Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Richtig.)

Und das ist immer wieder fortgesetzt worden. Daran sollte man mal denken. Nach den jüngsten Beschlüssen geht Morsleben nicht mehr. Die tragenden Elemente des bisherigen Entsorgungskonzeptes für radioaktive Abfälle sind inhaltlich als gescheitert zu betrachten und haben keine sachliche Grundlage mehr. All dies ist auch einer von mehreren Gründen für den Ausstieg aus der Atomenergie. Der Entsorgungsvorsorgenachweis ist atomrechtlich hinsichtlich des angestrebten Zieles des Verbotes der Wiederaufarbeitung neu zu konzipieren.

Also vom Grunde her muss man neu an die Überlegungen herangehen und frühere Vorstellungen sind mehrfach – s o ist uns ja bekannt – grundlegend geändert und über Bord geworfen worden. So scheiterte zum Beispiel der von der alten niedersächsischen Landesregierung benannte Standort Gorleben – Frau Holznagel hat darauf hingewiesen – für ein nukleares Entsorgungszentrum. Danach wurden Projekte an mehreren Standorten verfolgt. Die Eignung des Standortes Gorleben wird durch neue Erkenntnisse, Entwicklungen und Bewertungen, insbesondere auch im internationalen Rahmen, in Zweifel gezogen. Angesichts dessen muss erneut geprüft werden, ob die Suche nach einem Endlager mit diesem Standort gelöst werden kann.

Mit Erlass des Atomgesetzes, meine Damen und Herren, hat der Gesetzgeber 1959 die Unabdingbarkeit größtmöglichen Schutzes vor den Gefahren der Kernenergie und damit die Grenzen der Nutzung bestimmt. Aus heutiger Sicht muss das Aufkommen an wärmeentwickelnden Abfällen – das sind die hochradioaktiven Abfälle – möglichst eng begrenzt werden und das Entstehen neuer Mengen ist so weit wie möglich zu vermeiden. Das heißt nichts anderes, als dass die Atomenergienutzung so schnell wie möglich zu beenden ist.

Im Übrigen folgt aus der Staatsaufgabe, alles Erforderliche dafür zu tun, dass ein Endlager eingerichtet wird, nicht die abstrakte Verpflichtung des Bundes, ein Endlager um jeden Preis einzurichten. Es geht dabei auch um den effektiven Einsatz bereitzustellender Haushaltsmittel und um zig Millionen sowie komplexe Prognoseentscheidungen. Daher hält es die Bundesregierung nicht für zweckmäßig, vor dem Jahre 2030 ein Endlager, das auch

zur Aufnahme wärmeentwickelnder Abfälle geeignet ist, zur Verfügung zu stellen. Die weitere Erzeugung abgebrannter Brennelemente und hochradioaktiver Abfälle bedeutet eine Hypothek auf die Zukunft, deren Deckung national wie international als faktisch ungewiss angesehen werden muss.

Die Erkundung in Gorleben wurde in erster Linie aus erheblichem Eignungsrisiko unterbrochen. Zugleich beginnt die Suche nach einem neuen Endlager. Dazu soll eine vom BMU eingerichtete Arbeitsgruppe, in der alle Parteien – auch die Konservativen – vertreten sind, Kriterien für die Prüfung von Standorten entwickeln helfen.

So sehr wir, meine Damen und Herren Abgeordnete, als SPD-Fraktion es begrüßen, dass sich die CDU dem Thema widmet, erwarten wir, dass bei diesen hochkomplizierten energiepolitischen Altlasten mit quasi unendlich langen Entsorgungszeiten und damit Gefährdungen für die menschliche Existenz, für die menschliche Gesellschaft nicht in Hektik verfallen wird. Aus diesem Grunde und der vorgenannten Beweisführung müssen wir Ihren Antrag leider ablehnen.

(Beifall Heinz Müller, SPD, Volker Schlotmann, SPD, und Angelika Gramkow, PDS)

Meine Damen und Herren! Im Übrigen können einige der Abgeordnete in diesem Hohen Haus schon etwas von der Vergangenheit zehren, indem Erinnerungen an den Besuch des Umweltausschusses im Salzstock Gorleben, im Schacht Konrad und im Salzstock Morsleben im November 1997 schnell wieder wach werden, wenn das Thema angeschnitten wird. Die Eindrücke hatten etwas von Science-Fiction – ich sage das aus persönlichem Erleben – an sich. In der symbolischen Einfahrt allerdings, mit einem primitiven Stahlkübel bis zu fast 900 Meter Tiefe, nämlich dem geplanten Einlagerungsstandort, in diesem Symbol sehe ich eine Art Dinosauriertechnik. Nomen est omen. Und ich denke, die neue Bundesregierung hat es übernommen, die Hausaufgaben, die über Jahrzehnte mies gemacht wurden, besser zu machen.

