(Heiterkeit bei Sylvia Bretschneider, SPD: Sie haben ja auch inhaltlich nichts zu melden, weshalb sollten Sie auch darauf eingehen?!)
sondern nur begründen werde, warum rein formal Ihr Antrag völlig an dem Thema vorbeigeht. Und dazu gehört natürlich die Abwägung, ist dieser Antrag überhaupt in der Lage, eine sinnvolle Befassung des Landtages zu ermöglichen, oder ist hier ein anderes Instrument, nämlich eine Enquetekommission, das Richtige. Und ich habe mich mit Ihrem Zeitargument auseinander gesetzt.
Also noch einmal: 1992 Enquetekommission konstituiert, erster Zwischenbericht im Juni 1994. Trotz der auch nur eineinhalbjährigen Laufzeit dieser Kommission konnte zumindest eine erste Bestandsaufnahme zum Thema erarbeitet werden und konnten Handlungsempfehlungen für die 13. Wahlperiode gegeben werden. Der 13. Bundestag setzte die Kommission dann im Juni 1995 erneut ein, ohne dass die Arbeit in dieser Legislatur abgeschlossen werden konnte. Aufgrund eines umfangreichen Zwischenberichts und den dort enthaltenen weiteren Empfehlungen hat dann auch der 14. Bundestag im Jahr 1999 die Enquetekommission wieder eingesetzt.
Wie Sie daran sehen, ist es angesichts der Problematik des umfangreichen Themas tatsächlich nicht zu erwarten, dass die Arbeit in einer Legislaturperiode fertig gestellt werden könnte. Dies kann aber kein Argument dafür sein, jetzt überhaupt nicht mit der Arbeit zu beginnen. Leider wollen Sie aus rein parteipolitischen Erwägungen einem CDU-Antrag nicht zustimmen, sei er auch noch so vernünftig. Das Zeitargument ist jedenfalls kein überzeugendes Argument, denn wir haben schon zu viel Zeit verloren.
Bereits im März 2000 hatte die CDU-Fraktion einen Antrag zur demographischen Entwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpommern in den Landtag eingebracht. Damals haben Sie die dort enthaltene Aufforderung an die Landesregierung, dem Parlament einen jährlichen Bericht zur demographischen Entwicklung und zu Maßnahmen der Landesregierung vorzulegen, abgelehnt mit dem Argument, der Antrag sei, ich zitiere, „zu begrenzt“. Frau Kollegin Beyer – Sie ist im Moment offensichtlich nicht da – e r klärte, ich zitiere: „Aber die Landesregierung... sollten Sie bitte schön mit einem solchen Begehr in Ruhe lassen.“ Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, hätten wir jetzt diesen Bericht der Landesregierung, den wir damals gefordert haben, dann wären wir schon ein ganzes Stück weiter, dann wären nämlich schon entscheidende Vorarbeiten getätigt.
Aber ich will Ihnen auch sagen, warum das Prozedere, was Sie hier andeuten in Ihrem Antrag – mehr als eine Andeutung ist es ja nicht, wie dieser ganze Antrag, den Sie uns hier präsentieren, ja äußerst verschwommen ist –, warum die Ausschüsse des Landtages das komplexe Pro
blem der demographischen Entwicklung und ihre Auswirkungen auf Mecklenburg-Vorpommern samt Empfehlungen für eine wirksame Gegenstrategie nicht schnell bearbeiten können und schon gar nicht besser bearbeiten können als eine Enquetekommission. Im Übrigen sage ich Ihnen, dass ich bei Ihrem Antrag nicht nur schwerwiegende formelle Mängel sehe, sondern dass man letztlich, wenn man sich Ihren Antrag genauer ansieht und das wirklich mal auf den Kern zurückführt, zu dem Ergebnis kommen muss, er steht jedenfalls mit unserer Geschäftsordnung überhaupt nicht im Einklang. Anträge enthalten nach allgemeinem Parlamentsbrauch selbst in Mecklenburg-Vorpommern entweder ein Ersuchen an die Landesregierung oder eine Resolution, in der der Landtag etwas feststellt, begrüßt, bedauert oder erwartet.
Kollege Baunach, abgesehen von der freudigen Mitteilung, die Sie zu Beginn Ihrer Rede machten über Fußball und „neuem Roten“, frage ich Sie: Welchen Inhalt hat Ihr Antrag eigentlich ansonsten?
