Mittlerweile liegen eine Fülle von Materialien zu den Teilaspekten und aus verschiedenen Fachbereichen vor. Dazu zählen Analysen zu den gesellschaftlichen Ursachen, Analysen zu Fragen der Psychologie, Physiologie und Sozialisation durch das Erziehungssystem bei den Tätern wie auch bei den Opfern, Erfahrungen aus der therapeutischen Arbeit mit Opfern und Tätern und anderes mehr. Mitgearbeitet haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Medizin, der Frauen- und kritischen Männerforschung, der Juristerei, der Kriminologie, den Erziehungswissenschaften und der Soziologie. Hilfreich wäre es, wenn diese Erkenntnisse endlich auch in politisches Handeln einfließen würden.
Angesichts der knappen Zeit möchte ich nur stichpunktartig auf die gewonnenen Erkenntnisse zu den Ursachen, dem Ausmaß und möglichen Handlungsstrategien eingehen:
Erstens. Die Benennung sexualisierter Gewalt als Strukturmerkmal der patriarchalen Gesellschaft sieht den gesellschaftlichen Boden der Gewalt in der Machtungleichheit zwischen Männern und Frauen, in der untergeordneten gesellschaftlichen Stellung der Frau mit dem damit einhergehenden Verständnis ihrer Minderwertigkeit und der Verfügungsgewalt von Männern über Frauen.
Frau Margret Brückner formuliert das wie folgt: „Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist mehr als ein individueller Akt des Mannes gegenüber einer Frau, sie ist als gesellschaftlich und kulturell gegebene Möglichkeit tief im Geschlechterverhältnis in unseren Bildern von Männlichkeit und Weiblichkeit verankert. Das Ausmaß männlicher Gewalttätigkeit ist nur durch unser Bild von besitzergreifender und erobernder Männlichkeit erklärbar sowie das
weibliche Erdulden männlicher Gewalttätigkeiten bei Beziehungsdelikten, aber auch bei länger währenden Übergriffen am Arbeitsplatz.“
Zweitens. Sexualisierte Gewalt in den diversen Erscheinungsformen findet in allen gesellschaftlichen Bereichen und allen Altersstufen an Mädchen und Frauen statt, im privaten Rahmen der Familien und Beziehungen, im halböffentlichen Rahmen von Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und am Arbeitsplatz sowie im öffentlichen Raum.
Darstellungen sexualisierter Gewalt und der Verfügbarkeit über den weiblichen Körper in Medien, Werbung, Filmen, Pornographie ergänzen und stützen die Ausübung sexualisierter Gewalt durch ihre Vermittlung als Norm, als legitime Handlung, als rechtmäßige Verfügungsgewalt des männlichen Geschlechts über das weibliche.
Drittens. Sexualstraftäter sind nicht grundsätzlich psychisch gestörte Persönlichkeiten, sondern ganz normale Männer.
Ruud Bullens, niederländischer Psychotherapeut, der seit 1982 mit Sexualstraftätern arbeitet und auch daran forscht, und andere haben in zahlreichen Untersuchungen belegt: Nur etwa ein Prozent aller Sexualstraftäter, zum Beispiel Vergewaltiger, Kindesmissbraucher, Kindermörder, hat massive Persönlichkeitsstörungen. Ihr Mangel an Selbstkontrolle lässt sich nur stationär behandeln. Die überwiegende Mehrzahl der Täter, das heißt 95 Prozent, verfügt über genügend Selbstkontrolle und der Rest über eine verminderte.
Dieser Erkenntnis Rechnung tragend wurden mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten, ebenfalls 1998 in Kraft getreten, die Länder verpflichtet, bis zum Jahre 2003 sozialtherapeutische Anstalten und Abteilungen zu schaffen. Bis heute ist das leider noch nicht geschehen. Es laufen Vorbereitungen.
Viel wichtiger sind eigentlich hier Bedeutung und Inhalt von Primärprävention gegenüber Sexualstraftaten. Das heißt natürlich, sich intensiv auseinander zu setzen mit dem Männlichkeitsbild als Ursache für sexualisierte Gewalt. Ich denke, der Bundes- und der Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen trägt dem auch entsprechend Rechnung. Ich wünschte mir, dass die Herren der CDU hier das endlich mal zur Kenntnis nehmen und sich dort verschärft mit einbringen, anstatt immer wieder mit der großen Keule zu schwingen. Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf ankündigen, dass ich am Ende dessen, was ich sagen will, beantragen werde, was bisher nicht vorgesehen war, und zwar in den Ausschuss zu überweisen. Selbst für den Fall, dass Sie es dann im Ausschuss auch ablehnen, würde ich jedoch großen Wert darauf legen, im Ausschuss darüber zu diskutieren, weil offensichtlich der Antrag der Bayern vielleicht doch nicht gründlich genug gelesen worden ist.
