Protokoll der Sitzung vom 13.03.2002

Wir haben, wenn Sie in den Bericht des Innenausschusses schauen, sehr viele Änderungen einvernehmlich, einstimmig oder nur bei ein, zwei Enthaltungen beschlossen und ich weiß – und ich halte dieses für besonders wichtig –, dass bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfes das Ministerium nicht allein gearbeitet hat, sondern dass bei der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfes der Datenschutzbeauftragte mit einbezogen worden ist und dass Dr. Kessel und seine Position beziehungsweise die Position seines Hauses hier in vielen Punkten Einfluss genommen hat, so dass wir sagen können, sehr viele der Regelungen, die wir hier haben, sind einvernehmlich.

Wir haben allerdings, und das soll hier nicht unerwähnt bleiben, zwei Bereiche gehabt, wo es kontroverse Diskussionen gegeben hat, auch innerhalb der Fraktionen, auch innerhalb des Ausschusses, auch mit dem Datenschutzbeauftragten.

Das eine war die Frage der datenschutzrechtlichen Stellung der Notare. Herr Kollege Helmrich, Sie haben ausgeführt, man könne diesen Paragraphen – das ist der Paragraph 30 – interpretieren und es gehe um die Interpretation. Richtig, es geht um die Interpretation, die man so, wenn man den reinen Text nimmt, sicherlich unterschiedlich vornehmen kann. Und deswegen halte ich es für einen sehr wohl gangbaren und vernünftigen Weg, wenn der Landtag in einer Entschließung festlegt, wie er denn diese Regelung interpretiert haben möchte. Und genau das ist der Weg, den wir mit unserem Entschließungsantrag gehen. Wir sagen in dem Entschließungsantrag, wir interpretieren diese Regelung dahin gehend, dass auch die Notare der datenschutzrechtlichen Aufsicht des Landesbeauftragten für den Datenschutz unterliegen. Nebenbei gesagt, inhaltlich stützen wir damit die Position, die Herr Kessel von Anfang an vertreten hat. Wir schließen uns dem an und wir glauben, der Weg ist ein gangbarer und ein richtiger.

Der zweite Bereich, der strittig diskutiert worden ist, ist die Frage, wer eigentlich für den außerhalb des öffentlichen Bereichs liegenden Datenschutz zuständig ist. Im Augenblick ist dieses das Innenministerium und hier gab es die Diskussion, ob diese Konstruktion, ein Datenschutzbeauftragter, der für den öffentlichen Bereich zuständig ist, und das Innenministerium, zuständig für den privaten Bereich, ob diese Konstruktion denn eine sinnvolle ist. Zweifellos kann man so verfahren, zweifellos gibt es hierfür auch eine Reihe von Argumenten, aber zweifellos gibt es auch die Gegenposition und auch hierfür lassen sich interessante Argumente finden. Ich mag ein Beispiel nennen: Wenn ein Bürger glaubt, dass die Daten, die von ihm in einem Krankenhaus erhoben worden sind, nicht ordnungsgemäß verwendet werden, dann müsste er bei der derzeitigen bestehenden Trennung zunächst einmal nachforschen, wer denn Träger dieses Krankenhauses ist, ob dieses ein Privater ist oder ein Öffentlicher.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist kein Öffentlicher.)

Wenn wir ein kommunales Krankenhaus haben,...

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist kein öffentliches Amt.)

Herr Dr. Jäger, okay.

Also, Sie können gern noch was dazu sagen. Jedenfalls halten wir es in der Praxis und aus der Sicht der Bürger – und es geht ja um die Daten der Bürger – für ein Problem, wenn er zunächst mal feststellen muss, ob die Stelle, die da seine Daten verarbeitet, eine private oder eine öffentliche ist. Aber, wie gesagt, für die derzeitige Trennung gibt es sehr wohl ebenfalls Argumente.

Ich glaube, der Weg, den wir hier gefunden haben, ist ein weiser, es zunächst einmal bei der derzeitigen rechtlichen Regelung zu lassen und der Landesregierung den Auftrag zu geben, bis zum Jahr 2004 hier eine Prüfung vorzunehmen, ob eine Vereinheitlichung der Zuständigkeit vorgenommen werden kann und gegebenenfalls wie diese dann aussieht. Wir haben also insgesamt einen, wie ich finde, runden Gesetzentwurf gemacht, auch wenn sich hier die Notwendigkeit weiterer Novellierungen andeutet. Trotzdem, glaube ich, ist es für den derzeitigen Stand der Diskussion ein vernünftiges Werk. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Müller.

