Protokoll der Sitzung vom 31.01.2001

Die CDU hätte jederzeit einen Kandidaten für die Wahl zum Vorsitzenden aufstellen können. Sie tat dies jedoch nicht, sondern warf die Tür ins Schloss und blockierte seitdem ihre Mitarbeit, das heißt die Opposition bockt. Und dies ist, meine Damen und Herren, nichts anderes als übler parlamentarischer Stil. Abgesehen davon, dass Blockade kein politisches Argument ist, sollte das Thema der Enquetekommission auch für die CDU wichtig genug sein, um solche taktischen Spielchen und politischen Ränke zu unterlassen.

(Harry Glawe, CDU: Sie ver- anstalten doch Spielchen hier.)

Und darum geht es der CDU doch wohl, wenn man die verschiedensten Verlautbarungen und das reale Verhalten der CDU-Fraktion einmal betrachtet. Da hat einerseits die CDU am Einsetzungsbeschluss mitgewirkt und mitformuliert, was untersucht werden soll. Finde ich okay. Andererseits aber bekommt die Regierung eine Kleine Anfrage von Herrn Rehberg vom 24.01. dieses Jahres, wo er Antworten auf die Fragen verlangt, die ja erst untersucht werden müssen, wozu die Enquetekommission übrigens eingesetzt wurde. Besser ist also, arbeiten Sie mit und die Antworten werden Ihnen unverzüglich zufliegen.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Da beteuert der Kollege Jäger im Landtagsplenum, wie ernst es angeblich der CDU mit den Problemen der Gemeinden sei. Herr Markhoff aber, er ist auch da,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wir sind immer da.)

ich kann ihn zitieren, tönt zu Hause in seinem Wahlkreis, die Enquetekommission sei nur eine Alibiveranstaltung.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das stimmt.)

Der eine sagt so und der andere sagt so.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nein, beides stimmt.)

Schließlich, da zieht man sich mit Getöse einerseits aus der Sacharbeit der Kommission zurück, schreibt aber andererseits ein Positionspapier auf, von dem der Vorsitzende des Städte- und Gemeindetages, Herr Kollege Dettmann, meint, die CDU wäre damit quasi in die Enquetekommission zurückgekehrt.

(Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Man kommt ins Grübeln und fragt sich also, was will denn nun die CDU? Vielleicht nur im Lichte stehen, ohne zu arbeiten?

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das macht Herr Müller doch jetzt schon drei Monate. – Zuruf von Dr. Christian Beckmann, CDU)

Vermutlich weiß das auch die CDU selbst nicht. Und selbst die Vorsitzendenfrage hat sie erst reichlich spät zugespitzt, denn der Abgeordnete der CDU-Fraktion sagte noch in der Sitzung des Rechtsausschusses am 14.09. des Vorjahres, das heißt 14 Tage vor Konstituierung der Enquetekommission, wegen der Vorsitzendenfrage würde man wohl nicht gleich zum Verfassungsgericht gehen.

(Gabriele Schulz, PDS: Wie wahr! Wie wahr!)

Der Sinneswandel der CDU kam also relativ plötzlich. Die zuständigen Abgeordneten jedenfalls konnten ihn im Rechtsausschuss nicht voraussetzen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nein, das konnten wir nicht wissen.)

Aber, meine Damen und Herren von der CDU, wenn man schon von einer Alibiveranstaltung redet

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wir konnten nicht ahnen, dass Sie Recht brechen würden.)

und von Anbeginn derartige Zweifel und Unbehagen an dem Unternehmen hegt, wird eigentlich völlig unverständlich, warum Sie ein solches Gezänk um den Vorsitz dieser Kommission anzetteln. Sie hätten doch bei einer derartigen Aversion ohnehin keine Freude daran. Sie sollten darum doch eher froh sein, dass Sie sich an einem so unreinen Unterfangen in dieser Alibiveranstaltung nicht die Hände schmutzig machen müssen. Das wäre doch eher logisch als dieses Hin und Her, das wir von Ihnen vorgeführt bekommen.

Und dann sind Sie schließlich in Ihrer Argumentation damit gekommen, aus Ihrer Sicht müsste für die Enquetekommission erst einmal ein Gesetz gemacht werden, was übrigens die Arbeitsaufnahme dieser Enquetekommission über viele Monate hinweg verzögert hätte.

(Gabriele Schulz, PDS: Genau.)

Und das war Ihr Ziel. Das sage ich Ihnen so offen ins Gesicht.

