Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon die Frage der notwendigen Überweisungen in welche Ausschüsse macht eigentlich das Problem an der Beschäftigung mit diesem Thema deutlich. Wir können das Thema Föderalismus und Regionalprinzip in Deutschland sehr allgemein diskutieren, staatsrechtlich diskutieren, politisch diskutieren, oder wir können natürlich auch sehr detailliert über die konkreten Auswirkungen dieser sehr allgemeinen Regelungen diskutieren. Und dann sind wir im Finanzausschuss, dann sind wir im Landwirtschaftsausschuss,
Vieles von dem, was im Text des Antrages steht, ist seit langem richtig und man wird nicht unbedingt ein Haar darin suchen müssen. Es wird, indem es die CDU noch einmal vorträgt, nicht wahrer, aber auch nicht falsch.
Das Konkrete, über das man vielleicht beschließen könnte, steht leider in der Begründung, die ist aber bekanntlich einer Beschlussfassung nicht zugänglich. Wie wir deshalb mit diesem Antrag umgehen wollen, ist hier bereits gesagt worden. Die Entschließung mag aber einen bestimmten Wert als Diskussionspapier haben.
Zum Antrag: Zunächst soll sich der Landtag die Auffassung zu eigen machen, dass sich der Föderalismus in Deutschland bewährt hätte, jetzt aber weiterentwickelt werden müsse. So steht es in Satz 1 des Antrages. Wir sehen das ganz nüchtern und vielleicht auch etwas anders. Wir haben, wenn ich das Grundgesetz richtig gelesen habe, nach Artikel 20 Absatz 1 und Artikel 79 Absatz 3 für immer und ewig, solange dieser Staat existiert, den demokratischen und sozialen Bundesstaat. Der auf diese Weise auch inhaltlich bestimmte Föderalismus ist somit verordnetes Verfassungsprinzip. Die Crux ist aber, dass trotz dieses Verfassungsgebotes man eben nicht darum herumkommt festzustellen, dass der real existierende Föderalismus seit 50 Jahren erheblich krankt und, was die Zuständigkeiten und Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder betrifft, erheblich in die Schieflage geraten ist. Henning Voscherau hat als Bundesratspräsident einmal gesagt: „Der Föderalismus stirbt zentimeterweise. Dies sehen wir als die nackte, beklagenswerte Realität.“
Mag die Wahrheit denn vielleicht auch bezüglich dieses Satzes 1 irgendwo in der Mitte liegen, aber die Defizite liegen klar auf der Hand, denn der Föderalismus funktioniert eigentlich seit dem Bestehen der Bundesrepublik lediglich als unitarischer Bundesstaat, vom Sozialstaat wollen wir in diesem Zusammenhang erst gar nicht reden. Diese schlichte und etwas schnöde Formel des Staatsrechtlers Konrad Hesse findet man wohl in allen möglichen Abhandlungen zum Thema Föderalismus als höfliche wissenschaftliche Beschreibung des unbefriedigenden Zustands des Föderalismus in der heutigen Bundesrepublik Deutschland. Und eines der misslichsten Defizite ist gewiss die weitgehende Ausschaltung der Landesparlamente aus der Gestaltung eben dieses Föderalismus. Hier hört die CDU die Nachtigall an der richtigen Stelle trapsen.
Föderalismus ist, grob gesagt, Sache der Exekutive und das ist allerdings ein erheblicher struktureller Geburtsfehler. Wer sich mit der Sache befasst hat, weiß das. Wissenschaftliche und politische Abhandlungen dazu fül
len Bibliotheken, sie sind mehr oder weniger Makulatur, niemand vermag sie zu lesen und niemand braucht sie. Am Zustand jedenfalls, an der normativen Kraft des Faktischen haben sie bisher nichts geändert und nichts ändern können.
Und es ist ja auch nicht so, dass Landesparlamente sich überhaupt nicht geäußert hätten. Da gibt es beispielsweise die außerordentlich ausführliche Expertise des Landtages Nordrhein-Westfalen vom Anfang der 90er Jahre. Schließlich haben sich die Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage mit einer Resolution am 23. Mai 2000 zu dem Problem des Föderalismus geäußert, mit beachtlichen und beachtenswerten Vorschlägen. Leider blieben diese Vorschläge bisher ohne Reaktion der Landesparlamente, auch unseres Landtages, bis heute. Dies ist der Grund und die Veranlassung auch für die PDS-Fraktion, der Überweisung zuzustimmen.
