Protokoll der Sitzung vom 30.01.2002

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! EG-Richtlinien 2000/43 und 2000/78, es wurde sicher zu Recht kritisiert, dass das eine sehr technische Überschrift ist. Manchmal kommen die Autoren dann in den Verdacht, sie wollen nur verhindern, dass man merkt, worum es geht. Deshalb hier von mir vorneweg, worum geht es? Die Botschaft dieser beiden Richtlinien zur Gleichstellung aus Brüssel lautet schlicht und einfach: Wir müssen mal wieder etwas für die Menschen tun. Kleiner geht es leider nicht. Es geht bei diesen Richtlinien um Menschenrechte.

Zur Begründung des Antrages der Koalitionsfraktionen kann ich mich, was das sachliche Anliegen betrifft, eigentlich kurz fassen. Wenn man beide Richtlinien liest, wird der Gegenstand ohnehin hinlänglich klar. Beide EU-Richtlinien enthalten ausführliche Erklärungen und Begründungen, die für die Auslegung von großer Bedeutung sind, und ferner im engeren Sinne juristisch verpflichtende Normen. Beide EU-Richtlinien betreffen ein Grundproblem, nämlich menschen- und völkerrechtliche Gleichbehandlung und Antidiskriminierung. Sie liegen somit auf der Ebene der einschlägigen internationalen und europäischen Menschenrechtsakten. Man kann die Richtlinien wohl am besten als deren direkte Konsequenz und nähere Ausfüllung charakterisieren. Zum einen wird den EUMitgliedsstaaten ein offizieller Handlungsrahmen auferlegt, wie sie bei sich zu Hause sicherzustellen haben, dass in Beschäftigung und Beruf nach gleichen Maßstäben gehandelt wird und jede sachwidrige Ungleichbehandlung als das behandelt wird, was sie tatsächlich ist: handfeste und leider alltäglich anzutreffende Beeinträchtigungen von Menschen- und Bürgerrechten. Daraus folgt: Die Staaten werden klipp und klar verpflichtet, dagegen einzuschreiten und Verfahren festzulegen, wie sich Betroffene mit größerer Durchschlagskraft gegen Diskriminierungen in Beruf und Beschäftigung wehren können. Schließlich sollen die Staaten sichern, dass auch jene mit Sanktionen belegt werden, die Diskriminierungen ausüben, zulassen oder dulden.

Die Richtlinie Nummer 78 ist in diesem Punkt radikal. Diese Grundsätze gelten für ausnahmslos alle, für den öffentlichen wie für den privaten Bereich. Die EU-Richtlinie lässt keine Spielräume und Ausflüchte – besonders bei Privaten – zu und das ist gut so. Dies ist vor allem eine klare Botschaft an Menschengruppen, die besonders häufig Opfer ungerechtfertigter Diskriminierungen sind: Menschen mit Behinderungen, Menschen mit gleichge

schlechtlicher Orientierung, Ausländer und Frauen, Frauen oft im doppelten Sinne.

Beide EU-Richtlinien reden Klartext und haben eine große gemeinsame und ernst zu nehmende Botschaft. Ungleiche Behandlungen in Beschäftigung und Beruf und Diskriminierung aus welchen Gründen auch immer verletzen die menschliche Würde und sind daher zu ahnden. Beide Richtlinien fordern die Mitgliedsstaaten ausdrücklich auf, wie es wörtlich heißt, „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen“ festzulegen für Verstöße gegen diese Richtlinien, das heißt Sanktionen für Diskriminierungen. Wenn das in Brüssel so beschlossen wird, heißt das wohl nichts anderes, als dass man dort jedenfalls um den Stand der Dinge, die Realität in den Mitgliedsländern weiß und dass man Handlungsbedarf sieht. Man weiß, dass dies – Diskriminierungen und Nichtgleichbehandlungen – kein Problem einzelner Länder ist.

Der Handlungsrahmen verweist natürlich richtigerweise nicht nur auf Strafen und Sanktionen, sondern auch auf das bereits vorhandene beziehungsweise auszubauende politische und soziale Geflecht und ruft die Staaten dazu auf, sich nicht auf Mindeststandards zu beschränken, sondern Chancengleichheit und Förderung vor allem des sozialen Niveaus voranzutreiben. Insbesondere verweisen die Richtlinien darauf, auch ausländische Menschen, die auf Dauer im Land leben, systematisch in alle jene Standards einzubeziehen, die eigenen Staatsbürgern gewährt werden.

