Irene Müller

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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Wir sprechen heute hier zum ersten Mal über einen Bericht des Integrationsförderrates. Geschichtlich betrachtet stellen wir fest, dass wir uns in dieser Legislaturperiode mit Behindertenproblematik, Behindertenpolitik in breiten Facetten beschäftigt haben.
Schon im Koalitionsvertrag wurde Frau Sozialministerin Dr. Bunge aufgefordert, die Sinnhaftigkeit eines Landesgleichstellungsgesetzes zu prüfen. Die Überprüfung ergab, dass es sehr wohl Handlungsbedarf gibt. Leider konnte Frau Ministerin im Kabinett vor vier Jahren noch nicht die nötigen Partnerinnen und Partner finden, die mit ihr zusammen an einem Landesgleichstellungsgesetz arbeiten. Wir steckten nicht den Kopf in den Sand, weder das Sozialministerium mit Frau Dr. Bunge an der Spitze noch die Behindertenvereine und -verbände, wir arbeiteten gemeinsam an dem Integrationsförderratsgesetz. In Anhörungen im Ministerium waren viele Partnerinnen und Partner am Tisch, um das Gesetz in Gang zu bringen, und im Endeffekt hatten wir es. Wir hatten es als allererstes Land in Deutschland, als eine außerparlamentarische Möglichkeit für ein Gremium, im Gesetzgebungsverfahren zu Rechtsvorschriften, Durchführungsbestimmungen und so weiter einzugreifen.
Ein besonders gelungener Wurf ist für mich – nach wie vor – heute noch die Art und Weise, wie der Integrationsförderrat zusammengesetzt ist. Es sitzen Menschen aus unterschiedlichsten Lebenssituationen zusammen am Tisch, Menschen, die in den Ministerien arbeiten, die in einzelnen Fachressorts ihre Kompetenz einbringen, und Menschen, die betroffen sind, die aus ihrer Betroffenheit und aus der Erfahrung der Selbsthilfe heraus ihre Gedanken einbringen. Und alles soll ein Spiel ergeben, in dem unter anderem unterm Strich ein positives Ergebnis herauskommt.
Wir haben in der Gesetzgebung verankert, dass jährlich ein Bericht zu erstatten ist. Dieser Bericht liegt heute vor und ich denke, diesem Bericht von einem Gremium, welches Neuland betreten hat, vom Integrationsförderrat, ist höchste Anerkennung und Hochachtung zu zollen,
denn es war gewiss nicht einfach – Frau Dr. Seemann hat schon darauf hingewiesen und Frau Dr. Bunge auch –, diese unterschiedlichen Menschen in solch einem Gremium zusammenzufassen, sich mit einem Thema zu be
schäftigen, womit manche sehr beschäftigt sind, andere aber eigentlich überhaupt nicht, und trotzdem alles in gemeinsamer Zusammenarbeit sachlich, fachlich richtig und vor allen Dingen vertrauensvoll zusammenzubringen. Auch waren die äußeren Bedingungen, die der Integrationsförderrat vorfand, nicht immer mit grünem Licht ausgestattet. Ich denke dabei zum Beispiel an die Probleme der Darstellung im Internet, an die Probleme überhaupt der Öffentlichkeitsarbeit, an verschiedene Hilferufe aus dem Integrationsförderrat, wie man an die ganzen Unterlagen zur rechten Zeit herankommt, und so weiter und so fort.
Und ich denke auch, dass gerade die Arbeit des Integrationsförderrates ganz genau zeigt, dass es eben nicht immer richtig und sinnvoll ist, wenn Menschen ohne Behinderungen definieren, was Menschen mit Behinderungen brauchen. Das geht schon damit los, dass es eben nicht sinnvoll ist, wenn aus den Fachressorts definiert wird, welches Gesetz, welche Rechtsvorschrift, welche Durchführungsbestimmung Menschen mit Beeinträchtigungen berührt und welche nicht. Wenn der Integrationsförderrat so arbeiten soll, wie wir es ihm anheim gestellt haben und wie wir es von ihm eigentlich verlangen, nämlich als funktionierende Beratung für die Fachressorts, dann sollten ihm die Gesetzesvorlagen, die Gesetzesentwürfe grundsätzlich vorgelegt werden. Ich denke, die Damen und Herren des Integrationsförderrates sind Frau und Manns genug, im Bedarfsfall zu sagen, das berührt unsere Problematik nicht. Man sollte es ihnen aber alleine überlassen.
Und ich denke, es ist auch wirklich als Hilferuf nach wie vor zu werten, wenn wir in dem Bericht lesen, dass der Integrationsförderrat darum bittet, zur rechten Zeit in Gesetzesvorhaben einbezogen zu werden. Meine Damen und Herren, bedenken Sie bitte, im Integrationsförderrat sitzen Menschen, die hauptamtlich arbeiten, aber auch Menschen, die ehrenamtlich arbeiten! Und wenn ich da mal auf die Belange der Betroffenen hinweise, müssen wir dabei auch bedenken, dass die Betroffenen eine Klientel vertreten. Wenn sie sie vertreten sollen in einer Gesetzesgebung, müssen sie aber die Möglichkeit haben, sich fachlichen Rat zu holen, zusammenzusitzen und zu beraten, wie die einzelnen fachlichen Dinge so zueinander zu bringen sind, dass sie im Gesetz dann so stehen, dass nicht Barrieren untereinander aufgebaut werden. Ich weiß, Gesetzentwürfe haben ihre ganz strenge Zeitschiene, aber ich bitte nach wie vor darum, in diese Zeitschiene den Integrationsförderrat mit einzubauen, dass die Geschäftsführerin Frau Wollersheim nicht immer und immer wieder genötigt ist, bestimmten Dingen hinterherzulaufen. Da wird die Arbeitsfähigkeit des Integrationsförderrates massiv eingeschränkt.
Ich bitte auch die Mitglieder, die Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Fraktionen, wenn es um Anhörungen geht, wenn Sie Anhörungen in Betracht ziehen, ziehen Sie auch in Betracht, den Integrationsförderrat zumindest zu fragen, ob er zu dem Thema Anlass sieht, gehört zu werden. Ich denke, es ist wichtig. Und in manchen Dingen finden die Integrationsförderratsmitglieder Themen, zu denen sie reden wollen, die einem Menschen ohne Behinderung zum Beispiel nicht gleich auffallen.
Wir haben einen Bericht vorliegen, der ein breites Spektrum zeigt, ein breites Spektrum dahin gehend, womit sich der Integrationsförderrat mit seinen Mitgliedern beschäf
tigt hat. Frau Dr. Seemann hat es schon aufgelistet, es geht von den Kitas über Regelschule, Ausbildung von Sonderschullehrern, Landeshochschulgesetz bis hin zu der ganzen Angelegenheit der Sonderparkgenehmigungen für Menschen mit Behinderungen, also Dinge, die das Wirtschaftsministerium betreffen.
Ich glaube, bei den Stellungnahmen, die der Integrationsförderrat gegeben hat, war der Integrationsförderrat insgesamt bemüht, in sehr feinfühliger Art und Weise auf die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen hinzuweisen, um wirklich Gesprächspartner zu finden, Gesprächspartner dahin gehend, dass nicht von vornherein der Zeigefinger erhoben werden soll, du hast uns da vergessen, sondern Gesprächspartner dahin gehend, wir würden denken, dass das und das noch fehlt. Und da ist es, glaube ich, wichtig, dass manch Fachressort diese Denkweise wirklich übernimmt und nicht der Meinung ist, dass sich der Integrationsförderrat hinsetzen und meckern will, sondern die Zuarbeit wirklich als Bereicherung ansieht.
Ich möchte das an einem Beispiel darstellen: Es gibt eine Stellungnahme zum Landeshochschulgesetz, die ich in zwei Teile teilen möchte. Ich kann ohne Probleme mit der Stellungnahme des Kultusministeriums mitgehen, dass sehr wohl die mobilen Barrieren in der Landesbauordnung schon weggeschoben worden sind, indem bei der umfassenden Sanierung und dem Neubau von öffentlichen Gebäuden die Barrierefreiheit vorgeschrieben ist. Aber mit der Beantwortung des zweiten Teils des Kultusministeriums habe ich dahin gehend das Problem, dass damit doch wieder mal gezeigt wird, in welcher Art und Weise noch Barrieren in den Köpfen sind. Denn wenn der Integrationsförderrat darauf hinweist, dass der Zugang zum Studium, Zugang zu bestimmten Fachrichtungen, die Eingangsprüfung, die Abschlussprüfung, die Bedingungen für schriftliche Hausarbeiten und so weiter und so fort so gestaltet werden sollten, dass alle Menschen Zugang haben, ist damit mitnichten gemeint, dass für Studentinnen und Studenten mit Behinderungen gesonderte Regelungen erfunden werden sollen, nach denen von ihnen keine Leistung gefordert wird. Das hat der Integrationsförderrat in keiner Weise geschrieben. Aber er hat geschrieben, dass die Rahmenbedingungen so gestaltet werden sollen, dass auch ein Mensch mit Behinderungen aufgrund seiner anderen Arbeitsorganisation in der Lage ist, das Studienfach zu belegen, die Eingangsprüfung und auch die Abschlussprüfung zu bestehen.
Es ist fast ein positives Novum, dass ich ausgerechnet jetzt, in dieser Zeit, wo wir darüber reden, eine Petition vorliegen habe, wo es gerade um dieses Problem, nämlich die Gestaltung der Abschlussprüfung für einen Studenten mit Behinderung, geht. Er will seine Abschlussprüfung machen – ohne Zweifel –, aber er hat um andere Bedingungen gebeten. Ich denke, es ist der Paradigmenwechsel, der da noch in uns vorgehen muss, eine körperliche Beeinträchtigung nicht sofort mit einer Leistungsbeeinträchtigung insgesamt, also einer Beeinträchtigung des Arbeitsergebnisses zu definieren.
