Protokoll der Sitzung vom 16.05.2001

Ich schließe die Aussprache.

Der Ältestenrat schlägt vor, die Unterrichtung durch die Bürgerbeauftragte auf Drucksache 3/2022 zur federführenden Beratung an den Petitionsausschuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss, Finanzausschuss, Wirtschaftsausschuss, den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur und den Ausschuss für Bau, Arbeit und Landesentwicklung sowie an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das einstimmig beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13: B e r a t u n g des Antrages der Landesregierung – Bericht über die Situation von Gehörlosen, Schwerhörigen und Ertaubten in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 3/2055.

Antrag der Landesregierung: Bericht über die Situation von Gehörlosen, Schwerhörigen und Ertaubten in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 3/2055 –

Das Wort zur Begründung hat die Sozialministerin Frau Dr. Bunge. Die Ministerin ist aber nicht im Raum,

(Reinhard Dankert, SPD: Der Antrag ist eindeutig. Wir können auch ohne sie.)

dann kann der Antrag nicht begründet werden.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Caffier, er ist aber auch nicht da.

(Zuruf von Reinhard Dankert, SPD – Ministerin Dr. Martina Bunge betritt den Plenarsaal.)

Frau Dr. Bunge, wollen Sie reden?

(Ministerin Dr. Martina Bunge: Ja.)

Sie können jetzt zur Aussprache reden, aber nicht mehr einbringen. Wenn Sie das Wort wünschen, dann haben Sie es jetzt sofort.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Heike Polzin, SPD: Das wäre im Bildungsausschuss nie passiert. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Die CDU kann sich ja inzwischen bemühen, ihren Redner heranzubekommen.

(Reinhard Dankert, SPD: Das sieht aber schlecht aus mit den Vorhandenen.)

Das Wort hat die Ministerin Frau Dr. Bunge. Bitte sehr.

(Annegrit Koburger, PDS: Manchmal ist organisiertes Chaos viel besser.)

Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Mit Beschluss vom März 2000 hat der Landtag die Landesregierung aufgefordert, innerhalb eines Jahres, also bis zum 31. März, einen Bericht über die Situation von Menschen mit Hörschädigungen in Mecklenburg-Vorpommern vorzulegen. Dabei wurde explizit bestimmt, dass aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen zu den Ursachen und Folgen sowie Präventions- und Rehabilitationsmöglichkeiten berücksichtigt werden sollten. Ohne dem Bericht jetzt vorgreifen zu wollen, denn ich begründe ja den Antrag auf Fristverlängerung, können wir aber schon heute sagen, dass sich das Selbstverständnis von Menschen mit Behinderungen und auch die Grundlagen der Behindertenpolitik in den letzen Jahren erfreulicherweise gewandelt haben. Im Mittelpunkt der bundes- wie landespolitischen Diskussionen stehen nicht mehr Fürsorge und Vorsorge von Menschen mit Behinderungen, sondern vielmehr selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Natürlich sind dazu Voraussetzungen nötig, um Hemmnisse zu beseitigen und Chancengleichheit entstehen zu lassen, um Menschen mit und ohne Behinderung integrieren zu können.

Die praktische Umsetzung des Grundgesetzgebots steht jedoch noch am Anfang. Wir haben jetzt wieder ein paar Schritte dazu getan in der jüngsten Gesetzgebung, so hier im Land mit dem Integrationsförderrat, wo ich an alle nur appellieren kann, dessen Arbeit zu begleiten, indem man auch aktiv wird nach den Aufforderungen dieses Rates. Wir haben erst in der letzten Woche das SGB IX im Bundesrat verabschiedet.

Mit der Abfassung des Berichtes zur Situation der Hörgeschädigten in Mecklenburg-Vorpommern hat die Landesregierung von einem Modellprojekt des Bundesministeriums für Gesundheit zur Verbesserung der Frühdiagnose von Hörstörungen im Kindesalter Kenntnis erhalten. Mit Hilfe des Modellprojektes sollen erstmals die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, angeborene Hörstörungen im Rahmen der Kinderfrüherkennungsprogramme der so genannten U 1 bis U 9 der gesetzlichen Krankenversicherung innerhalb der ersten Lebenswochen zu erfassen und rasch einer gezielten Weiterbehandlung zuzuführen. In einer Pilotphase wurde erprobt, ob das Verfahren der Erfassung otoakustischer Emissionen für die Anwendung im Rahmen eines Screenings geeignet ist. In Deutschland kommen immerhin jährlich rund 1.000 bis 1.800 Kinder mit einer angeborenen Hörschädigung zur Welt. Werden diese frühzeitig erkannt und behandelt, bestehen gute Chancen, dass sich diese Kinder geistig, seelisch und sozial gut entwickeln können. Bei einer frühzeitigen Erkennung wäre eine effiziente Hörgeräteversorgung möglich.

