Meine Damen und Herren, ich selbst bin intensiv über das Verfassungsschutzgesetz ins Nachdenken gekommen, als wir die so genannte V-Mann-Affäre hatten, insbesondere deshalb, weil nach den Sitzungen der für die Kontrolle zuständigen Parlamentarischen Kontrollkommission, die nach dem geltenden Recht streng dem Geheimschutz unterliegt, mehrfach über die jeweiligen Sitzungen Informationen an die Presse gelangten – aber nicht etwa richtige, sondern falsche Informationen.
Deshalb, meine Damen und Herren, soll eine Konsequenz sein, dass der Geheimschutz gelockert wird und sich die Öffentlichkeit ihr eigenes Urteil bilden können soll, soweit es die Arbeit der Behörde nicht behindert. Ziel der Novelle ist es also, die Arbeit des Verfassungsschutzes transparenter zu machen, die Befugnisse eindeutiger zu regeln und die Kontrolle der Behörde zu verbessern. Damit, meine ich, leisten wir auch einen Dienst zur Verbesserung der Akzeptanz des Verfassungsschutzes bei den Bürgerinnen und Bürgern in Mecklenburg-Vorpommern.
Meine Damen und Herren, auch nach dem Ende des kalten Krieges und dem Fall der Mauer ist die Aufgabe unverzichtbar, mit geheimdienstlichen Bemühungen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen. Das wird insbesondere deutlich an der derzeitigen Diskussion zum Rechtsextremismus. Inzwischen hat sich, soweit ich das sehe, breit die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Rechtsextremismus eine Gefahr für das demokratische Zusammenleben in unserem Lande ist. „Demokratie ist verletzbar“, so war eine Ausstellung des Bundesamtes für Verfassungsschutz im letzten Jahr überschrieben. Deshalb hat auch in Mecklenburg-Vorpommern der Verfassungsschutz des Landes in diesem Bereich eine ganz zentrale Aufgabe.
Ich meine, wenn Sie diesen Gesetzentwurf bewerten, werden Sie vielleicht zum Teil sagen, wie die PDS: Manche Wünsche bleiben offen. Die CDU wird vielleicht sagen, wollen wir mal abwarten: Der ganze Gesetzentwurf war nicht nötig. Ich sage Ihnen, wir haben nach zehn Jahren Erfahrung mit dem geltenden Recht einen Vorschlag für eine verantwortliche, das Machbare im Auge behaltende Modernisierung gemacht, nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Die Unterrichtungspflichten des Verfassungsschutzes gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission
werden erweitert. Das gilt auch für die konkreten Befugnisse des Kontrollorgans. Die PKK hat künftig die Möglichkeit, sich bei der Überprüfung von Maßnahmen des Verfassungsschutzes der Unterstützung externer Sachverständiger sowie des Landesbeauftragten für den Datenschutz zu bedienen. Die PKK soll künftig auch Öffentlichkeit herstellen können. Hierzu allerdings bedarf es dann eines eigenen Beschlusses. Mit dem vorgesehenen Vetorecht des jeweiligen Innenministers wird einem im Einzelfall möglichen Schutzbedürfnis der Behörde Rechnung getragen. Selbstverständlich unterliegt dieses Vetorecht dann natürlich auch der richterlichen Überprüfung, beispielsweise dann, wenn es missbräuchlich angewendet werden sollte.
Der Schutz der persönlichen Daten des Bürgers wird intensiviert. Künftig ist der Verfassungsschutz noch mehr als heute gehalten, bei der Erhebung von Daten schutzwürdige Interessen des Bürgers zu berücksichtigen. Dies gilt ebenso für die Weiterverarbeitung und Weitergabe von Informationen an andere Stellen, weil schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen nur im unvermeidbaren Umfang beeinträchtigt werden dürfen. Eine wichtige Stärkung der Rechte der betroffenen Personen wird auch dadurch erreicht, dass diese in Zukunft vom Verfassungsschutz leichter Auskunft über ihre dort gespeicherten Daten verlangen können. Dafür müssen sie nicht wie heute ein besonderes Interesse darlegen. Auch wird die Möglichkeit des Verfassungsschutzes eingeschränkt, Auskünfte gegenüber den Bürgern zu verweigern. Darüber hinaus ist dem Landesbeauftragten für den Datenschutz ausnahmslos, anders als heute, durch den Verfassungsschutz Auskunft zu erteilen, wenn dieser auf Bitten von Bürgern tätig wird.
