnete Frau Gramkow, die gleichzeitig Fraktionsvorsitzende der PDS-Fraktion ist. Bitte sehr, Frau Gramkow.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im sächsischen Freiberg griffen am Freitagabend Jugendliche zwei Asylbewerber an. Ein 31-jähriger Tunesier kam nach dem Überfall mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. Ein 24-jähriger Libyer erlitt ebenfalls Verletzungen. Als Tatverdächtigen nahm die Polizei einen 17-jährigen Stollberger fest. Türkische und iranische Staatsbürger wurden am Sonnabend in einer Rostocker S-Bahn von rechtsgerichteten Jugendlichen beschimpft, mit Fäusten geschlagen und mit Füßen getreten. Die Opfer waren Frauen und Männer im Alter zwischen 13 und 60. In Sachsen-Anhalt hatten Jugendliche in der Nacht zum Sonnabend eine Gruppe von Sinti und Roma überfallen, die an einem See campierten. In Gotha versuchte ein 24-jähriger Mann, die vor dem Rathaus gehisste israelische Flagge herunterzureißen. Mit Hakenkreuzen und SS-Runen beschmierten Unbekannte im thüringischen Mühlhausen einen Kindergarten. Am Dienstag sind in Anklam zwei aus Togo stammende Asylbewerber von rechtsorientierten Jugendlichen beschimpft und angegriffen worden.
Das, meine Damen und Herren, ist die nüchterne und traurige Bilanz nur weniger Tage. So geht es nun Woche für Woche, nein, eigentlich schon Jahr für Jahr. Die Berichte über rechtsextremistische, insbesondere frem
denfeindliche Gewalt erreichen uns wie der tägliche Wetterbericht. Allerdings ist die rechtsextremistische Gewalt, über die sich Politik und Medien und Öffentlichkeit gegenwärtig so sehr entsetzen, durchaus nicht wie ein plötzliches Unwetter über uns gekommen.
Im Bericht über das Investitionsklima für ausländische Investoren finden wir im Jahr 1991 zahlreiche Verweise auf ausländerfeindliche Übergriffe, bekanntlich ja auch in Rostock. Diese finden wir genauso im Bericht für das J a h r 2000. Allerdings ist dieser um generelle Hinweise erweitert. Ich zitiere: „Ausländer werden deshalb aufgefordert, öffentliche Verkehrsmittel nie allein zu benutzen. Die Zugverbindung Leipzig-Berlin sollten sie ganz meiden. Es wird Ausländern auch dringend davon abgeraten, nach Einbruch der Dunkelheit ihre Wohnungen zu verlassen. Die Polizei kann ihre Sicherheit nicht gewährleisten.“
Wer je geglaubt hat – und das ist ja leider von Politikern gesagt und geschrieben worden –, Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit und neonazistische Parteien sind keine Gefahr, der hat verkannt, verbrämt und er verniedlicht.
Wir wollen mit unserem heutigen Antrag, meine Damen und Herren, der „Entschließung für Demokratie und Toleranz – gegen Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus“, die Öffentlichkeit erneut auf den Ernst der Situation hinweisen. Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt sind eine politische Belastungsprobe für die Demokratie und die verfassungsmäßige Ordnung in unserem Land. Und in dieser Einschätzung besteht, wenn ich die Resolution der CDU richtig lese, Übereinstimmung.
Einigkeit sollte aber auch darin bestehen, dass wir vor allen Haustüren gründlich fegen, nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern. Wir sollten nicht mit Häme nach Italien oder Österreich schauen. Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit und ihre Ursachen sind, das ist unsere Überzeugung, kein Problem Ost oder West. Sie sind ein Problem Ost und West.
Natürlich sind sie nicht über Nacht entstanden und keine zufälligen oder zeitweiligen Ausrutscher. Sie sind Erbe. Und, meine Damen und Herren, Erbe kann man sich bekanntlich nicht aussuchen. Man muss mit ihm umgehen. Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sind das Erbe des einen deutschen Staates, der demonstrativ einen Antifaschismus nicht für sich in Anspruch nehmen wollte, und Erbe des anderen, der den Antifaschismus verordnete und ausschließlich für sich reklamierte. Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit haben handfeste sozialökonomische, politische, geistig mentale und ideologische Wurzeln.
Wer allerdings die offenkundige Tatsache ausspricht, dass im Osten und somit auch in Mecklenburg-Vorpommern rechtsextremistische, faschistische Gewalt besonders ausgeprägt sei, sollte auch sehen, dass die Anfälligkeit dafür heute im Westen kaum geringer wäre, gäbe es dort dieselben sozialen und die vielfältigen anderen Probleme wie im Osten – die sozialen Verwerfungen im Gefolge der Deutschen Einheit, den Bruch in zahlreichen Lebensbiographien, fehlende Perspektiven gerade für
junge Menschen, eine drastische Umorientierung im Wertegefüge. Und das ist gewiss keine Entschuldigung für Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit im Osten.