Zu diesem Zweck muss ich noch einmal sagen: Erstens, wir haben heute das Gesetz zur Identitätsfeststellung über die DNA-Analyse – unbestritten.
Und wir haben die Identitätsfeststellung dann, wenn der Beschuldigte eines Verbrechens verdächtigt wird, völlig unabhängig von Sexualität, das kann Raub, das kann auch etwas anderes sein, bei einem Vergehen von erheblicher Bedeutung, insbesondere eines Vergehens gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Körperverletzung, Diebstahl, Erpressung und so weiter. Wer einer solchen Tat verdächtigt wird, bei dem kann die Identitätsfeststellung über Entnahme von Körperzellen vorgenommen werden. Es geht also darum, wenn die Kriminalpolizei, die Staatsanwaltschaft, die Polizei ermittelt und sucht, ob der Beschuldigte oder wer sonst in Frage käme. Und nun sagen wir, das Bundesverfassungsgericht hat das inzwischen bestätigt, dass das alles so in Ordnung ist, jawohl, wir haben kein anderes Mittel, dann ist auch die Prognose nach dem Grundgesetz zulässig.
Wir sehen das ja überall, Frau Koburger. Ich bin mit den Prognosen überhaupt nicht zufrieden. Sie haben Recht, was Sie über die Prognosen sagen, manchmal funktioniert das nicht.
Aber diese Prognose, die hier gemacht werden soll, ist ja doch noch etwas relativ ungefährlich. Sie soll nur dazu führen, dass dessen DNA festgestellt und gespeichert wird. Die Prognose soll nicht dazu führen, dass er eingesperrt wird oder...
(Annegrit Koburger, PDS: Das ist ja das Schlimmste an dieser ganzen Sache, was Sie hier erzählen. Bloß weil eventuell hätte könnte sein.)
Sexuelle Selbstbestimmung wird verletzt durch ein Verfahren von erheblicher Bedeutung. Wo fängt das an? Wo fangen sexuelle Straftaten von erheblicher Bedeutung an?
Jaja, so steht das drin. DNA-Analyse dann, wenn sexuelle Belästigungen, nein sexuelle Straftaten von erheblicher Bedeutung sind. Wir sagen, wer jemand ist, der...
Deswegen beantrage ich dann die Überweisung in den Ausschuss, damit wir das noch mal in Ruhe besprechen können.
(Annegrit Koburger, PDS: Nein, Sie können es noch mal nachlesen. So, wie Sie es interpretie- ren, steht es nicht drin. – Torsten Koplin, PDS: Das muss exakt formuliert sein.)
Wir sagen das also nicht erst, wenn jemand wegen erheblicher sexueller Straftaten beschuldigt oder gesucht wird, sondern auch schon dann, wenn es sich um sonstige Vergehen, also Straftaten mit sexuellem Hintergrund
handelt. Das ist das Einzige, worum es geht. Wir sagen, DNA-Analyse soll auch bei denen entnommen werden, wo der Beschuldigte verdächtig ist, ein sonstiges Vergehen mit sexuellem Hintergrund begangen zu haben,
also nicht nur von erheblicher Bedeutung. Und nun sollten Sie mal genau den zweiten Teil Ihrer Rede nachlesen, die Sie gehalten haben. Da wenden Sie sich ja gerade gegen alle die Fälle, wo sexuelle Straftaten beginnen.
Und da haben wir eben Sorge, dass damit so umgegangen wird, dass sie nicht Grundlage für die Ermittlungen sein können.
(Annegrit Koburger, PDS: Sie kriegen die gesellschaftliche Struktur doch nicht mit einer DNA-Analyse verändert, Herr Helmrich!)
Es geht bereits um Taten, die passiert sind. Zu dem Zeitpunkt brauche ich mir nicht mehr zu überlegen, wie sonst unsere Gesellschaft noch furchtbar schlecht ist. Es geht um die Anlasstat selbst
und da wollen wir die Schwelle runtersetzen. Und dann soll auch noch die Prognose gemacht und gesagt werden, das sind typische Straftaten, das sind Exhibitionisten. Was Exhibitionisten sind, wissen Sie?
(Annegrit Koburger, PDS: Aber keiner kann nachweisen, dass die irgendwann eine Sexualstraftat machen. Das ist Unsinn!)
(Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: Wir wissen das, wir wissen das. – Torsten Koplin, PDS: Das müssen Sie uns nicht illustrieren.)
Überlegen Sie doch mal, Sie haben jemanden, Frau Koburger, der Frauen am Telefon mit sexuellem Dreck terrorisiert, und er wird deshalb bestraft. Der hat etwas getan, was dem sehr nahe liegt, Frauen zu belästigen. Von dem möchten wir auch die DNA-Analyse nehmen,