Protokoll der Sitzung vom 15.11.2000

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Tun Sie das! – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ja.)

Dann ziehen Sie selber die Differenz von Jahr zu Jahr zu dem, was 13 Jahre mehr kosten, und zu dem, was die Aufstockung der Stundentafel mehr kosten würde. Mehr kosten 13 Jahre, mehr kostet auch die Aufstockung der Stundentafel.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Darüber haben wir doch noch gar nicht geredet.)

Und wenn Sie diese Differenz bis 2010 gezogen haben werden, plus der Geburtenentwicklung, plus der Debatte über ein flächendeckendes Ganztagsschulangebot – denn anders werden wir die langen Schulwege, gerade bei Gymnasien, nicht in den Griff bekommen –, dann lassen Sie uns konstruktiv weiter darüber streiten. Wir müssen doch nicht auf andere warten, ehe die sich bewegen. Warum bewegen wir uns nicht zuerst einmal selber? Wozu sind wir überhaupt in diesem Land gewählt worden? Nur damit Sie immer nein sagen, dass wir wieder einen Standortvorteil zurückholen?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Herr Rehberg, Sie müss- ten mal mit in den Finanzausschuss kommen!)

Am meisten war ich heute überrascht, in der „Schweriner

Volkszeitung“ die vehemente Kämpferin gegen 12 Jahre Abitur, Frau Bretschneider, zu hören.

(Heiterkeit bei Sylvia Bretschneider, SPD: Oh, das ist ja ganz was Neues!)

Frau Bretschneider, wir haben als CDU immer gesagt, dass ein qualifiziertes Abitur auch in kürzerer Schulzeit zu erreichen ist.

(Sylvia Bretschneider, SPD: Ja, habe ich auch, habe ich auch!)

Frau Bretschneider, 1996 haben gerade Sie persönlich dafür gesorgt, dass heute unsere Kinder 13 Jahre zur Schule gehen müssen, um das Abitur abzulegen. Das ist die Wahrheit und nichts anderes!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Sylvia Bretschneider, SPD: Also das ist doch impertinent, was Sie da sagen! – Heike Lorenz, PDS: Na das ist nun aber wirklich albern, so eine Argumentation! – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Frau Bretschneider, ich habe einen Vorteil, ich war 1996 dabei im Koalitionsausschuss und auch anderswo habe ich die SPD damals erlebt, wie sie uns die Pistole auf die Brust gesetzt hat:

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD und PDS – Sylvia Bretschneider, SPD: Er hat einen gestörten Wahrnehmungssinn.)

„Wenn Ihr diesen faulen Kompromiss nicht mitmacht, dann stimmen wir mit der PDS für die sofortige Einführung des 13. Schuljahres!“ Wir hatten damals die Hoffnung, dass sich bundesweit noch etwas bewegt. Das ist von Bayern und von anderen SPD-geführten Ländern verhindert worden. Das gebe ich zu. Aber Sie hätten die Chance gehabt,

(Heiterkeit und Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

mit uns die Stundentafel aufzustocken. Sie haben es nicht getan.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Die CDU gefangen von der SPD! Ich könnte weinen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sind Sie sich einmal darüber im Klaren gewesen, was Sie den jungen Menschen in diesem Land angetan haben? Haben Sie schon mal junge Menschen gefragt, ob man einfacher ja sagt zum Studium, wenn man das Abitur mit 18 ablegt oder wenn man es erst mit 19 oder 20 ablegen kann und dann noch fünf oder sechs Jahre an den Universitäten oder Fachhochschulen dazuzählen muss?

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Ach, jetzt haben wir schon 14 Schuljahre, oder was?)

Warum kommen wir heute nur auf eine Studienquote von 57 Prozent? Das kann doch nicht normal sein, das kann doch nicht Zielstellung sein, dass nicht mal oder nur knapp jeder Zweite zum Studium geht.

(Andreas Bluhm, PDS: Na ja, dann gucken Sie sich mal die Übergangsquoten an! Das hat ja auch eine Ursache, ne?!)

Wenn ich zitieren darf...

(Andreas Bluhm, PDS: Ne?!)

Herr Kollege Bluhm, wenn wir über den Zugang zum Gymnasium in Mecklenburg-Vorpommern reden wollen,

(Andreas Bluhm, PDS: Ja.)

dann müssen wir auch mal darüber diskutieren, warum bei uns 50 Prozent zum Gymnasium gehen können und wir eine Studienquote von nicht mal 60 Prozent haben, warum aber in Baden-Württemberg, Hessen und Bayern 25 Prozent zum Abitur gehen, in Sachsen und Thüringen nur knapp über 30, aber warum die Studienquoten dort zwischen 65 und 80 Prozent erreichen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Andreas Bluhm, PDS: Das hat mit dem Übergang zu tun.)

