Protokoll der Sitzung vom 17.05.2001

(Götz Kreuzer, PDS: Das haben wir Ihnen immer gesagt, Sie glauben es nur nicht.)

Aber dennoch, Herr Kollege Kreuzer, ich erinnere Sie daran, wie Sie astronomische Zahlen von Neubau gefordert haben, was letztlich dann auch dazu geführt hätte, dass wir heute noch bei einem weitaus höheren Wert der Leerstände liegen würden.

(Götz Kreuzer, PDS: Bleiben Sie gespannt, Frau Kollegin! Ich sage es Ihnen.)

Ich bin übrigens der Auffassung, zu den beiden vom Minister genannten Gründen hinsichtlich Leerstand beziehungsweise dazu, dass wir einen Übersatz an Wohnungen haben, kommt ein Argument oder ein Grund mit dazu, und zwar dass die Menschen natürlich einen qualitativen Bedarf hatten,

(Götz Kreuzer, PDS: Ja.)

der gedeckt werden musste. Insofern ist das nicht nur im Ergebnis einer verfehlten oder überzogenen Förderpolitik zu sehen, sondern woanders orientieren sich die Märkte ja auch nach einem Bedarf beziehungsweise sie initiieren einen Bedarf und die Nachfrage. Insofern, denke ich mal, wird viel zu diskutieren sein.

Der Bericht orientiert sich hauptsächlich auf Altbauviertel mit Häusern aus der Gründer- und Zwischenkriegszeit. Und wer bei diesem Thema von einem groß angelegten Abrissprogramm reden wollte, der würde natürlich einem Wegbrechen von Kultur und Historie Vorschub leisten. Ich glaube, das wollen wir letztlich alle nicht. Auch dieses ist ein Argument dafür, dass manche eine sehr differenzierte Herangehensweise haben. Denn viel zu lange in den Jahrzehnten vor 1990 sind die Innenstädte dem Verfall preisgegeben worden, und das wollen wir auf keinen Fall jetzt mit anderen Vorzeichen wieder tun.

Die Ursachen und Folgen solcher Leerstände sind wie gesagt in den zurückliegenden Jahren lange nicht so in

das öffentliche Bewusstsein gedrungen, wie es eigentlich notwendig gewesen wäre. Ich gebe zu, dass auch Teile der durch Gebühren mitfinanzierten Infrastruktur in mit Leerstand betroffenen Stadtteilen weniger kostengünstig zu betreiben sind. Auch das sind Ursachen.

Meine Damen und Herren, ich will nicht weiter auf die Ursachen des Leerstandes im Einzelnen eingehen, denn dies kann man überall nachlesen. Beispielhaft ist aber auch, dass selbst in den neuen Bundesländern in den vergangenen Jahren eine unterschiedliche Herangehensweise im Bereich der Wohnungs- und Städtebauförderung praktiziert wurde. Ich sagte ja eingangs, das darf Mecklenburg-Vorpommern nicht zur Last gelegt werden, wenn es darum geht, jetzt auch eine Umkehr zu praktizieren beziehungsweise einen weiteren Strukturwandel in der Wohnungs- und Städtebauförderung mit neuen qualitativen Ausrichtungen zu untersetzen.

Wie ist nun sachpolitisch mit der Leerstandsproblematik umzugehen? Keinesfalls sollte ein eigenes Landesabrissprogramm wie in Sachsen aufgelegt werden. Das ist meine Meinung. Die ersten dort gemachten Erfahrungen zeigen, dass sich einzelne Wohnungsunternehmen als Freerider, das heißt als Trittbrettfahrer verhalten. Sie zögern, Abrisse im eigenen Bestand vorzunehmen, um möglicherweise von den Effekten der Abrisse anderer Wohnungsunternehmen zu profitieren. Wir haben es, ökonomisch gesprochen, mit einem Gefangenendilemma zu tun, welches sich aus dem Attentismus der Beteiligten ergibt. Dies darf der Staat nicht zulassen und deswegen ist von einem solchen Weg auch abzuraten. Egal wie die Vorgaben im Einzelnen ausgestaltet sein sollen, Einigkeit herrscht wohl insoweit, als dass es einen vernünftigen Mix aus allen Maßnahmen, die die Zu- und Wegzugsentscheidungen beeinflussen, geben muss.