Ich denke, wir bleiben da miteinander im Gespräch. Die Damen und Herren im Integrationsförderrat sind dazu bereit. Wir werden uns da alle weiter befleißigen. Die Unterstützung der PDS-Fraktion in unserem Land und der anderen PDS-Fraktionen in den anderen Landtagen ist da gewährleistet. Wir haben ja auch in der ganzen Zeit viel miteinander gesprochen.
Eine Bemerkung noch: Wenn das Finanzministerium in seiner Stellungnahme feststellt, dass ein sofortiger Handlungsbedarf nicht zu erkennen ist, weil der Integrationsförderrat dahin gehend keine Beschlüsse gefasst hätte, ist das vielleicht bürokratisch gesehen richtig. Aber, meine Damen und Herren, sehen wir es doch nicht bürokratisch, sondern sehen wir es so: Die vielfältigen Hinweise und Ratschläge haben auch inhaltliche Konsequenzen, auch wenn nicht das Wort „Beschluss“ darüber steht. Sie sind deswegen inhaltlich nicht weniger wert. Und da sollten wir, glaube ich, nicht so sehr das Augenmerk auf dieses Wort „Beschluss“ legen, sondern auf das, was drinsteht.
Ich möchte es nicht versäumen, hier und heute den Mitgliedern des Integrationsförderrates ein recht herzliches Dankeschön zu sagen für ihre intensive Arbeit.
Es war erst einmal nicht leicht, die Strukturen aufzubauen, und es war auch nicht leicht, Herr Glawe, die Geschäftsordnung so zu gestalten, dass die Entschädigung erst mal laut Geschäftsordnung geklärt ist. Es war aber auf der anderen Seite bestimmt auch nicht leicht, so viele Menschen in so unterschiedlicher Art und Weise zueinander zu bringen und sie auch arbeitsmäßig auf einen Level zu bringen. Denn wir sitzen da nicht mit Juristinnen und Juristen am Tisch zusammen, sondern es sind Menschen unterschiedlichster Bildung, unterschiedlichster Lebenserfahrung und unterschiedlichster Arbeiten, die sie jetzt ausführen. Alles ist nicht so einfach. Und ich denke, die Fluktuation im Integrationsförderrat – also der Austausch einiger Benannter im Vergleich zu anderen – zeigt unter anderem auch, dass sich erst im jetzigen Arbeitsprozess gezeigt hat, welche Arbeiten eigentlich gemacht werden müssen. Und da finde ich es nicht falsch, wenn Menschen, die diese Arbeit nicht vermögen zu bewältigen oder die denken, dass sie dieser Arbeit nicht gerecht werden können, Menschen Platz machen, die aus ihrem Verein, aus ihrem Verband, aus ihrem Gremium kommen und da vielleicht mehr einbringen können.
Ich bedanke mich herzlich bei Frau Gelva Düsterhoft als Vorsitzende, ich bedanke mich auch herzlich bei den beiden StellvertreterInnen, Frau Wischnewski und Herrn Buchholz. Herr Buchholz ist leider ausgeschieden, neuer Stellvertreter ist Herr Besicke. Ich denke, auch er wird seine ganze Kraft einsetzen, um den Integrationsförderrat weiter voranzubringen. Dank muss ich allerdings auch ganz intensiv Frau Dr. Bunge sagen, die in der gesamten Anfangszeit...
Ja, ich bitte darum, mir eher Bescheid zu sagen, wenn die rote Lampe anfängt zu leuchten.
... die ganzen Bemühungen unterstützt hat, dass der Integrationsförderrat zum Laufen kommt, die personell, fachlich, sachlich und finanziell dafür gesorgt hat, dass der Integrationsförderrat arbeitsfähig wird, und die nicht zuletzt auch im Kabinett nach unserer Beschlussfassung hier im Hohen Haus dafür gesorgt hat, dass alles in Gang kommt und es nicht erst auf die lange Bank geschoben wird. Danke schön!
Ich wünsche dem Integrationsförderrat auch mit neuen Partnerinnen und Partnern auf parlamentarischer Seite, in
den Ministerien in der nächsten Legislaturperiode so viel offenes Ohr und Verständnis, wie sie es jetzt gefunden haben mit Frau Dr. Bunge und den Mitgliedern unserer Ministerien. – Danke schön.
Werte Damen und Herren! Werter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe CDU-Fraktion! Es ist manchmal vielleicht doch besser, wenn man den sozialpolitischen Experten sprechen lässt und nicht jemand anderen. Ich glaube, Herr Glawe hätte wenigstens von hier vorn aus nicht aktuellen Rentenanpassungswert und Rentenreformgesetz durcheinander gebracht.
Außerdem erscheint mir folgende Rechnung sehr eigenartig. Ich habe sehr wohl gelernt in den vergangenen zwölf Jahren, dass es Menschen gibt, unter anderem auch welche, die hier sitzen, die von sich behaupten, dass sie erst am 03.10.1990 geboren sind. Allerdings wusste ich bisher noch nicht, dass Rentengesetzlichkeiten in der Bundesrepublik Deutschland erst seit 1999 existieren.
Da dachte ich eigentlich, die gibt es schon viel länger.
Darauf werden wir mal zurückkommen.
Ich muss auch darauf eingehen, dass sehr wohl die Beiträge von Frau Gramkow, von Frau Dr. Seemann und natürlich auch von unserer Sozialministerin ganz konkret waren, nämlich mit ganz konkreten Fakten, wie es steht mit der Rentengerechtigkeit in Deutschland, und zwar in Gesamtdeutschland im Vergleich Ost und West zueinander, auch wenn wir eigentlich überhaupt nicht mehr vergleichen wollen oder sollten nach zwölf Jahren.
Es ist dringend notwendig, dass sofort begonnen wird mit der Rentenangleichung Ost und West, mit den Angleichungen des aktuellen Rentenwertes, ganz besonders dabei bemerkt,
denn die Rentnerinnen und Rentner – und ich spreche von den Altersrentnerinnen und -rentnern in unserem Lande – haben es verdient, haben es sich über Jahre verdient und werden im Moment noch betrogen, nämlich um ihre erarbeitete Rente. Die Anpassung sollte bereits 1995, bitte bereits 1995 vonstatten gegangen sein. Das war das Versprechen des Einigungskanzlers Kohl vor 1999, 1995. Dieses Versprechen ist nicht eingehalten worden. Es gab viele Verzögerungsaktionen, viele Taktiken, um immer wieder zu begründen, dass es überhaupt nicht geht. Diesen Verzögerungen, diesen Taktiken
können unsere Rentnerinnen und Rentner nicht mehr glauben und wir auch nicht.
Es ist Wortbruch, es ist ganz einfach Wortbruch, was seitdem geschehen ist, und das darf nicht so weitergehen.
Unser Rentenantrag hier zur Anpassung aktueller Rentenwerte Ost an West ist ein ganz konkreter Antrag, werte CDU-Fraktion, ein ganz konkreter Antrag, der unserer Sozialministerin den Rücken freihalten soll, beim Bundesminister zu agieren, im Bundesrat zu agieren, denn wir hatten bisher das Problem, dass die westlichen Minister die ganze Problematik Rente Ost einfach nicht begreifen wollten, nicht zuhörten und unsere Minister dementsprechend allein agierten.
Wir wollen mit dem Antrag, dass unsere Ministerin arbeiten kann, im Rücken den Antrag des Parlamentes. Und das ist legitim.
Meine Damen und Herren, es kursieren die Zahlen, von wegen bis 2030 ist alles passiert.
Ich habe zu DDR-Zeiten mein Abitur gemacht.
Ich gebe zu, mir hat in der zehnten Klasse der normale 10-Klassen-Abschluss nicht geschadet, denn ich kann noch ein bisschen rechnen. Und wer vor 1990 schon Altersrentnerin oder -rentner war oder es dann ab 1990 wurde bis jetzt,
darf im Jahre 2030 darauf gucken, dass er hundert oder mehr als hundert Jahre alt ist. Das ist aber nett, dass diese dann die gleiche Rente haben sollen wie ihre Westrentnerinnen und -rentner. Hoffentlich halten sie alle durch!
Die Rentenreform, das Rentenreformgesetz ab 1999 nahm leider keinen Einfluss auf den Rentenwert, die Rentenangleichung Ost an West.
Demzufolge hier heute unser Antrag, damit die Ministerin weiter agieren kann,
und da sollten wir bitte schön über die Grenzen hinaus agieren.
Und vielleicht durfte Herr Glawe ja deshalb hier nicht reden, weil er sich schon ein bisschen rausgelehnt hat. Er hat nämlich beim 2. Altenparlament, bei der Landesseniorenratssitzung im vorigen Jahr in Lohmen und bei der Landesseniorenratssitzung dieses Jahr im Schweriner Schloss jedes Mal sehr wohl erklärt,
dass wir unsere Landesregierung dahin gehend unterstützen müssen, dass natürlich diese Rentenangleichung Ost an West gemacht wird im Bund.
Hätten Sie es ihn mal sagen lassen, Herr Jäger, oder hätten Sie wenigstens so viel Mumm besessen, es in Ihrer Rede mit zu erwähnen. Das ist nämlich wichtig.
Und ich dachte wirklich, dass wir heute einen gemeinsamen Antrag hinkriegen. Demzufolge noch mal zu Ihrem Antrag:
Sie wollen eine zeitliche Abfolge, wie denn unsere Regierung nun bitte schön agieren wird.
Mein lieber Herr Jäger, meine liebe CDU-Fraktion, hätten Sie doch bitte mal Herrn Glawe gefragt.
Herr Glawe hat nämlich das Landesprogramm „Älter werden in Mecklenburg-Vorpommern“ schon gelesen.
Nein, Sie nicht. Oder Sie waren nicht des Lesens mächtig,
denn dort steht drin, dass es innerhalb von acht Jahren, also in diesem Jahrzehnt, wenn Sie rechnen können, abgehandelt sein soll. Das steht da drin.
Wissen Sie nicht, was acht Jahre sind? Das sind beide Hände und zwei Finger weg.