Dann müssen wir auch einmal darüber reden. Wenn wir über Qualität von Abitur reden, dann bitte ab Klassenstufe 5 beginnend.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Andreas Bluhm, PDS: Richtig. – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie vielleicht an die

Schulpädagogikprofessorin Frau Anne Eckerle, die sagt: „Unsere Jugendlichen werden entschieden zu spät aus der Schule entlassen und haben dadurch“ – Hören Sie zu! – „berufliche Nachteile.“ Und weiter: „Fast alles spricht für 12 Jahre Schulzeit.“ Und wenn ich dann noch am 1. September Schülerinnen und Schüler höre aus Greifswald von einem Gymnasium, die in die Klassenstufe 13 kommen und die sagen, das 11. Jahr ist ein verschenktes Jahr gewesen, wissen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von SPD und PDS, dann hören Sie wenigstens auf die Schüler!

(Gesine Skrzepski, CDU: So ist es! – Heidemarie Beyer, SPD: Es gibt aber auch viele, die das anders sehen. – Zuruf von Sylvia Bretschneider, SPD)

Dann hören Sie wenigstens auf die Schüler und sorgen Sie mit dafür, dass diese Gesetzesnovellierung in den Ausschuss überwiesen wird und dass wir uns gemeinsam Gedanken machen, wie Mecklenburg-Vorpommern endlich wieder dazu kommen kann, dass hier in 12 Jahren das Abitur abgelegt wird. Hängen Sie die Debatte nicht am Datum auf, hier geht es um eine Richtungsentscheidung für die jungen Menschen in Mecklenburg-Vorpommern und somit für das ganze Land! – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Kollege.

Im Ältestenrat wurde beschlossen, eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vorzunehmen. Ich sehe, dazu gibt es keinen Widerspruch.

Dann können wir in die Aussprache eintreten.

Zunächst hat ums Wort gebeten der Bildungsminister. Bitte sehr, Herr Professor Kauffold, Sie haben das Wort.

Frau Vorsitzende! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sicher richtig, die Lebenszeit junger Menschen nicht unnötig lange durch ihre Schullaufbahn in Anspruch zu nehmen. Darüber sind wir uns sicher alle einig. Und in diesem Zusammenhang steht ja die Frage, die allgemeine Hochschulreife in 12 statt in 13 Jahren zu erlangen.

Sie kennen alle den KMK-Beschluss – wir haben darüber schon öfter diskutiert –, wonach nach dem Hamburger Abkommen die Schulzeit bis zum Abitur 13 Jahre beträgt. Das Abitur wird auch nach einer Gesamtschulzeit von 12 Jahren anerkannt, wenn 265 Wochenstunden vom Sekundarbereich I und von der gymnasialen Oberstufe absolviert werden. Dann gibt es noch eine Entwicklungsklausel, die Abweichungen wie das Überspringen von Klassen vorsieht.

Sie nehmen es mir sicher ab, dass es mir kein Vergnügen bereitet, das 13. Schuljahr zu exekutieren –

(Zuruf von Heike Lorenz, PDS)

dem Beschluss der KMK gemäß, nach Auslaufen der Übergangsbestimmungen für die neuen Bundesländer ab 2000, im Interesse einer deutschlandweiten Anerkennung der Reifezeugnisse der jungen Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern und auf der Grundlage der Hinterlassenschaften meiner politischen Vorgänger.

(Heike Lorenz, PDS: Das ist wohl wahr.)

Nicht wahr? Das müssen wir doch sehen. Das ist hier ein Geschichtsexkurs. Da können wir ja noch weiter in die

Geschichte zurückgehen. Viele Tausend Menschen, viele, sehr viele Tausend Menschen haben mit einem Abitur nach 12-jähriger Schulzeit im Osten der Bundesrepublik ein Studium erfolgreich aufgenommen und erfolgreich abgeschlossen. Wir wissen also, dass das geht. Es ist also sehr schwierig für mich, ich gehöre ja auch zu diesen Leuten, einen solchen Beschluss zu exekutieren.

Und wir betrachten nun ja auch die neuere Geschichte –

bisher war das ja im Wesentlichen so –, nämlich die Geschichte unseres Bundeslandes seit 1990. Und da müssen wir dann auch noch einige andere Gesichtspunkte zur Kenntnis nehmen. Uns fehlen einfach 23 Wochenstunden. Die sind nicht da. Und wo sollen die nun angestückt werden, wenn nicht hinten? Wie wollen wir das machen, da die Einführungsphase und die Klassen 12 und 13, also die gymnasiale Oberstufe, ein Paket sind, wenn wir nicht die gymnasiale Oberstufe neu ordnen? Wie sollen wir denn das machen? Und da hat das Schulgesetz ja eine Handlungsgrundlage, eine Handlungsverpflichtung gegeben, dass das nämlich ab 01.08.2000 passiert, dass wir 13 statt 12 Schuljahren haben. Das sind also nun Tatsachen.

Die Opposition hat jetzt die Beispiele aus den alten Bundesländern sowie Sachsen und Thüringen zitiert. Wir müssen doch nun zur Kenntnis nehmen, dass die Sachsen nicht bloß helle sind, sondern dass sie auch politisch glaubwürdig sind, weil sie nämlich, beginnend von 1992, im Sekundarbereich I von Klasse 5 bis 10 200 Wochenstunden haben.

(Andreas Bluhm, PDS: Richtig.)