worum es uns in der Sache geht, warum wir erst den einen Antrag gestellt, diesen dann zurückgezogen und nun den Änderungsantrag gestellt haben und warum der Landtag nach unserer Überzeugung der Rechtsauffassung der CDU-Fraktion im Ergebnis folgen sollte.
Der nun zurückgezogene Antrag war zweifellos notwendig, um der vom Verfassungsgericht gesetzten Frist zur Abgabe der Stellungnahme Folge leisten zu können, auch wenn vom Antragsgegner zu 2., dem Landtagspräsidenten, Verlängerung der Einlassungsfrist beantragt wurde. Auch wenn Sie es, verehrte Damen und Herren von der Koalition, hier nicht unbedingt zugeben werden, ich bin mir ziemlich sicher, dass sich ohne den Antrag der CDU-Fraktion der Rechtsausschuss in der Sache noch nicht abschließend zu dem Organstreitverfahren geäußert hätte, geschweige die Beschlussempfehlung und den Bericht ins Plenum eingebracht hätte.
Fast hätte dieser zurückgezogene Antrag seinerseits noch für eine Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art gesorgt. Wir haben ihn aber zurückgezogen, weil er sich mit der nun erfolgten Abgabe der Beschlussempfehlung durch den Rechtsausschuss mindestens im ersten Punkt schlichtweg erledigt hat. Die Diskussion über die Zulässigkeit des Antrags im Übrigen will ich jetzt nicht erneut entfachen, obwohl sie an und für sich wegen der unzutreffenden, nach unserer Meinung, unzutreffenden abweichenden Auffassungen der Abgeordneten der Koalitionsfraktionen im Rechtsausschuss vielleicht angebracht wäre. Das würde uns aber von der vorliegenden Fragestellung einfach zu weit entfernen.
Deshalb schlicht nur so viel: Paragraph 32 unserer Geschäftsordnung regelt, dass Verfassungsklagen mit der Gelegenheit zur Stellungnahme vom Präsidenten direkt dem für Verfassungsfragen zuständigen Rechtsausschuss zugewiesen werden. Dabei handelt es sich um eine reine Zweckmäßigkeitsregelung, um sicherzustellen, dass der Aufforderung zur Stellungnahme durch das Verfassungsgericht angesichts unseres etwas schwerfälligen Parlamentsbetriebs und dem Respekt vor dem obersten Gericht entsprechend rechtzeitig entsprochen werden kann. Selbstverständlich kann der Landtag als Ganzes – der Rechtsausschuss stellt ja lediglich nur eine, wenn auch nicht ganz unwesentliche, Teilmenge hiervon dar – jederzeit auf die ansonsten vom Rechtsausschuss zu liefernde Beschlussempfehlung verzichten und die Sache selbst an sich ziehen.
Der Ihnen nun vorliegende Änderungsantrag muss von der CDU-Fraktion schon deshalb gestellt werden, weil wir einerseits natürlich die der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zugrunde liegende Rechtsauffassung für falsch halten. Andererseits muss die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses aber abgeändert werden, weil sie formell nicht korrekt und unvollständig ist.
1. Der Landtag wird zu dem Verfahren vor dem Landesverfassungsgericht – LVerfG 2/00 – eine Stellungnahme abgeben, in der die rechtliche Zulässigkeit der Wahl der Vorsitzenden der Enquetekommission ‚Zukunftsfähige Gemeinden und Gemeindestrukturen in Mecklenburg-Vorpommern’ dargelegt wird.
2. Der Präsident des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern wird gebeten, einen Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung der Interessen des Landtages in dem Verfahren – LVerfG 2/00 – vor dem Landesverfassungsgericht zu beauftragen.“
Meine Damen und Herren, der Verfahrensgegenstand vor dem Verfassungsgericht wird allein und ausschließlich bestimmt durch die Anträge. Insofern ist es doch notwendig, einen Blick in die Antragsschrift zu werfen. Dort sind nämlich zwei Anträge formuliert, wobei der erste Antrag wiederum zwei Begehren der Klägerin enthält, nämlich zum einen die Feststellung, dass der Landtag durch die Delegation der Geschäftsordnungsgewalt auf die Enquetekommission die CDU-Fraktion in ihrem Recht auf Teilhabe an der Geschäftsordnungsgewalt verletzt hat, und zum anderen die Feststellung, dass der Landtag zugleich durch dieselbe Maßnahme das der CDU-Fraktion geschäftsordnungsmäßig zustehende Zugriffsrecht auf den Vorsitz der Enquetekommission willkürlich gefährdet und damit das der CDU-Fraktion als parlamentarische Opposition zustehende Verfassungsrecht auf politische Chancengleichheit verletzt hat.