Natürlich haben unsere Rentnerinnen und Rentner begriffen, dass ebenfalls eine Angleichung der Löhne und Gehälter unwahrscheinlich wichtig ist, und demzufolge müssen wir sagen, Versprechen von blühenden Landschaften, wie Herr Kohl das gemacht hat, sind vom Winde verweht. Auch mit ruhiger Hand und dem Wort ist es nicht allein zu machen.
Und dieses Wort von Chefsache hat in der Zwischenzeit auch irgendwie ein kleines bisschen einen anrüchigen Namen bekommen.
Unsere Rentnerinnen und Rentner glauben es nicht mehr, deswegen müssen wir handeln und deswegen unser Antrag.
Und, meine Damen und Herren von der CDU, wenn Herr Stoiber jetzt als Chefsachenmensch durch die Gegend tobt, überlegen Sie es sich bitte noch mal. Das Wort ist ziemlich abgegriffen
und könnte zum Unwort des Jahres werden.
Zu den anderen Dingen haben meine Kolleginnen und Kollegen schon etwas gesagt.
Eine Sache möchte ich noch erwähnen. Unsere Rentnerinnen und Rentner hier im Osten Deutschlands sind doppelt betrogen im Moment. Sie sind einmal deshalb betrogen, weil ihre Rentenentgeltpunkte durch ihren geringeren Verdienst im Osten Deutschlands sowieso schon niedriger sind. Die Entgeltwerte bitte, nicht die Entgeltpunkte.
Wenn ich aber eine geringere Summe auch noch mit einem geringeren Wert multipliziere – das bekomme ich auch ohne PISA-Studie hin –,
wird der Gesamtwert niedriger,
also zweimal niedriger und das dürfen wir uns hier nicht mehr gefallen lassen.
Bitte stimmen Sie unserem Antrag, liebe CDU-Fraktion, unverändert zu. Wir wollen einen Antrag haben,
der ganz klipp und klar die Angelegenheit Rente der Ministerin in die Hand gibt, um sie zu regeln. Der Zeitfaktor ist geregelt. Gucken Sie bitte ins Seniorenprogramm!
Doch, konkreter als acht Jahre. Nicht mal das akzeptieren Sie ja.
Und diese Gemeinpunkte, allgemeines Leben, da können wir uns gern unterhalten. Bringen Sie sich bei den Anträgen zur demographischen Entwicklung dementsprechend ein,
aber verweichen Sie unseren Rentenantrag hier nicht! – Danke schön.
Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche es noch mal, obwohl Bildungsresistenz manchmal sehr heftig ist.
Wenn ich eine Zahl mit einer Zahl multipliziere, dann bekomme ich eine dritte heraus.
Wenn ich eine Zahl mit einer kleineren Zahl multipliziere, dann bekomme ich eine kleinere heraus. Das ist das, worüber wir hier heute reden, der aktuelle Rentenwert.
Ich bitte Sie zu akzeptieren, es gibt nicht nur uns im Parlament, es gibt viele, viele Betroffene.
Und darum müssen Sie akzeptieren, dass es die Rentnerinnen und Rentner waren, die Seniorinnen und Senioren in ihren Vereinen und Verbänden, der Landesseniorenbeirat, das Altenparlament, die von uns verlangt
haben als Parlament, wir möchten eine Initiative ergreifen, damit der aktuelle Rentenwert Ost an West angepasst wird.
Und genau das machen wir hier. Und da gibt es kein Aber und kein Wenn. Diesen Fakt haben wir aufgenommen und haben ihn hier formuliert.
Und, Herr Rehberg, wenn Sie eine Zahl nennen zu Geldern, die wir zu DDR-Zeiten bekommen haben, zu der Anzahl und der Höhe der Lebenshaltungskosten in der DDR,
und das dann adäquat vergleichen mit heute – das hinkt.
Das hinkt nicht nur Zweibeinigen, das hinkt auch bei Dreibeinigen und bei Vierbeinigen. Das passt einfach nicht zusammen.
Fakt ist, dass unsere Rentnerinnen und Rentner das Recht haben, nach dem gleichen Rentenwert behandelt zu werden.
Und diesen gleichen Rentenwert hat es 1991 nicht gegeben, obwohl er schon gefordert wurde, 1995 nicht, 1996 nicht, 1997 nicht.
Und dann tut es mir Leid, da hat schon die CDU versagt.
Herr Kohl hatte es bis 1995 versprochen – bis 1995! – und nichts ist passiert. Gar nichts!
Und da haben auch Sie hier im Landtag nicht ein einziges Mal Ihr Wort im Parlament ergriffen. Nicht einmal!
Ja.
Genau so ist es.
Werter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Gesundheitsstrukturgesetz versetzte uns in die Lage, dass Patientinnen- und Patientenrechte auf ein neues Niveau, auf einen neuen Wert gehoben wurden. Ich kann mich sehr wohl an die ersten Diskussionen erinnern, die wir hatten, mit Ärztekammern, mit Vertretern ambulanter Ärzte, stationärer Ärzte, Verbraucherschutzzentralen und so weiter, was denn diese Art der Anhebung Patientenrecht bedeuten sollte. Und ich kann mich auch erinnern, dass damals von den Betroffenen die Vokabulare gefunden wurden, eigentlich sind Gesundheitswesen und Arzt Dienstleister und Patientinnen und Patienten könnte man auch als Kunden bezeichnen. Gleich herausgestellt wurde, dass es sich eben nicht von allein erledigt und regelt. Wenn Patientenrechte auf ein neues Niveau kommen, muss auch die Information dementsprechend sein, man muss die Informationen haben und sie anwenden können, um seine Rechte einfordern zu können. Und gerade dieses mangelnde Wissensgebiet Recht des Patienten gilt es aufzuarbeiten und das ist vom Sozialministerium wirklich richtig gut aufgearbeitet worden. Eigentlich ist es in jedem Unterpunkt irgendwie vorhanden.
Mit Recht wurde schon von Frau Dr. Bunge darauf hingewiesen, dass gewisse Barrieren, die bei den Ärzten bestanden hinsichtlich der Mündigkeit von Patienten, zumindest im Aufbruch begriffen sind.
Nun zu einigen Punkten.
Unter Punkt 1 ist das Recht auf den gleichen Zugang zur Behandlung und Pflege dargestellt. Aus meiner außerparlamentarischen Arbeit kann ich sagen, dass gerade bei der freien Arztwahl und der dementsprechenden Wahl eines Krankenhauses keine gravierenden Probleme bestehen. Beim gleichen Zugang zur Pflege muss ich aber Folgendes anmerken, wo wir als Parlament weiter wache Augen und Ohren haben sollten: Wenn wir einen gleichen Zugang zur Pflege wollen, muss gewährleistet sein, dass Pflegeeinrichtungen mit Fachpersonal flächendeckend in unserem Land vorhanden sind.
Leider lässt die Zusammenarbeit zwischen – ich nenne sie jetzt – der Krankenkasse AOK und den Leistungserbringern zu wünschen übrig. Diejenigen, die beim Versuch einer Gesprächszusammenführung des Sozialausschusses dabei waren, werden garantiert beurteilen können, dass das sehr, sehr schwierig ist. Aber ein Rückgang an Pflegeeinrichtungen, an Leistungsträgern zieht nach sich, dass eben nicht der gleiche Zugang zur Pflege im Lande besteht, wenn flächendeckend nicht mehr gewährleistet ist, dass Pflegeeinrichtungen da sind, dass Pflegestationen da sind. Außerdem muss man ganz eindeutig sagen: Wenn erbrachte Leistungen nicht bezahlt werden, entwe
der von der Krankenkasse oder von der Pflegegeldkasse, wenn Abrechnungsmodule so gestaltet sind, dass sie eben nicht praxisnah sind, geben wir ebenfalls Anlass, dass Pflege ein Problem in unserem Land werden könnte. Das zusätzlich zu dem Punkt 1.
Zum Punkt 2, Recht auf Selbstbestimmung: Die Aufzählung der Möglichkeiten des Rechtes auf Selbstbestimmung ist, denke ich, vollzählig und richtig. Natürlich besteht ein Nachholbedarf bei dem Recht des Patienten, auch über alternative Behandlungsmethoden aufgeklärt zu werden. Das steckt echt noch in den Kinderschuhen.
Verbände und Vereine haben schon vor der Art und Weise der Hebung der Patientenrechte in ihren Vereinen und Verbänden Seminare ausgerichtet, wo auf Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten hingewiesen wurde, wo mit Hilfe von Juristen Hinweise gegeben wurden, wie diese jetzt immer noch formlosen Schreiben aufgestellt werden müssen, damit sie Rechtssicherheit haben. Ich bitte unsere Landesregierung darum, gerade das Problem dieser formlosen Schreiben sich noch mal auf die Arbeitsebene zu ziehen und dafür zu sorgen, dass recht schnell Formulare entwickelt werden für Patientenverfügungen, für die Vorsorgevollmachten, damit da keine Unsicherheiten unter den Betroffenen mehr sind, was anerkannt wird und was nicht.
Ich danke dem Sozialministerium auch dafür, in welcher Art und Weise und in welcher Ausführlichkeit das Modellprojekt Patienteninformations- und -beratungsstellen dargestellt wurde, auch gleich mit Öffnungszeiten der Beratungsstellen und so weiter und so fort. Ja, wir sagen in der Zwischenzeit umgangssprachlich Patienteninformations- und -beratungsstelle gleich PIBS. Unsere vier PIB-Stellen in Trägerschaft der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Behinderter arbeiten sehr aktiv. Und ich kann einen Zusatz machen und kann Ihnen auch sagen, Herr Dr. Rißmann, an Untätigkeit leiden unsere Patienteninformations- und -beratungsstellen überhaupt nicht. Sie haben geöffnet seit dem 10.11. des vorigen Jahres und wir, die Landesarbeitsgemeinschaft, haben uns als Träger bereits eine Aufstellung machen lassen, was so alles aufgelaufen ist. Bis zum 31. Dezember, kann ich sagen, an erster Stelle der Beratungsangebote, die gemacht werden mussten, war wirklich und wahrhaftig die Information über das Krankheitsbild, was dargestellt wurde vom Arzt, und gleich danach kamen die alternativen Behandlungsmethoden.