Vielleicht sollte einmal darüber nachgedacht werden, ob die Städte nicht notwendigerweise über den Weg von Bundeszuschüssen in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter von Wohnungsunternehmen kompensiert werden, sondern dass Bundesmittel quasi zweckgebunden in den kommunalen Finanzausgleich implementiert werden, die Zuweisungssumme also teteris paribus erhöht wird. Das hätte den Vorteil, dass die Kommunen selbst Abrissvorhaben besser nach eigenen Prioritäten steuern und bezuschussen könnten. Mit einem solchen Vorgehen wäre auch dem Umstand Rechnung getragen, dass sich in den ostdeutschen Städten noch ein hoher Anteil der Wohnungen in kommunalem Eigentum befindet und dass dieser Anteil reduziert werden könnte, wenn primär Wohnungen im städtischen Besitz in Abrissprogramme aufgenommen werden könnten. Auch dem oben beschriebenen Attentismus könnte man damit vorbeugen.

Ich habe bereits bei meiner Einbringungsrede gesagt, wir sind nicht bereit, die Forderungen des Bestandserwerbs auf Kosten des Eigenheims zu betreiben, wie es leider auch diese Landesregierung macht. Der Staat hat nicht zu entscheiden, wie die Menschen leben wollen. Herr Minister, Sie wissen ja selbst, Ihr Bestandserwerb aus der Platte läuft, gelinde gesagt, nicht so recht. Andere würden sagen, es ist ein Flop. Und diese Mittel haben Sie aus der Eigenheimförderung herausgenommen. Das ist meines Erachtens nach Ideologie, aber keine sachgerechte Politik.

An die Adresse der SPD gerichtet sage ich: Ihre Politik ist letztlich völlig widersinnig. Sie beklagen den Eigen

heimbau auf der grünen Wiese, streichen die Fördergelder im Haushalt zusammen und sorgen auf Bundesebene für die verstärkte Subventionierung der Pendelkosten in Gestalt der Entfernungspauschale. Können Sie mir diese Logik erklären? Natürlich wird die Entscheidung für den Erwerb eines neuen Eigenheims im Stadtumland dadurch erleichtert. Das ist Förderpolitik im Sinne eines unabgestimmten Stückwerks ohne Hauch vernetzten Denkens meines Erachtens nach. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, trotz mancher förderpolitischer Brechstange wird es Ihnen gerade in Ostdeutschland dann nicht gelingen, die Präferenzen der Menschen für das Wohnen im Eigentum durch staatliche Eingriffe umzulenken. Versuchen Sie es also gar nicht erst. Die Menschen haben ihre jeweils höchst privaten Vorstellungen von Glück und es ist nicht die Aufgabe des Staates, darin herumzupfuschen.

Von dieser Einsicht getragen fordere ich Sie nochmals auf, unserem Antrag zuzustimmen. Sorgen Sie für eine klare Verhandlungsposition Mecklenburg-Vorpommerns gegenüber der Bundesregierung, sorgen Sie für eine umfassende Mitwirkung der am Prozess Beteiligen, sorgen Sie für eine verstärkte Förderung unserer Innenstädte, sorgen Sie für eine gerechte Verteilung der finanziellen Lasten und sorgen Sie für mehr Gestaltungsfreiräume der Kommunen! – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Frau Nehring-Kleedehn.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Kreuzer von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Positive zuerst: Die CDUFraktion greift mit ihrem Antrag ein ziemlich wichtiges wohnungs- und baupolitisches Thema auf und der Antrag selbst entspringt wohl auch einer Ambition. Das ist aber auch schon die ganze positive Botschaft der CDU zum Thema. Zum Rest ist zu sagen, von seinem Inhalt, von seinem Gehalt her fußt der Antrag entweder auf falschen Vermutungen oder kommt viel zu spät. Darüber hinaus, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die eine oder andere Intention oder Beschlussformulierung so selbstverständlich, dass sie schon wieder überflüssig ist.