Ich freue mich, dass der Umweltminister zwei Komplexe angesprochen hat, die eigentlich unsere Probleme sind. Und ich erinnere beziehungsweise ich möchte Ihnen den Hinweis geben, wir haben dieses Thema der Privatisierung bereits schon einmal thematisiert hier in diesem Landtag. Ich sehe darin auch eine große Gefahr. Vielleicht sollte man es noch einmal aufgreifen.

Und die zweite Geschichte mit den Anträgen, die vorliegen und die, wenn sie ordnungsgemäß gestellt sind, eigentlich genehmigt werden müssen, die man nicht verwehren kann, ist schon ein starkes Stück. Daran sollten wir ansetzen und auch versuchen, über die Länder auf den Bund einzuwirken, um beides zu verhindern.

Damit bin ich am Schluss meiner Ausführungen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, Dr. Gerhard Bartels, PDS, und Angelika Gramkow, PDS)

Vielen Dank.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. König von der CDU-Fraktion.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Er ist wohl der Einzige in der CDU-Fraktion. – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da sehen Sie mal, Herr Schoenenburg!

Herr Minister, Sie sagten, die Endlagerung wird durch Bundesgesetz bestimmt. Das ist richtig, das ist auch unstrittig – kein Problem. Nur, wenn dort Änderungen getroffen werden, die uns in Mecklenburg-Vorpommern berühren, dann, denke ich mir, sind auch wir hier im Landtag gefordert. Dann können wir einfach nicht die VogelStrauß-Politik „Kopf in den Sand“ praktizieren und mal abwarten oder darauf vertrauen, dass die Damen und Herren in Berlin und Bonn schon das Richtige machen werden, oder, wie Sie es sagten, auf die Blauäugigkeit der Damen und Herren dort vertrauen. Ich denke, das geht so nicht, daher auch heute unser Antrag.

Auf die Notwendigkeit, sich mit einem solchen Antrag zu beschäftigen, wurde ja schon hingewiesen. Die eine Zahl – 35 Prozent der verbrauchten Energien, die durch Atomspaltung entstehen – ist schon eine Zahl für sich. Vor dieser Tatsache können und dürfen wir wohl auch bei einer rot-grünen Bundesregierung nicht die Augen verschließen. Darüber hinaus hat ja die ehemalige DDR auch auf die Nutzung der Kernenergie gesetzt und hat uns in Lubmin und Rubenow ein Denkmal dieser Kerntechnik hinterlassen.

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Ein tolles Denkmal!)

Ja, glücklicherweise erfolgt der Abbau dieses technischen Denkmals heute

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

durch das engagierte und zügige Handeln der damaligen Bundes- und Landesregierung so reibungslos, dass wir wohl mit Fug und Recht behaupten können, dass Mecklenburg-Vorpommern das erste Land der Bundesrepublik

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Ja.)

und sogar im internationalen Vergleich ist, das bei dem Rückbau von Kernkraftwerken über das notwendige technische Know-how verfügt.

(Minister Dr. Wolfgang Methling: Stimmt.)

Dieser Umstand kann für die betroffenen Unternehmen und Personen vielleicht zukünftig noch einmal von Bedeutung und zum Vorteil dieser Damen und Herren werden.

All diese positiven Aspekte, meine Damen und Herren, können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir die radioaktiven Abfälle aus Rheinsberg und Lubmin ins Zwischenlager Nord bringen und dort erst einmal sicher verwahren müssen.

Und, Herr Klostermann, da können wir ja froh sein, dass wir das Zwischenlager recht groß gebaut haben, denn nach den Worten von Ihnen haben wir nun 40 Jahre Zeit und müssen möglicherweise auch die Zeit ausnutzen,

(Zurufe von Dr. Henning Klostermann, SPD, und Volker Schlotmann, SPD)

bis es dann zu einer vernünftigen und technisch abgesicherten Endlagerung kommt.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Wollen Sie nun auch noch den Atommülltransport nach Lubmin, oder was?)