Von großer Bedeutung ist, dass beide Richtlinien klar definieren, was Diskriminierungen sind. Es geht um Verstöße gegen Gleichbehandlungen wegen der Religion oder der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung. Das heißt, der Bogen der Richtlinien ist durchaus weit gespannt, wenn auch nicht allumfassend. Und es wird zwischen direkter und indirekter Diskriminierung unterschieden, was von großer praktischer Bedeutung sein dürfte. Einerseits ist es natürlich der Regelfall, dass man sich gegen direkte Verstöße, gegen geltendes Recht, gegen den offenen Rechtsbruch wehrt. Viel schwieriger ist es dagegen andererseits, sich gegen verdeckte Verstöße gegen die Gleichbehandlung zu wehren und diese ahnden zu lassen, denn oft wird Derartiges öffentlich moralisch weitgehend toleriert oder gebilligt und es ist nicht gar so selten, dass Verwaltungs- und Rechtsvorschriften des Staates darüber hinwegsehen oder Ungleichbehandlung sogar billigen. Dafür gibt es mannigfaltige Beispiele. Ich verweise nur darauf, wie ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger behandelt werden, was beispielsweise Abschiebungen, was beispielsweise Freizügigkeit innerhalb der Grenzen des gesamten Landes betrifft. Ich will weiter nur die Tatsache benennen, wie vielerorts in Beschäftigung und Beruf Homosexuelle angesehen und behandelt werden.

Und ein Schelm, wer nichts Arges dabei denkt, wenn er feststellt, dass Frauen in der gesamten Bundesrepublik in Chefetagen von Regierung und Ministerien ebenso wie in Spitzenpositionen von Behörden und privaten Unternehmen – vorsichtig gesagt – so gut wie nicht vorhanden sind. Nur das SED-Politbüro war, was Frauen in Spitzenpositionen betrifft, noch rigoroser.

Gewiss wird in diesem Zusammenhang jeder Chef oder jeder, der für Personal Verantwortung trägt, den Vorwurf der Diskriminierung weit von sich weisen. Und dennoch belegt und begründet allein schon der Sachverhalt der

Unterrepräsentation von Frauen den Verdacht von alltäglichen, klammheimlichen, stillen und leisen Ungleichbehandlungen. Und bei uns und anderswo passiert das trotz eines an sich relativ guten Landesgleichstellungsgesetzes. Und dass wir im Land eine Parlamentarische Staatssekretärin als Gleichstellungsbeauftragte haben, ist, lassen Sie mich das so respektlos sagen, eher eine Schwalbe, die bekanntlich noch nicht den Sommer macht.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das ist eher ein Feigenblatt.)

Die Richtlinien fordern von uns die Überprüfung aller Rechts- und Verwaltungsvorschriften und die Aufhebung jener Rechts- und Verwaltungsnormen, die den EUGleichbehandlungsrichtlinien widersprechen. Und es werden seitens der EU-Kommission bis zum 19. Juli beziehungsweise 2. Dezember 2005, also zwei Jahre nach In-Kraft-Treten der Richtlinie, und danach regelmäßige Berichte über die Umsetzung der Richtlinien verlangt. Man wird vielleicht versucht sein zu sagen, bis 2005 ist noch ein Weilchen Zeit. Nur, meine Damen und Herren, man kann eine derartige Evaluierung und Berichtigung der Rechtsordnung natürlich nicht in das Jahr 2005 schieben. Ich verstehe die Richtlinien so, dass jetzt gehandelt werden muss. Denn es ist ja so, dass in den Richtlinien steht, dass sie bis 2003 umzusetzen sind, wobei die das InKraft-Treten der Beschäftigung und den Beruf betreffende Gleichstellungsrichtlinie bei Vorliegen besonderer Komplikationen bis maximal drei Jahre verlängert werden kann. Letzteres hoffe ich natürlich nicht. Das heißt, der Countdown läuft bereits. Er läuft seit Mitte des Jahr e s 2000. Und gerade darum stellen wir diesen Antrag. Denn ich gestehe, dass es uns unruhig werden lässt, dass man bei uns und anderswo wenig darüber hört, wie die Richtlinien umgesetzt werden sollen.

