Sechstens. Im Gesetz wird eine Probezeit für drei Jahre festgelegt. Für eine Startphase können Ausnahmeregelungen zugelassen werden. Die unbefristete staatliche Anerkennung erfolgt nach einer Bewertung, die durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Auftrag gegeben wird.
Siebtens. Berufsakademien sollen in Mecklenburg-Vorpommern nur als nicht staatliche Einrichtungen anerkannt werden. Die Koalition bekennt sich eindeutig zu den staatlichen Hochschulen im Land, deren finanzielle Mittel in keiner Weise beschnitten werden dürfen. Sie haben für die Entwicklung des Hochschulstandortes Mecklenburg-Vorpommern und für die Wahrung der Chancengleichheit junger Menschen im Land oberste Priorität. Das Gesetz wird keine Benachteiligung der Fachhochschulen zur Folge haben. Dazu sind die Bedingungen und Schwerpunkte für beide Studieneinrichtungen zu verschieden. Berufsakademien werden aber – und das ist durchaus gewollt – den Wettbewerb zwischen den Einrichtungen befördern.
Das Gesetz schafft somit allein den rechtlichen Rahmen für gegenwärtige Initiativen aus dem Sozialbereich, aus der Wirtschaft und der Verwaltung zur Gründung von Berufsakademien. Hier bietet das Land seine Unterstützung an. Unter diesen Prämissen wird eingeschätzt, dass ein Berufsakademiegesetz die Chancengleichheit der Auszubildenden nicht aushebelt, sondern im Gegenteil zu einer wesentlichen Bereicherung der Bildungslandschaft in Mecklenburg-Vorpommern beiträgt. Die hierin liegenden Potenzen, auch Menschen aus anderen Bundesländern ins Land zu holen beziehungsweise Synergieeffekte durch länderübergreifende Kooperation mit Ausbildungsbetrieben zu erzielen, sind nicht zu unterschätzen. Mit diesem Gesetz kann im Bildungsbereich einerseits etwas für die demographische Entwicklung im Land und andererseits für die berufliche Aus-, Fort- und Weiterbildung im Sozial-, Wirtschafts- und Verwaltungsbereich und der notwendigen Professionalisierung getan werden.
In diesem Sinne schlagen wir Ihnen eine Überweisung des vorliegenden Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur und in den Wirtschaftsausschuss vor. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie muten dem Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur doch einiges zu.
In den letzten knapp sechs Monaten dieser Legislaturperiode verfallen Sie in einen Aktionismus, als hätte diese Legislaturperiode nur gerade eben diese sechs Monate.
Angesichts dieser Torschlusspanik müssen wir doch eigentlich geradezu froh sein, dass Herr Bildungsminister Kauffold am Anfang dieser Legislaturperiode – und zur Erinnerung, das war im Herbst 1998 – den Sport in das Sozialministerium verbannte, denn sonst hätten wir heute noch einen Antrag auf Verlängerung der Legislaturperiode stellen müssen.
(Sylvia Bretschneider, SPD: Was hat das denn mit den Berufsakademien zu tun? Zur Sache, Frau Schnoor!)
An eine ernsthafte Beratung ist angesichts dieses Pensums weder beim Schulgesetz, schon gar nicht beim Landeshochschulgesetz noch beim jetzt eingebrachten Gesetz zu denken, zumal es ja im engen Zusammenhang mit dem Landeshochschulgesetz zu sehen ist.
Aufgrund des zu leistenden Arbeitspensums entsteht doch zunehmend der Eindruck, dass das Ergebnis von Gesetzentwürfen schon von vornherein feststeht, die Beratungen nur noch Makulatur und die Anhörungen ein Schaulaufen sind. So produzieren wir als gewählte Abgeordnete Politikverdrossenheit, meine Damen und Herren! Das sollte uns bei all diesen Verfahren wirklich klar sein.
(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Sylvia Bretschneider, SPD: Oh, oh, oh, was suggerieren Sie denn hier für einen Unsinn?!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! All dies hat jedoch nichts damit zu tun, dass dieses Gesetz überfällig ist. Ich habe bereits im November 1992 einen Vertrag mit den Ländern Baden-Württemberg, Berlin, Sachsen und
Sachsen-Anhalt über die Anerkennung von Abschlüssen der Berufsakademien als Abschlüsse im tertiären Bereich abgeschlossen, so dass dieses Thema für mich nicht neu ist.
Gleich werden Sie mir dann wieder Vorwürfe machen, warum denn die CDU 1992 oder 1993 nicht bereits ein Berufsakademiegesetz verabschiedet hätte. Meine Damen u nd Herren, die Antwort kann ich Ihnen ganz einfach geben, weil – und das ist das Charakteristikum von Berufsakademien – diese Bildungseinrichtungen von der Wirtschaft getragen werden, die Wirtschaft 1992 jedoch noch nicht so entwickelt war, dass Bedarf für ein solches Gesetz bestand und scheinbar bis heute nicht besteht,
Ob die Wirtschaft diese Leistungsfähigkeit, diesen Bedarf heute formulieren kann, mit Sicherheit werden Sie mir dies nicht sagen können. Gesichert bekannt ist, dass eine einzelne Initiative aus Rostock Sozialpädagogen in einer Berufsakademie ausbilden möchte. Auch wenn wir nur für diese Initiative noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetz verabschieden oder besser durchpeitschen müssen, haben wir kein Problem damit, wenn wir, ja wenn wir im Bildungsausschuss noch die eine oder andere missverständliche Regelung oder Intention geglättet bekommen. Ich hoffe da sehr auf konsensuale Gespräche, meine Damen und Herren,
da dieses Gesetz ja im Unterschied zum Schulgesetz oder auch zum Hochschulgesetz nicht die großen Dissonanzen hervorrufen sollte.
