Protokoll der Sitzung vom 16.11.2000

Zweitens will ich hier sagen, weil das auch anklang bei Ihnen, Herr Seidel, mit der Berufsfrühorientierung, ich war am 25.10. in Hannover zu einer internationalen Beratung zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Da wurde das Land Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich hervorgehoben und gelobt, weil wir das einzige Land sind – das ist nun wahrlich nicht mein Verdienst, deswegen sage ich das jetzt mal in etwas allgemeiner Form, sondern glau

be schon, dass sich das auch Herr Kuessner an die Brust heften kann,

(Heiterkeit bei Jürgen Seidel, CDU: Das hefte ich mir auch an die Brust.)

und Sie, ja bitte, auch Sie, Herr Seidel, okay, also alle diejenigen, die sich das an die Brust heften wollen, können das gerne tun –, welches berufsorientierend beispielgebend in der Bundesrepublik Deutschland und Europa praktiziert, und wir werden das auch in der Zukunft so tun.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Das soll man hier wirklich auch objektiv feststellen.

(Vizepräsidentin Kerstin Kassner übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben das, wie gesagt, am Dienstag beraten. Wir haben im Kabinett darüber gesprochen, dass wir genau den Schnellschuss nicht wollen, was ja auch die CDU und namens Herr Born damals im Oktober eingefordert haben, und wir sind jetzt dabei, systematisch diese Ansprüche umzusetzen. Nun, glaube ich, ist es legitim, dass ein zuständiger Minister, in dem Falle meine Person als Arbeitsminister, Gedanken äußert, wie er sich denn vorstellt, dieses Problem der Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen.

Herr Seidel hat drei Punkte angesprochen, die habe ich in der Tat genannt. Zu diesen drei Punkten stehe ich auch. Und diese drei Punkte werden wir auch in die Debatte der interministeriellen Arbeitsgruppe einbringen.

Nun ist es nicht so, wie der schöne Spruch heißt: „Wenn Du nicht mehr weiterweißt, bilde einen Arbeitskreis.“

(Zuruf von Götz Kreuzer, PDS)

Ja, das mag sein.

Ich bin gestern nach dem Sinn und Zweck einer interministeriellen Arbeitsgruppe von Journalisten befragt worden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine interministerielle Arbeitsgruppe, wenn sie tatsächlich zielorientiert arbeitet, viel schneller Ergebnisse auf den Tisch packt, als wenn ein Ministerium alleine Vorschläge macht und die Tippel-Tappel-Tour der Ressortabstimmung betreibt. Deswegen habe ich darauf gedrungen im Kabinett, dass wir zu einer solchen Arbeitsgruppe kommen, damit wir sehr schnell solche Ergebnisse auf den Tisch packen können, um also den Anspruch, der hier heute noch mal formuliert wird und formuliert wurde, tatsächlich zu befriedigen. In dem Sinne meine ich, Ihr Antrag in Ehren, aber er kommt einfach zu spät.

Wir können das Problem der Jugendarbeitslosigkeit natürlich hier nicht wegdiskutieren, wir sind uns in der Einschätzung der Problematik, glaube ich, alle einig. Ob das da nun 1.000 mehr oder weniger sind, das ist jetzt nicht die Frage. Über die statistische Datenlage möchte ich jetzt nicht philosophieren. Wir haben, wie gesagt, hier eine ernste Situation. Die Koalition, die Landesregierung stellt sich dieser Situation, auch der Landtag mit der heutigen Debatte. Aber ich bin eben der Auffassung, es ist kein Thema für Balkonpolitik, sondern es ist zu ernst, um hier Sonntagsreden zu halten. Wir sollten tatsächlich die Fakten bewerten und dann zu Lösungsmöglichkeiten kommen.

Und da bin ich sehr froh, Herr Seidel, über Ihre Rede – das will ich sagen –, weil Ihre Rede sich deutlich von dem Antragspapier unterscheidet. Es gibt Einzelpunkte, da sind wir unterschiedlicher Auffassung – das will ich jetzt im Einzelnen auch gar nicht analytisch auseinander nehmen –, aber den Part, den Sie beschrieben haben, was man im Bereich der Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik tun kann, da, glaube ich, gibt es viele Gemeinsamkeiten und darüber sollte man tatsächlich reden. Ich meine, irgendwo gleichen wir uns beide ja in dieser sachlichen Art, wir sollten genau diese Fragen miteinander diskutieren. Der Ausschuss hat ja Selbstbefassungsrecht und wir können doch in unserem Ausschuss über diese Fragen reden. Also mein Angebot ist: Ich stelle Ihnen die Datenlage zur Verfügung und dann lassen Sie uns über die Ausgangsdaten diskutieren und auch über die konzeptionellen Gedanken, die in der interministeriellen Arbeitsgruppe erarbeitet werden.