Für unseren Abfall, Herr Bartels, den wir haben. Wir können ihn doch leider nicht herausholen aus dem Zwischenlager.

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Das ist doch trotzdem zu groß.)

Dass ein solches Endlager auf bundesdeutschem Territorium liegen soll, ich glaube, darüber besteht parteiübergreifend Konsens. Wenn allerdings nun die Bundesregierung Erkundungen des Salzstocks in Gorleben aus rein politischen Gründen, mit an den Haaren herbeigezogenen Gründen aussetzen

(Peter Ritter, PDS: Also an den Haaren herbeigezogen war es nun wirklich nicht.)

und neue Untersuchungen zum Standort einleiten will, dann, denke ich mir,...

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Herr Dr. König, Sie sind doch Physiker!)

Ja, genau.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Erzählen Sie doch nicht solche Sachen!)

... ist Mecklenburg-Vorpommern, Herr Bartels, davon im doppelten Sinne betroffen: einmal, was die Standortfrage anbelangt – aber da haben wir ja vom Minister gehört, dass die Salzstöcke in unserem Bundesland dafür hoffentlich nicht in Frage kommen –,

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Sie sollten eigentlich als Wissenschaftler ein bisschen seriöser argumentieren.)

und zum anderen, was die Verzögerung anbelangt. Und die andere Änderung, die uns als Land betreffen wird, das ist mit dem Wort „Verstopfungstheorie“ zu umschreiben.

Meine Damen und Herren! Gleichzeitig hat die Bundesregierung in den so genannten Konsensgesprächen den beteiligten Betreibern von Kernkraftwerken die Zusage gegeben, von einer Verstopfungsstrategie Abstand zu nehmen. Dennoch gab es seit 1998 keine Castortransporte in Deutschland mehr.

Auf der Grundlage von bilateralen Verträgen verweigert Frankreich die Abnahme von abgebrannten Brennelementen aus dem deutschen Kernkraftwerk zur Wiederaufbereitung so lange, bis aufbereitete Brennelemente seitens der Bundesrepublik Deutschland wieder abgenommen werden. Diese Tatsache, meine Damen und Herren, führt in der Endkonsequenz dazu, dass die Kernkraftwerke in den alten Bundesländern schon heute an ihre Kapazitätsgrenzen hinsichtlich der Einlagerung von abgebrannten Brennelementen stoßen.

Will sich die rot-grüne Bundesregierung nun einerseits an die Verträge mit Frankreich und andererseits an die Vereinbarung mit den Kernkraftwerksbetreibern halten, so bleibt ihr nur übrig, alternative Standorte für die Zwischenlagerung von abgebrannten Brennelementen zu suchen und, wenn sie sie gefunden hat, wohl auch zu nutzen.

Die seitens der Bundesregierung favorisierte Lagerung dieser Brennelemente in Zwischenlagern bei den Kernkraftwerken ist wohl aus heutiger Sicht aus genehmi

gungstechnischen Gründen nur langsam – ich denke da an einen Zeitraum von fünf oder mehr Jahren – möglich. Ein Transport abgebrannter Brennelemente in das Zwischenlager Gorleben ist für die Herren Schröder, Fischer und Trittin wohl aus politischen Gründen sehr schwierig. Sie werden wohl an dieser Stelle die Geister, die sie vorher riefen, nicht mehr los, so dass Castortransporte nach Gorleben nur mit erheblichen Widerständen durchführbar sind.

(Volker Schlotmann, SPD: Sonst nicht? Wo leben Sie denn?! – Minister Dr. Wolfgang Methling: Das sieht auch Frau Merkel so.)

Alle diese Fakten, meine Damen und Herren, lassen folglich die Vermutung zu, dass die Bundesregierung auf das mit Bundesmitteln errichtete Zwischenlager Nord in Lubmin/Rubenow zurückgreifen könnte. Ich sage hier, könnte. Ob dann noch fraktionsübergreifende Beschlüsse unseres Hohen Hauses eine Rolle spielen, gut, das wage ich zu bezweifeln, und ich glaube, dafür gibt es dann auch Gründe, dies anzunehmen. Darauf wies ja der Minister auch hin, dass dann wohl Dinge über unsere Köpfe hinweg entschieden werden könnten.