Aus dem Wortlaut könnte man schließen, dass es sich um eine Resolution handeln soll. „Der Landtag erklärt“, dass die demographische Entwicklung – jetzt zitiere ich Ihren Antrag – „die Lebensperspektiven“ beeinflusst, „mit Sorge“ betrachtet wird und „vielfältigste Ursachen“ haben kann, „die ein konzertiertes Wirken“ erfordern. Sagen Sie, was sollen wir mit diesem Antrag eigentlich anfangen?
da komme ich gleich noch drauf, dann werden Sie sehen, dass genau das so nicht funktioniert, wie Sie es sich vielleicht vorgestellt haben, um eine sinnvolle Befassung mit diesem Thema verhindern zu können. Wenn wir diesem Antrag im Anschluss an die Debatte zustimmen würden, wären wir der Lösung des eigentlichen Problems keinen Schritt näher. Wir würden nämlich nach dem von Ihnen vorgesehenen Prozedere weder die genaue Entwicklung und ihre konkreten Auswirkungen kennen noch ein Handlungskonzept haben, um den Bevölkerungsverlusten der Zukunft entgegenzuwirken.
Wenn wir diesen Antrag in die Ausschüsse überwiesen, liefe das Verfahren dort wie folgt ab: Zwar können wir nach Paragraph 11 Absatz 5 der Geschäftsordnung des Landtages Anhörungen von Sachverständigen durchführen und diese auch befragen im Rahmen von Anhörungen. Eine Auswertung der Befragung findet aber nicht im Rahmen von Anhörungen, sondern allenfalls in den nicht öffentlichen Beratungen der Ausschüsse statt. In diesen Beratungen können die Fraktionen dann Änderungsanträge zu der überwiesenen Vorlage einreichen. Dies ergibt sich aus Paragraph 9 Absatz 1 Satz 1 der Geschäftsordnung des Landtags, wonach die Ausschüsse – und ich sage, nur – im Rahmen der ihnen vom Landtag erteilten Aufträge, also im Rahmen der ihnen überwiesenen Vorlagen und Anträge, tätig werden dürfen.
Ihr konkreter unkonkreter Antrag befindet sich in den ersten drei Absätzen und endet mit dem Satz: „Demogra
phische Entwicklungen haben vielfältigste Ursachen und Gründe, die ein konzertiertes Wirken des Parlamentes, der Landesregierung und vieler gesellschaftlicher Gruppen über vorhandene ideologische Grenzen hinweg erfordert.“ So. Und was Sie danach machen, dass Sie hier ein Verfahren vorschlagen wollen, das funktioniert so nicht. Sie kennen alle, hoffe ich, das Urteil des Verfassungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen. Danach dürfen Änderungsanträge zu Entschließungsanträgen diese nicht so verändern, dass sie den Gegenstand des Entschließungsantrages auswechseln. Ergebnisse, Schlussfolgerungen, Handlungsempfehlungen im Wege von Änderungsanträgen zu Ihrem Entschließungsantrag einzureichen dürfte schon aus diesem Grund unzulässig sein, da diese ja dann den Gegenstand Ihres Antrags völlig verändern würden.
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das hat aber das Landesverfassungsgericht von Nordrhein-Westfalen nicht gesagt.)
Sie wissen es besser. Verklickern Sie das lieber Ihren verehrten Kollegen! Hätten Sie vorher mit denen gesprochen, hätten Sie die ja vielleicht noch von diesem unsinnigen Vorgehen abgebracht.
Falls Sie Ihren Antrag aber so verstehen, dass er nur den Auftrag an die ständigen Ausschüsse enthält, sich gemäß Paragraph 9 Absatz 1 Satz 2 der Geschäftsordnung des Landtags mit dem Thema der demographischen Entwicklung zu befassen und dem Landtag hierzu Empfehlungen zu geben, so ist dem entgegenzuhalten, dass zumindest nach dem Wortlaut von Artikel 33 Absatz 2 Satz 2 der Landesverfassung der Landtag hierzu keinen Auftrag erteilen kann. Hiernach wären Befassungen nur ohne Auftrag des Landtags möglich. Insofern wäre der Antrag als solcher also nicht zulässig.