Also wissen Sie!
Weiterhin wurden Fragen gestellt über Leistungsanbieter, über Behörden und Ärzte.
Es werden keine Diagnosen gestellt, Herr Glawe, das wissen Sie ganz genau.
Es wurden weiterhin Fragen gestellt zu Professoren, zu Reha-Einrichtungen, zu Ärzten, die vor allem Erfahrungen haben bei recht seltenen Operationen. Ich denke, das ist verständlich, dass Betroffene gerade da nachfragen. Es wurden ebenfalls Listen angefordert von im Land ansässigen Chirurgen, von im Land ansässigen Radiologen und Orthopäden. Eine große Anfrage gab es nach Kliniken Sterbehilfe professionell und ebenfalls nach
Pflegeeinrichtungen beziehungsweise Sozialstationen. In der Zeit vom 10. November bis zum 31. Dezember wurden bereits 177 Beratungsgespräche geführt. Da sind nicht mitgezählt die Beratungsgespräche, die in zweiter und dritter Instanz gemacht wurden, also nachfolgend. Und in der Zwischenzeit ist es auch so, dass für Beratungsgespräche, die richtiger Hinwendung bedürfen, Termine vergeben werden müssen, weil ansonsten die Wartezeit für die Patienten, für die Kundinnen ganz einfach zu groß ist.
Zum Punkt 3 möchte ich weiter keine Ausführungen machen, aber zum Punkt 4. Ja, es gibt in Deutschland tatsächlich eine Anzahl von Rechten und da sind wir gut ausgestattet. Aber die Bildung über die Rechte muss weiterhin durchgeführt werden. Und es gibt heute sehr wohl noch unterschiedliche Auffassungen, über wie viel Recht ein Patient mündig wissen sollte. Die meisten Probleme haben wir dabei zwischen Sozialministerium, Selbsthilfevereinen und -verbänden und den Versicherungen. Ich glaube, ich brauche nicht weiter auszuführen, warum Letztere gar nicht so sehr an der Mündigkeit der Patienten interessiert sind.
Ich weiß, dass Sie vieles nicht verstehen, Herr Glawe.
Einen Satz muss ich allerdings noch sagen zu Punkt 4.2., und zwar zu dem letzten Satz. Die Stellung von KIS, den Koordinierungs- und Informationsstellen, in unserem Land und der Selbsthilfe halte ich für zu wenig beleuchtet.
Eben, deswegen ja.
Gerade Selbsthilfe- und Koordinierungsstellen werden vom Land gefördert und ich hatte eigentlich gedacht, wenn sie vom Land schon gefördert werden, ist auch die Arbeit dieser beiden verschiedenen Einrichtungen – KISStellen sind übrigens Unterstützerstrukturen der Selbsthilfe – endlich akzeptiert.
Allerdings muss ich sagen, in der Art und Weise, wie es da formuliert ist, ist das mit der Akzeptanz noch nicht in Ordnung. Schließlich haben gerade KIS-Stellen und die Selbsthilfe schon lange vor dem Gesundheitsreformgesetz ihren Mitgliedern, denjenigen, die zu ihnen kamen, um Rat und Hilfe zu bitten, über diese Art Patienteninformationen Hilfe geleistet. Und ich betone noch einmal, Selbsthilfegruppen sind keine Kaffeeklatschgruppen, die sich gegenseitig über ihre Beeinträchtigung beweinen. Das sind professionelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meistens auf ehrenamtlicher Basis, die sehr wohl Wissen haben.
Unter Punkt 5 muss ich sagen – und ich bitte, Herr Glawe und Ihre Kolleginnen und Kollegen der CDU, hören Sie dabei zu –, gerade wie Punkt 5 dargestellt wird, das ist Ausdruck dessen, wie dringend wir ein Landesgleichstellungsgesetz und zuerst einmal ein Bundesgleichstellungsgesetz für Behinderte, chronisch Kranke und ihre Angehörigen brauchen.
Denn es verwirrt mich doch einigermaßen, wenn dahin gehend nachgefragt wird, wer wohl legitimierte Vertreterin und Vertreter bei Patienteninteressen sind. Natürlich beraten Ärzte, beraten Krankenkassen, beraten Verbraucherschutzzentralen. Aber meines Wissens gibt es in der Zwischenzeit keine Sinnesbehinderung, keine chronische Krankheit und psychische Krankheit, die nicht ihre Selbsthilfegruppen hat. Selbsthilfegruppen wählen aus ihrer Mitte ihre legitimierten Vertreter für die Landesebene. Die Landesebenen wählen aus ihrer Mitte der Betroffenen ihre legitimierten Vertreter in die Landesarbeitsgemeinschaften der Bundesrepublik Deutschland. Aus diesem Gremium wiederum wird der legitimierte Vertreter der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte gewählt und daraus wiederum werden die Leute ausgesucht, die uns im nationalen Behindertenbeirat vertreten. Und da frage ich doch nun wirklich ganz besorgt: Welche demokratisch legitimierte Art und Weise der Vertretung wird denn noch gewünscht oder welche legitimierten Menschen sind denn wirklich mehr wert als diese Art des Wahlprozesses unter den Betroffenen?
Die selbstbestimmte Behindertenpolitik macht schon seit 30 Jahren beziehungsweise 25 Jahren immer wieder darauf aufmerksam, auch auf Bundesebene, dass gerade die Betroffenen die legitimierten Vertreter sind. Und ich muss das hier nochmals sagen, wir wünschen wirklich, dass es endlich begriffen wird: Wahlen müssen anerkannt werden, egal wo und unter wem sie gemacht werden.
Zusammenfassend möchte ich sagen, der Informationsbericht über die Patientenrechte zeigt ganz deutlich, dass viel zu tun ist in der Art und Weise der Information der Patientinnen und Patienten, in der Wissensausstattung. Aber wir sind auf einem guten Weg. Es sollte auch akzeptiert werden, auf welche Art und Weise welche Verbände und Vereine ihre Arbeit schon darstellen. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg der Zusammenarbeit, und wünsche uns dabei weiterhin noch viel Erfolg und viel Spaß. Ich danke dem Sozialministerium für diese Art der Aufarbeitung. Es erledigt sich eben nicht alles von alleine. – Danke.
Viel bleibt mir, werte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach dem umfangreichen Bericht von Frau Peters nicht übrig zu sagen, aber einige Dinge habe ich doch noch anzumerken.
Erstens. Natürlich ist es oftmals äußerst unangenehm und macht einen betroffen, mit welchen Dingen Petenten zu uns kommen, welche Dinge da und dort passieren und aus welchen Gründen sie passieren. Umso besser ist es dann und umso besser ist auch die Arbeit für den Petitionsausschuss, wenn wir Ämter, Behörden dahin gehend ausfragen können – in Anführungsstrichen –, wer, wo, was vergessen, verpasst, zu kurz gedacht beziehungsweise gar nicht gedacht hat, oder wenn wir feststellen können, dass wie zum Beispiel wie bei der unteren Denkmalschutzbehörde und der Landesdenkmalschutzbehörde eine Lücke ist in den Bestimmungen, so dass bestimmte Angelegenheiten durch die Betroffenen einfach nicht geregelt werden können.
Besonders ärgerlich ist es, wenn aus dem Petitionsausschuss Fragen, Anfragen an bestimmte Ämter und Behörden gehen und erst nach mehrmaligen Rückfragen wirklich das beantwortet wird, was gefragt wurde. Ich denke dabei besonders an das Problem der Adoption, der Adoptiveltern und der Auswahl von Adoptiveltern. Aber niemals – und, Herr Nitz, ich bedauere, dass ich das hier so sagen muss, denn ich schätze Sie als Mitarbeiter im Petitionsausschuss eigentlich sehr – dürfen wir als Petitionsausschussmitglieder Klientelpolitik machen. Wir müssen uns an die Rechte und Gesetzlichkeiten halten. Und gerade in der von Ihnen angegebenen Petition, das wissen Sie ganz genau, ist das schon ein Kompromiss zwischen Schützern und Nutzern.
Andere Angelegenheiten gehen nicht weiter aufzuweichen, auch wenn da Bürgerinitiativen dahinter stehen von großer Menge. Auch das darf nicht zu Klientelpolitik führen.
Das Problem eines Einzelnen ist genauso viel wert wie das Problem von zusammengesammelten 2.500.
Zu den angegebenen Petitionen, die jetzt abgeschlossen werden sollen, die im Bericht stehen, habe ich nichts weiter zu sagen. Ich sage aber, der Änderungsantrag wird von der PDS-Fraktion abgelehnt. Der Petitionsausschuss hat entschieden nach gewiss nicht oberflächlicher und kurzer Diskussion,
sondern wir haben mehrmals lange und immer wieder das Umweltministerium da gehabt, um weiter nach Problemlösungen zu suchen. Es waren keine da. Und das auf diese Art und Weise ins Parlament zu ziehen, finde ich ehrlich gesagt, aber das ist meine Meinung, etwas unfair. Ich bitte also, der Beschlussvorlage zuzustimmen, so, wie sie war, und den Änderungsantrag abzulehnen. – Danke.
Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem uns vorliegenden Bericht zur Lage der Schwerhörigen, Gehörlosen und Ertaubten liegt uns gewiss eine Grundlage vor, wie meine Vorredner schon gesagt haben, um zu definieren, was weiter zu tun ist. Das Sozialministerium hat versucht, anhand von Gesetzesinitiativen, von bestehenden Gesetzen, von Förderpraxen, von bestimmten Aktivitäten aus dem Sozialministerium heraus Grundlagen darzustellen, die versucht wurden zu schaffen. Probleme wurden angerissen, leider nur angerissen, und das zeigt eigentlich schon, vor welchen Barrieren die Betroffenen stehen, nämlich dass Fragen der Betroffenen ganz einfach nicht beantwortet werden, und das leider schon seit geraumer Zeit.
