Herr Kollege Helmrich, die Revolution der Psychotherapie begann um 1900 mit Sigmund Freud. Auf welche modernen psychotherapeutischen Entdeckungen, Theorien, Ansätze stützen Sie Ihre Thesen, dass es in den letzten drei, vier Jahren – so, wie Sie gesagt haben – grundsätzlich neue Möglichkeiten der Beurteilung von Menschen gibt? Meines Wissens sind die letzten 20 Jahre ein einheitlicher Block. Vielleicht ist die Entwicklung an mir vorübergelaufen?! Also konkret die Frage: Welche psychologischen Theorien, Systeme sind Ihrer Meinung nach in den letzten drei, vier Jahren entwickelt worden, die neue Kenntnisse bei der Beurteilung, bei der langfristigen Beurteilung von Menschen zulassen?
Die Änderung, Herr Dr. Körner, beruht nicht auf neuen Erkenntnissen in der Theorie, der Psychologie oder der Psychotherapie, sondern die Änderung, dass wir im Laufe der letzten drei Jahre, vier Jahre hier und da Äußerungen von Ärzten haben, an den kommen wir nicht ran, der ist nicht therapierbar, liegt meines Erachtens begründet in einer allgemeinen Meinungsänderung in Deutschland innerhalb der Bevölkerung, auch unter Ärzten. Ein Teil der Hoffnungen, dass wir jeden therapieren können, hat sich im Laufe der letzten 25 Jahre zerschlagen.
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das ist ja auch gar nicht die Frage. – Barbara Borchardt, PDS: Vielleicht sind ja auch nur die Mittel falsch gewesen.)
Nein, nein, er will wissen, warum ich in den letzten drei, vier Jahren auf den Dreh komme. In den letzten drei, vier Jahren geht es auch manchen Ärzten über die Hutschnur, dass sie Leute zugewiesen kriegen von den Richtern, weil die im Gesetz nichts anderes haben, mit dem sie nichts anfangen können. Und da natürlich Ärzte, insbesondere Ärzte der Psychiatrischen Anstalten,
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das sind doch aber die Grenzen des Rechtsstaates. Die können Sie doch im Nachhinein nicht aushöhlen.)
und sagen, jeden können wir nicht therapieren. Deshalb haben wir den und den und den Arzt, der heute mal sagt, Leute, damit können wir nichts anfangen.
(Barbara Borchardt, PDS: Ach so! Und wir setzen uns über den lieben Gott. – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Dann ist der Arzt der Stellvertreter Gottes in diesem Fall.)
Aber wir in unseren Urteilen sind – so wie wir hier – aufgerufen und müssen dauernd entscheiden, auch ohne dass wir sozusagen die letzte Wahrheit und letzte Weisheit kennen. Die Antwort auf Ihre Frage, was sich die letzten vier, fünf Jahre verändert hat, ist, das allgemeine Klima, die euphorische Hoffnung, dass jeder therapierbar sei, man müsse nur auf jeden genügend Psychologen und Ärzte ansetzen und dann kriegen wir sie schon resozialisiert, diese Hoffnung ist enttäuscht worden und das macht sich nun langsam breit. Und dann haben wir auch wieder die Möglichkeit, Fälle zu verhindern, wie wir sie hier leider Gottes im Laufe der letzten zehn Jahre auch schon in Mecklenburg erlebt haben.
(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das war ‘ne Zwischenbemerkung, das war keine Anfrage. – Barbara Borchardt, PDS: Das war eine Zwischenbemerkung.)
„Das Gericht holt das Gutachten eines Sachverständigen über den Verurteilten ein, wenn es erwägt, die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung nachträglich anzuordnen; der Gutachter soll im Rahmen des Strafvollzugs nicht mit der Behandlung des Verurteilten befasst gewesen sein.“ Also ein zusätzliches unabhängiges Gutachten. „Der Sachverständige ist mündlich
zu hören. Der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft sind …“ entsprechend „zu benachrichtigen.“ Und im Termin haben sie Gelegenheit, auch den Sachverständigen zu befragen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Zwei Vorbemerkungen, bevor ich zum Thema komme: Zum einen halte ich es für sehr bezeichnend, dass während eines Antrages der CDU durchschnittlich 20 bis 25 Prozent der Abgeordneten dieser Fraktion meinen, diesem Antrag ihre Wertschätzung zu zeigen durch ihre Anwesenheit hier.
Das heißt, schon die äußere Zahl Ihrer Fraktion spricht vom Desinteresse und von der Pseudowertschätzung diesem Antrag gegenüber.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei Herbert Helmrich, CDU: Sie sind heute früh aufgerufen worden und waren gar nicht da. – Unruhe bei Reinhard Dankert, SPD)
Als Zweites halte ich es für eine ungewöhnliche Praxis, dass die Abgeordneten des betreffenden Ausschusses über die Hälfte der Aussprachezeit physisch überhaupt nicht im Raum sind, überhaupt nicht in der Lage und bereit sind, die Argumente und Vorträge der Regierungsmitglieder, der Abgeordneten mitzuhören. Das halte ich für eine Praxis, die auch dem eigenen Antrag gegenüber schwer zu rechtfertigen ist.
Eine weitere Vorbemerkung: Bei aller Wertschätzung, Kollege Helmrich, gegenüber Ihrem rechtshistorischen Exkurs. Dennoch kann ich es mir nicht verkneifen, hier anzumerken, dass es der CDU bis gestern Mittag offensichtlich entging, dass die angesprochene Initiative des Landes Hessen bereits abgelehnt ist.
Dies spricht nicht gerade für die rechtspolitische Qualität der CDU-Fraktion. Sie haben sich in dem Moment ein neues Fundament gebaut, in dem Sie Hessen gestrichen haben, nachdem Sie mitgekriegt haben, dass diese Initiative längst erledigt ist im Bundesrat. Sie haben die bayerische Initiative nun benannt, aber auch nicht genau welche, denn von Bayern liegt eine vor, die abgelehnt wurde, und es liegt jetzt eine neue vor.