Ein paar grundsätzliche Bemerkungen vorweg und auch ein paar Zahlen, damit Sie wissen, wovon ich ausgehe oder wovon wir ausgehen. Wir haben vor vielen Jahren, am Beginn der ersten Wahlperiode, mal unsere Vorstellungen vorgelegt, wie viele Wohnungen im Land Mecklenburg-Vorpommern geschaffen werden müssten im Verlaufe von etwa zwei Wahlperioden, und haben die astronomische Zahl von etwa 100.000 Wohnungen genannt. Das ist die Zahl, auf die Sie, Frau Kollegin, vorhin aufmerksam gemacht haben. Nach den letzten mir vorliegenden Rechnungen ist es so, dass im Land bis einschließlich 1999 102.000 neue Wohnungen entstanden sind. Da sage ich, so falsch haben wir also nicht gerechnet. Wir hätten es uns allerdings standörtlich, von der Wertstruktur und auch von der Qualität her etwas anders gewünscht, weil wir glauben, dass wir mit einem großen Teil des Wohnungsbaus einen großen Teil Natur zerstört haben, und weil wir glauben, dass wir auch Wohnungen gefördert haben in einem Segment, was sich die Leute nicht leisten können oder nicht leisten wollen. Wenn Sie wollen, gehen wir mal durch mein Wohngebiet und ich

zeige Ihnen alles, was schon seit Monaten und seit Quartalen an hängenden Schildern immer noch nicht weg ist, zu vermieten, zu verkaufen und so weiter und so fort. Das sind alles Größenordnungen von 100-QuadratmeterWohnungen und 2.000 Mark an aufwärts. Das dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren.

Nächste Zahlengruppe: Wir haben im Land etwa 800.000 Wohnungen. Wenn wir rechnen, dass ein Haus und logischerweise damit eine Wohnung etwa 100 Jahre hält, dann heißt das, dass pro Jahr etwa 8.000 Wohnungen einfach aus Zeitablauf, aus Altersgründen verloren gehen und irgendwann wieder neu ersetzt werden müssen. Daraus können wir die Hoffnung schöpfen, dass wir auch in 50 oder 100 Jahren immer wieder Wohnungen bauen müssen, wir müssen nur über die gegenwärtige komplizierte Situation hinwegkommen und die stellt sich wie folgt dar:

Wir haben etwa eine Größenordnung von acht Prozent Wohnungsleerstand. Nachdem in der Zeit bis 1998 dieser Leerstand vor allem dadurch verursacht wurde, dass die Leute aus dem Land davongelaufen sind beziehungsweise dass wir so wenig Geburten haben, so dass wir einen drastischen und dramatischen Bevölkerungsverlust erlitten haben, ist seit dem Jahre 1999/2000 ein qualitativer Wechsel dadurch eingetreten, dass jetzt die Wirkungen von geförderten Neubauwohnungen, von zusätzlichen Wohnungen, 21.000 pro Jahr, eingetreten ist. Die Wohnungen sind jetzt auf dem Markt entstanden und haben sich sozusagen in der Ursachenliste für Wohnungsleerstand an die erste Stelle gestellt, eine jetzt doppelt komplizierte Situation. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, wenn wir, wie gesagt, wieder in die Situation kommen, dass verstärkt Neubauwohnungen gebaut werden müssen, dann müssen selbstverständlich auch diese standörtlichen, strukturellen, qualitativen und wertstrukturellen Ungereimtheiten, so, wie sie sich in der Vergangenheit entwickelt haben, damit gleichzeitig überwunden werden. Damit stimme ich ausdrücklich mit Herrn Holter überein, dass Ihre Forderung, Frau NehringKleedehn, jetzt noch in Eigenheime staatlich zu investieren, …

(Bärbel Nehring-Kleedehn, CDU: Das habe ich nicht gesagt.)

Eigenheimbau staatlich zu fördern, steht auch in Ihrem Antrag drin.

(Bärbel Nehring-Kleedehn, CDU: Nein.)

