Ich bitte um Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag, und zwar genau aus den Gründen, die ich vorher benannt habe. – Danke.
Liebe Kolleginnen und Kollegen im Parlament! Werter Herr Landtagspräsident! Wenn schon mein Hund sich abwendet wegen der unqualifizierten Zwischenrufe, sagt das, glaube ich, viel.
Ich muss Ihnen sagen, Herr Caffier, dieser Antrag heißt Aktionsprogramm des Landes Mecklenburg-Vorpommern und nicht Legitimation der Ehe oder irgendwie weitergehende Gesetzlichkeiten, als der Bund es gemacht hat, oder irgendwas in der Sache. Und wenn Sie sich auf Aktionsprogramm beschränkt hätten und sozusagen nur die ersten 60 oder 80 Sekunden Ihrer Rede gelassen hätten, wär’s genau richtig gewesen. Aber das andere war von vorvorgestern.
Ich möchte die Dinge, die Frau Koburger und Frau Dr. Seemann gesagt haben, noch mal ein kleines bisschen runterbrechen, und zwar aus folgendem Grund: Wir leben alle in einer Gesellschaft, viele Menschen um uns herum. Und wenn Frau Koburger davon sprach, dass nach Schätzungen etwa zehn Prozent der Bevölkerung zur Homosexualität neigen beziehungsweise homosexuell sind, dann frage ich mich, wenn ich in meinen direkten Umkreis gucke, also in unseren Kreis Parchim oder in
meine kleine Stadt Goldberg: Zehn Prozent, 4.000 Einwohner, wer eigentlich? Einige kenne ich gewiss, aber so viel sind’s denn nun bestimmt nicht. Woran kann das eigentlich liegen? Liegt es daran, dass die Schätzung überhaupt nicht stimmt? Kann sein, wissen wir nicht. Liegt es vielleicht daran, dass der Anteil nach der Schätzung größer ist als die Anzahl der Leute, die wir kennen, weil der Anteil derer, die sich nicht zeigen möchten als gleichgeschlechtlich Lebende, weitaus größer ist, als der, die sich zeigen? Kann sein. Ist die Gruppe so verschwiegen, weil die Gesellschaft sie nicht akzeptiert und wir sie dadurch nicht bemerken? Auch das kann sein, sogar mit sehr großer Wahrscheinlichkeit. Oder ist unsere Wahrnehmung einfach nicht so offen, wie sie sein sollte, weil es an Lesben- und Schwulenclubs, Gaststätten, an Netzwerken, Vereinen, Verbänden fehlt, weil sie kein Sprachrohr haben? Ist es so, dass sie keine Lobby haben? Jawohl, auch das wird es sein. Wir haben es heute hier gerade wieder vorexerziert bekommen, auf welche Art und Weise man diskriminiert, Herr Caffier. Wenn man von vornherein sagt, Familie und Ehe in ihrer althergebrachten Art ist das einzig Legitime
Was heißt hier normale Lebensform? Frau Koburger hatte es schon reingerufen. Ich hatte es schon ein paar Mal gesagt. Wer von uns ist denn überhaupt befugt, Normalität zu definieren?
Es gab und gibt Naturvölker, die leben immer, bis zum heutigen Tag, zu bestimmten Zeiten homosexuell und zu bestimmten Zeiten bisexuell.
Sie wissen ganz genau, dass nur zur Zeugung von Kindern zusammengelebt wird. Dann gibt es Frauen- und Männerhäuser und so weiter und so fort. Das kann doch nicht unnormal sein. Und biologisch gesehen – Herr Thomas, es tut mir ja nun fürchterlich Leid, aber jeder Fötus ist erst mal weiblich. Und bei manchen, die dann männlich werden, ist es eine Verausgabung der Natur. Entschuldigung!
Viele Antworten hat Frau Koburger schon zu bestimmten Dingen gegeben. Einige Dinge möchte ich hier noch sagen. Ich habe Kenntnis von einer einzigen Studie in Niedersachsen, die 1995 gemacht worden ist, zu dem Problem homosexueller Männer – auch da hat man überhaupt nicht bemerkt, dass es auch lesbische Frauen gibt – in Klein- und Mittelstädten. Und hat man einige Ergebnisse herausgefunden, zusammengebracht, die doch eigentlich sehr erstaunlich sind. Man hat zum Beispiel herausgefunden, dass die Gesellschaft im Prinzip schon sehr viele Verbrechen begangen hat an gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften, an Menschen,
die Schwule oder Lesben sind, denn aufgrund der Nichtakzeptanz in der Gesellschaft, aufgrund des In-dieSchmuddelecke-Stellens, des immer wieder Darstellens, es ist nicht normal, haben Menschen, vor allen Dingen junge Erwachsene, Jugendliche, natürlich ein Problem, über ihr erstes sexuelles Erlebnis zu reden. Sie haben oft sogar das Problem, dass sie nicht mal mit ihren Eltern reden können, geschweige denn sich irgendwie an andere Menschen zu wenden, so dass sie schon einem unwahrscheinlichen psychischen Druck ausgesetzt sind, wenn sie ihre Sexualität erkennen, und in diesem Zusammenhang dann natürlich auch sehr große Probleme haben, zur Selbstakzeptanz zu finden als Mensch, ich als Mensch zu mir. Ich denke mir, in einer humanistischen Gesellschaft sollte man sich dieser Probleme bestimmt, offen und ehrlich annehmen, wenn ein Mensch nicht zu sich selbst kommen kann, weil er ganz einfach von der Gesellschaft von vornherein als nicht normal in die Ecke gestellt wird.
