Nicht von ungefähr sagt der Volksmund, dass Vorbeugen besser sei als Heilen. Nach diesem Motto verfahren AOK und Kassenärztliche Vereinigung mit ihrer optimierten Therapie von Diabetes mellitus. Dem Gesundheitsbericht sind die 40 häufigsten Entlassungsdiagnosen aus den Krankenhäusern Mecklenburg-Vorpommerns zu entnehmen. Mit 7.738 Diagnosen im Jahr ‘98 ist Diabetes dabei die dritthäufigste Diagnose. Eine Vereinbarung zwischen der AOK und der Kassenärztlichen Vereinigung soll zur Verbesserung der Lebensqualität von Diabetikern in Mecklenburg-Vorpommern führen. Etwa 85.000 Menschen unseres Landes leiden derzeit an Diabetes mellitus, der so genannten Zuckerkrankheit. Die zunächst symptomarme Krankheit bedroht Betroffene mit schlimmen Spätfolgen wie Fußamputationen, Erblindung, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Dialysebehandlung.
Dahinter verbergen sich nicht nur menschliches Leid, sondern auch aufwendige Therapien. Experten haben an Studien nachgewiesen, dass eine konsequente Risikovorsorge und eine wirksame Therapie diese Spätfolgen der Krankheit entscheidend reduzieren und eine hohe Lebensqualität der Betroffenen erhalten können. Durch das Zusammenwirken der AOK, der behandelnden Praxis, der diabetologischen Schwerpunktpraxis und die Mitwirkung des Diabetikers selbst wird die Verbesserung der Lebensqualität angestrebt. Im Kern geht es um Ernährungsprogramme, die für den jeweiligen Diabetiker sozusagen maßgeschneidert sind, um das Aufzeigen von Bewegungsmöglichkeiten und anderes mehr.
meine Herren, bis zum Jahresende alle Hausärzte, Internisten, Augenärzte und Gynäkologen in dieses Modellprojekt aufzunehmen.
Im November sollen zum Thema der Risikovorsorge bei Diabetes Gesundheitstreffs in Rostock, Schwerin und Neubrandenburg initiiert werden. Das Wertvolle an diesem Projekt – auch wenn Sie den Kopf schütteln, Herr Rehberg, AOK scheint so ein Reizwort zu sein –
Sehr geehrte Damen und Herren, der eben beschriebene Präventionsgedanke liegt auch der Krankheitsfrüherkennung bei Kindern zugrunde. Die Krankheitsfrüherkennungsuntersuchungen dienen dem Ziel, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Krankheiten festzustellen, die die normale körperliche und geistige Entwicklung des Kindes gefährden würden. Bei der Inanspruchnahme der Untersuchungen kommt es sehr auf ein gesundheitsbewusstes Verhalten der Eltern an. Die auch als U1 bis U9 bezeichneten Untersuchungen reflektieren die Lebensverhältnisse und beeinflussen sie zugleich. Genau darin liegt die unschätzbare Bedeutung dieser Untersuchungen.
Dem Gesundheitsbericht ist zu entnehmen, dass die ersten Untersuchungen außerhalb des Krankenhauses, also die U3 und U4, noch recht gut, die folgenden Untersuchungen schon weniger wahrgenommen werden. Bei der U5, hier geht es insbesondere um die Untersuchung des Hörsinns, fehlen bereits 10 Prozent der Kinder. Bei der U7, wo vor allem die Sehfähigkeiten getestet werden, wurden gar 20 Prozent weniger Kinder vorgestellt.
