Protokoll der Sitzung vom 15.11.2001

der Wahlkampf lässt grüßen!

Aber eine Frage des Abgeordneten Thomas ist von höchster Bedeutung, ich will sie gerne aufgreifen, Herr Thomas: Wo fängt die organisierte Kriminalität an? Ich meine, diese Frage sollte man den Herren Helmut Kohl und Manfred Kanther einmal stellen, und zwar insbesondere unter dem Aspekt der illegalen Finanztransfers.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Wo fängt denn die organisierte Kriminalität an?

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wir sind jetzt bei der Terrorismusbekämpfung. – Annegrit Koburger, PDS: Ein Paradebeispiele dafür!)

Ich greife nur eine Frage auf, die mein Vorredner hier gestellt hat.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, leichter geht’s nicht.)

Ich will Ihnen sagen, dass eine Forderung – oder ein Vorschlag in diesem Fall – des Sicherheitspaketes II, das Genosse Otto Schily vorgelegt hat,

(Heiterkeit bei Siegfried Friese, SPD – Dr. Armin Jäger, CDU: Das ha- ben Sie gestern abgelehnt.)

darin besteht, die Beobachtungen des Verfassungsschutzes im Hinblick auf Bestrebungen, die gegen die Völkerverständigung gerichtet sind, in den Landesgesetzen zu verankern. Mecklenburg-Vorpommern hat diese Verankerung in das Landesverfassungsschutzgesetz bereits bei der Novelle vor dem 11. September vorgenommen und die CDU hat es abgelehnt. Ich bedauere es zutiefst.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nein, wir haben es doch nicht abgelehnt.)

Aber wir haben jetzt eine Rechtsgrundlage, die auch geeignet ist, den Verfassungsschutz im Bereich der Bestrebungen, die gegen die Völkerverständigung gerichtet sind, einzusetzen,

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

und wir werden es auch tun.

(Zurufe von Dr. Armin Jäger, CDU, und Reinhardt Thomas, CDU)

Die Opposition will nun den Eindruck erwecken, meine Damen und Herren, die Polizei sei nicht genügend einsatzfähig,

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

die innere Sicherheit sei in Gefahr.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Das Gegenteil ist der Fall. Die Polizei des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist in der derzeitig angespannten Situation in der Lage, die ihr gestellten Aufgaben vollständig zu lösen. Die Zahl der Verkehrsunfälle ist in den letzten Monaten rückläufig,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Und alles auf dem Rücken des mittleren Dienstes.)

das heißt mit anderen Worten, der Überwachungsdruck der Beamten auf den Straßen zeigt Wirkung.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Die Zahl der aufgeklärten Straftaten konnte erhöht werden, und das, meine Damen und Herren, nach dem 11. September und in einer Phase, in der in den Polizeibehörden die Umstrukturierung der Dienstbereiche läuft, um die Qualität der polizeilichen Arbeit kontinuierlich voranzubringen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das sehen die Beamten aber anders.)

Die Aufgaben, die vor den Sicherheitsbehörden des Landes Mecklenburg-Vorpommern stehen, sind zugegebenermaßen nicht einfach, aber sie sind lösbar und sie werden gelöst, und zwar mit großem Einsatzwillen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Landespolizei und darüber hinaus. Und darauf, meine Damen und Herren, kann dieses Hohe Haus sehr stolz sein.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

An der Lageeinschätzung hat sich nach dem 11. September nichts Wesentliches geändert.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Die Bundesrepublik Deutschland ist nach Einschätzung aller Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder derzeit – derzeit! – kein Zielobjekt islamistisch-terroristischer Anschläge. Allerdings ist unser Gebiet als Vorbereitungsraum genutzt worden, wie wir wissen. Und die Gefahr, dass unser Land weiterhin als Vorbereitungsraum dient, besteht weiter. Deshalb müssen wir auch in Mecklenburg-Vorpommern den Beschluss, den unter anderem auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gefasst hat, nämlich die Bekämpfung des Terrorismus weltweit zu intensivieren, umsetzen. Die Koalition, Herr Thomas, wird die erforderlichen Haushaltsentscheidungen treffen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Die trifft der Landtag.)

Ja, da werden Sie dagegen stimmen, Herr Jäger.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nein. Nein.)

Deswegen sage ich bewusst, die Koalition wird den Haushalt verabschieden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Legen Sie doch mal was vor! Seien Sie doch mal mutig!)

Und dann werden Sie sehen, dass dies alles enthalten sein wird.

Der Generalbundesanwalt hat bislang 3 Haftbefehle erlassen, 12 Ermittlungsverfahren sind angeordnet. Die Polizeikräfte des Landes waren besonders gefordert bei den falschen Milzbrand-Verdachtsfällen. Bei 67 Sachverhalten mussten in 32 Verdachtsfällen Untersuchungen angeordnet und Sicherungsmaßnahmen vollzogen werden. Weiterhin sind 77 Objektschutzmaßnahmen angeordnet worden, bei denen im Rahmen der regelmäßigen Streifentätigkeit besonders Asylbewerberwohnheime und jüdische Einrichtungen – andere natürlich auch – unter Schutzmaßnahmen gestellt werden mussten.

