Protokoll der Sitzung vom 18.10.2001

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

dass wir mit den Bundestagsfraktionen zusammenarbeiten. Deshalb ist es ganz wichtig, dass da Gespräche geführt werden und dass man für Mehrheiten kämpft. Das habe ich getan auf den Justizministerkonferenzen. Ich

habe vor allem auf der Justizministerkonferenz der Ostjustizminister hier im Lande im Mai erreicht, dass alle Justizminister der ostdeutschen Länder diese Initiative mittragen. Das finde ich einen sehr guten Schritt, um am Ende zu diesem positiven Ergebnis zu kommen. Und ich will auch nicht verhehlen, dass noch das eine oder andere überzeugende Gespräch innerhalb meiner Partei geführt werden musste und geführt werden muss. Ich habe die Gelegenheit wahrgenommen, als zum Beispiel die rechtspolitischen Sprecher aller Landtage hier in Schwerin waren.

Ich bin jetzt deshalb zuversichtlich, dass wir das, was da nötig ist, durchbringen werden. Der jetzige neue Anlauf einer Bundesratsinitiative wird selbstverständlich von dieser Regierung mitgetragen. Der Zeitablauf ist so, dass das Kabinett am letzten Dienstag den entsprechenden Beschluss gefasst hat und dass die Sache am Freitag auf der Tagesordnung des Bundesrates steht. Wir werden diese Initiative selbstverständlich durch unsere Stimme unterstützen. Damit werden wir hoffentlich möglichst schnell diesen wichtigen Schritt gehen können, dass Graffiti zur Straftat wird.

Aber ich muss auch deutlich sagen, für die Zeit bis dahin, die können wir ja nicht einfach so verstreichen lassen, muss auch etwas getan werden. Und das ist nicht eine Frage des Entweder-oder, sondern das ist eine Frage des Zusammenwirkens. Der Innenminister hat nach intensiven Gesprächen mit mir die Möglichkeiten ergriffen, die ihm innerhalb seiner Zuständigkeit zur Verfügung stehen. Das hat mit Weglaufen nichts zu tun, sondern mit konstruktiver Zusammenarbeit, Herr Thomas. Er hat die Möglichkeiten genutzt, die ihm zur Verfügung stehen, nämlich durch eine Mustersatzung die Voraussetzung dafür geschaffen, dass, bis Graffiti-Schmierereien ein klarer Straftatbestand sind, wenigstens sichergestellt werden kann, dass es ein klarer und selbstverständlicher Bußgeldtatbestand ist. Im Moment ist es ja so, wenn das, was ich eben geschildert habe, so ausgeht, dass wir sagen, es ist keine Sachbeschädigung, dann besteht keinerlei Sanktionsmöglichkeit gegenüber dem Täter, dann kann ihm noch nicht mal eine Geldbuße auferlegt werden. Und das ändern wir dadurch, dass den einzelnen Städten durch diese Mustersatzung die Möglichkeit eingeräumt wird, durch entsprechende Satzung Graffiti-Schmierereien zu einem klaren Bußgeldtatbestand zu machen. Und dann kann man dem Täter, wenn man ihn fasst, ein Bußgeld auferlegen bis zu 5.000 Euro. Wir haben dann zwar nicht die differenzierten Einwirkungsmöglichkeiten auf den Täter wie bei einer Straftat, aber das ist immerhin schon mal ein wichtiger Schritt, dass wir mit bis zu 5.000 Euro drohen können.

Aber wir haben noch ein weiteres Problem im GraffitiBereich, nämlich, wir müssen die Täter auch fassen. Da hat es bisher große Schwierigkeiten gegeben. Deshalb habe ich im Sommer dieses Jahres eine Belohnung ausgesetzt für Hinweise, die zur Verurteilung von GraffitiTätern führen. Die Überlegung dabei ist, dass zum einen die Sprayerszene eine relativ geschlossene Gruppe bildet, in die man vielleicht durch solche Belohnungen hereinkommen kann, vor allem aber scheint mir auch wichtig, den Bürgern durch eine solche Belohnung ganz deutlich zu sagen, das ist nicht nur eine Schweinerei, sondern dagegen müssen wir ernsthaft vorgehen und tragt ihr doch bitte euren Teil dazu bei, dass wir als Gesellschaft solche Dreckecken, solche Schmierereien in unseren Städten entfernen und ernsthaft bekämpfen können.

Wie weit diese Auslobung Erfolg haben wird, ist derzeit nicht absehbar. Es geht in erster Linie darum, dass bei der Polizei entsprechende Hinweise eingehen. Dann wird die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Die Auszahlung des Geldes erfolgt nach Verurteilung. So weit sind wir im Zeitablauf seit dem Sommer natürlich noch nicht, so dass man Abschließendes noch nicht sagen kann.