Ich will Ihnen auch gleich hier an dieser Stelle sagen, woran ich meine Änderungen festmachen werde. Bei den Berufsakademien – und hier geht es ja vor allem um die Definition einer solchen Bildungseinrichtung und der Anerkennung der Abschlüsse – werde ich mich am Berufsakademiegesetz des Landes Baden-Württemberg orientieren. Baden-Württemberg als Mutterland der Berufsakademie hat ein Modell umgesetzt, das meinen Vorstellungen von einer Berufsakademie entspricht. Und ich frage Sie: Warum sollen wir das Fahrrad zweimal erfinden?
Dass dieses Gesetz nun von einer SPD/PDS-Regierung eingebracht wird, ist, zumindest historisch gesehen, schon bemerkenswert.
Gerade nämlich die Gewerkschaften, und hier vornehmlich der DGB, kämpften in der Gründungsphase der Berufsakademien gegen sie, damals noch verblendet von der ideologischen Auseinandersetzung zwischen der Frage der Einrichtung von Gesamthochschulen oder der Fortführung eines differenzierten Hochschulsystems.
(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Ja, ja, die anderen und die Ideologie! Ne, Frau Schnoor? Immer die anderen und ihre Ideologie.)
Das differenzierte Hochschulsystem hat sich durchgesetzt, die Berufsakademien haben ihre überregionale Anerkennung gefunden. Und ich bin heute froh, schon 1992 dazu einen Beitrag geleistet zu haben,
obwohl erst im September des Jahres 1995 die KMK an die Länder die Empfehlung aussprach, die Abschlüsse der Berufsakademien den Fachhochschulabschlüssen gleichzustellen.
In der Auseinandersetzung um Gesamthochschulen oder ein differenziertes Hochschulsystem hat das differenzierte System seine Stärke beweisen können,
nämlich so stark, dass eine sozialistische Landesregierung im Nordosten ein Erfolgsmodell aus dem Südwesten oder ein Erfolgsmodell der Südländer – so kann man es auch nennen – übernimmt.
(Sylvia Bretschneider, SPD: Wovon reden Sie? – Dr. Gerhard Bartels, PDS: So viel zur ideo- logischen Verblendung, Frau Schnoor!)
Und, meine Damen und Herren, das nenne ich im Wahljahr 2002 einen echten Erfolg. Zudem bin ich guter Hoffnung, dass sich nach PISA diese Erkenntnis auch im Schulbereich durchsetzen wird.
Sagen Sie mal, haben Sie keinen Friseur, Frau Bretschneider? Sie reden ohne Unterlass und keiner hört Ihnen zu.
(Heiterkeit bei Sylvia Bretschneider, SPD, und Gesine Skrzepski, CDU – Sylvia Bretschneider, SPD: Werden Sie mal nicht anzüglich da vorne!)
Grundsätzlich stimmt die Struktur dieses Gesetzes. Im Vergleich zu Baden-Württemberg ist natürlich auffällig, dass die eine oder andere Detailregelung auf Rechtsverordnung verschoben wird beziehungsweise gänzlich fehlt. Inwieweit dies im Anerkennungsprozess zu Schwierigkeiten führen kann, gerade was die institutionelle Struktur und die Zuweisung von Verantwortlichkeiten betrifft, das muss in den Ausschussberatungen noch geklärt werden. Klärungsbedürftig ist auch der Umstand, ob wir die Berufsakademien als Fortbildungsstätte definieren wollen. Weiterbilden ja, meine Damen und Herren, aber fortbilden? Meiner Auffassung nach relativiert der Fortbildungsaspekt den Status der Berufsakademie, die den Hochschulen gleichwertig zugeordnet ist. Im Entwurf des Landeshochschulgesetzes weisen wir den Hochschulen auch keine Fortbildungsfunktion zu, aber betonen ausdrücklich den Weiterbildungsgedanken. An dieser Stelle sollten wir bestrebt sein, um die Gleichwertigkeit zu halten, dies im Paragraphen 1 Absatz 4 des Gesetzes auch deutlich zu machen. Es gibt erhebliche qualitative Unterschiede zwischen einer Fort- und einer Weiterbildung, wenn ich Sie darauf hinweisen darf. Das sollten wir berücksichtigen.
Im gleichen Zusammenhang sei erwähnt, dass Berufsakademien eine vorrangige wissenschaftsorientierte Bildung vermittelt, die zugleich praxisorientiert ist, und nicht