Die Grundlage in der sexuellen Orientierung findet leider auch keinen Eingang zum Beispiel in Schulen und in Jugendclubs, denn gerade da ist das Alter, wo vielleicht als Erstes über bestimmte Dinge gesprochen werden müsste.
Natürlich, Frau Schnoor, haben wir niemals gesagt, dass wir ein Unterrichtsfach „Gleichgeschlechtliche Lebensweise“ haben wollen.
(Dr. Margret Seemann, SPD: Frau Schnoor ist leider nicht mehr da. – Annegrit Koburger, PDS: Das wäre auch mal eine interessante Variante.)
Das haben wir also nicht verlangt und werden es auch nicht verlangen, aber dass gleichgeschlechtliche Lebensweise genauso behandelt wird als Form des Lebens, wie zum Beispiel ja nun ansatzweise schon das Leben mit Beeinträchtigung behandelt wird. Das sollte doch normal sein. Und es ist doch mehr als widersinnig, dass, wenn ich ein Kinderbuch haben will, wo es auch mal einen Vati und einen Papa gibt oder eine Mutti und eine Mama, ich das Ding aus den Niederlanden importieren muss, weil es das bei uns einfach nicht gibt.
Es war schon recht interessant, als es um gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften ging und manche Radioreporter hier in Schwerin mal das Mikrofon unter die Menschen hielten. Diejenigen, die es total ablehnten, waren in der absoluten Minderheit. Es waren eigenartigerweise viele Männer, vor allem ältere Männer, ich würde sagen, so ab 55. Ich mache daraus keinen Vorwurf, denn ich selbst weiß, auf welche Art und Weise ich noch in bestimmten Dingen erzogen worden bin beziehungsweise meine Eltern. Aber sind wir wirklich hier schon so alt im Parlament, dass wir nicht in der Lage sind,
(Annegrit Koburger, PDS: Manche sind älter, als sie aussehen. – Monty Schädel, PDS: Man muss das ja nicht sehen.)
uns dem zu öffnen, was die Menschheit um uns herum sagt? Manchmal ist es ganz günstig, jungen Leuten zuzuhören, die unverbraucht, unvoreingenommen einfach sehen, wie das Leben ist, und bestimmt keine schlechten
Es gibt leider sehr, sehr wenig wissenschaftliches Material, fast überhaupt keins, und ich denke, es ist dringend notwendig, dass man sich in erzieherischen und sozialwissenschaftlichen Potentialen mit der gleichgeschlechtlichen Lebensweise beschäftigt, um sie auch als ganz normale Aktion in unserem Leben zu bewerten und so nebeneinander zu nehmen und zu nutzen.
Meine Damen und Herren! Wir wollen nicht, dass die Ergebnisse dieser Studie in Niedersachsen einfach so nebenherlaufen. Wir sind eigentlich froh, dass in Niedersachsen mal so eine Umfrage, so eine Einschätzung abgegeben wurde. Und wir würden doch dringend bitten, dass beim Aktionsprogramm Mecklenburg-Vorpommerns zur gleichgeschlechtlichen Lebensweise von Menschen diese Schrift aus Niedersachsen mit dazugenommen wird, um bestimmte Dinge daraus gleich für uns abzuleiten. Denn interessanterweise hat der Lebensstil nichts zu tun mit Akzeptanz dahin gehend, dass ich mich unbedingt in Großstädte verkriechen muss wegen der Anonymität, sondern der Lebensstil von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften hat etwas damit zu tun, wie die Partner zueinander stehen, ihre gleichgeschlechtliche Lebensweise angenommen haben, ihre Homosexualität angenommen haben, viel selbstbewusster damit leben und dadurch auch den Eindruck vermitteln, dass sie sich so, wie sie sind, wohl fühlen und in unser Leben gehören.
Meine Damen und Herren! Dieser kleine Ausblick auf das Runterbrechen in unsere Kreise, in unsere Wohngebiete soll noch mal Anregung sein für das Aktionsprogramm. Ich bitte Sie, der Aufforderung, ein Aktionsprogramm zu erstellen, zuzustimmen. – Danke.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/2119. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/2119 mit den Stimmen der Fraktionen der SPD und PDS gegen die Stimmen der anwesenden CDU-Mitglieder angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 26: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Grunderwerbssteuer bei Umstrukturierungen, Drucksache 3/2127.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Riemann von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Riemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da nach mir die Frau Finanzministerin Keler reden und sich gegen diesen Antrag äußern wird,
(Dr. Margret Seemann, SPD: Was ist denn das, sagen Sie mal? Das ist ja anmaßend. Das ist ja anmaßend, was Sie machen, Herr Riemann!)