Übrigens sind in diesem Zusammenhang auch Überlegungen staatsorganisatorischer Natur nötig. Ich will nur drei Problembereiche anreißen:

Erstens. Wer ist oder soll sein die zu benennende Stelle beziehungsweise die zu benennenden Stellen, die von der Richtlinie Nummer 43 vorgeschrieben sind, die Antidiskriminierungsmaßnahmen zu fördern haben, um rassistische und ausländerfeindliche Ungleichbehandlung nichtzuzulassen? Das ist doch wohl nicht ganz so nebenher zu entscheiden, sondern verlangt ein bisschen Überlegung und intensive Diskussionen aller Beteiligten, und Möglichkeiten gibt es auch mehrere. Voraussetzung für diese Entscheidung ist aber als Erstes die Festlegung der Inhalte.

Und deshalb sind zweitens zweifellos Überlegungen nötig, was in den verschiedenen Verfahren geändert oder gar neu geschaffen werden muss. So ist beispielsweise in den Richtlinien bei Klagen eine Umkehr der Beweislast vorgesehen. Ferner sind Verbände, Frauenverbände, Menschenrechtsverbände und andere nicht staatliche Organisationen in die Verfahren einzubeziehen. Sie sind aber bereits in die Verfahren zur Schaffung der gesetzlichen Regelungen einzubeziehen. Es gibt Konsultationsmechanismen und Sanktionen sind neu zu erlassen, womit ein ganzes Bündel von gesetzgeberischen Problemen und gesetzgeberischer Arbeit aufgeworfen ist. Diese erfordern im Vorfeld umfassende Diskussionen, beispielsweise zur Frage der Auslegung von indirekten Diskriminierungen, zur Festlegung von Sanktionsmechanismen und -verfahren, und damit letztendlich die Diskussion zur

Frage von positiver Diskriminierung. Denn eines muss uns allen klar sein, und diese Richtlinien gießen es auch in Bestimmungen: Gleichstellung ist nicht nur durch Gleichbehandlung erreichbar. Wenn wir durch die Gleichbehandlung unterschiedlicher Voraussetzungen die Ungleichbehandlung einfach nur fortschreiben, werden wir die tatsächliche Gleichstellung nicht erreichen können.

Als Beispiel möchte ich eine Regelung zitieren aus dem Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 78: Dort heißt es: „Der Arbeitgeber oder jede Person oder Organisation, auf die diese Richtlinie Anwendung findet, ist im Falle von Personen mit einer bestimmten Behinderung aufgrund des einzelstaatlichen Rechts verpflichtet, geeignete Maßnahmen entsprechend den im Artikel 5 enthaltenen Grundsätzen vorzusehen, um die sich durch diese Vorschrift, dieses Kriterium oder dieses Verfahren ergebenen Nachteile zu beseitigen.“ Also, die ganz klare Aufforderung: Es geht nicht nur darum, vor sich herzutragen, wir behandeln jeden gleich, sondern es geht eben auch um die Aufforderung, aktiv zu handeln, um Nachteile zu beseitigen.

Und auch deshalb ist es drittens angezeigt, die spezielle Gesetzgebung auch unseres Landes zu Gleichstellungsfragen, zur Integration von Behinderten, Ausländern und anderen Gruppen sowie nicht zuletzt daran anknüpfende Antidiskriminierungsgesetzgebungen auf den Prüfstand zu stellen.

Nun wird man da erst einmal auf den Bundesgesetzgeber zeigen, sicherlich sogar mit einiger Berechtigung, denn Adressat der Richtlinien sind die EU-Mitgliedsländer. Nur, wir mögen es drehen und wenden, wie wir wollen, meine Damen und Herren, wir sind indirekt – wie beim EU-Recht üblich – ebenfalls Adressat. Da beißt die Maus überhaupt keinen Faden ab. Und wenn wir auf der einen Seite sagen, wir sind für die Stärkung der Rechte der Landesparlamente, sollten wir auch bei solch brennenden Themen nicht darauf verweisen, dass hier eventuell der Bund als Erstes handeln müsse.