Eindeutige Regeln wird es in Zukunft für die Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit Polizei und Staatsanwaltschaft geben. Auch hier habe ich die bekannten und in der Öffentlichkeit diskutierten Versäumnisse bei der so genannten V-Mann-Affäre zum Anlass genommen, die Meldepflichten des Verfassungsschutzes zu präzisieren und zu erweitern. Nunmehr muss der Verfassungsschutz die Staatsanwaltschaft und unter ihrer Sachleitungsbefugnis die Polizei grundsätzlich, anders als heute, über bekannt gewordene Staatsschutzdelikte informieren.
Weiterhin wird durch die Novelle definiert, was unter „Straftaten von erheblicher Bedeutung“ zu verstehen ist. Das sind diejenigen Straftaten, für die eine Mindeststrafandrohung von sechs Monaten vorgeschrieben ist. In diesen Fällen hat der Verfassungsschutz die Möglichkeit, personenbezogene Daten an die Staatsanwaltschaft und an die Polizei zu übermitteln. Es bleibt allerdings dabei, dass der Verfassungsschutz keine Strafverfolgungsbehörde ist. Die Angst mag es hier oder da gegeben haben, das ist er jedoch auch in Zukunft nicht.
Erstmals wird durch die vorgelegte Novelle gesetzlich geregelt und präzise definiert, welche nachrichtendienst
lichen Mittel zur Erhebung von Daten, also zur Informationsbeschaffung, eingesetzt werden dürfen. Dazu gehört beispielsweise der Einsatz von Bediensteten als verdeckte Ermittler mit Tarnpapieren und Tarnkennzeichen, um Observationen und Befragungen durchzuführen oder auch Bildmaterial aufzuzeichnen.
Meine Damen und Herren, eine weitere Vielzahl von Einzelregelungen sind bei dieser Modernisierung des Gesetzes vorgenommen worden. Sie können diese der Vorlage entnehmen. Ich bitte Sie, die Beratungen zügig und gründlich durchzuführen. Ziel dieses Gesetzgebungswerkes ist es unter anderem auch, die Teilnahme aller Landtagsabgeordneten jeder einzelnen Fraktion an der Arbeit der Parlamentarischen Kontrollkommission zu ermöglichen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Glaubt man den Pressemitteilungen im Vorfeld der nun vorliegenden Gesetzesnovelle, so sollte der Verfassungsschutz transparenter werden. Dieses Ziel erreicht der vorliegende Gesetzentwurf nicht und das ist gut so. Damit zeigt sich, dass unsere Kritik im Vorfeld gepaart mit konkretem Sach- und Fachverstand erfolgreich war.
Ich darf daran erinnern, dass im September letzten Jahres die Vertreter der SPD- und PDS-Fraktion sowie der Innenminister eine Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes in Aussicht stellten. Begleitet wurde diese Ankündigung von einem Positionspapier zu den gemeinsamen Grundsätzen, auf die man sich geeinigt hatte. Dort war vorgesehen, dass die Sitzungen der PKK auf Beschluss der Mitglieder öffentlich abzuhalten sind, sofern dem nicht besondere Geheimhaltungsgründe entgegenstehen. Diese Position findet sich nicht mehr in dem vorliegenden Gesetzentwurf.
Nach Paragraph 28 Absatz 2 des Gesetzentwurfes kann die PKK zwar mehrheitlich beschließen, die Sitzung öffentlich abzuhalten, gegen diesen Beschluss kann aber der Innenminister Widerspruch einlegen. Das ihm eingeräumte Recht ist dabei so weitgehend ausgestaltet, dass er praktisch immer die Möglichkeit haben wird, die Öffentlichkeit zu verhindern.
Damit hat für mich die SPD der berechtigten Kritik der CDU nachgegeben und den Grundkonsens mit ihrem Regierungspartner aufgegeben.
(Minister Dr. Gottfried Timm: Quatsch! – Andreas Bluhm, PDS: Oh, oh! – Sylvia Bretschneider, SPD: Worüber reden Sie eigentlich?)
Vielleicht war es nicht nur die Kritik der CDU-Fraktion, die zu einem Umdenken geführt hat, sondern auch die Erfahrungen der SPD in Berlin. Dort beschränkten sich die Aussagen der Verfassungsschutzbeamten in öffentlichen Sitzungen der PKK in der Regel darauf zu erklären, dass sie in der Öffentlichkeit nichts sagen dürfen.