All diese Erfahrungen gilt es dann natürlich aus dem Projekt, da es von herausragender Bedeutung ist, auch für das Land herunterzubrechen. Diese Machbarkeitsstudien …

(Harry Glawe, CDU: Das hätten Sie doch alleine schon machen können.)

Wenn Sie mir das Geld dazu geben oder bei den Kassen, vor allen Dingen beim VdAK, einfordern, dann können wir über so etwas mal reden, Herr Glawe.

(Zurufe von Reinhard Dankert, SPD, Harry Glawe, CDU, Dr. Armin Jäger, CDU, und Andreas Bluhm, PDS)

Wir haben eine Selbstverwaltung. Vielleicht wissen Sie, wie ordnungspolitisch die Gesundheits- und Sozialpolitik

in der Bundesrepublik organisiert ist. Wenn ich das einem Juristen sagen muss, tut mir das Leid.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Torsten Koplin, PDS: Ja, das ist traurig. – Reinhard Dankert, SPD: Herr Jäger ist aufgewacht.)

Die Zwischenergebnisse dieser Studie wollten wir in dem Landtagsbeschluss ausdrücklich, weil hier neueste wissenschaftliche Erkenntnisse gefordert waren, mit in diesen Bericht nehmen. Leider hat sich erwiesen, dass das Bundesministerium die Zwischenergebnisse nicht zur Veröffentlichung freigibt, so dass wir jetzt den Bericht ohne diese Ergebnisse beendet haben. Dieser Tage unterschreibe ich ihn und er geht bis zum 31. Mai dem Landtag zu. Natürlich werde ich über die Ergebnisse dieser Studie zur Früherkennung zu gegebener Zeit umfassend, unaufgefordert die Interessierten informieren, damit wir dann in sachlicher Art und Weise über die Applikationen für das Land reden können. Deshalb bitte ich Sie zuzustimmen, dass diese Fristverlängerung gewährt wird. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Jetzt hat das Wort Herr Caffier von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Caffier.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Klappt das mit den Piepern nicht mehr? Anwesenheit! – Torsten Koplin, PDS: Allgemeines Interesse muss man haben.)

Ich wusste ja nicht, dass wir ganz so schnell heute sind.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Sicherlich verwunderlich, dass ich zu diesem Tagesordnungspunkt spreche, aber der Kollege Schoenenburg und auch …

(Heiterkeit bei Andreas Bluhm, PDS: Geschäftsordnungsfragen, ne, Herr Caffier?)

Richtig, ich denke, wir sollten als Parlament auch über unsere Stellung gegenüber der Landesregierung nachdenken. Es steht ja zu befürchten, dass es zurzeit zur Gewohnheit des Landtages Mecklenburg-Vorpommern wird, dass wir uns mit Berichten zu befassen haben, die die Landesregierung noch nicht gibt, weil wieder Fristverlängerungen beantragt werden.

(Ministerin Dr. Martina Bunge: Haben Sie nicht zugehört?)

Ich will nicht sagen, dass ich die Berichte, die wir von der Landesregierung erhalten, als erschöpfend, richtig und zukunftsweisend betrachte, aber es ist in jedem Fall die Aufgabe, die wir als Parlamentarier gestellt haben, dann erfüllt.

Wir haben das bereits während der 52. Sitzung am 31. Januar 2001 am Beispiel der Unterrichtung zur Suchtund Drogenprävention sowie Bekämpfung der Drogenkriminalität, der Unterrichtung zur Gestaltung des Strafvollzuges und der Unterrichtung zur Fortschreibung des Landesaltenplanes ausführlich diskutiert. Leider hielten es damals schon die Kollegen von SPD- und PDS-Fraktion für angemessen, dass Berichtsanträge, die sie selber gestellt haben, nicht beachtet werden.