Die Konsequenz aus diesen verpassten Möglichkeiten, Fehlentwicklungen frühzeitig zu diagnostizieren, zeigt sich dann dramatisch an anderer Stelle. So ist allein im Landkreis Mecklenburg-Strelitz die Anzahl der Hörstörungen bei Kindern von 3,8 Prozent in ‘97 auf 4,8 Prozent in ‘98 gestiegen. Im gleichen Landkreis stieg die Häufigkeit von Sprachstörungen von 5,6 Prozent in ‘97 auf 10,2 Prozent in ‘98. Man möge sich das einmal vorstellen! Jedes zwanzigste Kind hat Hörstörungen, jedes neunte Kind Sprachstörungen. Experten vermuten, dass die Sprachstörungen vor allem darauf zurückzuführen sind, dass Eltern sich mit den betroffenen Kindern kaum unterhalten. Kinder, die übermäßig viel Zeit vor Bildschirmen verbringen, entwickeln logischerweise nicht eine angemessene Sprachfähigkeit.
Es stellt sich also die Frage: Wie kann zur vermehrten Inanspruchnahme der Krankheitsfrüherkennung motiviert werden? Einzelne Krankenkassen verschicken diesbezüglich automatisch Erinnerungsbriefe. Dennoch entwickelt die genannte Zahl der Eltern nicht das erforderliche Gesundheitsbewusstsein für ihre eigenen Kinder. Amtsärzte sagten mir, dass es oftmals eben diese Kinder sind, deren Vorstellung notwendig wäre, um Verhaltensauffälligkeiten beziehungsweise Entwicklungsrückstände zu erkennen und zu vermeiden. Ich war fast versucht, eine Art Begrüßungsgeld für die Inanspruchnahme der Frühdiagnostik anzuregen. Zu Recht haben meine Mitstreiterinnen im Arbeitskreis Gesundheit der PDS-Fraktion aber darauf hingewiesen, dass es moralisch gesehen ein Armutszeugnis wäre, wenn solche Mittel notwendig wären, um Eltern dazu zu bewegen, die Verantwortung für ihre Kinder wahrzunehmen. Insofern sprechen wir uns aber für eine Frühdiagnostik und -förderung von gefährdeten Kindern, notfalls auch unabhängig vom elterlichen Willen, aus.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen, dass eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren des Gesundheitswesens und somit für die soziale Kultur des Zusammenlebens die Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Eine EMNIDUmfrage aus dem Juni diesen Jahres hat ergeben, dass bundesweit 84 Prozent der Versicherten es für richtig halten, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung Junge für Alte und Gesunde für Kranke einstehen.
Interessanterweise – und da würde ich gern auch die Aufmerksamkeit von Herrn Glawe und Herrn Rehberg erheischen –, interessanterweise waren sich die Befragten auch über Parteigrenzen hinweg in dieser Frage einig. 87 Prozent der erklärten CDU-Wähler, 88 Prozent der erklärten SPD-Wähler und 86 Prozent der PDS-Wähler sprachen sich in dieser Umfrage für das Solidarprinzip aus.
Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, wie sehr der Mensch doch ein soziales Wesen ist. Eine Solidarität nur unter Kranken ist ebenso wenig machbar wie eine Solidarität nur unter Gesunden, denn ein Gesundheitswesen, das nicht auf dem Solidargedanken beruht, kann selbst nicht gesund sein. – Danke schön.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Gesundheitsorganisation definiert die Gesundheit als ein Grundrecht des Menschen. Gesund sein bedeutet nicht nur, nicht krank zu sein, sondern gesund sein bedeutet auch geistiges und seelisches Wohlbefinden. Die Sozialministerin hat Ähnliches gesagt in Bezug auf die Lebensqualität von Menschen. Wenn der Mensch sich wohl fühlt, ist dies eng mit der jeweiligen Lebenswelt, mit seinen Lebensumständen verbunden.
Dabei wird erst in den letzten Jahren erkannt, dass Frauen anders gesund beziehungsweise krank sind als Männer. Frauen sind erst seit wenigen Jahren im Fokus der Gesundheitsforschung. Krankheitsbezogene Studien, die Antworten zu Ursachen, Diagnosen und Therapien und dem Verlauf von Krankheiten geben, orientieren sich fast noch immer am Gesundheitsempfinden der Männer.