Vielleicht noch mal einen Satz, Herr Thomas, zu dem, was Sie vorgetragen haben, zu den Projekten Kunstgraffiti. Nach meiner Auffassung und dem, was ich nach Beschäftigung mit dem Thema an Überzeugung gewonnen habe, ist es so, dass wir ganz klar zwei unterschiedliche Gruppen haben. Es gibt in der Tat Graffiti-Künstler, es gibt Leute, die sich mit der Spraydose an einer Wand verwirklichen und da auch was Tolles hinkriegen. Aber die, über die wir hier reden, die versuchen gar nicht, irgendetwas hinzubekommen, das auch nur entfernt wie ein Kunstwerk aussieht, sondern da geht es wirklich um Schmierereien. In dem Bereich denke ich dann, dass das sehr wichtig ist, was Sie gesagt haben, dass wir diejenigen, die Kunst machen wollen, unterstützen. Aber ich halte wenig davon, dass wir präventiv die Schmierereien dadurch beseitigen, dass wir denen, die Kunst machen wollen, eine Fläche zur Verfügung stellen, weil es sich, wie gesagt, um zwei verschiedene Gruppen handelt.

Herr Sellering, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Thomas?

Ja, bitte, Herr Thomas.

Bitte sehr, Herr Thomas.

Herr Sellering, das ist richtig. Kennen Sie schon entsprechende Projekte, wo unter der Leitung von ganz herausragenden GraffitiKünstlern diese Illegalen eingebunden werden, mit dem Ergebnis, dass sie an legalen Objekten mitarbeiten und sie dann durch ihren Kodex, den haben sie nämlich, nie wieder an diese Objekte rangehen und dass man damit im Prinzip verhindert, dass sie illegal weiterarbeiten, durch die Einbindung in diese legalen Projekte? Und nur darum handelt es sich, deswegen haben wir das vorges c h l a g e n.

Also mir sind natürlich alle Untersuchungen in diesem Bereich, also ich hoffe es,...

Herr Thomas, Sie müssen noch ein bisschen warten.

... weitgehend bekannt und auch die zuständige Abteilung ist da natürlich weitestgehend informiert. Ich wiederhole aber noch mal, dass ich große Schwierigkeiten darin sehe, diese Gruppe ernsthaft an den künstlerischen Bereich heranzuführen.

Darf ich eine Nachfrage stellen?

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage, Herr Sellering?

Ja.

Bitte sehr, Herr Thomas.

Wären Sie bereit, sich vielleicht mal mit unserer Vermittlung, mit den entsprechenden Damen und Herren zu unterhalten? Ich glaube, Ihre Meinung wäre zu ändern.

Ich bin bereit, mich dem Problem Graffiti in allen Facetten zu nähern, und ich bin zu jedem Gespräch mit Ihnen bereit, selbstverständlich.

Gut, danke.

Ich denke, wir haben da ein gemeinsames Anliegen, das ist deutlich geworden.

Daran möchte ich jetzt anknüpfen. Wir haben ein gemeinsames Anliegen, das ist gut. Die Frage ist: Was tun wir aber jetzt mit Ihrem Antrag? Schön daran ist ja, dass Sie unsere gute Regierungsarbeit im Bereich Graffiti damit inhaltlich unterstützen. Das ist wunderbar, dafür bedanke ich mich. Aber ich muss auch deutlich sagen, ich finde es ein bisschen albern, wenn die Opposition jedes richtige Abstimmungsverhalten, aus Ihrer Sicht richtige Abstimmungsverhalten, der Regierung im Bundesrat mit einem entsprechenden Antrag hier im Parlament nachträglich begleitet oder aber – wahrscheinlich ist die Einschätzung realistischer – dass sie versucht, mit ihren Anträgen in einen Wettlauf mit der Regierung zu kommen und zu sagen, der Meinung sind wir auch. Das finde ich ein bisschen albern. Wenn Sie sich die Tagesordnung des Bundesrates vor Augen führen, mit häufig über hundert Punkten, kann das dazu kommen, dass wir hier diesen Landtag mit Papier überschwemmen.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das, glaube ich, wäre nicht ganz so gut. Ich möchte deshalb die Regierungsfraktionen bitten, diesen Antrag abzulehnen, damit wir dieses Verhalten der Opposition nicht weiter unterstützen. In der Sache, wie gesagt, freue ich mich, dass wir einer Meinung sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Riemann, CDU: Na toll! Na toll! – Gesine Skrzepski, CDU: Inkonsequent!)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Schädel von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Herr Schädel.

(Zuruf aus dem Plenum: O Gott!)

Herr Präsident!

Schädel, nicht Gott.

(Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS – Kerstin Kassner, PDS: So kann man sich irren.)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ärgerlich, sehr ärgerlich vor allem für die BesitzerInnen, aber auch für die MieterInnen oder einfach auch für unbeteiligte PassantInnen ist Graffiti an Häuserwänden. Besonders dann, wenn es gerade neu renovierte Häuser sind,

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

ist dieses nach dem CDU-Antrag sogar ein Symbol für den Verfall von Ordnung und als Vorläufer für weitere Zerstörung und Wandalismus zu sehen. Die CDU meint, damit die Einschätzung von breiten Bevölkerungskreisen zu transportieren, auch auf die Gefahr hin, dass sie – das ist hier mehrfach ausgeführt worden – damit hier im Lande wieder durchfällt. Deshalb soll das Strafgesetz geändert werden und nicht mehr nur die Beschädigung und Zerstörung von Malereien auf Gegenständen anderer unter Strafe gestellt werden, sondern bereits die Verunstaltung. Abgesehen von der subjektiven Wahrnehmung von Ver

unstaltung ist das CDU-Anliegen aus Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern aus meiner Sicht doch eine recht überzogene Reaktion.

Zu meiner Kinder- und Schulzeit – das ist noch nicht ganz so lange her, wie es bei den meisten anderen Kolleginnen und Kollegen hier der Fall ist – hieß es noch: „Nur Narrenhände beschmieren Tisch und Wände.“ Dann war es damit gut, dann musste wieder sauber gemacht werden und es fanden eingehende Gespräche dazu statt. Jetzt, sollte es nach dem Willen der CDU gehen, soll Strafe folgen. Ein wenig überzogen, denke ich, zwei Jahre oder bis zu zwei Jahren dafür in den Knast zu gehen. Dabei wird außer der subjektiven Wahrnehmung oder optischen Beeinträchtigung des Gebrauchswertes der bemalten Fläche nichts beeinträchtigt.

Das bayrische Oberlandesgericht München formulierte dazu am 17. Mai 1999: „Durch Sprühaktionen werden diese Gegenstände zwar beschädigt, ihre jeweilige Zweckbestimmung wird jedoch nicht beeinträchtigt.“ Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz stellte gar bereits 1997 fest: „Die durch Spraytechnik hergestellte Graffiti-Malerei ist eine moderne Form bildender Kunst.“

(Beifall Annegrit Koburger, PDS)

In welchem Verhältnis stehen hier die Auswirkungen von Graffiti und die Reaktionen des Staates?

Doch wir sollten uns davor hüten, denke ich, alles, was uns ärgert, unter Strafe zu stellen. Mich ärgert eine ganze Menge. Wenn wir das alles unter Strafe stellen würden! Ich denke, auch hier im Saal gibt es einige, die einiges andere ärgert. Ich denke, das ist der verkehrte Weg, so kann nicht darauf reagiert werden.

Dass Graffiti gar teilweise subjektiv als Gefährdung des Sicherheitsgefühls wahrgenommen werden soll, ist dann, denke ich, doch wirklich sehr übertrieben, vielleicht gar gleich nach dem Terrorismus, vielleicht auch noch davor. Strafe schützt weder die Hauseigentümer noch kann sie zur Bildung von Kunstverständnis und Gefühl beitragen. Hier sollen Schreckgespenster an die Wände gesprüht werden,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

so, wie es der Kollege Bartels gerade vorhin auch schon in einem anderen Fall sagte.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Die Gedankengänge von Kolleginnen und Kollegen werden mir wohl ewig unergründlich bleiben.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Das wird so sein.

Da wird im Antrag aus Baden-Württemberg unter anderem bereits festgestellt: „Der Missstand des Sprühens und Bemalens privater und öffentlicher Flächen wird als ein Symbol für den Verfall von Ordnung und auch als Vorläufer für weitere Zerstörung und Wandalismus angesehen, ebenso, dass der mangelnden Akzeptanz der Rechtsnormen durch Jugendliche entgegengetreten werden muss.“ Doch was dann daraus folgt, ist für mich wirklich unergründlich. Aber deshalb diskutieren wir ja hier.

Strafandrohung mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren kann es, denke ich, nicht sein. Wer soll das nachvollziehen können? Meinen Sie denn wirklich, dass mit immer mehr Strafen die Menschen mehr Achtung voreinander oder

dem Eigentum anderer haben werden? Sie erheben doch dieses Gesellschaftssystem alle hier regelmäßig zum besten auf der ganzen Welt und dann sind Sie unentwegt dabei, Gesetze zu verschärfen und Regeln bis in die kleinsten Ecken der Gesellschaft aufstellen zu wollen. Wie sollen Jugendliche – und über die reden wir hier ja wohl überwiegend – zu dem System finden, wenn sie bei den Alten mit allen Ausdrucksweisen nur auf Unverständnis stoßen und Strafe zu erwarten haben?