Das Wort erhält jetzt die Abgeordnete Schulz von der Fraktion der PDS.

(Zurufe aus dem Plenum: Frau Schulz! – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Die Abgeordnete ist eine Frau.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Helmrich! Drei Müllers haben wir im Landtag, aber nur eine Frau Schulz. Wir begegnen uns ja sehr oft in der sechsten Etage und ich glaube, der Lapsus kommt Ihnen nicht wieder vor.

Ich habe bereits in der ersten Debatte, in der Ersten Lesung zum Gesetzentwurf zur Änderung gesagt, dass die Novellierung, die heute vorliegt, keine Sensationen enthält. Sechs Jahre waren vonnöten, um eine vergleichsweise harmlose und übersichtliche EG-Richtlinie von 1995 auf Bundesebene und innerstaatlich umzusetzen.

Meine Damen und Herren, Mecklenburg-Vorpommern war 1993 auf der Grundlage des bisher geltenden Datenschutzgesetzes klug genug, die unabhängige Behörde eines Landesdatenschutzbeauftragten als Verfassungsinstitution zu verankern und das Grundrecht auf Datenschutz verfassungsrechtlich auszuformulieren. Und ich denke, Herr Dr. Kessel und seine Behörde haben in den vergangenen Jahren auch gute Arbeit geleistet.

In den letzten Jahren sind die Begehrlichkeiten nach persönlichen Daten bei Öffentlichen, sprich bei Staat und Behörden, erheblich angewachsen und inzwischen genauso ausgeprägt wie bei Privaten. Ja, es gibt Bereiche, in denen die informationelle Gewaltenteilung nicht einmal mehr auf dem Papier steht, sondern kraft Vorschrift in ihr Gegenteil verkehrt worden ist. Wir bewegen uns datenschutzrechtlich damit auf abschüssigem Weg. Und selbst wer aus reinstem Herzen für eine prophylaktische polizeiliche Arbeit ist und dafür, dass Terroristen sowie irgendwelche Schläfer möglichst frühzeitig und im allerweitesten Vorfeld entlarvt und unschädlich gemacht werden, sollte sich in Ruhe dennoch die Frage nach den Mitteln und deren Verhältnismäßigkeit stellen.

Meine Damen und Herren, ich möchte auf die Ausführungen von Herrn Helmrich und Herrn Müller zum Verlauf der Gesetzesausarbeitung zurückkommen und noch mal etwas zum Problem der Notare sagen. Hier unterstreiche ich deutlich, dass wir ausdrücklich die Auffassung von Dr. Kessel unterstützen und zur ähnlichen Erkenntnis gekommen sind, wie sie eben Herr Müller vorgetragen hat. Ich glaube, es ist nötig, dass mit der Entschließung in unserem Gesetzentwurf hoffentlich klar sein muss, dass Notare eben der Kontrolle des Datenschutzbeauftragten unterliegen. Für Notare und andere öffentliche Stellen, die von Gesetzes wegen der regelmäßigen Aufsicht, Prüfung und Überwachung durch Justizbehörden unterliegen, wird keine datenschutzrechtliche Extrawurst gebraten. Und warum wohl auch, frage ich mich. Unsere Verfassung sieht in Artikel 37 für ausnahmslos alle Stellen der öffentlichen Verwaltung das Kontrollrecht des Datenschutzbeauftragten vor.

Frau Abgeordnete Schulz, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Helmrich?

Am Ende, Herr Helmrich.