Es gibt das Gutachten und die Vorschläge der so genannten Bertelsmann-Kommission und auch eine umfangreiche Stellungnahme des Deutschen Landkreistages an die Adresse der jetzigen Berliner FöderalismusKommission. Und dies sind bei weitem nicht alle, die etwas gesagt und aufgeschrieben haben. Inzwischen wurde nun in Berlin eine neue Kommission installiert, bestehend aus Vertretern des Bundestages, des Bundesrates und der Landesregierungen. Die Landtage blieben wie meist außen vor.
Was nun diese neue Kommission betrifft, so zeigt sich Folgendes: Es wird weiter auf ganz kleiner Flamme gekocht. Und seit längerem ruht, so kann man wohl sagen, in Berlin still der See. Das hängt natürlich mit ganz irdischen Machtkonstellationen zusammen. Und dieses Spielchen wird nunmehr ununterbrochen seit über 50 Jahren gespielt. Lahm gelegt wurde die Kommission – damit verrät man, denke ich, kein Geheimnis – wegen der Rangelei um den Länderfinanzausgleich und der Klage der großen Länderhaie gegen die kleinen Länder.
Was ist da zu tun, meine Damen und Herren, wenn die Matadoren nicht wollen? Eine weitere politische Erklärung diesmal des Landtages Mecklenburg-Vorpommern wird sicher mehr und eher der Selbstfindung dienen – aber immerhin! –, denn natürlich gibt es bereits genügend Vorschläge zu einer stärkeren Beteiligung der Landesparlamente. Sie reichen von einer so genannten Senatslösung bis hin zu Vorschlägen, im Prinzip alles so zu belassen, wie es ist, denn wir wissen ja, was wir haben.
Von Interesse dürften dagegen vermittelnde Vorschläge sein, wie sie auch im Antrag durchscheinen, zum Beispiel einer irgendwie gearteten Bindung der Regierung an Maßgaben der Landtage in dieser Frage. Es gibt Vorstellungen, Abgeordnete der Landtage zum Bundesrat abzuordnen, mit eigenen Büros und so weiter und so fort, auch Vorschläge mit viel Bürokratismus. Es gibt dann auch den Vorschlag der Splittung der Landesstimmen im Bundesrat.
Vorschläge gibt es also genug und Abwägungsprobleme mindestens in gleicher Anzahl. Die Interessenlagen sind dermaßen verschieden und diametral, dass es eine Lösung, die den Gordischen Knoten mit einem Schlag durchtrennt, wohl nicht geben wird.
Und eine Erweiterung von Artikel 23 Grundgesetz, wie die CDU vorschlägt und wie es auch schon woanders vorgeschlagen wurde, wäre ja vielleicht wünschenswert, so
Spezielle Informationspflichten der Regierung kommen in Artikel 40 der Landesverfassung hinzu. Es wäre doch schon etwas, wenn wir diese vorhandenen Möglichkeiten gründlicher und zielstrebiger nutzen würden.
Dann sollten nach Auffassung der CDU die Länder und Regionen Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof bekommen. Ich weiß nicht, ob hier im Hause jemand ist, der etwas dagegen hätte, außer vielleicht die Haushälter.
Aber Sie wissen wohl auch, dass diesbezüglich der Hammer in Brüssel hängt und diese Forderung im Augenblick dort kaum mehrheitsfähig ist. Und, Herr Riemann, da möchte ich Ihnen widersprechen. Das ist auch nicht anders, stellt man in Rechnung, dass sich inzwischen in vielen europäischen Ländern Regionalisierungstendenzen abzeichnen, jedenfalls ist das momentan nicht abzusehen. Es gibt bei weitem keinen Konsens über die Rolle der Regionen und insofern ist auch das Einbringen der Regionen in diesen Diskussionsprozess wichtig. Es wird wohl noch für lange Zeit beim Stand von Maastricht und Nizza bleiben, Postnizza sieht jedenfalls diesbezüglich, also der Einführung eines Klagerechts, nichts vor.