Mit dem zweiten Verfahrensantrag möchten wir festgestellt haben, dass der Landtagspräsident unter Verstoß gegen den Verfassungsrechtsgrundsatz der Fairness und Loyalität in der Handhabung der Geschäftsordnung dadurch, dass er in der konstituierenden Sitzung der Enquetekommission statt im Wege des Zugriffs der CDUFraktion die Bestimmung des Vorsitzenden durch eine Wahl ermöglicht hat, das verfassungsmäßige Recht der CDU-Fraktion auf politische Chancengleichheit und auf selbständige Mitwirkung an der parlamentarischen Willensbildung verletzt hat.
Zumindest zu der Frage, ob durch die Delegation der Geschäftsordnung auf die Enquetekommission das Recht der CDU-Fraktion auf Teilhabe an der Geschäftsordnungsgewalt verletzt wurde, enthält die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses keine Ausführungen. Der Landtag muss sich in diesem Punkt also eine eigene Meinung bilden. Schon deshalb bedarf es also unseres Änderungsantrages. Denn wenn der Landtag einfach der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses folgen würde, würde zu diesem Punkt eine Stellungnahme des Landtags gerade fehlen.
(Götz Kreuzer, PDS: Nein, zwei erfüllen eins. Insofern ist doch die Technologie des Beschlusses schlüssig, Herr Born.)
Nun, eigentlich könnte die CDU-Fraktion das ja ausnutzen. Vielleicht hätten wir in irgendeiner Form einen Vorteil davon. Es geht uns hier aber um die Sache und nicht zuletzt auch um den Rechtsfrieden. Deshalb möchten wir unsere Rechtsauffassungen in allen Punkten vor dem Parlament darlegen.
Zum ersten Verfahrensantrag und damit zu der von der CDU-Fraktion gerügten Verletzung des Rechts Teilhabe an der Geschäftsordnungsgewalt durch den Einsetzungsbeschluss:
Selbstverständlich hat die CDU-Fraktion von Anfang an gesagt, dass die Befugnis in Ziffer 6.5 der Beschlussemp
fehlung des Innenausschusses – die Grundlage für den Einsetzungsbeschluss war und nach der die Enquetekommission das Recht erhalten sollte, ihre Geschäftsordnungsgewalt ohne Zustimmung des Landtages selbst zu verändern – erheblichen rechtlichen Bedenken begegnet. Und, Herr Kollege Müller, wenn Sie uns Ihre Argumente aus der konstituierenden Sitzung der Enquetekommission hier quasi wieder – mehr oder weniger gebetsmühlenartig, ich bitte das nicht persönlich zu nehmen –
entgegenhalten wollen, die CDU hat in der Innenausschusssitzung wiederholt darauf hingewiesen, dass bei einer eigenständigen Abänderung der Enquetekommissionsgeschäftsordnung und damit bei einem Abweichen von der Landtagsgeschäftsordnung eine rechtsförmige Grundlage geschaffen werden müsse, auch in der anschließenden Landtagsdebatte am 13. Juli 2000 – Sie werden sich erinnern – hat die CDU sich von diesem Standpunkt nicht gelöst. Wir haben deshalb der Einsetzung der Enquetekommission auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Innenausschusses auch nicht unsere Zustimmung hier im Landtag gegeben. Ein Dagegenstimmen kam aber aus politischen Gründen nicht in Frage, weil auch wir eine Enquetekommission inhaltlich für sinnvoll hielten. Deshalb haben wir uns seinerzeit der Stimme enthalten.
Nun, damals waren wir durchaus Ihnen gegenüber auch noch etwas gutgläubig – warum sollten wir Ihnen von vornherein Böses unterstellen? – und hätten nicht vermutet, dass Minderheitenrechte tatsächlich ausgeschaltet werden würden. Beteuerungen Ihrerseits, dies nicht zu tun, gab es genug. Ich zitiere nur die Kollegin Polzin aus der Rechtsausschusssitzung, in der sich der Rechtsausschuss auf Ersuchen des Vorsitzenden des Innenausschusses unter anderem mit der Frage zu beschäftigen hatte, ob für die Einsetzung einer Enquetekommission nicht zunächst ein Enqueteausschussgesetz erforderlich sei: Sie könne sich nicht vorstellen, „dass eine zukünftige Geschäftsordnung der Enquetekommission bestehende Gesetzmäßigkeiten aushebeln wolle“.