Gesundheitsempfinden von Frauen, ihre Krankheitsbilder und ihre Lebenssituation bleiben unbeachtet, denn geschlechtsspezifische Einflussfaktoren auf die Gesundheit sind bislang weitgehend unerforscht. So gilt zum Beispiel das Herzinfarktrisiko noch immer als eine Männerkrankheit und wird bei Frauen deshalb sehr häufig nicht erkannt. Das führt dazu, dass zum Beispiel in den USA Herzinfarkte bei Männern nur zu 31 Prozent tödlich verlaufen, bei Frauen aber zu 39 Prozent. Die Zahlen kann ich alle belegen.
Aber auch Arzneimittel müssen auf ihre unterschiedliche Wirkung bei Frauen und Männern untersucht werden. Derzeit werden die meisten Medikamente an männlichen Probanden getestet und dann auch für Frauen angewandt. So sind zum Beispiel Herzmedikamente nur an 8 5 Kilo schweren Männern erprobt worden. Nebenwirkungen und Risiken sind nicht geschlechtsspezifisch festgestellt. Dabei wird auch völlig außer Acht gelassen, dass der weibliche Stoffwechsel aufgrund des weiblichen Hormonhaushaltes anders arbeitet als der männliche. So macht sich in den letzten Jahren auch die Erkenntnis breit, dass Medikamente, die für männliche Krankheitsbilder angebracht sind, bei Frauen schädlich sein können. 1997 zum Beispiel musste ein verbreitetes Allergiemittel vom Markt genommen werden, denn es hatte bei Frauen in Kombination mit anderen Medikamenten zu Herzrhythmusbeschwerden geführt.
Legt man die erheblich höhere Lebenserwartung von Frauen gegenüber den Männern als Maßstab zugrunde, so scheint eine Verbesserung der Frauengesundheit überflüssig. Das könnten Sie hier sagen. Es bietet sich stattdessen geradezu an festzustellen, warum Männer eine kürzere Lebenserwartung haben als Frauen. Mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung kann heute damit rechnen, 80 Jahre alt zu werden.
Nur ein Drittel der Männer wird dieses Alter erreichen. Deshalb, denke ich, ist das Thema für die Männer auch interessant. Auch Männer könnten also von einer geschlechtsspezifischen Gesundheitsforschung profitieren.
Aber Männer und Frauen sind nicht nur anders krank, sie gehen auch unterschiedlich mit ihrer Krankheit, ihrer Gesundheit und ihrem Körper um. Das sagten schon meine VorrednerInnen. Meine Kollegin aus Kiel fasste es einmal mit den Worten zusammen: „Frauen pflegen ihren Körper, Männer pflegen ihr Auto.“
(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Andreas Bluhm, PDS: Na ja! Na ja! … – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und PDS)
Deshalb wären Prävention und Gesundheitsberatung um einiges effektiver, wenn genau diese Unterschiede berücksichtigt würden. Warum zum Beispiel werden Frauen sechsmal häufiger als depressiv eingestuft als Männer? Auch im Bereich der Suchterkrankungen gibt es deutliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Bei Frauen und Mädchen findet man eher die autoaggressiven Süchte wie Essstörungen und Medikamentenabhängigkeiten. Unter den Alkoholabhängigen, dazu hat die Sozialministerin auch ausführlich gesprochen, ist der Anteil der Männer größer,
obwohl auch hier die Frauen aufholen. In ihrer Sucht sind sie aber unauffälliger und weniger wahrnehmbar.
Es ist deshalb nur konsequent, eine Gesundheitsberichterstattung auch an Fragen der Frauengesundheit zu orientieren. Das ist hier mein Anliegen. Es muss eine geschlechtsdifferenzierte Berichterstattung stattfinden. Der vorliegende Gesundheitsbericht differenziert bei Daten über Mortalität und Morbidität weitgehend zwischen Frauen und Männern. Darüber bin ich auch sehr froh. Dies reicht aber noch nicht aus, sondern es müssen künftig auch die weiblichen Lebenszusammenhänge berücksichtigt werden.