Ich habe meine Rede in verschiedene Unterpunkte gegliedert. Ich lasse jetzt einige davon aus, weil Frau Bretschneider über diese schon sehr exakt und ausführlich berichtet hat. Zu einigen Dingen muss ich aber noch einige Ausführungen machen.
Erstens. Wenn ich über die Lage einer Menschengruppe berichten muss, werte Landesregierung, dann reicht es nicht aus, einem Ministerium die Federführung zu übergeben. Dann sind eigentlich alle Ministerien gleichlautend gefordert, sich einzubringen.
Frau Bretschneider sagte schon, dass die Zuarbeit von den anderen Ministerien mehr als dürftig war. Das kann ich nur unterstreichen.
Zweitens. Wie sieht es wirklich aus mit Schule und Ausbildung für hörgeschädigte Kinder und Jugendliche? Ja, das Schulgesetz besagt, dass die integrative Beschulung sein darf und kann. Praxis: Eltern sind immer wieder genötigt, Anträge zu stellen, damit ihre Kinder, die die Regelschule besuchen und schwerhörig sind, auch die nötige Hilfe und Unterstützung bekommen. Wir fordern seit langem die Ausbildung von Unterstützungslehrern, die an die Regelschulen gehen und dem dortigen pädagogischen Personal Hilfe geben bei ihrer pädagogischen Arbeit. Es ist nach wie vor nicht durchdacht.
Wie sieht es aus mit unseren beiden Landesschulen? Gerade die beiden Landesschulen sind dazu da, unsere gehörlosen und schwerhörigen Kinder zu befähigen, im gesellschaftlichen Leben Fuß zu fassen, die physischen und psychischen Belastungen zu ertragen, zu bewältigen und ihr Leben meistern zu können. Dazu werden aber Fachkräfte gebraucht, die das auch auf jeden Fall vermitteln können. Es sollte, denke ich mir, überhaupt nicht die Frage stehen, ob ein Lehrer an einer Gehörlosenschule – egal, welches Fach er unterrichtet – der Gebärdensprache mächtig sein muss. Natürlich, denn die Gebärdensprache ist nun mal die Kommunikationsform, die Gehörlose und auch Schwerhörige, wenn sie sie denn wollen, auch nutzen können müssen. Dazu gehört es, dass ihre engsten Partnerinnen und Partner – und das sind an einer Schule für Hörgeschädigte ja nun mal Lehrerinnen und Lehrer – diese Sprache auch beherrschen.
Wie es bei der Ausbildung aussieht, hat Frau Bretschneider schon gesagt. Wir haben es nicht geschafft, im Land Mecklenburg-Vorpommern den sonderpädagogischen Förderungsbedarf so zu gestalten, dass unsere Kinder und Jugendlichen oder dann unsere Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch wirklich im Land Mecklenburg-Vorpommern bleiben können, um eine Berufsausbildung zu erhalten. Das ist schlimm, aber, ich denke, zu bewältigen.
Wie sieht es aus mit der Anzahl der arbeitslosen Schwerhörigen und Gehörlosen in unserem Land? Dringend – dringend! – muss die Statistik dahin gehend unterteilt werden, dass wir wissen, welche Behinderungsgruppen Arbeitslose in welchen Zahlen darstellen, denn nur dann können irgendwelche spezifischen Förderinstrumente auch wirken, wenn wir wissen, wo, wie und für wen sie wirken sollen. Und da sollten wir auch keine Scheu davor haben, Förderinstrumente, die sich nicht bewährt haben, abzuschaffen.
Wie sieht es aus mit der Fähigkeit hörgeschädigter Menschen, wirklich am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen? Ganz konkret: Wie sieht es aus mit der Möglichkeit, bestimmte Sitzplätze in Theatern, Kinos und so weiter und so fort wirklich mit Hörhilfen auszugestalten und die Sitze auch so anzubringen, dass das visuelle Aufnehmen für Hörgeschädigte wirklich optimal möglich ist? Denn gerade das ist ja der Punkt, mit dem Hörgeschädigte viele Beeinträchtigungen aufgrund der Hörbehinderung kompensieren können, dass sie eben zusehen können, und zwar uneingeschränkt zusehen können.
Die Aufzählung von Frühförderstellen, das haben Frau Bretschneider und auch Herr Glawe schon gesagt, ist gewiss interessant, aber gerade für unsere Hörbehinderten ist es eben nicht so, dass Frühförderung in Frühförderstellen wirklich flächendeckend möglich ist. Dazu gehört, dass das Personal dementsprechend ausgebildet ist. Und ich denke mir, das könnte auch ein Beispiel dafür werden, wie Zusammenarbeit zwischen Schulen und Frühförderstätten, sprich zwischen Bildungs- und Kultusministerium und Sozialministerium, gestaltet werden kann, nämlich dass übergreifend die Möglichkeit besteht, dass die dementsprechend ausgebildeten Fachkräfte da und dort ihr Können einbringen können, also wie gesagt ein lohnendes Feld.
Leider sind die älteren Hörgeschädigten in diesem Bericht überhaupt nicht in Erscheinung getreten. Und es reicht einfach nicht, sich einzubilden, dass ein flächendeckendes Netz von Beratungsstellen auch älteren Bürgern zum Beispiel bei der Bewältigung ihres täglichen Lebens hilft. Wir und auch die betroffenen Vereine und Verbände haben schon mehrmals darauf hingewiesen, dass Rehabilitationsmaßnahmen für ältere Bürger zum Beispiel bei der Handhabung ihrer Hörgeräte eine unwahrscheinlich wichtige Angelegenheit sind. Ich betone hier noch einmal das, was die Vertreterinnen und Vertreter unserer Selbsthilfegruppen schon seit Jahren sagen. Gerade in dem Punkt Hörgeräte haben wir das Problem, dass eben die pauschale Behandlung der Krankenkassen, was die Bezahlung und Zuzahlung von Hörgeräten betrifft, nicht ausreicht. Es geht den Gehörlosen und Schwerhörigen nicht um eine maximale Ausstattung mit Hörgeräten – das wird unterstellt –, es geht um die optimale Ausstattung mit Hörgeräten, also um die Ausstattung mit Hörgeräten, mit denen der Betroffene wirklich umgehen kann, die er bewältigen kann, die ihn zufrieden machen und wirklich eine bessere Lebenssituation bringen, weil er eben besser versteht. Hörgeräte, die einfach bezuschusst werden von der AOK oder einer anderen Krankenkasse, weil sie eben in dem Bereich des Betrages liegen, den man sich da vorstellt, sind, wenn sie falsch verordnet sind, falsche Investitionen, falsche Investitionen für den Betroffenen und falsche Investitionen für die Krankenkasse. Die betroffenen Verbände und Vereine haben sich schon des Öfteren auf den verschiedensten Ebenen dafür stark gemacht, sie haben ausdrücklich ihre Hilfe bei der Bewältigung dieses Problems angeboten. Ich bitte die Beteiligten des Sozialministeriums, bei den Gesprächen mit den Krankenkassen die Bürgerinnen und Bürger, die es betrifft und die sich in der Selbsthilfe auch derart kompetent fühlen, mit an den Tisch zu nehmen. Noch einmal: Hörbehinderte möchten für sich handhabbare Hörgeräte und nicht das maximale unbedingt, denn es ist sehr individuell einzuschätzen, wer was wie braucht.
Ein Wort noch zur sozialen Rehabilitation: Es gibt natürlich auch unter Hörgeschädigten spät Ertaubte, spät ge
hörlos Gewordene. Wie sieht das Angebot der Rehabilitation, der beruflichen und sozialen Rehabilitation für Hörbehinderte in Mecklenburg-Vorpommern aus? Traurig, kann ich nur sagen. Angebote im Berufsförderwerk Stralsund werden nur punktuell gemacht und zeitlich begrenzt. Zeitlich begrenzt, damit meine ich, dass nicht ständig Angebote für Hörbehinderte da sind, sondern in verschiedenen Zeiten ab und an mal. Wir haben hier in Schwerin Salo + Partner, die seit mehreren Jahren regelmäßig einoder zweijährige Umschulungen anbieten. Aber, meine Damen und Herren, wir stehen da vor dem Grundsatz „Rehabilitation kommt vor Berentung“. Und bei den Zahlen, die ich jetzt nicht wiederhole, die uns ja genannt wurden, von Menschen mit Hörbeeinträchtigungen, da gebe ich Ihnen Brief und Siegel, dass die punktuellen Angebote in Stralsund und hier in Schwerin nicht reichen.
Ein Wort noch zur Gebärdensprache und zu unseren Dolmetschern. Es ist gewiss hervorragend, dass wir in dieser kurzen Zeit die Dolmetscherangelegenheit auf diese Art und Weise lösen können, wie sie im Moment gelöst ist, aber unsere Gebärdensprachdolmetscher sollen Mittler sein zwischen den hörenden und den nicht hörenden Menschen. Wie sieht es wirklich aus? Gebärdensprachdolmetscher müssen gleichzeitig Sozialarbeiter sein, müssen gleichzeitig Juristen sein, müssen gleichzeitig Behördenangestellte sein. Und warum?
