Protokoll der Sitzung vom 20.09.2001

sondern wir wissen alle, dass es auch um die Angleichung der Standards geht. Ich bin am letzten Sonnabend eingeladen gewesen in einem polnischen Krankenhaus, da gibt es noch ganz viel zu tun. Auch hier müssen wir helfen, dass Kontakte geschlossen werden, dass Vertreter unserer Krankenhäuser noch mehr Kontakte schaffen und dass wir auch mithelfen, dass die Entwicklungen auf diesem Gebiet in Polen vorankommen. Das Zusammenleben der Menschen hängt von vielen kleinen und großen Dingen ab und darum dürfen wir nicht nur die Unternehmen im Blick haben, was ganz, ganz wichtig ist, sondern auch die vielen anderen Bereiche des Lebens.

Es gibt, und das zeigt der Bericht, wenn man ihn gründlich liest, ja zum Glück in vielen Institutionen inzwischen selbstverständliche Arbeitskontakte. Wir sind mit ein paar Abgeordneten kürzlich beim regionalen Planungsamt Vorpommern gewesen. Dort gibt es einen Mitarbeiter, der Polnisch spricht, der hervorragende Kontakte nach Polen hat und der grenzübergreifende Planungen macht. Wir haben gute Voraussetzungen auch in den Ministerien und in den Ämtern, die der Landesregierung nachgeordnet sind. Insofern, denke ich, sollten wir auch dieses in unserer Bevölkerung deutlicher machen, denn Ängste werden wir nur abbauen, wenn die Menschen erfahren, dass an diesen Problemen und der Angleichung dieser Unterschiede ernsthaft gearbeitet wird.

Grundsätzlich, denke ich, sind wir auf dem richtigen Weg. Wir sind inzwischen so gut im Gespräch, sowohl auf Landesregierungs- als auch auf Parlamentsseite, dass wir Schlussfolgerungen ziehen können, wo die nächsten Schritte zu tun sind. Die Aufforderung von Herrn Helmrich, dass wir dieses unter uns konkreter formulieren sollten, halte ich auch für wichtig, weil uns dann untereinander klar wird, wo Akzente zu setzen sind, denn alles werden wir nicht machen können, diese Kraft werden wir nicht haben. Aber wenn wir uns Zielsetzungen gemeinsam definieren – und ich denke, da sprechen wir grundsätzlich mit der Landesregierung hier im Parlament eine Sprache –, werden wir diese Schritte besser gestalten und hoffnungsvoller der europäischen Erweiterung Richtung Osten entgegenblicken können. Darum, finde ich, ist dies ein Politikbereich, in dem wir zum Glück an einem Strang ziehen. Inzwischen müssen wir auch nicht mehr ängstlich zurückblicken, sondern können unseren Leuten sagen: Helft mit, dann haben wir die Chance! Wir sind auf dem richtigen Weg, aber wir müssen mehr tun. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Danke schön, Herr Kuessner.

Der Ministerpräsident hat noch mal ums Wort gebeten. Bitte, Herr Ministerpräsident.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich gefreut, dass sich die Redner aller Fraktionen doch sehr gründlich mit dem Bericht beschäftigt haben. Und, Herr Abgeordneter Helmrich, ich freue mich natürlich, dass auch Sie den Bericht im Grundsatz positiv aufgenommen und einige freundliche Worte gefunden haben und auch meinen, dass das, was zur Landwirtschaft gesagt wird, doch recht ordentlich ist. Ich will aber auf einige Punkte, die genannt worden sind, doch noch einmal eingehen.

Sie haben zu Beginn, Herr Helmrich, diesen unterschiedlichen Lebensstandard erwähnt. Der ist natürlich da, aber ich glaube, die Unterschiede werden sich wesentlich schneller abbauen, als wir glauben. Es gibt heute schon auf den Werften in Polen in einigen Berufen Einkommen, die höher sind als die Einkommen in einigen Regionen Vorpommerns. Der Großraum Stettin wird eine erhebliche Anziehungskraft ausüben und für einige Bereiche unseres Bundeslandes, des Landesteiles Vorpommern, wird Stettin wieder die Rolle spielen, die es früher einmal gespielt hat. Es wird so etwas wie das natürliche Oberzentrum sein und wir können davon profitieren.