Die Formulierung im Einsetzungsbeschluss der Enquetekommission birgt nicht nur die Gefahr, dass diese Enquetekommission sich eine willkürliche Geschäftsordnung gibt, auf die der Landtag und somit die Fraktionen keinen Einfluss mehr haben. Diese Gefahr hat sich zwischenzeitlich tatsächlich sogar realisiert, denn gleich in der konstituierenden Sitzung der Enquetekommission ist eine Geschäftsordnung beschlossen worden, die eben der des Landtags widerspricht. Um es schlicht zu sagen: Die Geschäftsordnung des Landtages kann nicht einfach so geändert werden. Vielmehr muss im Einzelfall, wenn davon abgewichen werden soll, gemäß Paragraph 62 unserer Geschäftsordnung das mit einer qualifizierten Mehrheit beschlossen werden. Sofern ein Viertel der Abgeordneten widerspricht, geht es nicht. Das ist Minderheitenschutz. Und nun sagen Sie mir, wo sich der Minderheitenschutz in der Geschäftsordnung der Enquetekommission befindet! – Den gibt es da nicht.
Und, meine Damen und Herren von der Koalition, Sie können doch auch nicht ernsthaft der Meinung sein, dass der Landtag eine Enquetekommission zwar ins Leben rufen darf, es aber anschließend nicht mehr als sein eige
nes und zugehöriges Gremium betrachten und steuern darf. Nur mal angenommen, die nichtparlamentarischen Mitglieder der Enquetekommission würden die Rede- und Stimmrechte der parlamentarischen Mitglieder der Enquetekommission in der Geschäftsordnung beschränken oder gar ausschließen, mit einfachen Mehrheiten, ohne die Minderheiten der Abgeordneten zu berücksichtigen. Das geht nicht? Na bitte! Seien Sie hier aber nicht zu gutgläubig! Das können wir Ihnen als unsere Erfahrung mit der Vorgehensweise der Geschäftsordnung Enquetekommission nur empfehlen.
Nein, das darf auch so nicht sein, wie ich es eben geschildert habe. Die Enquetekommission ist ein Gremium des Landtags, sie ist eine besondere Art der Ausschüsse des Landtags. Zugegebenermaßen hat sie die Besonderheit, dass auch Nichtparlamentarier mit Redeund Stimmrecht Mitglied in diesem Ausschuss sein können. Das hat übrigens der Rechtsausschuss auch so gesehen, nicht nur in der ersten Legislaturperiode, sondern auch jüngst in seiner Sitzung im Sommer letzten Jahres, als er seine so vorgenommene Auslegung aus der ersten Wahlperiode nicht für überholt, sondern nach wie vor für gültig hielt und erklärte: In der Auslegungsentscheidung heißt es: „§ 8 GO LT unterscheidet … drei … Arten von Ausschüssen:
Weiter heißt es: „Der Rechtsausschuss stellt fest, dass in jedem der drei Fälle – mit einer neuen Zählreihe – gesondert nach § 8 Abs. 4 GO LT zu verfahren ist.“ Und schließlich: „Sollte ein weiterer Sonderausschuss bzw. eine Enquete-Kommission gebildet werden, stünde der Vorsitz der Fraktion der SPD zu. Das ergibt sich aus der Tatsache, dass die Fraktion der CDU den Vorsitz in dem 1. Sonderausschuss … wahrnimmt.“ So weit die damalige Auslegungsentscheidung.
Ich bedauere sehr, dass der verehrte Kollege Dr. Schoenenburg offensichtlich wegen Krankheit nicht hier sein kann,
denn ich bin ganz sicher, dass er mir jetzt das Protokoll einer Rechtsausschusssitzung vom 17. Mai 1995 entgegengehalten hätte,
wo vermeintlich das Gegenteil drinsteht, aber nur vermeintlich. Wenn man es ganz genau liest, wird man feststellen,
Ich sehe – und ich freue mich darüber –, Dr. Bartels hat das offensichtlich auch gelesen. Also sind Sie ja bestens darauf vorbereitet.
(Peter Ritter, PDS: Wir bereiten uns immer auf die Landtagssitzung vor. – Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS, und Andreas Bluhm, PDS)
Ich zitiere: „Abg. Dr. Schoenenburg vertritt namens seiner Fraktion die Ansicht, daß auch für Enquete-Kommissionen § 8 Abs. 4 GO-LT Anwendung fände. Er begründet diese Ansicht damit, daß es sich bei Enquete-Kommissionen entsprechend dem Wortlaut um Untersuchungsausschüsse handele, …“
Sie sind nicht einverstanden, dass ich aus einem Protokoll des Rechtsausschusses zitiere? Dann werde ich das inhaltlich wiedergeben,