Ganz einfach deshalb, weil es nicht einmal die RehaBeauftragten der Arbeitsämter für nötig halten, dass wenigstens einer darunter ist, der die Gebärdensprache kann. Es ist einfach nicht möglich, dort zu vermitteln, dass die Gebärdensprache als Kommunikationsmittel natürlich in diese Ämter und Einrichtungen gehört. Und auch in jeder öffentlichen Einrichtung und in jedem Amt, in jeder Behörde sollte wenigstens eine Person sein – nur eine Person! –, die der Gebärdensprache mächtig ist. So schwer ist es doch nun wirklich nicht. Und ich möchte mal nachfragen, wie unser Innenminister wohl reagiert, wenn er aufgrund der Anerkennung der Gebärdensprache als Form der deutschen Sprache ab sofort jeden Gang eines Gehörlosen oder hochgradig Hörbehinderten mit seinem Dolmetscher zu einem Amt bezahlen muss, denn der Dolmetscher, meine Damen und Herren, wird von unseren Gehörlosen und von den Schwerhörigen aus der eigenen Tasche bezahlt. Er muss ja irgendwie leben können. Es ist unabhängig von bestimmten Angeboten, die gemacht werden, die dann das Sozialministerium fordert. In dem Moment, wo ich ganz privat meinen Gebärdendolmetscher brauche zur Bewältigung des täglichen Lebens, zahle ich, und zwar richtig Geld. Und es gibt keine Mehraufwandsentschädigung für Gehörlose in unserem Land.
Weiteres Problem, die psychotherapeutische Betreuung: Hier brauchen wir, werte Frau Bunge, unbedingt Ihre Hilfe und Unterstützung. Es gibt nun mal psychotherapeutische Behandlungen, die müssen – das geht ganz einfach nicht anders – ohne Sichtkontakt mit den betroffenen Patienten durchgeführt werden. Sie werden sich vorstellen können von der Logik her, dass ohne Sichtkontakt bei einem Gehörlosen andere Behandlungsmethoden verlangt werden, als sie allgemein üblich sind. Leider sperren sich die Krankenkassen mit aller Kraft und aller Gewalt, alternative Behandlungsmethoden, die zugegeben noch nicht die Lobby haben in Deutschland, aber sehr
wohl vorhanden sind und sehr wohl anerkannt sind, auch wenn es Länder sind um Deutschland herum – können Sie ja auch mal schlau sein, denke ich mir –, anzuerkennen und zu bezahlen. Es gibt auch gehörlose Menschen, die psychotherapeutische Betreuung brauchen. Dann muss die aber so gestaltet sein, dass sie auch angewandt werden kann. Und wie gesagt, ohne Sichtkontakt ist das nun mal schwierig bei Gehörlosen.
Noch ein ganz besonderes Problem, auf das Frau Bretschneider auch schon hinwies und das langsam, aber sicher sehr traurig macht und auch fast frustriert: Wir brauchen im Land Mecklenburg-Vorpommern ein modernes Förderzentrum für Hörbehinderte.
Dieses moderne Förderzentrum besteht schon seit nunmehr etlichen Jahren als Konzept und ich bitte, dass davon abgegangen wird, nur Finanzrelevanzen sprechen zu lassen. Im Hinterkopf sage ich da, dass in Güstrow um Himmels willen diese Gebäude nicht leer werden dürfen, denn dann hat die Kommune beziehungsweise das Land große leer stehende Häuser. Es geht ganz einfach nicht vom wissenschaftlichen Standpunkt aus, dass die Zusammenführung der Gehörlosen- und Schwerhörigenschule derart passiert: alles nach Güstrow, alles in diese Schule – wird schon klappen. Meine Damen und Herren, das klappt nicht. Wir haben heutzutage ganz einfach den Anspruch einer umfassenden – einer umfassenden! – Bildung und Beschulung und dazu gehören viel mehr Dinge als nur die Fächer, die wir in der Schule kennen. Dazu gehört auch die Sprachpflege, dazu gehört auch das Hörenlernen und Verstehenlernen, dazu gehören auch psychische und physische Betreuungen. Das muss in einem solchen Hörzentrum zumindest Stück für Stück möglich sein. Ich verstehe vollauf, dass wir als Land Mecklenburg-Vorpommern nicht sofort die Millionen zur Verfügung haben, die zum Aufbau eines solch modernen Hörzentrums notwendig sind. Aber ich verstehe nicht, werter Herr Kauffold, dass man sich nicht wenigstens die Mühe macht, das Ziel modernes Hörzentrum in Angriff zu nehmen, scheibchenweise die Jahresringe zu machen, in
denen wir es eben bringen können, und demzufolge zu diesem Ziel hinarbeiten.
Ja. Danke.
Es wird für uns hier viel teurer, wenn wir hinterher feststellen, dass wir irgendwo was hinzu- und anbauen müssen.
Meine Damen und Herren, der vorliegende Bericht ist ein Lehrbeispiel dafür, dass Behindertenpolitik eben nicht Sache des Sozialministeriums ist, und andere Ministerien arbeiten schnell mal ein paar Zahlen von Hörbehinderten, die bei ihnen wohl aufgetaucht sind, zu. Behindertenpolitik geht in alle Lebensbereiche hinein, demzufolge in alle Politikfelder. Aus diesem Grunde muss solch eine Arbeit von allen gleichmäßig gemacht werden, mit gleicher Konsequenz und Hingabe. Demzufolge ist der Bericht eine Basis, aber nicht das, was wir haben wollten. – Danke.
Liebe Kolleginnen und Kollegen im Parlament! Werter Herr Landtagspräsident! Wenn schon mein Hund sich abwendet wegen der unqualifizierten Zwischenrufe, sagt das, glaube ich, viel.
Ich muss Ihnen sagen, Herr Caffier, dieser Antrag heißt Aktionsprogramm des Landes Mecklenburg-Vorpommern und nicht Legitimation der Ehe oder irgendwie weitergehende Gesetzlichkeiten, als der Bund es gemacht hat, oder irgendwas in der Sache. Und wenn Sie sich auf Aktionsprogramm beschränkt hätten und sozusagen nur die ersten 60 oder 80 Sekunden Ihrer Rede gelassen hätten, wär’s genau richtig gewesen. Aber das andere war von vorvorgestern.
Ich möchte die Dinge, die Frau Koburger und Frau Dr. Seemann gesagt haben, noch mal ein kleines bisschen runterbrechen, und zwar aus folgendem Grund: Wir leben alle in einer Gesellschaft, viele Menschen um uns herum. Und wenn Frau Koburger davon sprach, dass nach Schätzungen etwa zehn Prozent der Bevölkerung zur Homosexualität neigen beziehungsweise homosexuell sind, dann frage ich mich, wenn ich in meinen direkten Umkreis gucke, also in unseren Kreis Parchim oder in
meine kleine Stadt Goldberg: Zehn Prozent, 4.000 Einwohner, wer eigentlich? Einige kenne ich gewiss, aber so viel sind’s denn nun bestimmt nicht. Woran kann das eigentlich liegen? Liegt es daran, dass die Schätzung überhaupt nicht stimmt? Kann sein, wissen wir nicht. Liegt es vielleicht daran, dass der Anteil nach der Schätzung größer ist als die Anzahl der Leute, die wir kennen, weil der Anteil derer, die sich nicht zeigen möchten als gleichgeschlechtlich Lebende, weitaus größer ist, als der, die sich zeigen? Kann sein. Ist die Gruppe so verschwiegen, weil die Gesellschaft sie nicht akzeptiert und wir sie dadurch nicht bemerken? Auch das kann sein, sogar mit sehr großer Wahrscheinlichkeit. Oder ist unsere Wahrnehmung einfach nicht so offen, wie sie sein sollte, weil es an Lesben- und Schwulenclubs, Gaststätten, an Netzwerken, Vereinen, Verbänden fehlt, weil sie kein Sprachrohr haben? Ist es so, dass sie keine Lobby haben? Jawohl, auch das wird es sein. Wir haben es heute hier gerade wieder vorexerziert bekommen, auf welche Art und Weise man diskriminiert, Herr Caffier. Wenn man von vornherein sagt, Familie und Ehe in ihrer althergebrachten Art ist das einzig Legitime
und alles andere ist pfui, dann diskriminieren Sie ganz eindeutig.
Was heißt hier normale Lebensform? Frau Koburger hatte es schon reingerufen. Ich hatte es schon ein paar Mal gesagt. Wer von uns ist denn überhaupt befugt, Normalität zu definieren?
Da kann ich Ihnen nur sagen, gucken Sie bitte mal in Ihr Geschichtslehrbuch.
Es gab und gibt Naturvölker, die leben immer, bis zum heutigen Tag, zu bestimmten Zeiten homosexuell und zu bestimmten Zeiten bisexuell.
Sie wissen ganz genau, dass nur zur Zeugung von Kindern zusammengelebt wird. Dann gibt es Frauen- und Männerhäuser und so weiter und so fort. Das kann doch nicht unnormal sein. Und biologisch gesehen – Herr Thomas, es tut mir ja nun fürchterlich Leid, aber jeder Fötus ist erst mal weiblich. Und bei manchen, die dann männlich werden, ist es eine Verausgabung der Natur. Entschuldigung!
Viele Antworten hat Frau Koburger schon zu bestimmten Dingen gegeben. Einige Dinge möchte ich hier noch sagen. Ich habe Kenntnis von einer einzigen Studie in Niedersachsen, die 1995 gemacht worden ist, zu dem Problem homosexueller Männer – auch da hat man überhaupt nicht bemerkt, dass es auch lesbische Frauen gibt – in Klein- und Mittelstädten. Und hat man einige Ergebnisse herausgefunden, zusammengebracht, die doch eigentlich sehr erstaunlich sind. Man hat zum Beispiel herausgefunden, dass die Gesellschaft im Prinzip schon sehr viele Verbrechen begangen hat an gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften, an Menschen,
die Schwule oder Lesben sind, denn aufgrund der Nichtakzeptanz in der Gesellschaft, aufgrund des In-dieSchmuddelecke-Stellens, des immer wieder Darstellens, es ist nicht normal, haben Menschen, vor allen Dingen junge Erwachsene, Jugendliche, natürlich ein Problem, über ihr erstes sexuelles Erlebnis zu reden. Sie haben oft sogar das Problem, dass sie nicht mal mit ihren Eltern reden können, geschweige denn sich irgendwie an andere Menschen zu wenden, so dass sie schon einem unwahrscheinlichen psychischen Druck ausgesetzt sind, wenn sie ihre Sexualität erkennen, und in diesem Zusammenhang dann natürlich auch sehr große Probleme haben, zur Selbstakzeptanz zu finden als Mensch, ich als Mensch zu mir. Ich denke mir, in einer humanistischen Gesellschaft sollte man sich dieser Probleme bestimmt, offen und ehrlich annehmen, wenn ein Mensch nicht zu sich selbst kommen kann, weil er ganz einfach von der Gesellschaft von vornherein als nicht normal in die Ecke gestellt wird.