Institutionell wird man wohl schließlich im Rahmen des Ausschusses der Regionen verbleiben mit der Möglichkeit der Stellungnahme der Ländervertretungen, wenn ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen sind oder, was genauso wichtig ist, die Vertreterinnen und Vertreter in diesem Ausschuss der Regionen selbst die Initiative ergreifen. Was damit zusammenhängt, denke ich, kann Herr Helmrich gut abschätzen, kann Herr Holter gut abschätzen und werde ich auch sicherlich bald begreifen müssen.
Problematischer sind in diesem Zusammenhang aktuelle Entwicklungen in der Regionalpolitik, dass nämlich aufgrund des EU-Beitritts der neuen Mitgliedsländer ab 2004, 2005, 2006 eine drastische Reduzierung der Strukturfonds eintritt, die auch uns betreffen wird. Die meisten Regionen, auch die ostdeutschen Länder, werden wohl die Ziel-I-Förderung verlieren, weil eben noch ärmere Schlucker hinzukommen, als wir es sind. Und vor diesem Hintergrund halten wir die Forderung der großen Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Bayern auf Renationalisierung der Strukturpolitik für durchschaubar und bezeichnend – Nachtigall, ick hör’ dir trapsen! Unter dem Schafspelz Renationalisierung und Regionalisierung mit dem Aufkleber „Wettbewerb der Regionen“ kommt der, lassen Sie es mich so sagen, alte, gierige bayrische Wolf daher. Dies sind die Kämpfe, die vor allem die großen Bundesländer führen, um Fesseln bei der Standortpolitik loszuwerden, damit ihre größeren finanziellen Ressourcen im unfairen Wettbewerb der Regionen ungehindert zum Einsatz kämen. Die Frage ist nur: Wo bleiben dabei die Kleinen wie beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern? Die Frage ist nur: Wo bleibt ein anderer Auftrag des Grundgesetzes, nämlich der der Verpflichtung zur Herstellung einheitlicher Lebensbedingungen in ganz Deutschland, wo bleibt der Auftrag des EU-Vertrages zur Herstellung der Konvergenz der Regionen?
Also auch zu diesem Punkt ein sehr wolkiger Begriff, ein sehr schöner Begriff, hinter dem viele vieles interpretieren können. Ich habe sicherlich nur eine Möglichkeit der Interpretation hier geliefert. Also auch zu diesem Punkt des Entschließungsantrages gibt es einen ganzen Rattenschwanz von Problemen und genügend Stoff auch zu parteiinternen Diskussionen in der CDU, in der SPD und auch bei uns in der PDS.
Zum Thema Gesetzgebungskompetenz: Die Länder sollen im Bereich der Gesetzgebung gegenüber dem Bund gestärkt werden. Die schleichende Zentralisierung gesetzgeberischer Tätigkeit ist offensichtlich. Allerdings ist es leider nicht so, dass man sagen kann, den Ländern sei in der Vergangenheit in diesen Fragen Gewalt angetan worden. Nein, sie haben es selber fleißig mit betrieben und sich kaum gewehrt. Allein das Beispiel der Abgabe der Beamtenbesoldung an den Bund spricht Bände, denn es ist doch die allerbequemste und einfachste Politik, den Bund die Gesetze machen zu lassen und ihm damit auch die Verantwortung zu lassen. Da kann man dann in Wahlzeiten viel besser mit dem Finger auf den Bund zeigen. Dasselbe Spiel treiben wir doch auch gerne im Hinblick auf die Europäische Union.
Auch zu einer Neuordnung der Gesetzgebungskompetenzen liegen bekanntlich die verschiedensten Vorschläge vor und es wäre zu prüfen, was machbar erscheint. Bisher stimmten jedenfalls die letzten verfassungsmäßigen Änderungen nicht sehr hoffnungsvoll. Aus Sicht der PDSFraktion wäre ein generelles Aufbrechen der verkrusteten Kompetenzstrukturen angezeigt. In diesem Zusammenhang ist es mehr als eklatant, dass die kommunale Ebene völlig außerhalb der Kompetenzbetrachtung bleibt und mit dem reinen Betroffenenstatus nunmehr seit über 50 Jahren leben muss.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen nun mal bei der Grundfrage der Staatsqualität und Eigenständigkeit der Länder beginnen, bevor wir über die horizontale und vertikale Gewaltenteilung im System des Föderalismus, über das Finanzsystem, über das System der Gesetzgebung oder über die Vielfalt in der Gestaltung der Regionen durch die Länder sprechen. Aber dann geht es eben schon um weit größere Beträge, nämlich, um nur einige Merkposten zu nennen:
Erstens. Das Geflecht von Aufgaben und der Finanzbeziehungen muss entflochten werden. Die Länder müssen originäre eigene Aufgaben und eigene Steuerquellen haben. Die kommunale Ebene muss als dritte eigenständige Stufe im Föderalismus betrachtet werden.