Diese Erkenntnis ist auch bei der 1. Frauengesundheitskonferenz in Mecklenburg-Vorpommern, die ich anregte, im Dezember 1998 in Rostock zum Thema „Frauengesundheit in der Gleichstellungspolitik“ ganz deutlich geworden. Als Ergebnis der Konferenz gemeinsam mit dem Landesfrauenrat und dem Frauenbildungsnetz hat sich ein landesweiter Arbeitskreis „Frauengesundheit“ gegründet. Darin arbeiten Selbsthilfegruppen, Verbände, der Landesfrauenrat, Gesundheitsorganisationen und die Landesregierung mit. Im November 2000 findet auf Initiative dieses Arbeitskreises eine Konferenz zum Thema Brustkrebs statt.
Das Ziel des Arbeitskreises ist es, ein Programm zur Förderung der Frauengesundheit in Mecklenburg-Vorpommern zu entwickeln. Das soll in der Zusammenführung interessierter gesellschaftlicher und privater Personen geschehen und zu einer breiteren Sensibilität in der Öffentlichkeit für die unterschiedlichen Gesundheits
problematiken von Männern und Frauen führen, und das sowohl für Laien als auch für Ärzte und Ärztinnen und andere medizinische Fachkräfte.
Bereits 1998 ist das für Mecklenburg-Vorpommern vorhandene Zahlenmaterial aufgearbeitet worden, das über Krankheiten, Verhalten und Sterben der Frauen öffentlich zugänglich ist. Daraus ist ein inoffizieller Frauengesundheitsbericht unter dem Titel „Wie geht es uns heute?“ von Frau Professor Karin Reis entstanden. Dieser Bericht dient dem Arbeitskreis als Grundlage, die Weiterentwicklung eines Frauengesundheitsberichts für MecklenburgVorpommern voranzutreiben.
Eine künftige Gesundheitsberichterstattung für Mecklenburg-Vorpommern müsste auch über geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Ursachen, der Ausprägung, der Symptomatik und bei der Empfindung von Gesundheit und Krankheit Auskunft geben. Eine Gesundheitsberichterstattung muss nach den biologischen und sozialen Faktoren für die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Gesundheitslage fragen. Es muss danach gefragt werden, welchen Einfluss die Teilnahme am Erwerbsleben für die Gesundheit von Frauen hat. Das wurde hier auch schon kurz erwähnt. Das Thema „Frauen, Arbeitsmarkt und Krankheit“ gerät je nach Arbeitsmarktlage immer wieder in die Diskussion. Frauen haben allerdings nicht mehr Fehlzeiten aufzuweisen als Männer und es ist danach zu fragen, ob sich auch in Mecklenburg-Vorpommern bestätigen lässt, dass die Teilnahme am Erwerbsleben einen positiven Einfluss auf die Gesundheit von Frauen, natürlich auch von Männern hat.
Eine Frauengesundheitsberichterstattung ist also zukünftig notwendig, um zu zeigen, dass Frauen in unserem Land Gesundheit anders als Männer erleben, anders definieren und ihre Belastungen anders bewältigen. Nur mit einer derzeit dezidierten Berichterstattung ist es auch möglich, eine geschlechtergerechte Gesundheitspolitik für unser Land zu machen. Ich denke, wenn man das so durchführen würde, hätten beide Geschlechter Vorteile davon. – Vielen Dank.
Kann ich davon ausgehen, dass wir nach der jetzigen Aussprache die Unterrichtung durch die Landesregierung auf Drucksache 3/1249 verfahrensmäßig für erledigt erklären? – Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, Verfassung, Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten gemäß § 32 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtages – Stellungnahme zu dem Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit dem Aktenzeichen LVerfG 4/98, Drucksache 3/1502.
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, Verfassung, Geschäftsordnung, Wahlprüfung und Immunitätsangelegenheiten (Rechtsausschuss) gemäß § 32 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Landtages:
Stellungnahme zu dem Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht MecklenburgVorpommern mit dem Aktenzeichen LVerfG 4/98 – Drucksache 3/1502 –
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache nicht vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist auch das so beschlossen.