Wir brauchen das Engagement – und da gibt es auch keinen Unterschied –, das Engagement der Politik und der Wirtschaft gleichermaßen, um hier voranzukommen. Ich meine, das Rezept – so, wie es im Entschließungsantrag steht, das will ich hier betonen –, einzig und allein auf die Wirtschaft zu setzen, ist meines Erachtens falsch, weil wir damit die gegenwärtige wirtschaftliche Situation in Mecklenburg-Vorpommern ganz einfach überfordern, bei aller Anerkenntnis, was Wirtschaft leistet. Und dem Dank, der hier schon ausgesprochen wurde, kann ich mich nur anschließen, was die Kreativität und das Engagement der Unternehmen für die Schaffung neuer Ausbildungs- und Arbeitsplätze betrifft. Aber es fehlen eben die entsprechenden Strukturen, um all die jungen Leute aufzunehmen, die auf den Arbeitsmarkt drängen.

Ich meine, wir brauchen hier die analytische Arbeit und die Initiierung erster Programmelemente. Und die Frage nach der haushaltsrechtlichen Voraussetzung, die hier zu stellen ist, wird morgen im Finanzausschuss eine Rolle spielen. Die Koalitionsfraktionen in Übereinkunft mit der Landesregierung werden vorschlagen, im Haushaltsrechtsgesetz für 2001 eine entsprechende Ermächtigungsklausel aufzunehmen, um dann auch Finanzierungsmöglichkeiten für die Programmpunkte, die zu erarbeiten sind, entsprechend auszuarbeiten.

Ganz klar ist, auch das ist angesprochen worden, dass Abwanderungstendenzen junger Fachkräfte und Jugendarbeitslosigkeit zwei miteinander verbundene Themen, Problemkreise sind. Und wer auf der einen Seite über Mobilitätsförderung nachdenkt, sollte auf der anderen Seite darüber nachdenken, wie wir Jugendliche an dieses Land binden können, auch wenn sie sich außerhalb Mecklenburg-Vorpommerns befinden.

(Wolfgang Riemann, CDU: Statt „Jugend baut“ „Familien bauen“.)

Ich habe dazu im Landtag bereits gesprochen. Ich will mich an dieser Stelle nun wirklich nicht wiederholen.

(Harry Glawe, CDU: Können Sie mir mal sagen, warum Sie die Nachschiebeliste nicht zur Verfü- gung stellen, wenn Sie morgen kommen sollen?)

Das läuft doch hier, wie ich das so verstanden habe, zwischen den finanzpolitischen Sprechern.

(Wolfgang Riemann, CDU: 16.00 Uhr! 16.00 Uhr!)

Drehen Sie sich doch bitte um

(Angelika Gramkow, PDS: Die Liste ist bereits dem Finanzausschuss übergeben worden.)

und fragen Sie Herrn Riemann!

(Wolfgang Riemann, CDU: Herr Nolte soll sie schon haben.)

Ja, sehen Sie, Herr Nolte soll sie schon haben. Herr Riemann als Mitglied des Finanzausschusses verkündet das hier.

(Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS)

Also ich meine, Herr Glawe, der Prozess läuft bereits.

(Unruhe bei Harry Glawe, CDU, und Angelika Gramkow, PDS)

Ich möchte hier nur sagen, der Antrag kommt zu spät, hat sich an und für sich selbst erledigt. Ich möchte abschließend darauf hinweisen, dass die Bundesregierung, namentlich der Bundeskanzler, bei einem Treffen mit den DGB-Chefs Ost sich ebenfalls auf Maßnahmen verständigt hat. Wir waren da etwas Vorreiter in unseren Überlegungen. Und ich meine, es hat auf Bundesebene etwas gedauert, aber es ist nun eben so, und ich sehe nicht ein, warum wir im Küstenland Mecklenburg-Vorpommern gegen den bundesdeutschen Trend segeln sollten. Hier gilt tatsächlich das Wort: In der Gemeinsamkeit liegt die Kraft, gerade in der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. – Schönen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister.

Ich schließe damit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1570. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Vielen Dank. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS abgelehnt. Dafürstimmen gab es nur von Seiten der CDU-Fraktion.

(Wolfgang Riemann, CDU: Wieso „nur“?!)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 19: Beratung des Antrages der Fraktionen der SPD und PDS – Küstenschutz Insel Hiddensee, Drucksache 3/1577.

Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Küstenschutz Insel Hiddensee – Drucksache 3/1577 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Dr. Klostermann von der SPD-Fraktion. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht müde werde, immer wieder zu betonen, unser Mecklenburg-Vorpommern ist als Küstenland geographisch bevorzugt mit einem natürlichen Standortvorteil, mit dem eigentlich nur die Alpenländer konkurrieren können. Man sollte deswegen beileibe nicht die Nase hoch tragen. Es muss uns immer wieder darum gehen, das Rückgrat dieses geographischen Standortvorteils zu stärken.

(Beifall Beate Mahr, SPD)

Wir tragen dafür eine gesellschaftliche Verantwortung für uns und die künftigen Generationen, und zwar nicht nur im Küstenbereich, sondern auch für die Ostsee. Und unsere Verantwortung endet nicht nach zwölf Seemeilen, sie erstreckt sich mit Bundesverantwortung auch auf die ausschließliche Wirtschaftszone. Dieser Grundsatz mit seinem realen geopolitischen Ausgestaltungsauftrag lässt sich bei weitem nicht allein damit erfüllen, die natürliche Attraktivität in Kurtaxe umzumünzen, bei aller Wertschätzung für die Tourismusbranche.

(Beifall Beate Mahr, SPD)

Meine Damen und Herren Abgeordnete, wer den Antrag der Koalitionsfraktionen auf Drucksache 3/1577 durchliest, könnte den Eindruck bekommen, dass es sich hier um das oder ein Problem der Insel Hiddensee allein handelt.

Schön und gut, dass das im Generalplan Küsten- und Hochwasserschutz Mecklenburg-Vorpommern von 1994 unter Nummer 19 geplante Vorhaben der Ringeindeichung der gesamten Ortslage Neuendorf/Hiddensee vollendet ist. Immerhin wird künftig unser Land noch rund 20 Jahre in der Pflicht bleiben, die lange Liste der vorrangigen Dringlichkeiten im Küstenschutz abzuarbeiten.

Dieser Landtag hat im November 1992 die 141 Paragraphen einschließlich zweier Anlagen des Landeswassergesetzes beschlossen und damit auch den nun in Kritik geratenen Paragraphen 83 zum Küstenschutz. Hierin ist derselbe als öffentliche Aufgabe bestimmt, formuliert als Pflicht zur Sicherung der Küsten, eine Pflichtaufgabe, die sich explizit auf den Schutz von im Zusammenhang bebauten Gebieten erstreckt. Und mit der Komplettierung der Gesamtheit der Küstenschutzanlagen vor einem Jahr auf der Insel Hiddensee besitzt der Dünenabschnitt südlich von Neuendorf folglich keine Schutzfunktion mehr für diese Ortslage im Sinne des Wassergesetzes. Im Klartext: Für die Einwohner Neuendorfs ist mit der Vollendung des Ringdeiches ausreichender Schutz gegen Sturmfluten hergestellt. Nach bestem Wissen und Gewissen? Der weitere Unterhalt südlich der Dünen ist nicht mehr erforderlich. Und das gesamte Schutzsystem ist in Funktion und auch wissenschaftlich-technisch auf neuestem Stand erfolgreich.

Nun zur Dünensicherung. In voller Verantwortung des Gesetzesvollzugs hat sich die Exekutive, also in diesem Falle das Umweltministerium, weiterhin die Frage gestellt, welche Konsequenzen die künftige Aussetzung der Dünenunterhaltung südlich Neuendorfs auf die Schutzfunktion für die Küste Westrügens hätte. Man bediente sich fachlicher Begutachtung und stellte die Ergebnisse in Stralsund am 20.06.2000, in diesem Jahr also, öffentlich vor. Die Konsequenz ist: keine Schutzfunktion für Westrügen, auch bei einem möglichen Dünendurchbruch bis zu 500 Metern Breite. Damit waren beide Kriterien zur weiteren Dünenunterhaltung entfallen.

Aber diese Brisanz war kaum jemandem aufgefallen. Wie denn auch? Die Gutachter fanden für ihre Darstellung nur wenig interessierte Zuhörer. Erst als seitens des Umweltministeriums auf freiwilliger Basis eine Anhörung zum Thema „Herausnahme eines Dünenabschnittes südlich Neuendorf“ ausgeschrieben wurde, erhoben sich unter anderem über die Medien wahre Proteststürme mit Schlagzeilen wie, ich darf zitieren, „Neues Gutachten –

Hiddensee wird es schon bald zerreißen“, „Hiddensee droht Überflutung“, „Insulaner befürchten grüne Experimente“, „Bricht Hiddensee auseinander?“, „Küstenschutz vor dem Aus?“. Das war eine Auslese.

(Lutz Brauer, CDU: Wo haben Sie denn das gelesen?)