Wie man aber, meine Damen und Herren, die DDR auch im Nachhinein heute einschätzen und ihre Verantwortung sehen mag, die DDR war keine Puppenstube für Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Und diese Feststellung wird selbst dann nicht anders, wenn man bestimmte inzwischen bekannt gewordene Fakten von Fremdenfeindlichkeit heutzutage addiert.
Die DDR hatte von Anbeginn kraft Verfassung ein antifaschistisches Fundament. Nazismus und Rassismus waren kraft Verfassung verboten und niemand konnte es straflos wagen, auf Straßen und Plätzen öffentlich Naziparolen zu grölen und Nazisymbole zu zeigen.
Gerhard Zwerenz, bekanntermaßen ein Intimfeind der SED, hat wohl Recht, wenn er schreibt: „Was immer gegen die SED-Politbürokratie eingewendet werden muss, Duldung, gar Förderung des Alt- und Neonazismus zählt nicht dazu.“ Und weiter: „Nichts … legitimierte die DDR so sehr wie ihr Antifaschismus, dessen klischierte Auswüchse die Sache selbst zwar partiell entwerten, jedoch nicht ungültig machen konnten.“
Meine Damen und Herren, gegenseitige Schuldzuweisungen und Aufrechnungen sind üblich, führen aber noch nicht zu den Ursachen von Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit und zu Einsichten für die Zukunft. Wir sollten uns nichts vormachen. Gewöhnung an Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und rechte Gewalt, das Wegsehen einer schweigenden Mehrheit, es ist vorhanden und die Hemmschwelle für rechtsextremistische Täter sinkt immer weiter. Gewalt scheint als Mittel zur Konfliktbewältigung gesellschaftlich akzeptiert zu werden. Das verlangt von uns, von uns allen, mit allen Mitteln sich dagegen zur Wehr zu setzen.
Meine Damen und Herren, ich denke, dass es allerhöchste Zeit ist, dass dieser Landtag, was den grassierenden Rechtsextremismus betrifft, endlich mit einer Stimme spricht. Das ist aber leider von der CDU ausgeschlossen worden. Es ist von der CDU dasselbe gemacht geworden wie im November 1998. Denn da war die SPD/PDS-Koalition bereit, sich auf einen Resolutionstext mit der CDU zu einigen. Er wurde einfach zurückgezogen. Wir werden Sie jedoch, meine Damen und Herren von der CDU, heute wiederum beim Wort nehmen und Ihren Antrag in die Ausschüsse zur Beratung überweisen.
Nur, Herr Rehberg, ich kann natürlich nicht verstehen, wie Sie dazu kommen zu sagen, wir hätten nun endlich Ihre ausgestreckte Hand ergriffen. Nein, die offene ausgestreckte Hand hatte nicht die CDU. In Ihrer Regierungsverantwortung jedenfalls haben Sie sich mit diesem Thema sehr, sehr schwer getan.
Und es ist darum ja auch kein Zufall, Herr Dr. Jäger, dass es in Ihrer gesamten achtjährigen Regierungszeit zu keinem Programm oder Konzept gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit gekommen ist.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Dr. Armin Jäger, CDU: Lesen Sie doch mal nach im März!)
(Dr. Armin Jäger, CDU: Dann müssen Sie zwei Jahre verschlafen haben. – Zuruf von Jürgen Seidel, CDU)
Der Koalitionsvertrag ist in den entsprechenden Passagen geradezu eine an Sie gerichtete Einladung. Ich zitiere: „SPD und PDS werden den politischen Extremismus, insbesondere den Rechtsextremismus, sowie dessen Ursachen bekämpfen. Sie streben an, alle im Landtag vertretenen Parteien zu gemeinsamen Maßnahmen gegen diese politischen Kräfte zu gewinnen. Gewalt als Mittel zur Lösung politischer Konflikte wird abgelehnt.“ Beschlossen 1998.
Und an anderer Stelle verweisen wir darauf: „Die Landesregierung unterstützt ein breites ,Bündnis gegen Rechts’, in dem Projekte, Verbände, Initiativen und Parteien zusammenarbeiten.“ Das, meine Damen und Herren, ist die offene Hand, die wir der CDU wie auch allen anderen demokratischen Kräften im Land reichen wollen. Und da ist es doch wohl mehr als bedauerlich, wenn Frau Schnoor, Ihre Landesvorsitzende, meine Damen und Herren von der CDU, verkünden lässt, man würde nicht an den Bündnissen teilnehmen, weil diese sich pauschal gegen Rechts richteten.
Ich frage Sie: Wer hat denn das gesagt? Und wo steht das geschrieben? Frau Schnoor, bitte, prüfen Sie Bündnis für Bündnis! Ich bin davon überzeugt, Sie werden keines finden, wo es nicht darum geht, gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit aufzutreten, selbst wenn sich ein Bündnis schlicht und einfach als „Bündnis gegen Rechts“ bezeichnen sollte. Es zählt doch nicht der Name. Es ist doch die Sache, die entscheidet.