Darum sind wir für ein synchrones Vorgehen. Ich denke schon, dass die Landesregierung bei aller Mitverantwortung des Bundes nicht passiv bleiben und auf Order oder Anforderungen aus Berlin warten kann. Dann droht uns eventuell dasselbe Desaster wie bei der Umsetzung der EU-Datenschutzrichtlinie – eine gesetzgeberische Komödie oder eher Tragödie. Dies sollten wir vermeiden. Und darum möchten wir mit dem Antrag die Landesregierung sehr schnell in die Spur schicken beziehungsweise wir möchten gern wissen, wie weit man in Berlin ist und wie weit unsere Landesregierung bereits gespurt hat. Dass dazu vorerst ein Bericht zu einzelnen wichtigen Punkten verlangt wird, die wir in dem Antrag benannt haben, genügt, versteht sich. Mehr wird bis zum Ende der Legislaturperiode nicht zu leisten sein, denn die Umsetzung ist ja noch längst nicht abgeschlossen, sondern Aufgabe für die nächsten zwei Jahre.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man mag zur EU-Entwicklung seine Bedenken haben und manches, was aus Brüssel kommt, mit kritischen Augen sehen. Das betrifft gewiss auch den Nizza-Gipfel oder das, was als Post-Nizza-Entwicklung bezeichnet wird. Diese beiden Richtlinien gehören dazu. Und es ist schon erstaunlich, dass nur wenige Monate nach dem Gipfel ein derartiges positives Signal zur Gleichbehandlung und Antidiskriminierung kommt. Umso erstaunlicher ist es, dass die Richtlinien, wie übrigens auch die EU

Grundrechtscharta, auf ein relativ begrenztes öffentliches Echo gestoßen sind. Ich denke, wir sollten beide Richtlinien ernst nehmen und mit der ernsthaften Auseinandersetzung mit dieser Aufgabe auch zeigen, dass uns der Schutz von Grundrechten und die Umsetzung der Gleichstellung in diesem Land eine Herzensangelegenheit sind. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Neumann.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Da die Fraktion der CDU ihren Redebeitrag zurückgezogen hat, erhält jetzt das Wort die Abgeordnete Beyer von der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Jahr 2000 hat die Europäische Union zwei Richtlinien zum Diskriminierungsschutz erlassen, zum einen zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft und zum Zweiten zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ohne Ansehen der ethnischen Herkunft, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Geschlechts, des Alters und der sexuellen Ausrichtung.

Die beiden Richtlinien schreiben eine Aufhebung aller Bestimmungen vor, die direkt oder indirekt diskriminierend wirken. Vorgesehen ist zudem ein Verbandsklagerecht sowie die Einführung von Sanktionen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind. Die Richtlinien müssen bis Ende 2003 umgesetzt werden.

Das Ziel beider Richtlinien, das Diskriminierungsverbot des EG-Vertrages in der Rechtsordnung durchzusetzen, berührt eine ganze Reihe sehr verschiedener Teile unserer Rechtsordnung. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung wird es bereichsspezifische Regelungen geben, die je nach ihrem fachlichen Aufbereitungsgrad in mehreren Einzelschritten verwirklicht werden müssen. Hierzu sind nach der derzeitigen Konzeption ein zivilrechtliches und ein arbeitsrechtliches Antidiskriminierungsgesetz geplant.

Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin hat bereits im vergangenen Oktober Eckpunkte einer gesetzlichen Antidiskriminierungsregelung veröffentlicht und wenig später den Entwurf eines Gesetzes zur Verhinderung von Diskriminierung im Zivilrecht vorgelegt. Es konkretisiert die bestehenden Generalklauseln im deutschen Recht. Der Betroffene kann künftig eigene Ansprüche effektiv durchsetzen. Ist dieses nicht mehr möglich, kann dem Geschädigten finanzieller Schadenersatz zugesprochen werden. Damit wird das Verbot der Benachteiligung durch konkrete Rechte untermauert.

Meine Damen und Herren! Bundesarbeitsminister Riester erarbeitet zurzeit gesetzliche Antidiskriminierungsregelungen für den arbeitsrechtlichen Umsetzungsbereich. Ich gehe allerdings davon aus, dass aus Gründen der Sorgfalt ein solider Gesetzentwurf erst in der nächsten Legislaturperiode vorgelegt werden kann.