Die Grundlage in der sexuellen Orientierung findet leider auch keinen Eingang zum Beispiel in Schulen und in Jugendclubs, denn gerade da ist das Alter, wo vielleicht als Erstes über bestimmte Dinge gesprochen werden müsste.
Natürlich, Frau Schnoor, haben wir niemals gesagt, dass wir ein Unterrichtsfach „Gleichgeschlechtliche Lebensweise“ haben wollen.
Ich begrüße dann also alle die Kolleginnen und Kollegen, die noch hier sind und durchhalten.
Das haben wir also nicht verlangt und werden es auch nicht verlangen, aber dass gleichgeschlechtliche Lebensweise genauso behandelt wird als Form des Lebens, wie zum Beispiel ja nun ansatzweise schon das Leben mit Beeinträchtigung behandelt wird. Das sollte doch normal sein. Und es ist doch mehr als widersinnig, dass, wenn ich ein Kinderbuch haben will, wo es auch mal einen Vati und einen Papa gibt oder eine Mutti und eine Mama, ich das Ding aus den Niederlanden importieren muss, weil es das bei uns einfach nicht gibt.
Es war schon recht interessant, als es um gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften ging und manche Radioreporter hier in Schwerin mal das Mikrofon unter die Menschen hielten. Diejenigen, die es total ablehnten, waren in der absoluten Minderheit. Es waren eigenartigerweise viele Männer, vor allem ältere Männer, ich würde sagen, so ab 55. Ich mache daraus keinen Vorwurf, denn ich selbst weiß, auf welche Art und Weise ich noch in bestimmten Dingen erzogen worden bin beziehungsweise meine Eltern. Aber sind wir wirklich hier schon so alt im Parlament, dass wir nicht in der Lage sind,
uns dem zu öffnen, was die Menschheit um uns herum sagt? Manchmal ist es ganz günstig, jungen Leuten zuzuhören, die unverbraucht, unvoreingenommen einfach sehen, wie das Leben ist, und bestimmt keine schlechten
Erfahrungen gemacht haben mit – ich sag’s jetzt mal volkstümlich – Anbaggern vielleicht.
Es gibt leider sehr, sehr wenig wissenschaftliches Material, fast überhaupt keins, und ich denke, es ist dringend notwendig, dass man sich in erzieherischen und sozialwissenschaftlichen Potentialen mit der gleichgeschlechtlichen Lebensweise beschäftigt, um sie auch als ganz normale Aktion in unserem Leben zu bewerten und so nebeneinander zu nehmen und zu nutzen.
Meine Damen und Herren! Wir wollen nicht, dass die Ergebnisse dieser Studie in Niedersachsen einfach so nebenherlaufen. Wir sind eigentlich froh, dass in Niedersachsen mal so eine Umfrage, so eine Einschätzung abgegeben wurde. Und wir würden doch dringend bitten, dass beim Aktionsprogramm Mecklenburg-Vorpommerns zur gleichgeschlechtlichen Lebensweise von Menschen diese Schrift aus Niedersachsen mit dazugenommen wird, um bestimmte Dinge daraus gleich für uns abzuleiten. Denn interessanterweise hat der Lebensstil nichts zu tun mit Akzeptanz dahin gehend, dass ich mich unbedingt in Großstädte verkriechen muss wegen der Anonymität, sondern der Lebensstil von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften hat etwas damit zu tun, wie die Partner zueinander stehen, ihre gleichgeschlechtliche Lebensweise angenommen haben, ihre Homosexualität angenommen haben, viel selbstbewusster damit leben und dadurch auch den Eindruck vermitteln, dass sie sich so, wie sie sind, wohl fühlen und in unser Leben gehören.
Ja, das war jetzt gerade mein letzter Satz.
Meine Damen und Herren! Dieser kleine Ausblick auf das Runterbrechen in unsere Kreise, in unsere Wohngebiete soll noch mal Anregung sein für das Aktionsprogramm. Ich bitte Sie, der Aufforderung, ein Aktionsprogramm zu erstellen, zuzustimmen. – Danke.
Wer hat hier ein nicht barrierefreies Glas hingestellt?
Sehr verehrte Damen und Herren! Werte Frau Präsidentin! Es ist schon immer interessant, auf welche Art und Weise manchmal Beschlussvorlagen entstehen. Ich weiß sehr wohl, dass sie eigentlich entstehen sollten auf Grundlage eines Papiers, auf Grundlage von Gesprächen an der Basis – jawohl, Herr Glawe –, vielleicht oder ganz gewiss auch auf Grundlage von Anhörungen, alles abchecken, untereinander, miteinander. So sollte, wie gesagt, eine Beschlussvorlage entstehen.
Bei der vorliegenden Beschlussvorlage habe ich aber ein verdammtes Problem
und das ist folgendes: Ich kannte die Vorlage schon, bevor sie da war, aber nicht, weil darauf CDU-Beschlussvorlage stand, sondern ich hatte ganz einfach die Stellungnahme des Städte- und Gemeindetages schon vorher.
Und nun ist Folgendes passiert: Als ich das so las – und, es tut mir Leid, blinde Menschen haben ein ungeheuer gutes Gedächtnis –, fiel mir auf, selbst die Reihenfolge in der Begründung und in der Stellungnahme des Städte- und Gemeindetages ist die gleiche. Ich würde Ihnen empfehlen, Herr Glawe, dass Sie Ihrem Redenschreiber und dem, der diese Beschlussvorlagen schreibt, mal diesen Rat an die Hand geben, wenigstens die Reihenfolge zu verändern. Dann fällt es nicht ganz so doll auf.
Ach, das machen Sie alles allein? Ach du liebe Güte! Ja, na ja.
Es ist gelogen, ich nehme es zurück, sie stimmen nicht wortwörtlich überein, nein, die CDU hat vor das Wort „Kommune“ das Wort „Behinderte“ und das Wort „und“ eingefügt – also eine kleine Veränderung. Mein Gruß hier an den Städte- und Gemeindetag: Sie sehen, wie mit Ihrer Stellungnahme umgegangen wird.
Ja, dann würde ich es mal durchlesen, wenn ich’s schon hier vertrete.
Problem an der ganzen Sache ist, dass mir diese Beschlussvorlage sagt, dass Menschen mit Behinderungen sehr wohl nicht gefragt wurden, denn wenn Sie sie gefragt hätten, dann hätten Sie ja wenigstens in die
Begründung die Dinge reingenommen, die Menschen mit Behinderungen sehr wohl – ich denke, mit Fug und Recht – kritisieren und geändert haben möchten.
Und ich wäre ja auch ganz glücklich darüber, wenn wir hier von diesem Parlament aus sagen könnten: Frau Dr. Bunge, bitte nehmen Sie Folgendes noch in Ihre schon bestehenden Vorlagen mit in die Bundesratssitzung, in den Ausschuss für Soziales beim Bundesrat, um die SGBIX-Diskussionen zu untermauern. Aber leider ist von diesen nichts zu finden. Und, Herr Glawe, es ist eben nicht selbstverständlich Integration und Rehabilitation und gleich gar nicht gesellschaftliche Teilhabe,
denn dieses Sozialgesetzbuch IX soll das allererste Mal das Recht auf Rehabilitation und Integration, auf gesellschaftliche Teilhabe festschreiben – das Recht darauf,
das haben wir eben nicht im Moment.
Jaja.
Wir haben allerdings ein Gesetz im Lande, in der Bundesrepublik, das heißt Reha vor Berentung. Und um das zu tun, müssen wir natürlich auch bestimmte Rahmenbedingungen schaffen, damit das wirklich eine Angelegenheit werden kann, die handhabbar ist. Und die Stimmen von Betroffenen sind in der Zwischenzeit sehr, sehr laut gewesen
und konnten absolut nicht mehr überhört werden.
Und deshalb wurde am 19.05. im Bundestag …
Sie müssten doch schon längst wissen, dass Ihre Dazwischenmurmelei mich nicht stört.
… gemeinsam der Beschluss gefasst, das Sozialgesetzbuch IX zu schreiben. Wir hätten es auch schon 1992 haben können, wenn die CDU es nicht in ihrer Schublade gelassen hätte.
Da war nämlich schon mal eins.
Die bis jetzt gültige Praxis ist eben so, dass Kostenträger und Leistungsträger sich so lange untereinander den Ball zuspielen, wer denn nun wohl die Leistung erbringt und die Kosten trägt, bis bei manch einem sich die Angelegenheit biologisch erledigt hat – entschuldigen Sie den Ausdruck, aber es ist so, da habe ich Beispiele, auch mit Namen und Adresse – oder in der Zwischenzeit die Pflege eingesetzt hat auf so lange Zeit, dass der Mensch, den es betrifft, keine Kraft mehr hat für eine Rehabilitation.
Ein Manko, ein großes Manko dieses Gesetzentwurfes SGB IX ist, Frau Dr. Bunge machte schon darauf auf
merksam, dass im Zusammenhang mit diesem Gesetz eine Erarbeitung eines Leistungsgesetzes für Menschen mit Behinderungen nicht angedacht und vorgenommen wird, beziehungsweise es hätte ja auch so sein können und so hätten es Menschen mit Behinderungen am besten gefunden, dass das SGB IX ein Leistungsgesetz wird. Und sogar schon Frau Nolte, Claudia Nolte, behindertenpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Bundestag, hat in ihrer Presseerklärung am 20.02. geschrieben, dass zum SGB IX ein Leistungsgesetz gehört. Und da kann ich sie nur unterstützen. Ich denke, sie hat sehr genau zugehört, was auf dem Kongress „Gleichstellung jetzt“ im vorigen Jahr am 20. und 21. Oktober in Düsseldorf gesagt wurde. Sie war an der Basis, an beiden Tagen da. Und auch die bayerische Sozialministerin hat sich dahin gehend geäußert.