Und, Frau Schnoor, auch das will ich Ihnen nicht ersparen: Wie kann man angesichts der gegenwärtigen rechtsextremistischen Exzesse und der Welle von Ausländerfeindlichkeit sagen, wie Sie es in einer Pressemitteilung getan haben, es stelle sich die Frage, ob man den Rechtsextremisten derzeit nicht mehr Bedeutung zumesse, als ihnen eigentlich zukommt? Wollen Sie wirklich eine Politik fortsetzen, die versucht, den Rechtsradikalen das Wasser abzugraben, indem man ihre Parolen übernimmt? Ich kann nur sagen: Welche Verkennung der Situation!
Vielleicht nehmen Sie doch in diesem Zusammenhang einmal zur Kenntnis, was Ihr und nicht mein Parteifreund
Heiner Geißler dieser Tage schrieb: „Dem Rechtsradikalismus dadurch das Wasser abzugraben, dass Parteien, wenn auch in abgeschwächter Form, selbst deren Parolen übernehmen, ist zum Scheitern verurteilt, weil damit die eigentlichen Ursachen für rechtsradikales Denken nicht beseitigt werden. Entgegen aller Warnungen haben die großen Parteien die Ausländerfrage von der doppelten Staatsbürgerschaft bis zur Greencard zum Wahlkampfthema gemacht. Die Verbindung von Kriminalität und Ausländern, verbunden mit der Aufforderung, straffällig gewordene Ausländer hinauszuwerfen, tauchte in den Reden fast aller Spitzenpolitiker von CDU, CSU und manchmal sogar von der SPD auf. Rechtsradikalismus ist noch keine Gefahr für Deutschland. Aber sie kann eine werden, wenn die großen Parteien statt geistige Führung zu zeigen an niedrige Instinkte appellieren, um im weiten Umfeld des Rechtsradikalismus Wählerstimmen zu gewinnen.“ Den Worten von Heiner Geißler ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie sehr, insbesondere die Damen und Herren der CDU unter Ihnen, natürlich auch Frau Schnoor, überlegen Sie richtig, wenn Sie die national-konservative Karte spielen. Wie Sie dem Antrag der SPD- und PDS-Koalition entnehmen können, wollen wir, dass ein Programm für Kampf gegen Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus ausgearbeitet wird. Die CDU schlägt einen Maßnahmedreiklang aus Erziehung, Prävention und Repression vor. Auch hier besteht offensichtlich in den Auffassungen über die Herangehensweise eine bestimmte Gemeinsamkeit. Und ich denke auch, dass die Koalition und die Opposition wissen, dass es nicht um vordergründigen und blanken Aktionismus gehen kann und insbesondere die Prävention ein Maßnahmegeflecht erfordert. Es gibt leider keine einfachen Antworten und Lösungen. Es ist richtig, dem Schulwesen größte Aufmerksamkeit zu widmen, neben der Bildung auch die Erziehung wieder mehr zu ihrem Recht kommen zu lassen sowie auf die Vorbildwirkung der Lehrer zu achten. Aber wir dürfen die Schule nicht einseitig zum Sündenbock machen, denn auch die Erwachsenenbildung und -qualifizierung muss qualifiziert werden, belegen doch Untersuchungen, dass rechtsextremistisches Gedankengut in noch höherem Maße von den älteren Jahrgängen vertreten wird als von den jüngeren. Nicht selten wird eben zu Hause gedacht und geäußert, was junge Menschen dann ausführen.
Es ist richtig, Jugendpolitik und Jugendarbeit verstärkt darauf zu richten, dass junge Menschen befähigt werden, aktiv gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit aufzutreten. Jugendschulsozialarbeiter sind doch ein erster Schritt. Und es ist richtig, dass Justiz und Polizei mit allen rechtlichen Mitteln und Befugnissen zügig und konsequent gegen rechtsradikale Straftaten vorgehen. Es ist richtig, die Vertreterinnen und Vertreter der Medien zu bitten, ebenfalls die Auseinandersetzung mit Gewalt und Fremdenfeindlichkeit offensiv und couragiert zu führen. Und es ist auch richtig, die Frage zu erörtern, ob es nicht angebracht wäre, in der Landesverfassung eine Bestimmung aufzunehmen, wonach rassistisches und faschistisches Gedankengut, sofern es sich öffentlich zeigt, zu verbieten ist. Es kann nicht sein, dass derartiges Gedankengut vom Grundsatz der freien Meinungsäußerung und von anderen Grundrechten gedeckt ist.
Das Programm, was wir vorschlagen, beziehungsweise der „Dreiklang“ der CDU muss gründlich überlegt werden,