(Beifall Heinz Müller, SPD, und Gabriele Schulz, PDS)

Schön, aber auch darüber ließe sich reden, nur ist das durchaus nicht zwangsläufig erforderlich, meine Damen und Herren, denn der Bundestag wie auch andere Land

tage haben nicht erst seit gestern und heute Enquetekommissionen durchgeführt, ohne dass ein Gesetz existiert, unser Landtag, wie Sie wissen, auch. Im Bundestag existiert bekanntlich nicht einmal ein Untersuchungsausschussgesetz. Lassen Sie es sich ruhig einmal von Herrn Helmrich sagen, der das ganz genau weiß, der ja lange genug Vorsitzender des Rechtsausschusses im Bundestag war.

Freilich wäre andererseits ein Gesetz nur zu begrüßen. Nur, meine Damen und Herren von der CDU, Sie hätten ja eins machen können.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD – Gabriele Schulz, PDS: Genau.)

Acht Jahre lang hätten Sie das machen können.

(Gabriele Schulz, PDS: Ja, da hätten Sie Zeit gehabt.)

Wer hat Sie denn daran gehindert? Beiläufig gesagt, Sie hätten ein solches Gesetz auch schon haben können,

(Gabriele Schulz, PDS: Genau.)

denn die PDS hatte bereits 1996

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Richtig.)

einen entsprechenden Entwurf eingereicht.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Der ist als unnötig deklariert worden.)

Der Ehrlichkeit halber sollten Sie heute allerdings sagen, meine Damen und Herren von der CDU, dass gerade die CDU es war, die bislang ein solches Gesetz verhindert hat. Insoweit ist das Vordringen der CDU heute nicht recht schlüssig, aber auch hier könnten wir der CDU gern ein Stück entgegenkommen.

(Vizepräsidentin Kerstin Kassner übernimmt den Vorsitz.)

Ich verrate ein offenes Geheimnis, wenn ich sage, dass die Koalition beabsichtigt, in absehbarer Zeit ein solches Gesetz einzubringen. Und ich bin dann schon sehr gespannt, ob die CDU erneut in irgendwelche Ränkespiele verfällt

(Gabriele Schulz, PDS: Ich auch.)

oder ob es ihr ernstlich darum geht, Regelungslücken, so sie denn noch da sind, zu füllen.

In der Tat geht es in unserem Streitfall vor allem darum: Das strittige Problem, das die CDU an das Verfassungsgericht gebracht hat, ist hausgemacht und deshalb entstanden, weil der Text der Geschäftsordnung in der Frage der Besetzung des Vorsitzes in Untersuchungsausschüssen, Sonderausschüssen und Enquetekommissionen leider nicht eineindeutig ist. Der Rechtsausschuss musste darum auch bei aktuellen Anlässen Auslegungen beziehungsweise Interpretationen vornehmen. Und interessanterweise beruft sich die CDU in ihrer offiziellen Verlautbarung lediglich auf die Auslegung von 1993 zu Paragraph 8 der Geschäftsordnung,

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Richtig. Da spielt ‘95 dann keine Rolle. Jaja.)

eine Auslegung, die allerdings seinerzeit gegen den Protest der PDS mehrheitlich beschlossen wurde.

(Gabriele Schulz, PDS: Man könnte Arges dabei denken.)

Was war der Inhalt der Auslegung? Nun, es wurde der Verzicht der CDU auf den Vorsitz des ersten Untersuchungsausschusses kaschiert, so dass die CDU dann im zweiten Untersuchungsausschuss den Zugriff auf den Vorsitz bekam. Die Geschäftsordnung konnte nicht deutlicher verbogen oder missausgelegt werden. Diese Auslegung ist der CDU genehm und so wird sie eifrig boykottiert.

Doch es gab ja fast auf den Tag genau zwei Jahre später, nämlich 1995, erneut Zoff in der Besetzungsfrage, und zwar dieses Mal im Zusammenhang mit der damaligen Enquetekommission zur Aufarbeitung der Vergangenheit. Die Mehrheit, bestehend vor allem aus der CDU, hatte einfach festgelegt, dass beide Koalitionsfraktionen unter Ausschluss der Opposition, damals der PDS, den Vorsitz beanspruchten. Das war ebenfalls ein Abgehen vom Zugriffsrecht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Die PDS verwies damals auf das geschäftsordnungsmäßige Zugriffsrecht. Und nun kommt das eigentlich Spannende, was die CDU allerdings heute vergessen hat, der Rechtsausschuss kam nämlich in der schon zitierten Sitzung vom 17. Mai 1995 zur Feststellung, die da sinngemäß heißt – ich würde jetzt auch am liebsten zitieren, Herr Kollege Dr. Born, aber das kann ich ja nun nicht –,