Gerade weil der Landtag hier noch kein Handlungskonzept zur Abstimmung vorliegen hat, sondern dies erst gemeinsam, und zwar unter Beteiligung externer Wissenschaftler, erarbeitet werden soll, soll ja nach unseren Vorstellungen und unserem Antrag eine Enquetekommission eingesetzt werden. Aufgabe einer Enquetekommission ist es im Gegensatz zu den ständigen Ausschüssen des Landtags,
Entscheidungen im Auftrag des Landtags über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe vorzubereiten und hierzu einen Bericht zu erstatten beziehungsweise konkrete Empfehlungen auszusprechen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr Antrag ist nicht nur inhaltlich dürftig und überhaupt so wenig konkretisiert, dass kein konkreter Gegenstand erkennbar ist, sondern soweit er eine verfahrensmäßige Regelung vorschlägt, ist dieses Vorgehen schlicht unzulässig, ein Verstoß gegen unsere Geschäftsordnung. Der Antrag ist – und das lassen Sie mich in dieser Deutlichkeit sagen – ein Offenbarungseid der Unfähigkeit, Probleme des Landes wirklich anzupacken. Er ist an inhaltlicher Armseligkeit
kaum zu überbieten. Und ich sage Ihnen eins ganz deutlich: Anstatt die Geldverschwendung mit einem nicht nur überflüssigen, sondern inzwischen sogar für die Entwicklung des Landes und ihre Unternehmen schädlichen Untersuchungsausschuss in Millionenhöhe fortzusetzen, sollten Sie sich durchringen, diesen Antrag schlicht zu vergessen, den Sie hier gestellt haben, und das Geld, das Sie für den Untersuchungsausschuss vorgesehen haben und sogar für die nächste Legislaturperiode schon wieder einstellen wollen, für eine Enquetekommission zur Verfügung stellen, damit ein so gravierendes Problem wie die demographische Entwicklung des Landes MecklenburgVorpommern mit der nötigen Gründlichkeit bearbeitet werden kann. – Vielen Dank.
Auf Bundesebene wird über Modalitäten der Zuwanderung gestritten, über Schritte gegen Mangel an Fachkräften beraten und über die fallende Geburtenrate, wohlgemerkt auf Bundesebene, denn die sinkenden Bevölkerungszahlen betreffen nicht nur Mecklenburg-Vorpommern, sondern das gesamte Bundesgebiet und besonders die neuen Länder. Auch in den anderen ostdeutschen Ländern macht man sich Sorgen über den Einwohnerschwund.
In einer Vorausberechnung der Bevölkerung hat der Bund im Juli 2000 folgende Zahlen veröffentlicht: Im Jahre 2050 werden in Deutschland nur noch 65 bis 70 Millionen Menschen leben. Das heißt, in nicht einmal einem halben Jahrhundert geht die Einwohnerzahl in einer Größenordnung zurück, die heute etwa der Bevölkerung der Länder Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen zusammen entspricht. Diese Entwicklung ist also ein gesamtdeutsches Problem.
Um eines klarzustellen, meine Damen und Herren: Wir reden hier nicht einfach über Abwanderung, denn das ist nur ein Aspekt im Rahmen der Debatte über demographische Entwicklung, und das ist nun wahrlich nicht neu.
„Das Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern hat eine lange Erfahrung mit Ab- und Zuwanderung“, schreibt Professor Dr. Nikolaus Werz von der Universität Rostock über die demographische Entwicklung in unserem Land. In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts wies Mecklenburg mit Galizien und Irland die höchste Auswanderungsquote von Europa nach Amerika auf, sagt der Experte. Leutenot nannte man das damals.
Erst die Zwangsumsiedlung nach dem Zweiten Weltkrieg und die gelenkte Bevölkerungspolitik zu DDR-Zeiten bescherten dem Land höhere Einwohnerzahlen, die seit der Wende ständig sinken, und das aus den verschiedensten Gründen.
(Dr. Ulrich Born, CDU: Vorher konnten die Leute nicht so leicht das Land verlassen. – Harry Glawe, CDU: Früher war die Mauer da.)
Demographische Prozesse verlaufen kompliziert und sehr komplex. Insofern werde ich mich hier nicht auf eine polemische Debatte einlassen mit den Schlagzeilen wie „Der Osten blutet aus“ oder „Hilfe, die Küste schrumpft“, wie die „Bild-Zeitung“ schrieb.
Das derzeitige Alarm- und Warngeschrei ist eher eine Psychose als eine Prognose. Mir geht es hier tatsächlich um eine sachliche Diskussion, Herr Rehberg.