Zweitens. In den Finanzbeziehungen von Bund und Ländern muss mindestens ebenso wie zwischen den Ländern und den Kommunen das Konnexitätsprinzip durchgesetzt werden.
Drittens. Die Länder müssen die Aufgabendefinierung und -wahrnehmung selber bestimmen können, vor allem müssen sie entscheiden können, wie die Aufgaben erfüllt werden.
Viertens. Schließlich müssen die Gesetzgebungskompetenzen einer Revision unterzogen werden, worauf ich noch zurückkomme.
Was die Gesetzgebungskompetenzen betrifft, so gibt es aus unserer Sicht ganz imponierende Vorschläge. Schauen Sie einmal in den Entwurf des Zentralen Runden Tisches, zu welchen einfachen und logischen Strukturen
man dort für die Gesetzgebung einer einheitlichen Republik kam! Man nahm das Grundgesetz als Muster und stellte es förmlich vom Kopf auf die Beine.
Was meine ich damit? Gewiss spricht das Grundgesetz den Ländern eine formale Allzuständigkeit zu. Sie sollen nach Artikel 30 staatliche Befugnisse ausüben und staatliche Aufgaben erfüllen, soweit das Grundgesetz keine anderen Festlegungen trifft. Dies tut es allerdings nicht zu knapp. Das ist nach Artikel 70 in der Gesetzgebung ebenso vorgesehen. Aber das Problem sind eben die Artikel 71 bis 75, wo die Kompetenzen der Gesetzgebung ganz anders festgelegt worden sind, praktisch im Gegensatz zu der Ausgangsprämisse. Und diese Kompetenzverteilung ist gegenwärtig leider nur schwer aufzubrechen, genauso schwer aufzubrechen, wie sie zu verstehen ist. Der Bund gibt nichts her und die Länder fordern nichts zurück. So funktioniert doch nicht einmal die neu geschaffene Möglichkeit nach Artikel 72 Absatz 3, dass die Länder Kompetenzen des Bundes zurückbekommen können, sofern die Bedürftigkeit für die Bundesregelung nicht mehr besteht. In Zeiten zunehmender Globalisierung auch schwer vermittelbar.
Welchen Ansatz bot nun der Verfassungsentwurf des Zentralen Runden Tisches der DDR an? Er differenzierte als Erstes genau die drei Ebenen Kommune, Land und Bund. Er bestimmte die kommunale Ebene als Kommunalautonomie mit einer materiell-inhaltlichen Selbstverwaltungsgarantie von 16 bestandssicheren Aufgaben, ging dann von der Allzuständigkeit der Länder in der Gesetzgebung aus. Aber der Clou war, dass er dann einen eigenen Katalog der ausschließlichen Ländergesetzgebung mit 15 originären Zuständigkeiten der Länder aufstellte.
Meine Damen und Herren, wie man sieht, fehlt es gewiss nicht an Denkstoff. Und der Antrag der CDU ist auch durchaus anregend. Wir haben bei diesem Thema viele sehr dicke, sehr alte und sehr trockene Bretter zu bohren.
Zu viele Hoffnungen will ich deshalb mit der Überweisung des Antrages nicht geweckt wissen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Und jetzt hat das Wort der Abgeordnete Helmrich für die Fraktion der CDU. Bitte schön, Herr Helmrich.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf als Erstes meiner Zufriedenheit Ausdruck geben, dass unser Antrag auf offene Ohren bei den beiden anderen Parteien hier im Hause stößt. Deswegen kann ich es mir jetzt auch leichter machen und meine Ausführungen etwas kürzen.