Diese Einheit zwischen den Kostenträgern, Leistungsträgern und den Betroffenen, um effektiv und schnell Rehabilitation und Integration anbieten zu können, ist eine Sache, die Menschen mit Beeinträchtigungen schon lange fordern. Dabei sollte kein Kostenträger und Leistungsträger außen vor gelassen werden. Wie ist die Praxis heute? Langwierig, unbequem, nicht effektiv und zwischendurch nur von abschlägigen Bescheiden der verschiedenen Kostenträger beschieden ist der Antragsweg für einen Menschen mit Behinderung beziehungsweise – man muss die psychische Konstellation mit einbeziehen – er selbst ist gar nicht in der Lage dazu, die Menschen um ihn herum sind in Arbeit. Und da muss man dann immer sagen, Betroffene sind nicht nur die, die rein gesundheitsmäßig betroffen sind, sondern auch die Familienmitglieder.
Und, meine Damen und Herren, vor allen Dingen meine Herren Sozialexperten aus der CDU-Fraktion,
der Weg bis zu diesem Gesetzentwurf am 19. Januar im Bundestag ist schon ein ganz, ganz weiter. 28 Arbeitspapiere hatten wir dazu. Wir haben da bereits unsere Vorarbeiten gemacht. Der Behindertenbeauftragte der Bundesrepublik Deutschland Herr Haack hat die umfangreichsten Foren auf den unterschiedlichsten Gremienebenen zusammengenommen und auch Herr Riester hatte die Menschen beieinander, um alles miteinander abzuwägen. Die Integration und Teilhabe, das musste dabei allerdings immer festgestellt werden, ist eine Angelegenheit, die in Deutschland unwahrscheinlich entwicklungsbedürftig ist.
Das Gesetz SGB IX soll eine Plattform für die Vereinheitlichung des Rechtes auf Rehabilitation für Menschen mit Behinderungen werden. Für die Behindertenpolitik insgesamt eine Vereinfachung, wie gesagt. Und nun sehen wir es uns mal an. In dem Moment, wo der Patient oder Klient als ganzheitlicher Mensch betrachtet wird und Leistungsträger, Kostenträger und der Betroffene beieinander sitzen und miteinander besprechen können, welche Leistungen überhaupt notwendig sind und vor allen Dingen in welcher Reihenfolge und mit welchem Ergebnis, ist es unseres Erachtens ein Fortschritt, der nicht unter den Tisch gejubelt werden darf. Wie sieht es heute aus? Eine Leistung wird beantragt. Als Allererstes wird abgelehnt, weil der Sozialhilfeträger erst einmal sein Ja und Amen geben muss. Dass es unbedingt die Leistung ist, die als Erstes kommen muss bei gesellschaftlicher Rehabilitation, ist überhaupt nicht gesagt, denn letztendlich ist es so, jeder, der eine Leistung anbietet, will die auch loswerden.
Also haben manche Menschen mit Beeinträchtigungen durchaus damit zu kämpfen, dass Leistungsträger sich sehr wohl auch selbst melden. Wer zuerst da ist, hat unter Umständen den Vorteil, dass er zuerst gehört wird. Aber ob das dann unbedingt der Leistungsträger ist, der vom Kostenträger auch als Erster bezahlt wird, ist die Frage. Und ob das mit dem zusammenpasst, was noch gemacht werden soll, das ist die nächste Frage.
Dazu muss ich allerdings sagen, es ist im SGB IX im Moment eine Formulierung enthalten, die verstehen Menschen mit Beeinträchtigungen überhaupt nicht und sie ist auch juristisch überhaupt nicht definiert. Es steht nämlich drin, dass das Recht auf Rehabilitation derjenige hat, bei dem Aussicht auf Erfolg besteht. Und da muss ich nun sagen, alle diejenigen, die ein bisschen Wissen haben in juristischer Hinsicht, Aussicht auf Erfolg, wie ist das wohl definiert und was ist wohl bei einem Menschen mit Behinderung Aussicht auf Erfolg. Dass er bei Beendigung der Rehabilitation Professor oder Professorin werden kann oder dass er wirklich in der Lage ist, nach Ende der Rehabilitation seine häuslichen Angelegenheiten so gut wie möglich selbständig zu erledigen? Das ist eine Formulierung, an der muss noch gearbeitet werden.
Ein großer Mangel ist auch, das allerdings ausschließlich aus der Sicht der Betroffenen und aus der Sicht der Freien Wohlfahrtspflege, dass die Leistung der Wiedereingliederung nach wie vor an das BSHG geknüpft ist. Wir fordern schon lange eine Abkopplung vom BSHG, da unseres Erachtens all die Leistungen, die da gegeben werden, in der Richtung nichts zu tun haben.
Zur Vermögensabkopplung hat Frau Dr. Seemann schon gesprochen. Genau das gleiche Problem: In welcher Art und Weise ist es gerecht, Menschen, die eine Behinderung im Laufe ihres Lebens erworben haben, finanziell erst mal dahin gehend zu überprüfen, ob sie nicht beim Erlernen eines neuen Berufes, bei der Umschulung selbst zur Kasse gebeten werden können? Ich bitte Sie, meine Damen und Herren! Welcher junge Mensch in Erstausbildung wird zur Kasse gebeten, wenn er seinen Beruf erlernt?! Keiner! Und welcher Mensch mit Beeinträchtigung, der aufgrund seiner erworbenen Beeinträchtigung einen neuen Beruf lernen muss, ist daran schuld? Wer hat denn das mit Absicht verursacht? Muss er auch noch dafür bestraft werden?
Ich komme jetzt zum Punkt drei der Begründung Ihres Antrages. Kostenneutral soll alles stattfinden, kostenneutral und dabei herausgenommen die Jugend- und Sozialhilfe. Das ist leider die Art und Weise, wie oftmals bestimmte Dinge oder fast alle Dinge in den Rubriken des Sozialen gesehen werden. Nehmen wir da mal ein bisschen was weg und da mal ein bisschen was weg und gucken, was es kostet. Wie Sie wissen, kostet es aber rundherum, und zwar kostet ein Mensch, der keine Rehabilitation hatte, an Pflege, ganz klipp und klar an Pflege, und ein Mensch, der lange keine Rehabilitation hatte, kostet an Pflege und man benötigt unter Umständen viel mehr Rehabilitationskosten, weil es länger dauert.
Besehen Sie sich also bitte, wenn Sie Kostenneutralität wollen, alle Kostenträger, alle fünf, die ab sofort für Reha
bilitation verantwortlich werden sollen, und nehmen Sie nicht nur einen raus. Und ich weiß, Herr Glawe,
gerade die Krankenkassen haben mordsmäßige Summen aufgestellt, Millionen und Milliarden, was das SGB IX angeblich alles kosten soll. Doch, erstens, was es in Wirklichkeit kostet, wissen wir nicht. Zweitens, bei diesen Berechnungen sind oftmals völlig falsche Angaben dabei, denn ich wüsste nicht, dass sich die Krankenkassen im Moment an den Fahrkosten beteiligen, wenn es um bestimmte Dinge der Integration geht. Und außerdem, wer fragt, bitte schön, was heute alles für Gelder aus dem Fenster geworfen werden, weil keine effektive Rehabilitation vorhanden ist.
Da werden Hilfsmittel versorgt, die braucht derjenige gar nicht. Da werden Brillen, Lupen, Vorlesegeräte und sonst was versorgt, weil die Optiker für ihren Umsatz sorgen müssen.
Aber die braucht derjenige gar nicht. Anspruch auf Rehabilitation hat er sowieso nicht, also landet es im Schubfach. Hörgeräte werden ausgegeben, mit wahrer Begeisterung. Auch Hörakustiker wollen verdienen. Wer fragt aber eigentlich mal, welcher hörbehinderte Mensch mit seinem Hörgerät wirklich umgehen kann, wer wirklich in der Lage ist, es so einzustellen, dass er es optimal nutzen kann? Keiner. Kein Anspruch auf Rehabilitation!
Nächste Frage: Sind wir denn überhaupt berechtigt festzustellen, bis zu welchem Alter Rehabilitation gegeben werden darf und ab welchem Alter nicht mehr?
Mit welchem Recht bekommen im Moment Senioren und Seniorinnen keine Rehabilitation zum Erlernen lebenspraktischer Fertigkeiten, weil man sie in die Pflege schickt, einfach in die Pflege schickt? Bis zu welchem Alter, bitte schön, darf man sich alleine behelfen und ab welchem darf man es dann nicht mehr? Das SGB IX wird es so, wie es jetzt steht, regeln und ich denke mir, das ist eine ganz, ganz wichtige Voraussetzung, dass dann auch alle ein Recht auf Rehabilitation haben und keine Willkür mehr herrschen darf.
Ich komme jetzt zum Punkt vier Ihrer Begründung. Die halte ich nun geradezu für abenteuerlich. Meine Damen und Herren, lesen Sie es mal bitte nach, wenn Sie können und wenn Sie es hier haben! Da wird wirklich begründet, dass für verschiedene Kostenträger verschiedene Definitionen von Behinderten anzuwenden sein. Du liebe Güte! Diese Praxis haben wir doch schon beim Finanzamt! Einkommen wird immer so berechnet, wie es gerade passt. Will ich viel Geld ausgeben oder will ich wenig Geld ausgeben? Natürlich will ich wenig Geld ausgeben. Also zählt immer das ins Einkommen mit rein, was gerade nötig ist, oder wird nicht dazugezählt, weil es dem Finanzamt nicht so klar wäre. Na klar, machen wir es doch! Nehmen wir eine Behindertendefinition für jeden Kostenträger!
Meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie sich nur mal in Abstrichen mit den 470 Seiten der Anhörung zum SGB IX vom 19. und 20. Februar beschäftigt hätten,