Um die Ängste der Menschen abzubauen, sollten wir ihnen sagen, dass es eine ganz klare Aussage der Kommission, eine ganz klare Aussage von Prodi auch auf einer Zusammenkunft mit den ostdeutschen Ministerpräsidenten der Grenzländer zu Polen gibt, dass alle 43 Kapitel des acquis communautaire durchverhandelt werden müssen und dass es keinen rein politisch bedingten oder überhaupt keinen rein politisch bedingten Beitritt geben wird, denn das würde von vornherein vielleicht einen gewissen Zündstoff in sich bergen und wäre nicht gut für die weitere Mitgliedschaft. Das ist auch in Richtung polnischer Seite ziemlich klar gesagt worden.

Ich halte relativ wenig von dem, was Sie andeuteten im Zusammenhang mit den Grenzübergängen. Dort Verknüpfungen zu anderen Bereichen zu schaffen und damit zu drohen, vielleicht einige andere Kapitel nicht zu verhandeln, das, glaube ich, ist nicht der richtige Weg. Wir müssen den Polen sagen, dass Verbindungen zwischen den Menschen das Wichtigste sind. Ich kann Ihnen sagen, bei jeder Begegnung, sowohl mit den Woiwoden als auch mit dem Marschall, bei der Begegnung mit dem Außenminister und auch bei der kurzen Stippvisite des Bundeskanzlers in Stettin, wo es ein Gespräch mit dem polnischen Ministerpräsidenten gegeben hat, ist die Frage der Grenzübergänge sehr, sehr deutlich gemacht worden und nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein.“ scheint die Bereitschaft zu wachsen. Die Polen weisen allerdings darauf hin, dass es vorwiegend finanzielle Gründe sind, die immer wieder dazu geführt haben, dass schon zugesagte Termine nicht eingehalten worden sind. Das sind Dinge, die die Außenpolitik betreffen. Es gibt den entsprechenden Notenaustausch mit den Polen und ich hoffe, dass wir da tatsächlich weiterkommen werden. Auf die Dinge, die wir mit der Bäderbahn vorhaben, hat der Landtagspräsident schon hingewiesen. Wir wollen dort auch nicht halten an der Grenze, wir wollen bis Swinemünde durchfahren.

Im Bereich der Sprachkompetenz, die hier angesprochen wurde, glaube ich, hat sich eine ganze Menge getan. Einmal, und das wurde von den Polen auch als wichtiges Zeichen gewertet, wird es positiv aufgenommen, dass der Lehrstuhl Polonistik in Greifswald wieder besetzt wird. Es ist positiv aufgenommen worden, dass in etlichen Schulen Polnisch die erste Fremdsprache ist. Und ich hatte auch auf das gemeinsame Ausbildungsprojekt hingewiesen. Ich muss allerdings sagen, dass man natürlich keinen zwingen kann, Polnisch zu lernen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Schwere Sprache.)

Man trifft immer wieder noch auf Vorbehalte, was soll ich denn mit dem Polnischen, die Polen, die sollen Deutsch lernen. Wenn wir gegen diese Mentalität etwas angehen – ich glaube, das ist eine gemeinsame Aufgabe –, dann errei

chen wir sehr viel. Denn wenn man die Sprache des Nachbarlandes einigermaßen verstehen kann, ist es von unerhörtem Vorteil, auch von wirtschaftlichem Vorteil, bei der Anbahnung von Wirtschaftsbeziehungen.

Den Jugendaustausch sehe ich als genauso wichtig an, wie er hier gesehen wurde. Auch da hat es Bemühungen gegeben, die Mittel für das deutsch-polnische Jugendwerk aufzustocken. Es ist leider zu dieser Aufstockung nicht gekommen, aber ich denke, auch da bedeutet es ein Bohren dicker Bretter.