Das heißt, wir fördern letztlich das Entstehen von Wohnungsleerstand am Ende der Kette und dann sitzen wir in regelmäßigen Abständen zum gleichen Thema – wir müssen uns mit dem Wohnungsleerstand beschäftigen – wieder hier an. Also diese Forderung ist eigentlich falsch, weil sich an der Stelle die Katze in den Schwanz beißt. Deswegen muss logischerweise auch die Konsequenz heißen: Umbau, statt Eigenheimförderung …

(Zuruf von Bärbel Nehring-Kleedehn, CDU)

Es wird ja niemandem verboten, ein Eigenheim zu bauen. Die Frage ist bloß, worauf orientiert Vater Staat, wo steckt er selbst sein Geld und seine Beteiligung mit hinein. Das ist doch der große Unterschied.

(Ministerin Sigrid Keler: Das sind doch Eigenheimzulagen. Er kriegt ja noch Eigenheimzulagen.)

Deswegen sollten Sie hier den Popanz nicht an die Wand malen.

Zum Konkreten selbst: Der Antrag der CDU geht offensichtlich auch davon aus, dass die Ergebnisse des Endberichtes der Expertenkommission „Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern“ direkt umgesetzt werden. Liebe Kollegin Nehring-Kleedehn, das ist falsch. Richtig ist, dass eine Arbeitsgruppe des Bund e s gebildet wurde, in der vier neue Bundesländer sowie Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hamburg mitarbeiten, um Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen aus diesem Bericht abzuleiten. In dieser Arbeitsgruppe arbeitet auch das Ministerium des Landes mit. Wir haben das vom Bauminister eben gehört. Der Bund selbst ist in dieser Arbeitsgruppe an kein Votum der Länder gebunden. Diese Arbeitsgruppe wird voraussichtlich im Mai in die Endredaktion ihrer Empfehlung gehen, so dass relativ kurzfristig mit Handlungsempfehlungen gerechnet werden kann. Der Auftrag der Arbeitsgruppe ist die Beschäftigung mit den Fragen:

Präzisierung einer höheren Bestandsförderung für die neuen Länder im Rahmen der Eigenheimzulage,

Ausgestaltung einer höheren Investitionszulage für die Modernisierung von Mietwohnungen im Altbaubestand,

Finanzierung einer Förderung von Abrissen und

Kommissionsvorschlag zum Sonderausgabenabzug nach Paragraph 10 Einkommenssteuergesetz.

In dieser Arbeitsgruppe arbeitet selbstverständlich das Land Mecklenburg-Vorpommern mit und natürlich arbeiten wir auch im Rahmen unserer Interessen mit.

(Zuruf von Bärbel Nehring-Kleedehn, CDU)

Eine Nachmandatierung, was Sie mit Ihrem Antrag offensichtlich erreichen wollen, dieser Arbeitsgruppe oder dieser Mitarbeit in der Arbeitsgruppe liefe den Tatsachen doch regelrecht hinterher, ist also völlig witzlos.

(Bärbel Nehring-Kleedehn, CDU: Nein.)

Zum Punkt 1.1 Ihres Antrages: Eine Novellierung des Eigenheimzulagegesetzes gehört also nicht mehr zu den geprüften Maßnahmen der Arbeitsgruppe des Bundes. Es gibt folgende Einigung, die schon seit Anfang Februar datiert:

Neuregelung nur für die neuen Bundesländer,

Verbesserung der Bestandsförderung durch Anhebung der Höchstbemessungsgrenzen im innerörtlichen Bereich und

unveränderte Neubauzulage.

Damit ist eine Schlechterstellung der Bevölkerung in den neuen Bundesländern, so, wie Sie mit Ihrem Antrag suggerieren wollen, nicht mehr Diskussionsgegenstand.

1.2: Die Finanzierung eines Umbaus von Stadtgebieten wird nach den jetzigen Diskussionen durch KFE-Kredite finanziert.

(Die Abgeordnete Bärbel Nehring-Kleedehn bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Bei diesen ist eine Kofinanzierung von Land und Bund doch schon jetzt üblich, so dass Ihre Forderung eigentlich nur den Status quo aufleben lässt.

(Ministerin Sigrid Keler: Ja. Genau.)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?