Jüngsten Mitteilungen zufolge will die PDS den Gesetzentwurf gerade im Bereich der Rechte der PKK noch nachbessern und meldet öffentlich Gesprächsbedarf an. Meine Damen und Herren, das verwundert doch sehr, dass ein gemeinsamer Gesetzentwurf der SPD/PDS-Regierung – und wir haben es ja vom Innenminister gehört – von einer Regierungsfraktion öffentlich kritisiert wird. Das ist doch eigentlich Aufgabe der Opposition.
(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Andreas Bluhm, PDS: Es gibt doch ein Wechselspiel zwischen Exekutive und Legislative. – Zuruf von Gerd Böttger, PDS)
Wir meinen, dass es richtig sein kann, die Öffentlichkeit der PKK-Sitzung nur unter ganz bestimmten Gründen zuzulassen. Wir weisen aber darauf hin, dass die Kontrolle über einen Beschluss der PKK, die Öffentlichkeit zuzulassen, nicht dem Innenminister zustehen dürfte. Der Verfassungsschutz untersteht dem Innenminister und dieser wird durch ein Gremium des Landtages, der PKK, kontrolliert. Nun soll der Innenminister das Recht haben, gegen Beschlüsse der PKK ein Veto einzulegen. Damit überwacht der Verfassungsschutz letztlich seine eigene Kontrollinstanz. Das kann nach meiner Auffassung nicht richtig sein.
Als Mitglied der PKK seit 1994 kann ich nur sagen: In was für ein kompliziertes Verfahren begeben wir uns! Es könnte doch sein, dass während der Berichterstattung des Innenministers ein Punkt öffentlich zu behandeln wäre. Dann könnte auf Antrag dieser Punkt öffentlich in der betreffenden oder in einer nachfolgenden Sitzung diskutiert werden. Da die PKK aber an einem geheimen Ort tagt, wird dies in der Praxis sehr schwer zu handhaben sein. Aus diesem Grunde sollte besser ganz auf die Möglichkeit einer öffentlichen PKK-Sitzung verzichtet werden. Es könnten dort auch andere Möglichkeiten gesucht werden, die Öffentlichkeit über bestimmte Punkte zu informieren.
(Andreas Bluhm, PDS: Das kann man zusätz- lich tun. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Nachdem Sie irgendwelche Läuschen hier im Landtag erzählt haben.)
Interessant ist auch, dass der Gesetzentwurf in Paragraph 31 vorsieht, die bisherige Parlamentarische Kontrollkommission innerhalb von zwei Monaten nach InKraft-Treten des Gesetzes aufzulösen und eine Neuwahl durchzuführen. Meine Damen und Herren, das stellt meiner Ansicht nach einen Eingriff in die Rechte der gewählten Abgeordneten dieser Kommission dar. Eine rechtliche Notwendigkeit ist für eine derartige Regelung eigentlich nicht ersichtlich. Insbesondere ergibt sich ein derartiger Grund nicht aus Paragraph 27 Absatz 2 Satz 1 und 2. Auch bislang stand allen Fraktionen des Landtages das Recht zu, in der PKK vertreten zu sein. Dies war auch bisher schon verfassungsrechtlich geboten und wurde im Wege der Auslegung des Paragraphen 23 Absatz 2 des geltenden Gesetzes so gehandhabt. Dass die PDS seit Bestehen der Kommission von ihrem Recht auf Teilnahme keinen Gebrauch gemacht hat, ist ihre eigene Entscheidung gewesen.
Hier wird in den Ausschussberatungen sicher noch die Notwendigkeit bestehen, eine andere Übergangsregelung zu finden, die sowohl die Interessen der Kommissionsmitglieder als auch eventueller Neumitglieder berücksichtigt. Ich persönlich bin für die Dauer der Legislaturperiode als Mitglied der PKK gewählt. Soll es anders sein, dann muss man mich abwählen.
Meine Damen und Herren, die Presseverlautbarungen zu dem vorliegenden Gesetz weisen immer wieder darauf hin, dass die Aufgaben und Befugnisse des Verfassungsschutzes eindeutiger geregelt werden sollen. So wird in Paragraph 5 Absatz 1 Nummer 4 abweichend von den Regelungen des Bundesverfassungsschutzgesetzes eine neue Aufgabe des Verfassungsschutzes eingeführt. Es sollen nun auch Informationen gesammelt und ausgewertet werden über Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung und/oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind.
Hier wird im Rahmen der Ausschussberatung zu prüfen sein, ob der Landesgesetzgeber überhaupt befugt ist, den Aufgabenkatalog des Verfassungsschutzes zu erweitern. Es ist für mich auch nicht ersichtlich, welcher Bedarf für eine derartige Regelung besteht.