In einem Punkt, Herr Helmrich, sehe ich das ein bisschen kritisch. Sie erwarten zu viele Anweisungen von oben, Vorgaben für die Landkreise. Nach allen Erfahrungen, die ich gemacht habe, sage ich, wir sollen sehr, sehr vorsichtig sein, da irgendwie etwas vorgeben zu wollen, gerade in Vorpommern. Ich glaube, das wäre eher ein Schuss, der nach hinten losgehen würde, Sie kennen das. Aber ich glaube, alle Abgeordneten selbst müssen ihre volle Überzeugungskraft aufbringen und sagen,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

dass auch Städtepartnerschaften mit polnischen Gemeinden attraktiv sein können.

(Wolfgang Riemann, CDU: Mit Koserow.)

Wir können sie nicht verordnen. Ich kannte einen Landrat – jetzt ist er nicht mehr Landrat –, der mir bei den Besuchen, die ich bei ihm gemacht habe, immer erst über seine Reisen nach Taiwan erzählt hat,

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

und damit war dann die ganze Zeit vergangen und wir kamen zu keinen anderen Themen mehr. Ich habe da diese Vorschläge gemacht, nicht immer so sehr in die Ferne zu denken. Sicherlich sind Verbindungen zu Taiwan auch wichtig, aber ich denke, man sollte auch in die Nähe schauen. Also nehmen wir uns alle selbst etwas in die Verantwortung. Als Abgeordnete leisten wir Aufklärungsarbeit. Versuchen wir, Schulen dazu zu bewegen, mehr Schulpartnerschaften abzuschließen, und appellieren wir an die Kommunalpolitiker, die Verbindungen zu unseren polnischen Nachbarn dadurch zu festigen, dass die Zahl der Städtepartnerschaften steigt. Im Übrigen kann ich hier nur sagen – und das werden alle bestätigen, die in Polen gewesen sind –, die Polen sind ausgezeichnete Gastgeber. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Danke schön, Herr Ministerpräsident.

Ich schließe die Aussprache.

Kann ich davon ausgehen, dass wir nach der jetzigen Aussprache die Unterrichtung durch die Landesregierung auf Drucksache 3/2261 verfahrensmäßig für erledigt erklären?

(Wolfgang Riemann, CDU: Ja.)

Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Unterrichtung durch die Landesregierung – Bericht über die Situation von Gehörlosen, Schwerhörigen und Ertaubten in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 3/2098.

Unterrichtung durch die Landesregierung: Bericht über die Situation von Gehörlosen, Schwerhörigen und Ertaubten in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 3/2098 –

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat die Sozialministerin Frau Dr. Bunge.

(Präsident Hinrich Kuessner übernimmt den Vorsitz.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Hörschädigungen sind im doppelten Sinne eine stille Behinderung. Nicht oder kaum sichtbar sind viele im tagtäglichen Leben beeinträchtigt. Für diese Menschen den gesellschaftlichen Raum für die chancengleiche Teilhabe barrierefrei zu gestalten, lässt sich nicht allein mit der Absenkung einer Schwelle oder dem Einbau eines Fahrstuhls realisieren. Von Hörschädigungen sind mehr betroffen, als offiziell erfasst. Auch jede und jeden von uns kann es vor allen Dingen ob der belasteten Umfeldbedingungen treffen. Vielleicht haben Sie dieser Tage die Pressemitteilung der Fördergemeinschaft „Gutes Hören“ zur Kenntnis genommen mit dem erstaunlichen Testergebnis in einem Landtag. Dort wurden bei über der Hälfte der Abgeordneten leichte bis mittelschwere Hörminderungen festgestellt.

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Ich bin gespannt, was bei dem Test am 30.09. in unserem Landtag herauskommt. Aus all dem gilt es, die Situation Hörgeschädigter zu beleuchten, um das Ausmaß in seiner Differenziertheit zu erfassen, um den Stand von Leistungen und Hilfen im Land darzustellen. Insofern bin ich dankbar, dass der Landtag die Landesregierung mit einem solchen Bericht beauftragt hat. Seit dem Sommer liegt Ihnen das Ergebnis vor. Ein Anfang wurde gemacht. Von rund 138.000 Inhaberinnen und Inhabern eines Schwerbehindertenausweises haben diesen rund 6.500 Mensch e n wegen einer Hörbehinderung mit einem Grad der Schwerbehinderung von 50 Prozent und mehr.