Und in der Bundesnotarordnung heißt es gleich im ersten Satz unmissverständlich: Notare sind „unabhängige Träger eines öffentlichen Amtes“. Es ist in dem Zusammenhang aus unserer Sicht deshalb einfach grotesk, gegenüber der Datenschutzkontrolle seitens des Datenschutzbeauftragten das Notargeheimnis zu reklamieren. Hier ist die Verfassungslage doch völlig klar. Keine öffentliche Stelle, auch nicht der Verfassungsschutz, kann der Kontrolle des Datenschutzbeauftragten irgendwelche Geheimnisse entgegenhalten. Die Verfassung selbst kennt in Ansehung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung keine Geheimniskrämerei. Mir wäre es, da es darüber nach wie vor Zweifel gibt, meine Damen und Herren, sogar lieb gewesen, in unserem Gesetz eine solche Formulierung zu verankern, wie sie beispielsweise im sächsischen Datenschutzgesetz gilt. Dort heißt es in Paragraph 24: Die Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten „erstreckt sich auf personenbezogene Daten, die einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegen“. Komisch, sage ich da mal, dass manches, was sich selbst im schwarzen Sachsen und anderswo als längst richtig herausgestellt hat, bei uns so lange braucht, um umgesetzt zu werden.

(Minister Dr. Gottfried Timm: Sachsen bleibt aber nicht schwarz.)

Einen Punkt möchte ich heute erneut benennen. Das betrifft die Kontrolle der Privaten, wie es heißt, der nicht öffentlichen Stellen. Herr Müller hat es auch angeschnitten. Die getroffene gesetzgeberische Lösung, den Status quo befristet beizubehalten, ist aus unserer Sicht eben lediglich ein gewisser Notnagel. Die Kuh ist, wie man so sagt, noch nicht vom Eis. Sie steht noch drauf. Eine klare Entscheidung ist verschoben, denn der Gesetzgeber – wer das dann auch sein mag – hat zwei Jahre Zeit, die Kontrolle zu vereinheitlichen, sie in die Hand einer Behörde zu legen. Nach Lage der Dinge, da wir das Verfassungsorgan des Landesdatenschutzbeauftragten haben, kann diese einheitliche Behörde eigentlich nur der Landesdatenschutzbeauftragte sein. Natürlich ist dabei abzuwägen, dass es unterschiedliche Lösungen zum Beispiel in Schleswig-Holstein oder auch in Berlin gibt. Aber es ist ja auch möglich, dieses in der Beratung auszudiskutieren. In diesem Zusammenhang ist eben auch zu hoffen, dass die Konferenz der Innenminister, von der Herr Dr. Timm ja auch sprach, sich mit diesem Problemfeld befasst, eine Lösung ausarbeitet und empfiehlt, die bundeseinheitlichen Charakter hat und der klaren Vorschrift der EGRichtlinie entspricht.

Denn klar ist aus prinzipiellen Gründen, dass die bereits entstandene informationelle Überherrschaft der Privaten mindestens eine Kontrolle auf einem solchen Niveau erfordert, wie es sie für die öffentlichen Stellen gibt. Private und öffentliche Datenverarbeitung sind heute kaum noch auseinander zu halten. Daher entstehen durchaus Synergieeffekte, wenn sich nicht zwei oder mehrere Stellen, sondern eben nur eine um die Kontrolle kümmert. Herr Müller hat das Krankenhausbeispiel genannt. Ich habe in der Ersten Lesung auf den Schulbus verwiesen.

Es liegt eben auch im Interesse von Bürgerinnen und Bürgern, wenn sie wissen, dass eine Behörde, nämlich der Datenschutzbeauftragte, ihre Anliegen verfolgt. Die Verfassung unterscheidet bezeichnenderweise auch überhaupt nicht nach privater oder öffentlicher Datenver

arbeitung. Wozu auch? Die Prämisse von Artikel 37 besagt, dass zur Wahrung des Rechts der Bürger auf Schutz ihrer persönlichen Daten ein Datenschutzbeauftragter bestellt ist, der unabhängig ist, der vom Landtag demokratisch legitimiert ist und der vom Bürger angerufen werden kann. Und da steht eben nicht, dass er nur dann angerufen werden kann, wenn es um öffentliche Datenverarbeitung geht, und er beim Innenminister anrufen muss, wenn er wegen privater Begehrlichkeiten vorsprechen möchte.

Und in der Tat, meine Damen und Herren, entspricht die Verfassungssituation des Datenschutzbeauftragten dem am ehesten, was die EG-Richtlinie in Punkt 28 verlangt. Der Text ist an dieser Stelle so klar, dass man ihn nur mit besonderem Vorsatz missverstehen kann. Es geht um eine unabhängige Behörde, steht dort. Und Brüssel hat inzwischen auch schon mit dem Stock gedroht. In einem Schreiben der EU-Kommission, das inzwischen auch bei uns bekannt sein dürfte, lässt EU-Kommissar Bolkestein Folgendes mitteilen: Es würde geprüft, wie die EU-Richtlinie seitens der Bundesregierung einheitlich umgesetzt wird. Die Richtlinie verlange, schreibt der Kommissar, Kontrollstellen, die ihre Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahrnehmen.