Die Umsetzung dieses EU-Rechtes in nationales Recht ist zuerst vor allem eine Aufgabe der Bundesregierung und des Bundesgesetzgebers. Gleichwohl haben nach

unserer föderalen Kompetenzordnung die Länder das Recht und die Pflicht, an dem gesetzgeberischen Transformationsprozess mitzuwirken. Dieses wird die von uns geführte Landesregierung auch tun. Mit dem vorliegenden Antrag wird sich der Landtag durch die Landesregierung über diesen Handlungsbedarf unterrichten lassen.

Meine Damen und Herren! Es ist unsere Aufgabe, diesen Prozess weiterzuverfolgen, zu begleiten und parlamentarische Initiativen zu starten. Es ist unsere Sache, deutlich zu machen, dass Mecklenburg-Vorpommern ein weltoffenes, tolerantes Land ist. Es ist unsere Verantwortung, auch im Wahlkampf die Menschen unseres Landes zu ermutigen, mit Menschen, die anders sind, und mit Fremden zusammenzuleben und -zuarbeiten.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Das nimmt uns nichts, das gibt uns aber viel. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und ich bitte, dem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Frau Beyer.

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Koburger für die Fraktion der PDS.

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Oberflächlich betrachtet lässt die Begründung unseres Antrages scheinen, dass wir mit der Umsetzung der EU-Richtlinie Neuland betreten. Punktuell ist der Eindruck sogar richtig, da – wie andere Länder auch – die BRD noch erhebliche Nachholbedarfe hat, was die gleichberechtigte Teilhabe, sprich den Abbau von direkter und indirekter Diskriminierung eines großen Teils der Bevölkerung betrifft.

Die EU-Richtlinien geben den Mitgliedsstaaten einen konkreten Handlungsauftrag. Wir können es auch so formulieren: Bundesseitig wie auch landesseitig sind sämtliche Gesetze, Verordnungen und andere Regularien einer Generalrevision zu unterziehen. Es kommt darauf an, vorhandene mittelbare und unmittelbare Diskriminierungen herauszufiltern, zu beseitigen sowie die Schaffung von Regularien zur Verbesserung der gleichberechtigten Teilhabe der Geschlechter in allen Bereichen und für alle in den Richtlinien erfassten benachteiligten Gruppen zu erreichen.

Daraus ergeben sich für uns Forderungen, auch an die Bundesregierung, unter anderem die Novellierung des Bundesgleichstellungsgesetzes, die Überarbeitung der Vergaberichtlinien hinsichtlich der Festlegung positiver Maßnahmen, die Diskriminierungen beseitigen und bestehende Benachteiligungen aufheben sollen, sowie das Gesetz zur Gleichstellung in der Privatwirtschaft verbindlich auszugestalten. Der derzeitig zaghafte Versuch ist zwar ein nicht unwesentlicher Schritt, wie ich finde, doch wie bei fast allen bisherigen Veränderungen der Bundesregierung bleibt es leider ein Reförmchen. Die private Wirtschaft soll auf freiwilliger Basis Maßnahmen zum Abbau von Benachteiligungen ergreifen. Wer darauf hofft, ist wirklich blauäugig, zumal Sanktionen gar nicht vorgesehen sind. Somit bleibt ein solches Gesetz für mich ein Papiertiger.

In Mecklenburg-Vorpommern haben wir einige Grundvoraussetzungen für die Umsetzung der EU-Richtlinien

geschaffen. Ich denke dabei an das Landesgleichstellungsgesetz, an die Landesgleichstellungskonzeption, die Konzeption zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen in öffentlichen Verwaltungen des Landes einschließlich der Poolbildung, die dort vorgeschrieben ist, an das Programm zur beruflichen und sozialen Integration von Imigrantinnen und Imigranten und an das in Arbeit befindliche Programm „Ganz normal anders“ bezüglich der gleichberechtigten Teilhabe von gleichgeschlechtlichen Lebensformen. Also, ein Anfang ist gemacht. Trotzdem belegen bisherige Analysen, auf die BRD als Ganzes wie auch auf Mecklenburg-Vorpommern im Besonderen bezogen, wir sind gleichstellungspolitisch ein Entwicklungsland. Vorhandene Entwicklungspotentiale, die Integration aller und die Entwicklungsmöglichkeiten der und des Einzelnen nach seinen individuellen Möglichkeiten werden eben noch nicht in vollem Umfange genutzt.