Nun, eine gewisse Lernfähigkeit kann ich der Landesregierung seit Januar allerdings nicht absprechen. Wurde

damals noch einfach lapidar eine Berichtsverlängerung erwartet, vielleicht einmal eine notwendige Ressortabstimmung als Grund angegeben, so wird hinsichtlich des verlangten Berichts zur Situation von Gehörlosen, Schwerhörigen und Ertaubten in Mecklenburg-Vorpommern zumindest diesmal eine inhaltliche Erklärung abgegeben, warum wir diesen Bericht trotz eines zugebilligten Erarbeitungszeitraums von zwölf Monaten eben wieder einmal nicht termingerecht bekommen. Die Landesregierung möchte gern eine Verlängerung bis zum 31. Mai 2001, denn, ich zitiere und Frau Ministerin hat es ja gerade auch noch mal ausgeführt: „Vor kurzem wurden die Ergebnisse des Modellprojekts ,Gehörscreening bei Neugeborenen’ bekannt. Um die Aktualität des vorzulegenden Berichtes zu gewährleisten, ist es erforderlich, die Ergebnisse des Modellprojektes auszuwerten und ggf. in den Bericht einzuarbeiten.“ Da wird bei mir die Freude groß, bekommen wir doch einen umfassenden Bericht, der den soeben vorgelegten Ergebniskatalog eines Modellprojektes für Neugeborene berücksichtigt.

Ich denke, meine Damen und Herren, es ist richtig, wenn wir dann im Zweifelsfall erst einmal Zwischenberichte erhalten, denn zwölf Monate sind eine Frist, wo jederzeit noch neue Sachen erscheinen können. Das billige ich zu, die sollen da mit eingearbeitet werden. Aber eine grundlegende Abarbeitung der gestellten Aufgaben sollte uns auch Verpflichtung sein, dass das besser als bisher in Zukunft realisiert wird.

Erstens halte ich es inhaltlich für ungewöhnlich, wegen dieses Modellprojektes für Neugeborene beispielsweise den gesamten Bericht zu vertagen. Schließlich war es doch Zielsetzung des Antrages von SPD und PDS vom letzten März, Erkenntnisse zu gewinnen, um ein umfassendes Bild der Leistungen und Hilfen im Land aus sozial-, bildungs- und arbeitspolitischer Sicht zu erhalten.

Dann komme ich zum zweiten Aspekt meiner Kritik, nämlich der Frist. Wie bekannt, wurde der Landesregierung eine Frist bis zum 31. März 2001 gesetzt, durch den Landtag wohlgemerkt. Im Mai, also vier Wochen nachdem der Bericht längst vorliegen sollte, unterrichtet die Landesregierung darüber, warum er voraussichtlich später vorliegen werde.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Typisch.)

Wenn dies nicht so wäre, dann verstünde ich das Handeln der Landesregierung nicht. Man hätte durchaus sagen können, dass mit Datum 31. März ein Bericht über die Situation der Menschen mit Hörschäden in MecklenburgVorpommern ab dem zweiten Lebensjahr vorgelegt wird. Man hätte gleichzeitig die Bemerkung machen können, dass für die Neugeborenen aufgrund des Projektverlaufes eine durchaus nachvollziehbare Nachlieferung erfolgt. Das passierte aber nicht. Und deshalb will ich dieses auch noch mal zum Anlass nehmen und habe diesen Tagesordnungspunkt angemeldet zur Aussprache. Wir sollten uns bemüßigen und wenn wir den Katalog, der von der Verwaltung erarbeitet worden ist, auch was die Ausschüsse betrifft, zur Hand nehmen, wenn wir Berichte einfordern, egal ob als Landtag oder als Ausschuss, so haben wir meiner Meinung nach zwei Verpflichtungen. Die erste Verpflichtung besteht darin, uns mit den Berichten zu beschäftigen und nicht nur Selbstbeschäftigung für die Landesregierung zu machen, denn wir fordern die Berichte an,

(Ministerin Dr. Martina Bunge: Das ist sehr wahr.)

und dann müssen wir sie auch umsetzen. Und zweitens, wenn wir der Landesregierung Berichte in Auftrag geben als Parlament, dann sollten wir auch darauf achten, dass die Landesregierung die Stellung des Parlaments berücksichtigt und sich dementsprechend mit der Berichterstattung an die maßgeblichen Regeln hält. Dass es früher schon zu Fristverlängerungen gekommen ist, auch zu CDU-Zeiten, schließe ich gar nicht aus und war so, kann auch in Zukunft sein, aber wir sollten die Stellung zwischen Parlament und Landesregierung auf gegenseitiger Basis achten. Deswegen bitte ich für die Zukunft, dass solche Berichtsverlängerungsersuchen, die erst gestellt werden, wenn die Frist schon abgelaufen ist, in diesem Lande nicht mehr vorkommen, und dafür werbe ich unter allen Parlamentariern. Das hat auch etwas mit unserer Achtung gegenüber der Landesregierung zu tun. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dankert von der SPD-Fraktion. Bitte, Herr Dankert.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!