(Minister Dr. Gottfried Timm: So was gibt es gar nicht!)

Und es erfolgt gleich noch ein Wink mit dem Zaunpfahl, indem Bolkestein festgestellt wissen möchte, „dass diese Kontrollstellen als solche keinerlei Weisungen unterworfen sind, dass ihre Entscheidungen nicht durch politische Instanzen beeinflusst oder abgeändert werden können und dass die Bestellung ihres Leiters nicht ausschließlich durch die Exekutive erfolgt“. Ende der klaren Durchsage aus Brüssel! Nehmen wir also die Hinweise aus Brüssel ernst, bestätigen heute den Gesetzentwurf zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften und arbeiten intensiv an der Lösung der offenen Punkte! Herr Timm hat vom Gipfelerklimmen gesprochen. Vielleicht ist uns diese Lösung schon vor Ablauf einer Zweijahresfrist möglich. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Frau Schulz.

Gestatten Sie jetzt die Anfrage des Abgeordneten Helmrich?

Bitte schön.

Herr Helmrich, bitte schön.

Frau Kollegin Schulz, ist Ihnen bekannt, dass in Paragraph 93 der Bundesnotarordnung den aufsichtsführenden Stellen über Notare auch ausdrücklich die Aufgabe zugewiesen ist, dort nach datenschutzrechtlichen Vorstellungen zu prüfen? Erstens.

Zweitens. Sollte es Ihnen nicht bekannt sein, dann kann man es gerne nachlesen. Wenn Sie dann aber mit mir unterstellen würden, dass es so ist, gibt es irgendwo eine Erklärung für die Doppelarbeit? Sind Sie mit mir einverstanden, dass es dann ähnlich ist, wie wir es in der gewerblichen Wirtschaft beklagen, dass dort für die Kontrolle von Maschinen etwa drei, vier verschiedene Beauftragte prüfen kommen und wir das für eine überflüssige Prüfung halten, etwa der Beauftragte der Berufsgenos

senschaft, der Beauftragte der Versicherung, der Beauftragte des Gewerbeaufsichtsamtes, die kommen alle hintereinander und prüfen? Und hier haben wir eine Prüfungspflicht für Notare durch die Landgerichtspräsidenten und seine Beauftragten. Wozu brauchen wir dann noch die notarielle? Sie haben eine Vorschrift zitiert aus Bayern, da ist es vorgeschrieben. Nur bei uns ist es eben nicht vorgeschrieben.

(Zuruf aus dem Plenum: Keine Aussagen, sondern Frage!)

Es ist gestrichen worden.

(Zuruf aus dem Plenum: Frage!)

Und deshalb kann ich nicht verstehen, warum Sie einer Doppelprüfung – und das ist meine Frage –, warum Sie einer Doppelprüfung das Wort reden, obwohl Sie sie nicht ins Gesetz schreiben.

Herr Dr. Helmrich, wir wollen uns nicht streiten.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Er ist nicht Doktor.)

Sicher kennen Sie die Bundesnotarordnung besser als ich, aber Sie haben eigentlich keine Frage gestellt, sondern mir sehr deutlich gemacht, was dort alles für Paragraphen zitiert sind. Ich habe mich deutlich auf unsere Verfassung berufen, habe deutlich gemacht, dass das Notargeheimnis überhaupt nicht bedient ist und dass es lediglich darum geht, dass Notare genauso wie andere öffentliche Stellen, wie Ärzte und so weiter, behandelt werden. Und dabei sollten wir doch auch bleiben.

(Beifall Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Richtig. Andere werden auch weiter kontrolliert.)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen damit zur Einzelberatung über den von der Landesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften auf der Drucksache 3/2219. Der Innenausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Fassung seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 3/2765 anzunehmen.

Wir kommen zur Einzelabstimmung.

Ich rufe auf den Artikel 1 in der Fassung der Beschlussempfehlung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Artikel 1 in der Fassung der Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Fraktion der SPD, der CDU und der PDS angenommen.