Die Bereitschaftspolizei ist nach dem 11. September 2001

in Bereitschaft versetzt worden. Allerdings ist es – glücklicherweise – zu keinem Einsatz im Land gekommen, der im Zusammenhang mit den terroristischen Anschlägen steht. Insofern haben wir zwar eine höhere Belastung bei der Bereitschaftspolizei festzustellen, diese hat aber ihre Ursache vor allem darin, dass unsere Polizeibeamten vermehrt Einsätze in anderen Bundesländern fahren mussten: Berlin, Leipzig, diese Woche Gorleben – Einsatzorte, die in den letzten Monaten bis zum heutigen Tag zu bewältigen waren. In Gorleben waren allein 450 Beamte aus unserem Land im Einsatz.

Und in dieser Situation fordert die Opposition 177 Polizeistellen mehr in Mecklenburg-Vorpommern. Meine Damen und Herren, nicht wir haben einen Nachholbedarf, sondern Länder wie Niedersachsen, Bayern oder Schleswig-Holstein, ich könnte weitere nennen. Wenn Niedersachsen auf eine Polizeistärke wie Mecklenburg-Vorpommern kommen wollte, müssten dort 8.770 neue Polizeistellen geschaffen werden.

(Heiterkeit bei Dr. Armin Jäger, CDU: Die Finanzministerin nickt.)

In Bayern sind es 8.280, in Baden-Württemberg allein 10.400

(Heiterkeit bei Dr. Armin Jäger, CDU: Sie haben ihn gut erzogen, Frau Keler.)

und in Schleswig-Holstein circa 2.700 Polizeistellen, die geschaffen werden müssten, um auf eine Polizeidichte zu kommen, wie wir sie derzeit in Mecklenburg-Vorpommern haben. Deswegen ist es nahezu folgerichtig, dass andere Länder die Stärke ihrer Polizei ausbauen. Einige tun es bereits. Nun reichen allerdings die dortigen Entscheidungen der letzten Wochen bei weitem nicht aus, um den Anschluss an Mecklenburg-Vorpommern zu gewinnen.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Klar ist deshalb auch, Herr Thomas: Wir werden nur dann unsere Polizeibeamten in andere Länder schicken, wenn unsere eigene Sicherheitslage dieses zulässt. Und dabei bleibt es auch!

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD, und Angelika Gramkow, PDS)

Mit der militärischen Unterstützung der Bundesrepublik Deutschland beim bewaffneten Kampf gegen den Terrorismus – die Bundestagsdebatte von morgen wollen wir mal abwarten – kann es auch bei uns in MecklenburgVorpommern zu neuen Lageeinschätzungen kommen. Die Sicherheitsbehörden schließen nicht aus, meine Damen und Herren, dass aus linken autonomen Gruppen militante Aktionen gegen Einrichtungen der Bundesrepublik, etwa gegen Bundeswehrstandorte, durchgeführt werden können. Weiterhin kann auch nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass es in Zukunft zu spontanen Aktionen von moslemischen Mitbürgern oder aber auch zu Aktionen gegen sie kommen kann. Hinweisen will ich jedoch an dieser Stelle darauf, dass der weitaus überwiegende Teil der moslemischen Bevölkerung sich im gesamten Bundesgebiet zur Anti-Terrorismus-Koalition zählt. Einer besonderen Beobachtung müssen wir allerdings den islamistischen Gruppierungen, die sich bei uns im Bundesgebiet aufhalten, unterziehen. Wir haben derzeit bundesweit circa 31.000 Islamisten zu zählen, auch in Mecklenburg-Vorpommern, die unter besondere Beobachtung zu nehmen sind. Um aber nun gegen erkannte Extremisten in diesem Bereich vorgehen zu können, etwa gegen die Kaplan-Gruppe, die den Kalifatsstaat errichten wollen, muss das Sicherheitspaket II schnellstmöglich verabschiedet und umgesetzt werden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Warum haben Sie denn gestern gegen den Antrag gestimmt?)

Meine Damen und Herren, wir sind derzeit in einer Phase, in der wir von kurzfristigen Entscheidungen, die nach dem 11. September notwendig waren und bereits hier in diesem Land am 11. September getroffen wurden, übergehen müssen zu langfristigen Entscheidungen angesichts einer neuen Weltlage. Dabei ist vor allem eine umfassende Lageeinschätzung erforderlich. Die Einschätzung der 90er Jahre, dass mit dem Wegfall des Ost-WestKonfliktes eine Bedrohungslage für Mitteleuropa ausgeschlossen werden kann, führte in den 90er Jahren zu einem Rückbau des Zivilschutzes. Für die Zukunft, meine Damen und Herren, müssen alle Sicherheitsbehörden auf dem europäischen Kontinent und natürlich darüber hinaus ihre Bedrohungsszenarien aktualisieren. Darauf haben sich dann vor allem Zivil- und Katastrophenschutz, Polizei und Verfassungsschutz einzustellen.