Menschen mit Behinderungen und insbesondere Menschen mit Hörbehinderungen stellen keine homogene Gruppe dar. Die behinderungsbedingten Beeinträchtigungen reichen in die verschiedensten Gebiete des tagtäglichen Lebens. So ging dann auch das Spektrum der zu erörternden Felder weit über den Ressortbereich des Sozialministeriums hinaus. Zur Erstellung des Berichts hat es daher Abstimmungen auf interministerieller Ebene gegeben, mit dem Bildungs- und Kulturressort, mit dem Umweltressort, mit dem Ressort Justiz, Arbeit und Bau. Fachbeiträge wurden aus diesen Häusern geliefert, sie sind in den Bericht eingeflossen.

Da die Grundzuständigkeit für die ambulante gesundheitliche und soziale Betreuung der Bevölkerung im Einklang mit dem Grundgesetz stehend nach der Kommunalverfassung den Kommunen obliegt, sind deren Aktivitäten in der Sache im Rahmen einer Erhebung ermittelt und einbezogen worden. Zugleich wurde den drei im Land tätigen Verbänden die Gelegenheit zur Darstellung ihrer Verbandsstrukturen und Verbandsaktivitäten eingeräumt. Ich bedanke mich hiermit bei allen, die mitgewirkt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Wesentliche Punkte des Berichts sind so die Realisierung des Versicherungsschutzes gemäß gesetzlicher Krankenversicherung, die Beförderung einer flächendeckenden Früherkennung, der überbetriebliche und betriebliche Arbeitsschutz, die Berufssituation und Arbeitsförderung von hörbehinderten Menschen, das Geflecht der behindertenspezifischen Beratung. Wünsche an wissenschaftliche Abhandlungen konnten von der Verwaltung nur sehr eingeschränkt erfüllt werden.

Die Situation beim Nachteilsausgleich für Menschen mit Hörbehinderungen hat sich in den letzten Jahren verbessert, was im Umkehrschluss natürlich nicht bedeutet, dass sämtliche Probleme als gelöst zu betrachten sind. Leider sind aber auch die Möglichkeiten der Landesregierung ob der vielfältigen Zuständigkeiten begrenzt. Sowohl Landes- als auch Bundesregierung arbeiten an der weiteren Umsetzung des Grundgesetzartikels 3 „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ So stockt zum Beispiel das Land mit dem Doppelhaushalt die Förderung von Gebärdendolmetschern auf. Das kürzlich in Kraft getretene SGB IX und das dieser Tage von der Bundesregierung vorgelegte Gleichstellungsgesetz werden die Bedingungen weiter verbessern.

Ein besonderes Anliegen war es uns und war es auch mir persönlich, den Präventionsmöglichkeiten und Aktivitäten relativ breiten Raum zu bieten. Wie kaum in einem anderen Bereich sind Hörschädigungen vermeidbar. Im Arbeits-, Umwelt-, Freizeitschutz sind neben den Institutionen auch wir alle gefragt. Betrachten wir daher den Bericht als Basis unser aller Wirken. Das Sozialministerium wird gemeinsam mit dem Integrationsförderrat Schlussfolgerungen ziehen. Ich sehe den Bericht als Basis für künftiges Handeln an. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Volker Schlotmann, SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Glawe von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Glawe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht über die Situation von Gehörlosen, Schwerhörigen und Ertaubten in Mecklenburg-Vorpommern liegt Ihnen vor.

(Andreas Bluhm, PDS: Richtig.)

Im März des Jahres 2000 hatte der Landtag auf Antrag der SPD und PDS dieses Berichtsersuchen in Auftrag gegeben. Die Grundsätze sind bearbeitet, Begriffsbestimmungen definiert, auch allgemeine Rechtsgrundlagen sind aufgezeigt. Aber, meine Damen und Herren,...

(Angelika Gramkow, PDS: Aber ein bisschen loben, ein bisschen.)

Das war schon relativ viel Lob, das können Sie ja nicht bestreiten.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Barbara Borchardt, PDS: Man höre und staune! – Angelika Gramkow, PDS: Oh! – Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Aber, meine Damen und Herren, der Bericht bleibt weit hinter dem Auftrag des Landtages und hinter dem Auftrag von SPD und PDS, der Koalitionäre hier in diesem Landtag der letzten drei Jahre, zurück.