Es wäre schon sehr wünschenswert, wenn wir ähnliche Entwicklungen erreicht hätten wie bereits in der Umweltpolitik, ein weit hergeholter Vergleich vielleicht. Da sind zum Beispiel neue Unternehmen entstanden, neue Verfahrenstechniken entwickelt und auch neue Erwerbsarbeitsplätze geschaffen worden. Der Hintergrund dafür: Es gab klare Rahmenbedingungen – sicherlich auch noch veränderungsbedürftig – mit entsprechenden Sanktionen, wenn diese nicht eingehalten werden. Grundlage dafür bildeten jahrelange intensive Diskussionen zu einer Veränderung beim Umgang mit und bei der Nutzung der natürlichen Ressourcen des Wirtschaftens und der Berücksichtigung der entsprechenden Folgeerscheinungen. Im Zusammenhang mit der Beendigung von Diskriminierungen und Benachteiligungen von verschiedenen Personengruppen ist dies leider noch nicht gelungen. Trotz jahrzehntelangen, ja, sogar jahrhundertelangen gesellschaftlichen Diskussionen zur Benachteiligung von Frauen in allen Bereichen, wie zum Beispiel Bildung, Ausbildung, Erwerbsarbeit und so weiter, haben wir bei weitem noch nicht die notwendigen Erfolge zu verzeichnen.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Sicherlich sind Mädchen und Frauen im Bildungsbereich nicht mehr ausgegrenzt, doch diskriminierungsfrei ist der Bildungsbereich bei weitem nicht. So gibt es beispielsweise nach wie vor bei der Gestaltung von Projekttagen Computerkurse ausschließlich für Jungen, Kochen, Nähen, Backen für Mädchen. Das muss verändert werden!

Auch wenn wir uns die Belegung der Fachgymnasien anschauen: Wo finden wir mehrheitlich Frauen und wo mehrheitlich Männer? Die Ursachen für dieses Wahlverhalten sind vielfältig, aber auch bekannt. An deren Beseitigung wird allerdings nur sehr zögerlich gearbeitet, zum Beispiel bei der Überarbeitung von Schulbüchern hinsichtlich der Darstellung von Frauen und Männern in der Gesellschaft, von Geschlechterrollen, von familialen Beziehungen, Veränderungen von Didaktik und Methodik bei der Ausbildung von Pädagoginnen und Pädagogen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Herangehensweise von Mädchen und Jungen bei der Erschließung von Lehrinhalten oder verstärkte Bemühungen für eine Veränderung des Berufswahlverhaltens bei Mädchen und Jungen, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.

Gerade der gleichberechtigte Zugang von Mädchen und Jungen im Bildungsbereich bietet besondere Ent

wicklungschancen für die gesamte Gesellschaft. Das beweist ein Blick in die Geschichte. Nach dem regelrechten Bildungsverbot für Mädchen und Frauen erfolgte schrittweise der Zugang zur Bildung bis hin zum gänzlichen Bruch mit dem Bildungsprivileg für Jungen und Männer. Das weibliche Geschlecht hat in einem historisch sehr kurzen Zeitraum bewiesen, dass Innovation, Fortschritt und die Entwicklung der Gesellschaft als Ganzes ohne sie undenkbar sind. Heute ist zu verzeichnen: Mädchen und Frauen haben bessere Leistungen und Abschlüsse als Jungen. Sie werden jedoch noch nicht in entsprechendem Maße in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik genutzt, geschweige denn sind sie schon gar nicht in adäquater Weise in Führungsetagen wiederzufinden.

Gleiches ließe sich auch bezüglich der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen darlegen. Jahrhundertelang von Ausgrenzungen jeglicher Art bis hin zur Vernichtung so genannten unwerten Lebens betroffen, hat es in der Gesellschaft – wenn auch langsam – ein Umdenken gegeben. Heute gibt es keinen Ausschluss von Bildung mehr und von Beeinträchtigungen betroffene Menschen können einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Noch vorhandene Barrieren und Vorurteile, die eine breite Umsetzung solcher Forderungen nach Erwerbsarbeitsplätzen verhindern, befinden sich vorrangig in den Köpfen von Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern, die nicht von Beeinträchtigungen betroffen sind.